TwinYawgmoth
Champion des Hains, Storywriter of the Years
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Kapitel 75 – Der Gipfel der Schmerzen
Eine bessere Folter als den Kampf um Travincal hätte sich kein Meister dieser Disziplin ausdenken können. Immer wieder werden mir Gliedmaßen abgetrennt, Gelenke zertrümmert, der Bauch aufgeschlitzt, der Hals durchbohrt. Ich erhalte unzählige Schläge auf Brust, Rücken, Beine und ins Gesicht. Vor meinen Augen hängt ein konstanter Schleier des eigenen Blutes, welches sich aber längst nur noch aus dem von vielen Fremden abgesaugten zusammensetzt.
Da greifen zwei Gläubige an, sie haben sich abgesprochen, und schlagen zu, als ich gerade kurz abgelenkt bin gegen einen dritten Gegner, mein linker Arm fällt zu Boden, und mein Schrei verdoppelt seine Intensität, als die rechte Hand ebenfalls fast völlig abgetrennt wird. Schnell, getrieben von Verzweiflung und Schmerz, reiße ich die rettenden Klauen daran hoch, aber das Gelenk funktioniert nicht mehr, der Schlag geht ins Leere, und eine Bardike saust auf meinen Kopf zu…
…ich stehe neben dem Meister, meine Arme taub, aber noch an mir, die Knochenkrallen, wie ich sehe, schon ausgefahren – sie wurden von ihm schon so neu erschaffen – und er packt mit von Blutergüssen überzogenen Händen einen meiner Arme, reißt ihn hoch, die Krallen fahren in die Brust eines überraschten Fanatikers, und mein Gefühl in den Armen kehrt zurück.
Leider.
Des Gegners Wunde heilt schon, da rammt der Meister ihm den Dolch in die Seite. Schnell trenne ich die Verbindung, um nicht das Gift aufzusaugen, da übernimmt der Zweite, packt den Kopf des verdrehten Menschen und bricht mit geübter Bewegung sein Genick, er ist sofort tot.
„Reiß ihn auseinander!“
Immer noch lasse ich den Zweiten walten, um dem grausamen Befehl zu entgehen. Dieser benutzt erst die Leiche einmal als Keule, um sich kurz Zeit zu geben, und lässt dann die Wirbelsäule zerschnappen; das verfaulte Fleisch um die Dolchwunde gibt leicht nach. Mit dem Unterleib des Toten erschafft der Meister eine dringend benötigte neue Knochenrüstung, den Oberkörper schleudere ich in eine Gruppe Gegner, er explodiert. Ist wenigstens einer…
Eine zweite Explosion ertönt. Ja!
„Zu den Heilern, Golem! Wir haben eine Gelegenheit!“
Was, wenn sie wieder teleportieren?
Lauf!
Besser, als die Chance verstreichen zu lassen…ich sprinte durch den Korridor aus momentan gefällten Gegnern….die ersten stehen schon wieder auf, aber halt! Mindestens zwei als Skelette! So werden wir…
Spring!
Statt selbst zu tun, was der Zweite verlangt, gebe ich ihm kurzerhand die Kontrolle – auch, weil ich nicht weiß, was genau er von mir will. Einen winzigen Augenblick zögert er, leicht überrascht – dann wandelt er das beginnende Stolpern in eine Vorwärtsbewegung um. Es wird ein kräftiger Hechtsprung, mein Körper streckt sich in der Luft…und jetzt, wo ich auf die Beobachterrolle beschränkt bin, sehe ich, wie der Hierofant vor mir seine Arme herabreißt…
Klirrender Schmerz durchfährt mein Bein, als eine Eisspitze den Fuß durchbohrt. Ich höre, wie hinter mir der Blizzard niedergeht, Knochen zerspringen lässt…
…so viel zu den Skeletten…
…und Fleisch schockfrostet…?
Erinner dich, wie sie standen – der hat mindestens drei seiner Leute erwischt…nicht-Gläubige eben.
Das ist doch…
Du willst mir nicht sagen, dass dich das überrascht.
Gah…
Während unseres kurzen Dialogs hat der Zweite versucht, aufzustehen und ist gescheitert. Eisige Kälte durchzieht unseren Körper und verlangsamt jede Bewegung…
Grinsend hebt der Heiler die Hände. Weg!
Der Zweite rollt sich zur Seite, etwas verzögert, aber die Schwerkraft hilft; der Blitzschlag verfehlt uns um Haaresbreite. Jetzt liegen wir auf dem Rücken; der Regen prasselt schwer nieder, unsere sich durch die Verletzungen des Meisters mehrenden Wunden ständig neu reizend. Wenigstens sind sie gekühlt…
Denk keinen Unsinn und hilf mir!
Ich spüre, wie meine Ellenbogen sich gegen den Steinboden pressen, mein Oberkörper sich langsam hebt…und innehält. Meine Muskeln brennen wie Feuer trotz der Kälte in ihnen. Der Zauberer hebt die Hände.
Wobei soll ich dir helfen?
Ich…
Ich schaffe es nicht alleine.
Ein Schock nicht ungleich einem elektrischen durchfährt mich; der Zweite hat noch nie…
aber was solls? Wir müssen aufstehen! Ich konzentriere mich auf dieses Ziel, nur…diese Bewegung…hoch mit dem Oberkörper…
Hoch…
Zwing deine Muskeln!
Es sind keine Muskeln! Es ist magisch verdichtetes Blut!
Dann können sie nicht müde sein! Die Erschöpfung ist…psychologisch.
Nein…der Meister hat eine Bauchwunde…
Kurz übermannt mich Verzweiflung. Für einen schrecklichen Moment will ich einfach wieder zu Boden fallen und sterben.
Nein.
Kontrolle! Ich schnappe sie mir, vergesse die Bauchnichtmuskeln und rolle mich zur Seite…was der Gegner vorhergesehen hat, durch Glück erwischt er die richtige Seite und der Blitzstrahl trifft uns in den Rücken. Aah…kurz wird mir schwarz vor Augen.
Ganz kurz…keine scheinbare Ewigkeit. Ich lebe…ich lebe! Der Schmerz macht das überdeutlich. Meine Arme zucken…
Es sind keine Muskeln…
Du hast Recht…also haltet…
Still.
Und wir schreien gemeinsam unseren Zorn auf das Böse hinaus, auf die eigene Machtlosigkeit, und gemeinsam fokussiert sich unsere Willenskraft; zwei Seelen, ein Ziel: Das Zittern muss enden…und wir müssen…aufstehen.
Ohne uns auch nur eine Sekunde absprechen zu müssen, strecken wir unsere geistigen Hände aus und schütteln sie in stummer Übereinkunft. Vor uns steht ein Berg der Pein, wir werden ihn erklimmen, ihn besiegen, als Partner.
So beginnen wir den Aufstieg. Wann immer einer von uns es nicht mehr aushält, übernimmt der andere. Zentimeter für Zentimeter, mit Kontrollwechseln nahezu im Sekundentakt, stemmen wir starken Geister den schwachen Körper in die Höhe…weiter…weiter…
Und das letzte Mal packt eine helfende Hand die des dankbaren Partners, zieht diesen mit auf den Gipfel, und wir stehen zusammen auf dem bezwungenen Schmerzberg.
Aufrecht.
Töten wir…diesen…Bastard.
Ein erster stolpernder Schritt.
Ein Blitz in die Brust. Die gepeinigten Beine wanken…
Tö. Ten.
Der Zweite ballt die Hände zur Faust.
Für den General!
Ich setze einen Fuß vor den anderen.
Vorsicht.
Schon gesehen! Ich drehe meine Brust zur Seite, und der Blitz schießt vorbei.
Genug gezögert. Wir gehen los. Jeder Schritt bohrt Dornen in den verletzten Fuß. Die Brandwunden an Brust und Rücken reißen auf. Aber unsere Arme schwingen, die Beine pumpen…die Schritte werden schneller. Der Hierofant weicht zurück, hebt wieder die Arme…
Nicht stehen bleiben. Nicht ausweichen. Er ist zu nah.
Keine Sorge…aah!
Ich brülle, als der Strom mich durchfährt. Ein Blitzschlag aus nächster Nähe…der Schmerz…schwarze Punkte durchziehen mein Gesichtsfeld, die Sicht verschwimmt, ich kann…nicht mehr…stehen…
Arm hoch…
Wie aus Reflex schießt er hoch…und meine Finger berühren die Brust des gelb berobten Bastards. Als mein Blick sich klärt, trifft er seinen. Die Augen sind geweitet, auf seiner Stirn steht der Schweiß in dicken Tropfen…mehr, als die Angst je hervorrufen könnte…
„Kein Mana mehr, hm?“
Der Kopf mit bleistiftdünnen, zusammengepressten Lippen wird langsam geschüttelt.
„Zu blöd…“
Der Zweite zieht die Finger ein, stößt die Faust nach vorne, lässt gleichzeitig die Krallen herausspringen und durchbohrt den Hierofanten komplett. Seine Füße baumeln mehrere Zentimeter über dem Boden, als warmes Blut meinen Arm herabläuft.
So können wir nicht saugen…
Gönn mir nur zwei Sekunden…Genuss.
„…das war wohl leicht kurzsichtig von dir!“
Mit voller Kraft sticht der Zweite dem zitternden und hustenden Heiler die Finger meiner freien Hand in die Augen, lässt sie dort für eine halbe Sekunde, die sich zu einer Ewigkeit zu ziehen scheint und mir völlig unerträglich ist, dann schmettert er den einstigen Priester auf den Boden und rammt beide Blutkanäle in dessen Herz; endlich heilen wir.
Du bist ekelhaft.
Ich habe einen dezidierten Mangel an Widerspruch von deiner Seite festgestellt.
Ich…
Du weißt, dass du mich hättest aufhalten können. Mit einem einzigen Gedanken. Was sagt das über deinen so unglaublichen Ekel? Du hast ihn hingenommen, weil du wolltest, dass ich diesem Bastard weh tue. Dein Hass hat dein Unbehagen überwunden.
Hör auf!
Dann mach mir nie wieder Vorhaltungen. Du tappst auch nur zu gerne in die Falle deiner eigenen Wut. Der Unterschied zwischen uns ist nur, dass du es nicht zugibst.
…vielleicht sollten wir uns jetzt lieber um den Kampf kümmern.
Ja. Vielleicht.
Wieder stürze ich ins Getümmel…was bleibt mir übrig? Ich muss tun, was getan werden muss gegen einen grausamen Feind, der perfide unsere eigenen Leute gegen uns wendet. Dazu gehört auch, dass ich den verstümmelten Leichnam eines ehemaligen Priesters mitschleppen muss, der den Gegenstand seiner Anbetung ins genaue Gegenteil kehrte.
Einige Zakarumiten versuchen, mich aufzuhalten, doch sie sind willkommen; die größte Gefahr für mein Vorankommen besteht aus den Verletzungen des Meisters, die sich mehren und meine Schritte langsamer werden lassen, aus Vorsicht; wegen einer plötzlichen Beinwunde zu stolpern wäre fatal. Näher und näher kommen sie, und ich spüre die Schmerzen eines gebrochenen Arms, eines Schnittes auf der Stirn, eines zerquetschten Fußes…
Da explodiert meine Last, Gegner werden zu Boden geworfen, ich springe hinterher, stoße zu, und vernichte zwei, zerstöre ihr Leben, weil die Heiler mit dem Heiler nicht hinterher kommen; frische Skelette stürzen sich auf gerade wieder aufstehende Dämonenverderbte, die noch nach ihren Waffen greifen – und zu Boden geknüppelt werden, immer wieder, die Kräfte der Heiler binden. Und da fällt einer direkt vor mir um, durch einen Tritt in die Brust, darunter verfault er – und ich sehe den Meister, das Gesicht eine Maske grimmiger Entschlossenheit. Zumindest, soweit ich das unter dem ganzen Blut erkennen kann. Seine Knochenrüstung ist längst zerbröselt.
„Komm zu mir…“
„Ich bin da!“
Sofort renne ich los, stoße eine herabsausende Bardike weg und packe ihn am ausgestreckten Arm; ein Ruck, und er ist frei aus dem Hexenkessel. Ohne Pause steche ich einen Blauhäutigen in die Flanke, um uns beide wiederherzustellen; das Jade-Tan-Do zuckt plötzlich an meiner Schläfe vorbei, öffnet die Kehle meines Opfers und ist wieder weg. In meinem Moment der Überraschung übernimmt der Zweite, reißt die Kralle aus dem Blutstrom, fällt den Zakarumiten mit einem Beinfeger und tritt sein Brustbein ein. Die nahen Gegner weichen schnell zurück, sie lernen; aber keine Explosion ertönt, der Meister ist schweißgebadet.
„Verdammt…aber wir werden trotzdem siegen!“
Der Meister lächelt mich von der Seite an.
„Davon bin ich quasi überzeugt.“
Er wehrt noch einen Schlag mit der Wand der Augenlosen ab, dann laufen mehrere Skelette an uns vorbei und metzeln die überrumpelten übrigen Nahkämpfer fast widerstandslos nieder. Der letzte sinkt zu Boden, und unsere Blicke richten sich auf je einen der Priester, die einzigen Überlebenden des Massakers. Die Skelette teilen sich auf.
„So, jetzt…“
„Blizzard! Meister, ein Eisengolem, schnell!“
Er hat doch kein Mana mehr…
Aus der Plateaumitte dann…
Zu spät…!
Die Eisspitzen fallen, und ich stürze mich auf den Meister.
Nein, du Narr! Er hat weit bessere Widerstände durch seine Ausrüstung, wir werden zu Eiswürfeln verarbeitet!
Nein…Schmerzen prasseln auf mich ein. Ein Geschoß überzieht meine Hüften mit Frost, tödliches Eis breitet sich aus meinem Bein aus, meine Schulter wird getroffen, wie ein schweres Gewicht landet ein Schlag magischen Hagels mitten auf meinem Rücken…meine ewig offenen Augen sehen das bläulich-weiße Funkeln des Zaubers direkt vor mir niedergehen, seltsam wunderschön…
Das Licht schwindet. Nur noch Regen fällt vor mir und auf mich. Und ich lebe noch. Zwar fühle ich mich selbst wie ein Eisblock, aber ja! Ich…lebe…
Schwärze.
Vor mir versucht der Meister mit zitternden Händen, einen Heiltrank zu entkorken. Schnell eile ich ihm zur Hilfe, halte die Flasche an seinen Mund…mit Metallfingern. Oh. Er hatte wohl wieder genug Mana…und hier lang genug Material herum. Wie aber haben wir gerade den Blizzard überlebt?
Der Druck auf unserem Rücken…keine Eisspitze, ein Skelett!
Oh. Bravo, General.
Seih froh, dass er mehr Geistesgegenwart hat als du. Es wäre unserer Sicherheit weit zuträglicher gewesen, wenn du ihn über dich gelegt hättest, so hätte er deine Schmerzen nicht spüren müssen und für genau solche Situationen trägt er ja Rüstungen mit Resistenzattributen!
Ist jetzt gut. Verzeih meine Reflexe. Der Meister gewinnt gerade wieder an Farbe, und…
Diesmal sehe ich es vor dem Zweiten. Ich gehorche erneut meinem diesmal richtigen Reflex, werfe mich über den Menschen am Boden, schnell korrigiert der Zweite meine Haltung, um Hautkontakt zu vermeiden, und gerade noch rechtzeitig – sofort wird mein ganzer Körper eiskalt, das Metall zieht sich teilweise unangenehm zusammen…
Aber es passiert mir nichts Schlimmes. Es ist kalt, ja, sehr kalt, aber…das wars. Die Kälte lässt mich völlig kalt!
Du hast das nicht gerade gedacht.
Ich denke, jetzt ist es Zeit, den Kerlen ordentlich einzuheizen.
…ich möchte noch einmal betonen, wie sehr ich dich hasse.
„Alles klar?“
„‘s prima, Golem. Danke. Machen wir sie fertig, du nimmst den rechten. Auf drei. Eins…zwei…“
Als der erste Buchstabe der letzten Zahl über seine Lippen zu rollen beginnt, katapultiere ich mich hoch, endlich wieder in einem unglaublich stabilen Körper, und renne sofort auf mein Ziel zu. Ein Blitz feuert. Trifft mich frontal. Der Strom durchzuckt mich…
„Ha! Du denkst, das kann mich noch schocken?“
Hörst du auf damit?
Nach dem, was ich gerade durchgemacht habe, ist dieser Schmerz lachhaft! Wieder hebt der Kantor die Arme, diesmal mit der sicheren Absicht, davonzuteleportieren…
Er lässt sie fallen.
Und glotzt blöde auf mein Schwert, das in seiner Brust steckt.
„Bin doch schneller, als du dachtest, was? Der Geschockte bist also letztlich…du.“
Er kommentiert das zeitgleich mit dem Zweiten durch ein Würgen und fällt zu Boden. Schnell fahre ich herum, um zu sehen, wie der Meister sich schlägt…
Und ernte einen Blitzstrahl ins Gesicht. Der letzte Priester steht unter dem Hochweg und teleportiert sich sofort wieder weg…um auf der von Leichen übersäten Mittelplattform aufzutauchen und dem Meister einen Blizzard über den Kopf zu zaubern. Der war zum Glück schon am Rennen…um Anlauf zu nehmen für einen Wurf.
„Fang, Golem, und nutz dein Talent!“
Mein Talent also!
Der Zweite streckt sich vor – der Meister kann nicht gut werfen – und pflückt das Jade-Tan-Do aus der Luft. Gerade verschwindet der Küster wieder…
Ich konzentriere mich auf den Wurf; halt die Augen und Ohren für mich offen!
Wo wird er auftauchen…wo…hinter uns!
Mein Körper fährt herum, in die Drehung legt der Zweite Alles und nutzt ihren Schwung, um den Giftdolch genau in die Richtung des eindeutigen Geräuschs verdrängter Luft zu senden, das ich gehört habe…er fliegt auf den überraschten Küster zu, der gerade erst auftaucht…
…und ritzt den Stoff an dessen Schulter, um ein paar Meter weiter harmlos zu Boden zu klappern.
Ach, zur Hölle!
Man kann nicht immer gewinnen…
Verdammtes Pech, verdammtes!
Vielleicht solltest du mal aufhören, so viel zu fluchen, dann wäre dir der Himmel womöglich gesonnener…
Hör mir bloß auf mit dem…wo ist er denn jetzt?
„Ha!“
Ich fahre herum. Das war doch…
Tatsächlich. Der Meister hat einen noch ungläubiger als gerade starrenden Priester an der Schulter gepackt.
„Das war der falsche Ort für einen Fluchtteleport aus Panik, Freundchen!“
Sein Gegner reißt den freien Arm hoch…und beide verschwinden. Um kurz darauf einige Meter weiter rechts wieder aufzutauchen. Können die Augen des Küsters noch größer werden…? Ja! Sie können es.
„Tut mir Leid, da bin ich anhänglich.“
Der Meister rammt seinen Schild in die Magengrube des Gegners, was den nächsten Teleport recht sauber unterbricht. Er klappt zusammen…und erhält ein Knie ins Gesicht.
„Das ist…für…meine…Narben…heute…“
Wieder ein Teleport, wohl aus Verzweiflung geboren…oder spielt der Zauber einfach verrückt jetzt? Der Meister lässt nicht locker, wird mit ortsverschoben, und offenbar lässt das den Schwung eines Fausthiebs – der Schild liegt, fallen gelassen, an der letzten Position der beiden – nicht verschwinden. Da brechen jetzt doch Rippen…
„Für die Schmerzen…“
Ein wunderschönes Schauspiel.
Ortswechsel. Der Meister reißt sein Opfer zu Boden und schlägt dort weiter auf ihn ein. Er benutzt jetzt beide Fäuste – seine Beine, auf den Bauch des anderen gedrückt, halten den Kontakt.
„Für den Golem…“
Noch einmal wechseln sie Stellung an einen zufälligen Ort…der befindet sich allerdings drei Meter über dem Boden.
Der Meister landet weich. Für den anderen war das der letzte Teleport.
Mit einem Knurren auf den Lippen und frischem Blut an den Knien – fällt neben dem ganzen nur leicht älteren nicht wirklich auf – kommen wir zusammen. Er nimmt den Helm ab – seine Haare kleben völlig durchnässt daran und auf seinem Kopf. Ich nicke ihm zu, und wortlos umarmen wir uns.
„Gehts dir gut?“
„Du fragst mich, General? Diesem Körper passiert Nichts. Wie sieht es bei dir aus?“
Er wirft einen Blick zurück auf die Leiche des verprügelten Priesters.
„Mir gehts schon viel besser.“
„Wie hast du ihn überhaupt zu fassen gekriegt?“
„Er ist direkt vor mir aufgetaucht, als er in Panik vor dem Jade-Tan-Do wegteleportiert ist…er hatte wohl keinen bestimmten Ort im Kopf außer weg, und ist direkt vor mir gelandet.“
„Verdammtes Glück.“
Er hält kurz inne und hebt den Blick.
„Oder…wir sind doch nicht ganz allein in diesem Kampf?“
„Hm.“
Ich sehe ebenfalls gen Himmel. Der Regen prasselt weiter…wenn das Wetter besser gewesen wäre, wären wir nicht noch mehr im Nachteil gewesen? Ihre Massen wurden durch glitschiges Pflaster weitaus mehr behindert als wir beide…
„Danke für den zeitweiligen Rückzug, Herold?“
„Und all den anderen Mächten des Himmels.“
„Oder einfach nur dem Zufall? Soll es auch geben, habe ich gehört.“
„Schon gut, Zweiter. Golem…ich will nach Hause, schlafen, das…kann ich nicht einfach so schnell verdauen.“
Die Realität dessen, was wir getan haben, trifft mich hart, als die Anspannung des Kampfes langsam abklingt. Wir haben fast jeden der Zakarumiten hier getötet, die wir vorher verschont hatten…sie wurden geheilt und uns nachgeschickt. Ihre Gesichter sind mir alle bekannt, einmal Sehen genügt mir ja. Auch der Gläubige, der in Unter-Kurast vor mir weglief und uns als Ungläubige beschimpfte…ich habe seinen Bauch aufgeschlitzt und sein Blut getrunken.
Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt…
„Bevor wir durch übermäßige Trauer hier in einen Hinterhalt geraten – bei allem gebührenden Respekt, Meister – ich weiß, dass am Ende der Westpromenade ein Wegpunkt liegt. Wir könnten in wenigen Minuten an den Docks sein, wenn wir die kurze Strecke riskieren wollen.“
Der Meister sieht mich an; ich nicke.
„Laufen wir.“
Schild und Dolch werden aufgesammelt, und wenige Minuten später sind wir an den Docks.
Eine bessere Folter als den Kampf um Travincal hätte sich kein Meister dieser Disziplin ausdenken können. Immer wieder werden mir Gliedmaßen abgetrennt, Gelenke zertrümmert, der Bauch aufgeschlitzt, der Hals durchbohrt. Ich erhalte unzählige Schläge auf Brust, Rücken, Beine und ins Gesicht. Vor meinen Augen hängt ein konstanter Schleier des eigenen Blutes, welches sich aber längst nur noch aus dem von vielen Fremden abgesaugten zusammensetzt.
Da greifen zwei Gläubige an, sie haben sich abgesprochen, und schlagen zu, als ich gerade kurz abgelenkt bin gegen einen dritten Gegner, mein linker Arm fällt zu Boden, und mein Schrei verdoppelt seine Intensität, als die rechte Hand ebenfalls fast völlig abgetrennt wird. Schnell, getrieben von Verzweiflung und Schmerz, reiße ich die rettenden Klauen daran hoch, aber das Gelenk funktioniert nicht mehr, der Schlag geht ins Leere, und eine Bardike saust auf meinen Kopf zu…
…ich stehe neben dem Meister, meine Arme taub, aber noch an mir, die Knochenkrallen, wie ich sehe, schon ausgefahren – sie wurden von ihm schon so neu erschaffen – und er packt mit von Blutergüssen überzogenen Händen einen meiner Arme, reißt ihn hoch, die Krallen fahren in die Brust eines überraschten Fanatikers, und mein Gefühl in den Armen kehrt zurück.
Leider.
Des Gegners Wunde heilt schon, da rammt der Meister ihm den Dolch in die Seite. Schnell trenne ich die Verbindung, um nicht das Gift aufzusaugen, da übernimmt der Zweite, packt den Kopf des verdrehten Menschen und bricht mit geübter Bewegung sein Genick, er ist sofort tot.
„Reiß ihn auseinander!“
Immer noch lasse ich den Zweiten walten, um dem grausamen Befehl zu entgehen. Dieser benutzt erst die Leiche einmal als Keule, um sich kurz Zeit zu geben, und lässt dann die Wirbelsäule zerschnappen; das verfaulte Fleisch um die Dolchwunde gibt leicht nach. Mit dem Unterleib des Toten erschafft der Meister eine dringend benötigte neue Knochenrüstung, den Oberkörper schleudere ich in eine Gruppe Gegner, er explodiert. Ist wenigstens einer…
Eine zweite Explosion ertönt. Ja!
„Zu den Heilern, Golem! Wir haben eine Gelegenheit!“
Was, wenn sie wieder teleportieren?
Lauf!
Besser, als die Chance verstreichen zu lassen…ich sprinte durch den Korridor aus momentan gefällten Gegnern….die ersten stehen schon wieder auf, aber halt! Mindestens zwei als Skelette! So werden wir…
Spring!
Statt selbst zu tun, was der Zweite verlangt, gebe ich ihm kurzerhand die Kontrolle – auch, weil ich nicht weiß, was genau er von mir will. Einen winzigen Augenblick zögert er, leicht überrascht – dann wandelt er das beginnende Stolpern in eine Vorwärtsbewegung um. Es wird ein kräftiger Hechtsprung, mein Körper streckt sich in der Luft…und jetzt, wo ich auf die Beobachterrolle beschränkt bin, sehe ich, wie der Hierofant vor mir seine Arme herabreißt…
Klirrender Schmerz durchfährt mein Bein, als eine Eisspitze den Fuß durchbohrt. Ich höre, wie hinter mir der Blizzard niedergeht, Knochen zerspringen lässt…
…so viel zu den Skeletten…
…und Fleisch schockfrostet…?
Erinner dich, wie sie standen – der hat mindestens drei seiner Leute erwischt…nicht-Gläubige eben.
Das ist doch…
Du willst mir nicht sagen, dass dich das überrascht.
Gah…
Während unseres kurzen Dialogs hat der Zweite versucht, aufzustehen und ist gescheitert. Eisige Kälte durchzieht unseren Körper und verlangsamt jede Bewegung…
Grinsend hebt der Heiler die Hände. Weg!
Der Zweite rollt sich zur Seite, etwas verzögert, aber die Schwerkraft hilft; der Blitzschlag verfehlt uns um Haaresbreite. Jetzt liegen wir auf dem Rücken; der Regen prasselt schwer nieder, unsere sich durch die Verletzungen des Meisters mehrenden Wunden ständig neu reizend. Wenigstens sind sie gekühlt…
Denk keinen Unsinn und hilf mir!
Ich spüre, wie meine Ellenbogen sich gegen den Steinboden pressen, mein Oberkörper sich langsam hebt…und innehält. Meine Muskeln brennen wie Feuer trotz der Kälte in ihnen. Der Zauberer hebt die Hände.
Wobei soll ich dir helfen?
Ich…
Ich schaffe es nicht alleine.
Ein Schock nicht ungleich einem elektrischen durchfährt mich; der Zweite hat noch nie…
aber was solls? Wir müssen aufstehen! Ich konzentriere mich auf dieses Ziel, nur…diese Bewegung…hoch mit dem Oberkörper…
Hoch…
Zwing deine Muskeln!
Es sind keine Muskeln! Es ist magisch verdichtetes Blut!
Dann können sie nicht müde sein! Die Erschöpfung ist…psychologisch.
Nein…der Meister hat eine Bauchwunde…
Kurz übermannt mich Verzweiflung. Für einen schrecklichen Moment will ich einfach wieder zu Boden fallen und sterben.
Nein.
Kontrolle! Ich schnappe sie mir, vergesse die Bauchnichtmuskeln und rolle mich zur Seite…was der Gegner vorhergesehen hat, durch Glück erwischt er die richtige Seite und der Blitzstrahl trifft uns in den Rücken. Aah…kurz wird mir schwarz vor Augen.
Ganz kurz…keine scheinbare Ewigkeit. Ich lebe…ich lebe! Der Schmerz macht das überdeutlich. Meine Arme zucken…
Es sind keine Muskeln…
Du hast Recht…also haltet…
Still.
Und wir schreien gemeinsam unseren Zorn auf das Böse hinaus, auf die eigene Machtlosigkeit, und gemeinsam fokussiert sich unsere Willenskraft; zwei Seelen, ein Ziel: Das Zittern muss enden…und wir müssen…aufstehen.
Ohne uns auch nur eine Sekunde absprechen zu müssen, strecken wir unsere geistigen Hände aus und schütteln sie in stummer Übereinkunft. Vor uns steht ein Berg der Pein, wir werden ihn erklimmen, ihn besiegen, als Partner.
So beginnen wir den Aufstieg. Wann immer einer von uns es nicht mehr aushält, übernimmt der andere. Zentimeter für Zentimeter, mit Kontrollwechseln nahezu im Sekundentakt, stemmen wir starken Geister den schwachen Körper in die Höhe…weiter…weiter…
Und das letzte Mal packt eine helfende Hand die des dankbaren Partners, zieht diesen mit auf den Gipfel, und wir stehen zusammen auf dem bezwungenen Schmerzberg.
Aufrecht.
Töten wir…diesen…Bastard.
Ein erster stolpernder Schritt.
Ein Blitz in die Brust. Die gepeinigten Beine wanken…
Tö. Ten.
Der Zweite ballt die Hände zur Faust.
Für den General!
Ich setze einen Fuß vor den anderen.
Vorsicht.
Schon gesehen! Ich drehe meine Brust zur Seite, und der Blitz schießt vorbei.
Genug gezögert. Wir gehen los. Jeder Schritt bohrt Dornen in den verletzten Fuß. Die Brandwunden an Brust und Rücken reißen auf. Aber unsere Arme schwingen, die Beine pumpen…die Schritte werden schneller. Der Hierofant weicht zurück, hebt wieder die Arme…
Nicht stehen bleiben. Nicht ausweichen. Er ist zu nah.
Keine Sorge…aah!
Ich brülle, als der Strom mich durchfährt. Ein Blitzschlag aus nächster Nähe…der Schmerz…schwarze Punkte durchziehen mein Gesichtsfeld, die Sicht verschwimmt, ich kann…nicht mehr…stehen…
Arm hoch…
Wie aus Reflex schießt er hoch…und meine Finger berühren die Brust des gelb berobten Bastards. Als mein Blick sich klärt, trifft er seinen. Die Augen sind geweitet, auf seiner Stirn steht der Schweiß in dicken Tropfen…mehr, als die Angst je hervorrufen könnte…
„Kein Mana mehr, hm?“
Der Kopf mit bleistiftdünnen, zusammengepressten Lippen wird langsam geschüttelt.
„Zu blöd…“
Der Zweite zieht die Finger ein, stößt die Faust nach vorne, lässt gleichzeitig die Krallen herausspringen und durchbohrt den Hierofanten komplett. Seine Füße baumeln mehrere Zentimeter über dem Boden, als warmes Blut meinen Arm herabläuft.
So können wir nicht saugen…
Gönn mir nur zwei Sekunden…Genuss.
„…das war wohl leicht kurzsichtig von dir!“
Mit voller Kraft sticht der Zweite dem zitternden und hustenden Heiler die Finger meiner freien Hand in die Augen, lässt sie dort für eine halbe Sekunde, die sich zu einer Ewigkeit zu ziehen scheint und mir völlig unerträglich ist, dann schmettert er den einstigen Priester auf den Boden und rammt beide Blutkanäle in dessen Herz; endlich heilen wir.
Du bist ekelhaft.
Ich habe einen dezidierten Mangel an Widerspruch von deiner Seite festgestellt.
Ich…
Du weißt, dass du mich hättest aufhalten können. Mit einem einzigen Gedanken. Was sagt das über deinen so unglaublichen Ekel? Du hast ihn hingenommen, weil du wolltest, dass ich diesem Bastard weh tue. Dein Hass hat dein Unbehagen überwunden.
Hör auf!
Dann mach mir nie wieder Vorhaltungen. Du tappst auch nur zu gerne in die Falle deiner eigenen Wut. Der Unterschied zwischen uns ist nur, dass du es nicht zugibst.
…vielleicht sollten wir uns jetzt lieber um den Kampf kümmern.
Ja. Vielleicht.
Wieder stürze ich ins Getümmel…was bleibt mir übrig? Ich muss tun, was getan werden muss gegen einen grausamen Feind, der perfide unsere eigenen Leute gegen uns wendet. Dazu gehört auch, dass ich den verstümmelten Leichnam eines ehemaligen Priesters mitschleppen muss, der den Gegenstand seiner Anbetung ins genaue Gegenteil kehrte.
Einige Zakarumiten versuchen, mich aufzuhalten, doch sie sind willkommen; die größte Gefahr für mein Vorankommen besteht aus den Verletzungen des Meisters, die sich mehren und meine Schritte langsamer werden lassen, aus Vorsicht; wegen einer plötzlichen Beinwunde zu stolpern wäre fatal. Näher und näher kommen sie, und ich spüre die Schmerzen eines gebrochenen Arms, eines Schnittes auf der Stirn, eines zerquetschten Fußes…
Da explodiert meine Last, Gegner werden zu Boden geworfen, ich springe hinterher, stoße zu, und vernichte zwei, zerstöre ihr Leben, weil die Heiler mit dem Heiler nicht hinterher kommen; frische Skelette stürzen sich auf gerade wieder aufstehende Dämonenverderbte, die noch nach ihren Waffen greifen – und zu Boden geknüppelt werden, immer wieder, die Kräfte der Heiler binden. Und da fällt einer direkt vor mir um, durch einen Tritt in die Brust, darunter verfault er – und ich sehe den Meister, das Gesicht eine Maske grimmiger Entschlossenheit. Zumindest, soweit ich das unter dem ganzen Blut erkennen kann. Seine Knochenrüstung ist längst zerbröselt.
„Komm zu mir…“
„Ich bin da!“
Sofort renne ich los, stoße eine herabsausende Bardike weg und packe ihn am ausgestreckten Arm; ein Ruck, und er ist frei aus dem Hexenkessel. Ohne Pause steche ich einen Blauhäutigen in die Flanke, um uns beide wiederherzustellen; das Jade-Tan-Do zuckt plötzlich an meiner Schläfe vorbei, öffnet die Kehle meines Opfers und ist wieder weg. In meinem Moment der Überraschung übernimmt der Zweite, reißt die Kralle aus dem Blutstrom, fällt den Zakarumiten mit einem Beinfeger und tritt sein Brustbein ein. Die nahen Gegner weichen schnell zurück, sie lernen; aber keine Explosion ertönt, der Meister ist schweißgebadet.
„Verdammt…aber wir werden trotzdem siegen!“
Der Meister lächelt mich von der Seite an.
„Davon bin ich quasi überzeugt.“
Er wehrt noch einen Schlag mit der Wand der Augenlosen ab, dann laufen mehrere Skelette an uns vorbei und metzeln die überrumpelten übrigen Nahkämpfer fast widerstandslos nieder. Der letzte sinkt zu Boden, und unsere Blicke richten sich auf je einen der Priester, die einzigen Überlebenden des Massakers. Die Skelette teilen sich auf.
„So, jetzt…“
„Blizzard! Meister, ein Eisengolem, schnell!“
Er hat doch kein Mana mehr…
Aus der Plateaumitte dann…
Zu spät…!
Die Eisspitzen fallen, und ich stürze mich auf den Meister.
Nein, du Narr! Er hat weit bessere Widerstände durch seine Ausrüstung, wir werden zu Eiswürfeln verarbeitet!
Nein…Schmerzen prasseln auf mich ein. Ein Geschoß überzieht meine Hüften mit Frost, tödliches Eis breitet sich aus meinem Bein aus, meine Schulter wird getroffen, wie ein schweres Gewicht landet ein Schlag magischen Hagels mitten auf meinem Rücken…meine ewig offenen Augen sehen das bläulich-weiße Funkeln des Zaubers direkt vor mir niedergehen, seltsam wunderschön…
Das Licht schwindet. Nur noch Regen fällt vor mir und auf mich. Und ich lebe noch. Zwar fühle ich mich selbst wie ein Eisblock, aber ja! Ich…lebe…
Schwärze.
Vor mir versucht der Meister mit zitternden Händen, einen Heiltrank zu entkorken. Schnell eile ich ihm zur Hilfe, halte die Flasche an seinen Mund…mit Metallfingern. Oh. Er hatte wohl wieder genug Mana…und hier lang genug Material herum. Wie aber haben wir gerade den Blizzard überlebt?
Der Druck auf unserem Rücken…keine Eisspitze, ein Skelett!
Oh. Bravo, General.
Seih froh, dass er mehr Geistesgegenwart hat als du. Es wäre unserer Sicherheit weit zuträglicher gewesen, wenn du ihn über dich gelegt hättest, so hätte er deine Schmerzen nicht spüren müssen und für genau solche Situationen trägt er ja Rüstungen mit Resistenzattributen!
Ist jetzt gut. Verzeih meine Reflexe. Der Meister gewinnt gerade wieder an Farbe, und…
Diesmal sehe ich es vor dem Zweiten. Ich gehorche erneut meinem diesmal richtigen Reflex, werfe mich über den Menschen am Boden, schnell korrigiert der Zweite meine Haltung, um Hautkontakt zu vermeiden, und gerade noch rechtzeitig – sofort wird mein ganzer Körper eiskalt, das Metall zieht sich teilweise unangenehm zusammen…
Aber es passiert mir nichts Schlimmes. Es ist kalt, ja, sehr kalt, aber…das wars. Die Kälte lässt mich völlig kalt!
Du hast das nicht gerade gedacht.
Ich denke, jetzt ist es Zeit, den Kerlen ordentlich einzuheizen.
…ich möchte noch einmal betonen, wie sehr ich dich hasse.
„Alles klar?“
„‘s prima, Golem. Danke. Machen wir sie fertig, du nimmst den rechten. Auf drei. Eins…zwei…“
Als der erste Buchstabe der letzten Zahl über seine Lippen zu rollen beginnt, katapultiere ich mich hoch, endlich wieder in einem unglaublich stabilen Körper, und renne sofort auf mein Ziel zu. Ein Blitz feuert. Trifft mich frontal. Der Strom durchzuckt mich…
„Ha! Du denkst, das kann mich noch schocken?“
Hörst du auf damit?
Nach dem, was ich gerade durchgemacht habe, ist dieser Schmerz lachhaft! Wieder hebt der Kantor die Arme, diesmal mit der sicheren Absicht, davonzuteleportieren…
Er lässt sie fallen.
Und glotzt blöde auf mein Schwert, das in seiner Brust steckt.
„Bin doch schneller, als du dachtest, was? Der Geschockte bist also letztlich…du.“
Er kommentiert das zeitgleich mit dem Zweiten durch ein Würgen und fällt zu Boden. Schnell fahre ich herum, um zu sehen, wie der Meister sich schlägt…
Und ernte einen Blitzstrahl ins Gesicht. Der letzte Priester steht unter dem Hochweg und teleportiert sich sofort wieder weg…um auf der von Leichen übersäten Mittelplattform aufzutauchen und dem Meister einen Blizzard über den Kopf zu zaubern. Der war zum Glück schon am Rennen…um Anlauf zu nehmen für einen Wurf.
„Fang, Golem, und nutz dein Talent!“
Mein Talent also!
Der Zweite streckt sich vor – der Meister kann nicht gut werfen – und pflückt das Jade-Tan-Do aus der Luft. Gerade verschwindet der Küster wieder…
Ich konzentriere mich auf den Wurf; halt die Augen und Ohren für mich offen!
Wo wird er auftauchen…wo…hinter uns!
Mein Körper fährt herum, in die Drehung legt der Zweite Alles und nutzt ihren Schwung, um den Giftdolch genau in die Richtung des eindeutigen Geräuschs verdrängter Luft zu senden, das ich gehört habe…er fliegt auf den überraschten Küster zu, der gerade erst auftaucht…
…und ritzt den Stoff an dessen Schulter, um ein paar Meter weiter harmlos zu Boden zu klappern.
Ach, zur Hölle!
Man kann nicht immer gewinnen…
Verdammtes Pech, verdammtes!
Vielleicht solltest du mal aufhören, so viel zu fluchen, dann wäre dir der Himmel womöglich gesonnener…
Hör mir bloß auf mit dem…wo ist er denn jetzt?
„Ha!“
Ich fahre herum. Das war doch…
Tatsächlich. Der Meister hat einen noch ungläubiger als gerade starrenden Priester an der Schulter gepackt.
„Das war der falsche Ort für einen Fluchtteleport aus Panik, Freundchen!“
Sein Gegner reißt den freien Arm hoch…und beide verschwinden. Um kurz darauf einige Meter weiter rechts wieder aufzutauchen. Können die Augen des Küsters noch größer werden…? Ja! Sie können es.
„Tut mir Leid, da bin ich anhänglich.“
Der Meister rammt seinen Schild in die Magengrube des Gegners, was den nächsten Teleport recht sauber unterbricht. Er klappt zusammen…und erhält ein Knie ins Gesicht.
„Das ist…für…meine…Narben…heute…“
Wieder ein Teleport, wohl aus Verzweiflung geboren…oder spielt der Zauber einfach verrückt jetzt? Der Meister lässt nicht locker, wird mit ortsverschoben, und offenbar lässt das den Schwung eines Fausthiebs – der Schild liegt, fallen gelassen, an der letzten Position der beiden – nicht verschwinden. Da brechen jetzt doch Rippen…
„Für die Schmerzen…“
Ein wunderschönes Schauspiel.
Ortswechsel. Der Meister reißt sein Opfer zu Boden und schlägt dort weiter auf ihn ein. Er benutzt jetzt beide Fäuste – seine Beine, auf den Bauch des anderen gedrückt, halten den Kontakt.
„Für den Golem…“
Noch einmal wechseln sie Stellung an einen zufälligen Ort…der befindet sich allerdings drei Meter über dem Boden.
Der Meister landet weich. Für den anderen war das der letzte Teleport.
Mit einem Knurren auf den Lippen und frischem Blut an den Knien – fällt neben dem ganzen nur leicht älteren nicht wirklich auf – kommen wir zusammen. Er nimmt den Helm ab – seine Haare kleben völlig durchnässt daran und auf seinem Kopf. Ich nicke ihm zu, und wortlos umarmen wir uns.
„Gehts dir gut?“
„Du fragst mich, General? Diesem Körper passiert Nichts. Wie sieht es bei dir aus?“
Er wirft einen Blick zurück auf die Leiche des verprügelten Priesters.
„Mir gehts schon viel besser.“
„Wie hast du ihn überhaupt zu fassen gekriegt?“
„Er ist direkt vor mir aufgetaucht, als er in Panik vor dem Jade-Tan-Do wegteleportiert ist…er hatte wohl keinen bestimmten Ort im Kopf außer weg, und ist direkt vor mir gelandet.“
„Verdammtes Glück.“
Er hält kurz inne und hebt den Blick.
„Oder…wir sind doch nicht ganz allein in diesem Kampf?“
„Hm.“
Ich sehe ebenfalls gen Himmel. Der Regen prasselt weiter…wenn das Wetter besser gewesen wäre, wären wir nicht noch mehr im Nachteil gewesen? Ihre Massen wurden durch glitschiges Pflaster weitaus mehr behindert als wir beide…
„Danke für den zeitweiligen Rückzug, Herold?“
„Und all den anderen Mächten des Himmels.“
„Oder einfach nur dem Zufall? Soll es auch geben, habe ich gehört.“
„Schon gut, Zweiter. Golem…ich will nach Hause, schlafen, das…kann ich nicht einfach so schnell verdauen.“
Die Realität dessen, was wir getan haben, trifft mich hart, als die Anspannung des Kampfes langsam abklingt. Wir haben fast jeden der Zakarumiten hier getötet, die wir vorher verschont hatten…sie wurden geheilt und uns nachgeschickt. Ihre Gesichter sind mir alle bekannt, einmal Sehen genügt mir ja. Auch der Gläubige, der in Unter-Kurast vor mir weglief und uns als Ungläubige beschimpfte…ich habe seinen Bauch aufgeschlitzt und sein Blut getrunken.
Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt…
„Bevor wir durch übermäßige Trauer hier in einen Hinterhalt geraten – bei allem gebührenden Respekt, Meister – ich weiß, dass am Ende der Westpromenade ein Wegpunkt liegt. Wir könnten in wenigen Minuten an den Docks sein, wenn wir die kurze Strecke riskieren wollen.“
Der Meister sieht mich an; ich nicke.
„Laufen wir.“
Schild und Dolch werden aufgesammelt, und wenige Minuten später sind wir an den Docks.