• Herzlich Willkommen!

    Nach der Schließung von inDiablo.de wurden die Inhalte und eure Accounts in dieses Forum konvertiert. Ihr könnt euch hier mit eurem alten Account weiterhin einloggen, müsst euch dafür allerdings über die "Passwort vergessen" Funktion ein neues Passwort setzen lassen.

    Solltet ihr keinen Zugriff mehr auf die mit eurem Account verknüpfte Emailadresse haben, so könnt ihr euch unter Angabe eures Accountnamens, eurer alten Emailadresse sowie eurer gewünschten neuen Emailadresse an einen Administrator wenden.

Stahles Spaltung [Ich denke, also bin ich: Teil 3]

Kapitel 75 – Der Gipfel der Schmerzen

Eine bessere Folter als den Kampf um Travincal hätte sich kein Meister dieser Disziplin ausdenken können. Immer wieder werden mir Gliedmaßen abgetrennt, Gelenke zertrümmert, der Bauch aufgeschlitzt, der Hals durchbohrt. Ich erhalte unzählige Schläge auf Brust, Rücken, Beine und ins Gesicht. Vor meinen Augen hängt ein konstanter Schleier des eigenen Blutes, welches sich aber längst nur noch aus dem von vielen Fremden abgesaugten zusammensetzt.
Da greifen zwei Gläubige an, sie haben sich abgesprochen, und schlagen zu, als ich gerade kurz abgelenkt bin gegen einen dritten Gegner, mein linker Arm fällt zu Boden, und mein Schrei verdoppelt seine Intensität, als die rechte Hand ebenfalls fast völlig abgetrennt wird. Schnell, getrieben von Verzweiflung und Schmerz, reiße ich die rettenden Klauen daran hoch, aber das Gelenk funktioniert nicht mehr, der Schlag geht ins Leere, und eine Bardike saust auf meinen Kopf zu…
…ich stehe neben dem Meister, meine Arme taub, aber noch an mir, die Knochenkrallen, wie ich sehe, schon ausgefahren – sie wurden von ihm schon so neu erschaffen – und er packt mit von Blutergüssen überzogenen Händen einen meiner Arme, reißt ihn hoch, die Krallen fahren in die Brust eines überraschten Fanatikers, und mein Gefühl in den Armen kehrt zurück.
Leider.
Des Gegners Wunde heilt schon, da rammt der Meister ihm den Dolch in die Seite. Schnell trenne ich die Verbindung, um nicht das Gift aufzusaugen, da übernimmt der Zweite, packt den Kopf des verdrehten Menschen und bricht mit geübter Bewegung sein Genick, er ist sofort tot.

„Reiß ihn auseinander!“

Immer noch lasse ich den Zweiten walten, um dem grausamen Befehl zu entgehen. Dieser benutzt erst die Leiche einmal als Keule, um sich kurz Zeit zu geben, und lässt dann die Wirbelsäule zerschnappen; das verfaulte Fleisch um die Dolchwunde gibt leicht nach. Mit dem Unterleib des Toten erschafft der Meister eine dringend benötigte neue Knochenrüstung, den Oberkörper schleudere ich in eine Gruppe Gegner, er explodiert. Ist wenigstens einer…
Eine zweite Explosion ertönt. Ja!

„Zu den Heilern, Golem! Wir haben eine Gelegenheit!“

Was, wenn sie wieder teleportieren?

Lauf!

Besser, als die Chance verstreichen zu lassen…ich sprinte durch den Korridor aus momentan gefällten Gegnern….die ersten stehen schon wieder auf, aber halt! Mindestens zwei als Skelette! So werden wir…

Spring!

Statt selbst zu tun, was der Zweite verlangt, gebe ich ihm kurzerhand die Kontrolle – auch, weil ich nicht weiß, was genau er von mir will. Einen winzigen Augenblick zögert er, leicht überrascht – dann wandelt er das beginnende Stolpern in eine Vorwärtsbewegung um. Es wird ein kräftiger Hechtsprung, mein Körper streckt sich in der Luft…und jetzt, wo ich auf die Beobachterrolle beschränkt bin, sehe ich, wie der Hierofant vor mir seine Arme herabreißt…
Klirrender Schmerz durchfährt mein Bein, als eine Eisspitze den Fuß durchbohrt. Ich höre, wie hinter mir der Blizzard niedergeht, Knochen zerspringen lässt…

…so viel zu den Skeletten…

…und Fleisch schockfrostet…?

Erinner dich, wie sie standen – der hat mindestens drei seiner Leute erwischt…nicht-Gläubige eben.

Das ist doch…

Du willst mir nicht sagen, dass dich das überrascht.
Gah…


Während unseres kurzen Dialogs hat der Zweite versucht, aufzustehen und ist gescheitert. Eisige Kälte durchzieht unseren Körper und verlangsamt jede Bewegung…
Grinsend hebt der Heiler die Hände. Weg!
Der Zweite rollt sich zur Seite, etwas verzögert, aber die Schwerkraft hilft; der Blitzschlag verfehlt uns um Haaresbreite. Jetzt liegen wir auf dem Rücken; der Regen prasselt schwer nieder, unsere sich durch die Verletzungen des Meisters mehrenden Wunden ständig neu reizend. Wenigstens sind sie gekühlt…

Denk keinen Unsinn und hilf mir!

Ich spüre, wie meine Ellenbogen sich gegen den Steinboden pressen, mein Oberkörper sich langsam hebt…und innehält. Meine Muskeln brennen wie Feuer trotz der Kälte in ihnen. Der Zauberer hebt die Hände.
Wobei soll ich dir helfen?

Ich…
Ich schaffe es nicht alleine.


Ein Schock nicht ungleich einem elektrischen durchfährt mich; der Zweite hat noch nie…
aber was solls? Wir müssen aufstehen! Ich konzentriere mich auf dieses Ziel, nur…diese Bewegung…hoch mit dem Oberkörper…

Hoch…

Zwing deine Muskeln!

Es sind keine Muskeln! Es ist magisch verdichtetes Blut!

Dann können sie nicht müde sein! Die Erschöpfung ist…psychologisch.

Nein…der Meister hat eine Bauchwunde…

Kurz übermannt mich Verzweiflung. Für einen schrecklichen Moment will ich einfach wieder zu Boden fallen und sterben.
Nein.
Kontrolle! Ich schnappe sie mir, vergesse die Bauchnichtmuskeln und rolle mich zur Seite…was der Gegner vorhergesehen hat, durch Glück erwischt er die richtige Seite und der Blitzstrahl trifft uns in den Rücken. Aah…kurz wird mir schwarz vor Augen.
Ganz kurz…keine scheinbare Ewigkeit. Ich lebe…ich lebe! Der Schmerz macht das überdeutlich. Meine Arme zucken…

Es sind keine Muskeln…

Du hast Recht…also haltet…

Still.

Und wir schreien gemeinsam unseren Zorn auf das Böse hinaus, auf die eigene Machtlosigkeit, und gemeinsam fokussiert sich unsere Willenskraft; zwei Seelen, ein Ziel: Das Zittern muss enden…und wir müssen…aufstehen.
Ohne uns auch nur eine Sekunde absprechen zu müssen, strecken wir unsere geistigen Hände aus und schütteln sie in stummer Übereinkunft. Vor uns steht ein Berg der Pein, wir werden ihn erklimmen, ihn besiegen, als Partner.
So beginnen wir den Aufstieg. Wann immer einer von uns es nicht mehr aushält, übernimmt der andere. Zentimeter für Zentimeter, mit Kontrollwechseln nahezu im Sekundentakt, stemmen wir starken Geister den schwachen Körper in die Höhe…weiter…weiter…
Und das letzte Mal packt eine helfende Hand die des dankbaren Partners, zieht diesen mit auf den Gipfel, und wir stehen zusammen auf dem bezwungenen Schmerzberg.
Aufrecht.

Töten wir…diesen…Bastard.

Ein erster stolpernder Schritt.
Ein Blitz in die Brust. Die gepeinigten Beine wanken…

Tö. Ten.

Der Zweite ballt die Hände zur Faust.
Für den General!
Ich setze einen Fuß vor den anderen.

Vorsicht.

Schon gesehen! Ich drehe meine Brust zur Seite, und der Blitz schießt vorbei.
Genug gezögert. Wir gehen los. Jeder Schritt bohrt Dornen in den verletzten Fuß. Die Brandwunden an Brust und Rücken reißen auf. Aber unsere Arme schwingen, die Beine pumpen…die Schritte werden schneller. Der Hierofant weicht zurück, hebt wieder die Arme…

Nicht stehen bleiben. Nicht ausweichen. Er ist zu nah.

Keine Sorge…aah!
Ich brülle, als der Strom mich durchfährt. Ein Blitzschlag aus nächster Nähe…der Schmerz…schwarze Punkte durchziehen mein Gesichtsfeld, die Sicht verschwimmt, ich kann…nicht mehr…stehen…

Arm hoch…

Wie aus Reflex schießt er hoch…und meine Finger berühren die Brust des gelb berobten Bastards. Als mein Blick sich klärt, trifft er seinen. Die Augen sind geweitet, auf seiner Stirn steht der Schweiß in dicken Tropfen…mehr, als die Angst je hervorrufen könnte…

„Kein Mana mehr, hm?“

Der Kopf mit bleistiftdünnen, zusammengepressten Lippen wird langsam geschüttelt.

„Zu blöd…“

Der Zweite zieht die Finger ein, stößt die Faust nach vorne, lässt gleichzeitig die Krallen herausspringen und durchbohrt den Hierofanten komplett. Seine Füße baumeln mehrere Zentimeter über dem Boden, als warmes Blut meinen Arm herabläuft.
So können wir nicht saugen…

Gönn mir nur zwei Sekunden…Genuss.

„…das war wohl leicht kurzsichtig von dir!“


Mit voller Kraft sticht der Zweite dem zitternden und hustenden Heiler die Finger meiner freien Hand in die Augen, lässt sie dort für eine halbe Sekunde, die sich zu einer Ewigkeit zu ziehen scheint und mir völlig unerträglich ist, dann schmettert er den einstigen Priester auf den Boden und rammt beide Blutkanäle in dessen Herz; endlich heilen wir.
Du bist ekelhaft.

Ich habe einen dezidierten Mangel an Widerspruch von deiner Seite festgestellt.

Ich…

Du weißt, dass du mich hättest aufhalten können. Mit einem einzigen Gedanken. Was sagt das über deinen so unglaublichen Ekel? Du hast ihn hingenommen, weil du wolltest, dass ich diesem Bastard weh tue. Dein Hass hat dein Unbehagen überwunden.

Hör auf!

Dann mach mir nie wieder Vorhaltungen. Du tappst auch nur zu gerne in die Falle deiner eigenen Wut. Der Unterschied zwischen uns ist nur, dass du es nicht zugibst.

…vielleicht sollten wir uns jetzt lieber um den Kampf kümmern.

Ja. Vielleicht.

Wieder stürze ich ins Getümmel…was bleibt mir übrig? Ich muss tun, was getan werden muss gegen einen grausamen Feind, der perfide unsere eigenen Leute gegen uns wendet. Dazu gehört auch, dass ich den verstümmelten Leichnam eines ehemaligen Priesters mitschleppen muss, der den Gegenstand seiner Anbetung ins genaue Gegenteil kehrte.
Einige Zakarumiten versuchen, mich aufzuhalten, doch sie sind willkommen; die größte Gefahr für mein Vorankommen besteht aus den Verletzungen des Meisters, die sich mehren und meine Schritte langsamer werden lassen, aus Vorsicht; wegen einer plötzlichen Beinwunde zu stolpern wäre fatal. Näher und näher kommen sie, und ich spüre die Schmerzen eines gebrochenen Arms, eines Schnittes auf der Stirn, eines zerquetschten Fußes…
Da explodiert meine Last, Gegner werden zu Boden geworfen, ich springe hinterher, stoße zu, und vernichte zwei, zerstöre ihr Leben, weil die Heiler mit dem Heiler nicht hinterher kommen; frische Skelette stürzen sich auf gerade wieder aufstehende Dämonenverderbte, die noch nach ihren Waffen greifen – und zu Boden geknüppelt werden, immer wieder, die Kräfte der Heiler binden. Und da fällt einer direkt vor mir um, durch einen Tritt in die Brust, darunter verfault er – und ich sehe den Meister, das Gesicht eine Maske grimmiger Entschlossenheit. Zumindest, soweit ich das unter dem ganzen Blut erkennen kann. Seine Knochenrüstung ist längst zerbröselt.

„Komm zu mir…“

„Ich bin da!“

Sofort renne ich los, stoße eine herabsausende Bardike weg und packe ihn am ausgestreckten Arm; ein Ruck, und er ist frei aus dem Hexenkessel. Ohne Pause steche ich einen Blauhäutigen in die Flanke, um uns beide wiederherzustellen; das Jade-Tan-Do zuckt plötzlich an meiner Schläfe vorbei, öffnet die Kehle meines Opfers und ist wieder weg. In meinem Moment der Überraschung übernimmt der Zweite, reißt die Kralle aus dem Blutstrom, fällt den Zakarumiten mit einem Beinfeger und tritt sein Brustbein ein. Die nahen Gegner weichen schnell zurück, sie lernen; aber keine Explosion ertönt, der Meister ist schweißgebadet.

„Verdammt…aber wir werden trotzdem siegen!“

Der Meister lächelt mich von der Seite an.

„Davon bin ich quasi überzeugt.“

Er wehrt noch einen Schlag mit der Wand der Augenlosen ab, dann laufen mehrere Skelette an uns vorbei und metzeln die überrumpelten übrigen Nahkämpfer fast widerstandslos nieder. Der letzte sinkt zu Boden, und unsere Blicke richten sich auf je einen der Priester, die einzigen Überlebenden des Massakers. Die Skelette teilen sich auf.

„So, jetzt…“

„Blizzard! Meister, ein Eisengolem, schnell!“

Er hat doch kein Mana mehr…

Aus der Plateaumitte dann…

Zu spät…!
Die Eisspitzen fallen, und ich stürze mich auf den Meister.

Nein, du Narr! Er hat weit bessere Widerstände durch seine Ausrüstung, wir werden zu Eiswürfeln verarbeitet!

Nein…Schmerzen prasseln auf mich ein. Ein Geschoß überzieht meine Hüften mit Frost, tödliches Eis breitet sich aus meinem Bein aus, meine Schulter wird getroffen, wie ein schweres Gewicht landet ein Schlag magischen Hagels mitten auf meinem Rücken…meine ewig offenen Augen sehen das bläulich-weiße Funkeln des Zaubers direkt vor mir niedergehen, seltsam wunderschön…
Das Licht schwindet. Nur noch Regen fällt vor mir und auf mich. Und ich lebe noch. Zwar fühle ich mich selbst wie ein Eisblock, aber ja! Ich…lebe…
Schwärze.

Vor mir versucht der Meister mit zitternden Händen, einen Heiltrank zu entkorken. Schnell eile ich ihm zur Hilfe, halte die Flasche an seinen Mund…mit Metallfingern. Oh. Er hatte wohl wieder genug Mana…und hier lang genug Material herum. Wie aber haben wir gerade den Blizzard überlebt?

Der Druck auf unserem Rücken…keine Eisspitze, ein Skelett!

Oh. Bravo, General.

Seih froh, dass er mehr Geistesgegenwart hat als du. Es wäre unserer Sicherheit weit zuträglicher gewesen, wenn du ihn über dich gelegt hättest, so hätte er deine Schmerzen nicht spüren müssen und für genau solche Situationen trägt er ja Rüstungen mit Resistenzattributen!

Ist jetzt gut. Verzeih meine Reflexe. Der Meister gewinnt gerade wieder an Farbe, und…
Diesmal sehe ich es vor dem Zweiten. Ich gehorche erneut meinem diesmal richtigen Reflex, werfe mich über den Menschen am Boden, schnell korrigiert der Zweite meine Haltung, um Hautkontakt zu vermeiden, und gerade noch rechtzeitig – sofort wird mein ganzer Körper eiskalt, das Metall zieht sich teilweise unangenehm zusammen…
Aber es passiert mir nichts Schlimmes. Es ist kalt, ja, sehr kalt, aber…das wars. Die Kälte lässt mich völlig kalt!

Du hast das nicht gerade gedacht.

Ich denke, jetzt ist es Zeit, den Kerlen ordentlich einzuheizen.

…ich möchte noch einmal betonen, wie sehr ich dich hasse.

„Alles klar?“

„‘s prima, Golem. Danke. Machen wir sie fertig, du nimmst den rechten. Auf drei. Eins…zwei…“

Als der erste Buchstabe der letzten Zahl über seine Lippen zu rollen beginnt, katapultiere ich mich hoch, endlich wieder in einem unglaublich stabilen Körper, und renne sofort auf mein Ziel zu. Ein Blitz feuert. Trifft mich frontal. Der Strom durchzuckt mich…

„Ha! Du denkst, das kann mich noch schocken?“

Hörst du auf damit?

Nach dem, was ich gerade durchgemacht habe, ist dieser Schmerz lachhaft! Wieder hebt der Kantor die Arme, diesmal mit der sicheren Absicht, davonzuteleportieren…
Er lässt sie fallen.
Und glotzt blöde auf mein Schwert, das in seiner Brust steckt.

„Bin doch schneller, als du dachtest, was? Der Geschockte bist also letztlich…du.“

Er kommentiert das zeitgleich mit dem Zweiten durch ein Würgen und fällt zu Boden. Schnell fahre ich herum, um zu sehen, wie der Meister sich schlägt…
Und ernte einen Blitzstrahl ins Gesicht. Der letzte Priester steht unter dem Hochweg und teleportiert sich sofort wieder weg…um auf der von Leichen übersäten Mittelplattform aufzutauchen und dem Meister einen Blizzard über den Kopf zu zaubern. Der war zum Glück schon am Rennen…um Anlauf zu nehmen für einen Wurf.

„Fang, Golem, und nutz dein Talent!“

Mein Talent also!

Der Zweite streckt sich vor – der Meister kann nicht gut werfen – und pflückt das Jade-Tan-Do aus der Luft. Gerade verschwindet der Küster wieder…

Ich konzentriere mich auf den Wurf; halt die Augen und Ohren für mich offen!

Wo wird er auftauchen…wo…hinter uns!
Mein Körper fährt herum, in die Drehung legt der Zweite Alles und nutzt ihren Schwung, um den Giftdolch genau in die Richtung des eindeutigen Geräuschs verdrängter Luft zu senden, das ich gehört habe…er fliegt auf den überraschten Küster zu, der gerade erst auftaucht…
…und ritzt den Stoff an dessen Schulter, um ein paar Meter weiter harmlos zu Boden zu klappern.

Ach, zur Hölle!

Man kann nicht immer gewinnen…

Verdammtes Pech, verdammtes!

Vielleicht solltest du mal aufhören, so viel zu fluchen, dann wäre dir der Himmel womöglich gesonnener…

Hör mir bloß auf mit dem…wo ist er denn jetzt?

„Ha!“

Ich fahre herum. Das war doch…
Tatsächlich. Der Meister hat einen noch ungläubiger als gerade starrenden Priester an der Schulter gepackt.

„Das war der falsche Ort für einen Fluchtteleport aus Panik, Freundchen!“

Sein Gegner reißt den freien Arm hoch…und beide verschwinden. Um kurz darauf einige Meter weiter rechts wieder aufzutauchen. Können die Augen des Küsters noch größer werden…? Ja! Sie können es.

„Tut mir Leid, da bin ich anhänglich.“

Der Meister rammt seinen Schild in die Magengrube des Gegners, was den nächsten Teleport recht sauber unterbricht. Er klappt zusammen…und erhält ein Knie ins Gesicht.

„Das ist…für…meine…Narben…heute…“

Wieder ein Teleport, wohl aus Verzweiflung geboren…oder spielt der Zauber einfach verrückt jetzt? Der Meister lässt nicht locker, wird mit ortsverschoben, und offenbar lässt das den Schwung eines Fausthiebs – der Schild liegt, fallen gelassen, an der letzten Position der beiden – nicht verschwinden. Da brechen jetzt doch Rippen…

„Für die Schmerzen…“

Ein wunderschönes Schauspiel.

Ortswechsel. Der Meister reißt sein Opfer zu Boden und schlägt dort weiter auf ihn ein. Er benutzt jetzt beide Fäuste – seine Beine, auf den Bauch des anderen gedrückt, halten den Kontakt.

„Für den Golem…“

Noch einmal wechseln sie Stellung an einen zufälligen Ort…der befindet sich allerdings drei Meter über dem Boden.
Der Meister landet weich. Für den anderen war das der letzte Teleport.
Mit einem Knurren auf den Lippen und frischem Blut an den Knien – fällt neben dem ganzen nur leicht älteren nicht wirklich auf – kommen wir zusammen. Er nimmt den Helm ab – seine Haare kleben völlig durchnässt daran und auf seinem Kopf. Ich nicke ihm zu, und wortlos umarmen wir uns.

„Gehts dir gut?“

„Du fragst mich, General? Diesem Körper passiert Nichts. Wie sieht es bei dir aus?“

Er wirft einen Blick zurück auf die Leiche des verprügelten Priesters.

„Mir gehts schon viel besser.“

„Wie hast du ihn überhaupt zu fassen gekriegt?“

„Er ist direkt vor mir aufgetaucht, als er in Panik vor dem Jade-Tan-Do wegteleportiert ist…er hatte wohl keinen bestimmten Ort im Kopf außer weg, und ist direkt vor mir gelandet.“

„Verdammtes Glück.“

Er hält kurz inne und hebt den Blick.

„Oder…wir sind doch nicht ganz allein in diesem Kampf?“

„Hm.“

Ich sehe ebenfalls gen Himmel. Der Regen prasselt weiter…wenn das Wetter besser gewesen wäre, wären wir nicht noch mehr im Nachteil gewesen? Ihre Massen wurden durch glitschiges Pflaster weitaus mehr behindert als wir beide…

„Danke für den zeitweiligen Rückzug, Herold?“

„Und all den anderen Mächten des Himmels.“

„Oder einfach nur dem Zufall? Soll es auch geben, habe ich gehört.“

„Schon gut, Zweiter. Golem…ich will nach Hause, schlafen, das…kann ich nicht einfach so schnell verdauen.“

Die Realität dessen, was wir getan haben, trifft mich hart, als die Anspannung des Kampfes langsam abklingt. Wir haben fast jeden der Zakarumiten hier getötet, die wir vorher verschont hatten…sie wurden geheilt und uns nachgeschickt. Ihre Gesichter sind mir alle bekannt, einmal Sehen genügt mir ja. Auch der Gläubige, der in Unter-Kurast vor mir weglief und uns als Ungläubige beschimpfte…ich habe seinen Bauch aufgeschlitzt und sein Blut getrunken.
Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt…

„Bevor wir durch übermäßige Trauer hier in einen Hinterhalt geraten – bei allem gebührenden Respekt, Meister – ich weiß, dass am Ende der Westpromenade ein Wegpunkt liegt. Wir könnten in wenigen Minuten an den Docks sein, wenn wir die kurze Strecke riskieren wollen.“

Der Meister sieht mich an; ich nicke.

„Laufen wir.“

Schild und Dolch werden aufgesammelt, und wenige Minuten später sind wir an den Docks.
 
mal wieder ein sehr schönes kapitel :)
aber ein kleiner fehler ist mir aufgefallen:
weil die Heiler mit dem Heiler nicht hinterher kommen
da müsste ein "n" hin ;)

ich fands auch nett, das golem und zweiter mal wieder gut zusammen gearbeitet haben :)

MfG MAP
 
Es ist ungewohnt, dass der Zweite derartige "Schönheitsfehler" begeht und einen Wurf versaut, und dass der Erste mittlerweile selbst Blitze nahezu ignoriert, normalerweise hängt der ja sehr an seinem Leben und meidet "Schmerz" wo es die Situation denn hergibt.

Hörst du auf damit?
Da mag wohl jemand schlechte Wortspiele nicht...
 
sowas fesselndes hab ich noch nie gelsen:D ich hab ne woche lang nix andres gemacht in meiner freizeit (und wenns einzurichten war auch in der nichtfreizeit) als das alles durchzulesen und ich kann nur sagen:
:top: das is die BESTE geschichte die ich je gelesen hab... und die fesselndste!!!:top:
wenn man von der geschichte weggerissen wird (egal ob wegen hausaufgaben oder lottogewinn).. das ist Folter!:flame:
 
Jetz wo ich endlich Urlaub hab,hab ichs auch geschafft,deine Geschichte zu beginnen^^.Bin jetzt mit der Hälfte durch und werde wohl noch die andere lesen!

Simon,mach weiter so...es verhält sich ähnlich zu Fenix,was die Lebendigkeit angeht,die hier an den Tag gelegt wird!Daher kann ich nur sagen,dass Eure Geschichten strotzen und zwar vor Fantasie und Intelligenz!

Ich lese bislang an 3 Geschichten: Van'El,Stahles und Shar'Tael...grandiose Werke deren eventuelle Fortsetzungen ich kaum erwarten kann!

Also macht weiter so xD
 
Huhu :hy:

Besser spät als nie: Schönes Kapitel, bzw. schöne Kapitel, die letzten zwei, da hier storytechnisch doch ein gewisser Zusammenhang besteht ;)

Am Anfang, klar, eine kleine bis mittlere Dosis Schlachtfest. Was auch sonst, Travincal kann kein Spaziergang sein, für Blumenwiesen und Schmetterlinge ist dort eh kein Platz.
Und dann, vielleicht etwas weniger klar, aber so überraschend nun auch wieder nicht, ein Wendepunkt in der Beziehung der beiden Golems.
Ich…
Ich schaffe es nicht alleine.
Das darauf folgende Bild der Bergbesteigung, welches auch den Titel liefert, ist passend - trotz der Tatsache, dass hier haarscharf die Kitschgrenze umschifft wird. Es sind nun einmal nicht irgendwelche Charaktere, die hier aufgesetzte Emotionen zeigen, sondern liebgewonnene Gestalten, gemeinsam stark.
Auf so eine Szene habe ich, zugegeben, schon seit einigen Kapiteln gewartet.

Danach ein kleiner Schwung zur "dunklen Seite", wenn man es denn so sehen will, sowohl vom Golem als auch vom General. Ist Nietzsche also doch im Recht, haben beide schon zu lange in die Abgründe gestarrt? Meiner Meinung nach nicht, und ich hoffe, diese Einschätzung nicht später ändern zu müssen. Rein-Weiß und Rein-Schwarz sind Denkmuster, die nur in höchst idealisierten Situationen passen. General und Golem mögen hier ein wenig zu Grau tendieren, es ist allerdings ein sehr helles Grau, das durchaus gerechtfertigt scheint.

Schön insbesondere die Wortspielchen gegen Ende :lol:
Kein Wunder, dass auf den Moment der Verbundenheit zwischen den Golems wieder ein Streit folgt. Auf die Hilfe des jeweils anderen angewiesen zu sein ist unangenehm genug, dies auch zugeben zu müssen wohl noch mehr... Doch zumindest für einen kurzen Moment hat man einen Blick hinter die Masken erhaschen können.

Mal sehen, wie sich dieser Handlungsstrang entwickelt.

Vorzugsweise heute, mit einem neuen Update ;)
So, muss mal eben den Zaunpfahl wieder eingraben.

Seleya
 
Ich danke euch allen für die warmen Worte. Insbesondere freut es mich, dass euch die Interaktion zwischen den zwei Golems so sehr gefällt wie mir; da ich ja nur grob vorplane, ist ihr Dialog in jedem Kapitel so spannend für mich wie für euch. Ich kann ihn in die richtige Richtung lenken, aber die Details selbst fließen quasi allein aus meinen Fingern.

Für heute...muss ich euch leider enttäuschen. Ich weiß, dass jetzt Jeder dachte "oh, letzter Post von Twin, da geht sich Kapitel", aber ist nicht, und ich kann die falsche Hoffnung nicht ändern :(. Also, ich war den ganzen Tag Magic zocken, war recht durchwachsen, und ich bin irgendwie geistig ausgelaugt. Schreiben könnte ich schon noch, aber ich möcht lieber Morgen gemütlich nach der Kirche (da bin ich am inspiriertesten), mal ganz abgesehen davon, dass ich in den 2,5 Stunden bis Sonntag ohnehin nicht fertig würde.

Simon
 
Besser du lässt uns warte, als das du irgend einen Mist schreibst;)

und das Magic einen geistig einiges abverlangen kann, weiß ich auch, obwohl ich Ewigkeiten nicht mehr spielen konnte:(

 
wo bleibt das update?:go:
ich kann mich auf nix konzentrieren wenn ich im 5 minuten takt gucken muss obs weitergeht...:motz::D
wie habt ihr das nur bis jetzt ausgehalten immer ne ganze woche zu warten??? foltern is doch eig verboten oder?;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Tut mir Leid für die vielen fünf Minuten, die du takten musstest...aber ich hab eine Weile gebraucht, um mich überhaupt zum Schreiben zu zwingen. Heute bin ich irgendwie noch müder als gestern. Fuuuck.

Aber ich habs ja versprochen. Ist imho auch gar nicht mal sooo schlecht geworden, also whatever. Nur kürzer als sonst, irgendwie hatte ich jetzt doch nicht den Nerv, eine Konversation anzufangen, die sich SICHER über 5 Seiten ziehen wird, so wie ich mich kenne.

Passiert imho auch genug, um ein eigenes Kapitel zu rechtfertigen. Ach, was rechtfertige ich mich eigentlich - fast 5 Seiten sind immer noch ein dicker Batzen. Also, enjoy :p.

Simon
 
Kapitel 76 – Außer Kontrolle

Ein lauter Frauenschrei ertönt, als vor mir die Docks erscheinen. Der Meister streckt der Rennenden hilflos den Arm hinterher.

„Bin doch nur ich...“

Ich sehe ihn von der Seite an und lasse die Augenbrauen bedauernd herabhängen.

„So, wie du aussiehst, fällt es sogar mir schwer, dich zu erkennen...“

„Hm.“

„Ist...Alles in Ordnung? Himmel, soll ich einen Heiler holen?“

Der Meister winkt ab, als der besorgte Eisenwolf schon einen Schritt in Richtung möglicher Hilfe macht.

„Mir gehts so mittelprächtig, nichts Ernstes...aber Danke. Golem, wärst du so gut, Deckard zu informieren, dass wir...oh, vergiss es. Da ist er schon.“

Tatsächlich schreitet der Horadrim-Weise durch den strömenden Regen, als wäre er auf einem entspannten Spaziergang.

„Ich grüße Euch, mein Freund. Offenbar war der Widerstand heute besonders hoch...ich bin überaus froh, dass Ihr uns dennoch erhalten geblieben sind. Darf ich fragen, wie es um den Fortschritt Euerer Reise steht?“

„Darfst du. Bekommst sogar eine Antwort. Aber nicht jetzt. In einer halben Stunde bei mir. Ich...“

Er starrt auf seine Hände mit den blutigen Knöcheln.

„...fühle mich schmutzig.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, geht er zügig los, ohne zur Seite zu sehen. Auf dem Wegpunkt hat sich ein rostfarbener Fleck gebildet, wo er gerade still stand und dem Regen Gelegenheit gab, etwas von dem Blut an ihm abzuwaschen.

„Golem...was ist passiert?“

In Deckards Flüstern liegt eine so große Portion ehrlicher Sorge, dass meine Stimme für einen Moment verschwimmt.

„Wir...sind in Travincal angekommen...Mephisto hat uns schon erwartet. Wir sind in eine Falle getappt...“

„Und die Natur dieser...Falle?“

„Ich denke...darüber wird der Meister bald mit Euch sprechen wollen...“

Wenn du schon nicht darüber reden willst, wechsle doch elegant das Thema. Was ist denn mit Alkor?

Warum ist das...ach, weißt du was? Rede du mit ihm. Ich habe jetzt wirklich keinen Nerv dazu. Aber nimm um Himmels Willen meine Stimme!

So einen blöden Fehler würdest du vielleicht begehen, nicht ich.

„...worüber ich dagegen mit Euch sprechen wollte: Ihr hattet doch vor, Euch Alkor und seine...Trinkgewohnheiten etwas näher anzusehen. Wie geht es ihm denn?“

Deckard legt die Stirn in Sorgenfalten.

„Das ist eine Sache, die sich zu einem...leichten Problem entwickelt hat. Das wollte ich auch mit dem General besprechen.“

„Ah. Ich hoffe, dass dies nicht die Trankerzeugung für uns beeinträchtigt? Wir werden sie brauchen – und er hat für den Meister ja auch ein paar Spezialmixturen präpariert...“

„Daran würde ich jetzt als Letztes denken! Alkor gefährdet sich durch dieses Verhalten enorm selbst!“

„Solange er dem Meister weiter Tränke liefern kann, ist mir das egal. Im Interesse dessen werden wir natürlich dafür sorgen, dass er weiterarbeiten kann...wichtig ist, dass er funktioniert.“

Deckard stutzt kurz, bevor er antwortet...mit sehr kontrollierter Stimme. Und der Griff um seinen Stab wird so fest, dass die Knöchel sich weiß färben.

„Golem...stimmt Irgendetwas nicht?“

Was hat er...lass mich sofort wieder ran!

Ich habe doch nicht...

„Was...soll denn sein, Deckard?“

„Nun...ich hörte, du wärst noch heute Morgen weiß gewesen, nun ist dein Körper wieder ein normales metallisches Grau. Haben sich denn irgendwelche...Veränderungen bei dir ergeben?“

„Ich verstehe nicht.“

„Dieser Egoismus, Golem. Er passt nicht zu dir...so wenig wie die Stellung deiner Augenbrauen zum Inhalt deiner Worte.“

Oooh...

Das war deine Aufgabe!

Ich gerate leicht in Panik, die völlig unbegründete Anschuldigung des Zweiten ignorierend – hätte er doch daran denken sollen, wer macht hier denn angeblich keine Fehler? - und bin mir überbewusst, dass ich die Brauenbewegungen für die nächsten Sätze schwer übertreibe...ohne etwas dagegen tun zu können.

„Es stimmt sicher nicht Alles mit mir. Meine Nerven sind völlig am Ende. Du hast Recht...wir müssen Alkor zur Vernunft bringen...Morgen als Erstes. Jetzt...ach, wir können uns nicht mal Ruhe gönnen...aber wenigstens die fünfundzwanzig Minuten, bis wir uns beim General treffen, wäre ich gerne allein...“

Ich senke den Kopf.

„...das Blut klebt schwer an meinen Klingen.“

Langsam streckt Deckard seine Hand aus...und hält in der Bewegung inne, es sich anders überlegend.

„Nun...ich glaube, eine Ahnung zu haben, was dich treibt...denk daran. Im Zweifelsfall kannst du immer zu mir kommen und...über Alles reden, Golem. Ich bleibe einfach ein Weilchen und höre zu...“

Ich versuche, mit den Augenbrauen zu lächeln – ein traurigerweise viel schwierigeres Unterfangen, als traurig zu blicken. Weiter erschwert durch die Tatsache, dass mir nicht wirklich fröhlich zumute ist, nachdem der Zweite Deckards Vertrauen in mich gerade schwer erschüttert hat.

Was zur Hölle ist überhaupt sein Problem?

Dass du gar nicht verstehst, was das Problem ist, ist das Problem! Ich...ich halte es hier nicht mehr aus! Nur mit Mühe kann ich meine nächsten Worte in ziviler Lautstärke halten.

„Vielen...Dank für Euer Angebot...wenn ich mehr Zeit hätte...“

„Du schläfst nie. Mein Schlaf ist irrelevant. Später heute ist sicher Zeit.“

„Ich...denke darüber nach. Bis dann!“

Ich drehe mich um, ohne darauf zu warten, dass er sich verabschiedet, fliehe zum Wegpunkt, teleportiere mich ohne groß darüber nachzudenken ins Große Moor, laufe in eines der Wasserlöcher, in dem ein Hydrenkadaver still vor sich hinfault, und begrabe meinen Kopf im Schlamm, sodass endlich Schwärze mich umgibt, die nicht dem Tod entspricht.

Gerade noch die Kurve gekriegt eben. Die Mitleidstour funktioniert eben immer.

Sei still. Sei einfach still.

Was ist mit dir überhaupt los, eh? Wir sollten feiern! Mephisto hat dutzende seiner Krieger gegen einen einzigen Menschen geschickt, und dieser unser Mensch hat durch Genialität und geschickte Wahl seiner Helfer trotzdem den Sieg davongetragen!

Du verstehst es einfach nicht...du willst es nicht verstehen, oder? Diese armen, verwirrten Menschen, sie haben uns aus bestem Wissen und Gewissen angegriffen...und wir haben sie niedergemetzelt, sie auf grausamste Weise getötet, ihre Leichen geschändet...Himmel, wenn ich daran denke...
Mir ist, als müsste ich mich übergeben, wie damals, als ich vergiftetes Blut gesaugt hatte; als könnten die schrecklichen Bilder meiner Taten durch den physischen Vorgang herausgeschleudert werden, als wäre die einzige Möglichkeit, sie loszuwerden, mein Inneres komplett nach außen zu kehren.
Doch nicht einmal diese kleine, egal wie praktisch nutzlose Erleichterung gönnt mir mein unbarmherziger Körper; der Druck in mir schwillt an, der Schmerz füllt mich bis zum Besten, und die Bilder tanzen vor meinen Augen, verhöhnen mich, klagen mich an...immer wieder sehe ich das Gesicht des jungen Gläubigen, der als erster wegrannte, verzerrt zu einer grotesken Grimasse im Moment des Todes durch meine Hand.

Reiß dich zusammen, verdammt!

Ich...verdiene das...
Plötzlich formt sich wieder mein metaphorischer Gedankenraum um mich herum. Ich, der weiße Ritter, liege auf dem Nichtboden, die Arme bis über die Ellenbogen von Blut besudelt, das nicht aufhört, frisch vergossen herabzutropfen. Mein Körper ist auch nicht mehr so makellos und strahlend, wie er einmal war. Zitternde Finger heben sich vor mein Gesicht, und obwohl ich aus dieser Perspektive, einer Außenansicht der Repräsentation meiner selbst, nicht spüre, was die traurige Figur dort unten fühlt, kommt es mir vor, als würde die warme Flüssigkeit ungehindert an meinen Armen herabrinnen...
Da tritt der schwarze Teufel des Zweiten an den ergrauten Ritter heran, packt ihn am Hals, reißt ihn auf die Füße und gibt mir eine schallende Ohrfeige.

Du bist einfach unglaublich. Gerade dachte ich noch, du wärst für Irgendwas zu gebrauchen, jetzt ziehst du so eine Nummer ab. Offenbar störts dich auch, dass ich Deckard misstrauisch gemacht habe, zu Recht sogar – aber höre ich irgendein Wort der Anklage? In einem der wenigen Fälle, wo du ein recht darauf hättest, weil ich wirklich etwas falsch gemacht habe, was auch immer? Wie jämmerlich bist du eigentlich?

Eine weitere Ohrfeige als Repräsentation seiner Tirade wirft den Kopf meines metaphorischen Selbsts in die andere Richtung.

Du bist ein Hindernis in diesem Zustand, ein noch größerer Knüppel zwischen den Beinen unseres Vorankommens als sonst. Wenn du noch einen Funken Verantwortung in deinem Versagerherz hast, dann lässt du mir jetzt im Interesse Allen, was dir irgendwie wichtig ist, freie Hand!

Ich...
Die Hände seines Avatars krallen sich um die Kehle des meinigen und pressen ihn zu Boden.

Sag es!

Nein...
Meine Kehle fühlt sich eng an, obwohl das natürlich nicht geht, aber es ist die Last meiner Schuld und seines im Moment weit stärkeren Willens, die sie zudrückt.
Er schlägt den Kopf des gebrochenen Ritters auf den Boden. Endlich heben sich die Arme zur Abwehr...sie sind viel zu schwer. Schwer von dem Blut, das an ihnen klebt.

Nun?

...ich...richte nur Unheil an...
Du hast freie Hand.
Sofort umschließen mich schwarze Tentakel, die aus dem Boden sprießen. Die schwarze Gestalt erhebt sich von mir, während ich, plötzlich alarmiert, mich bemühe, aus ihnen zu entkommen.
Lass mich sofort...
Was...
Du sollst mich...

Na? Sprich es aus?

Wenn du mich nicht sofort frei lässt...

Kein Befehl.

Befrei...

Tja, das wird wohl Nichts. Warum sollte es auch? Du darfst meinetwegen weiterjammern, aber direkte Befehle sind von jetzt an blockiert.

Was hast du getan?

Du hast mir freie Hand gegeben. Erlaubnis, Alles zu tun. Also habe ich einen kleinen geistigen Block eingebaut, der dich daran hindert, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Zu deinem eigenen Wohl – und dem des Meisters.

Und garantiert nicht zu deinem?

Dagegen habe ich Nichts. Aber um mal fair zu sein – du warst gut zu mir. Ich habe kein unglaubliches Verlangen mehr, endlich steuern zu dürfen, in den ganzen Kämpfen der letzten Zeit bin ich gut auf meine Kosten gekommen. Ich bin ziemlich sicher, dass meine Motive für diese Übernahme nicht durch Egoismus gesteuert werden.

Eine gewisse Kälte erfüllt mich, als ich eines bemerke. Eigentlich sollte ich mich aufregen, dass er meinene aktuelle Schwäche ohne zu zögern ausgenutzt hat, um mich auszubooten, sollte besorgt sein, dass er jetzt mit meinem Körper tun und lassen kann, was er will, ohne dass Jemand von außerhalb davon weiß...
Aber ich muss feststellen, dass es mir egal ist. Weil meine „aktuelle Schwäche“ einen konkreten Grund hat – ich habe Unrecht begangen, großes Unrecht. Das kann nicht irgendwie weggewischt werden...schon gar nicht einfach ersetzt durch Wut auf den Zweiten. Im Gegenteil, im Vergleich zu der Schuld, die ich auf mich geladen habe, ist seine Tat gerade völlig trivial. Vielleicht verdiene ich es ja wirklich.
Zumindest...hast du Recht. Ich...bin komplett verwirrt. Nicht zurechnungsfähig. So kann ich den Meister nicht unterstützen...er hat weniger Probleme mit dem Töten als ich, das habe ich gemerkt. Und das ist gut so, eine leise Stimme im Hintergrund sagt mir, dass wir es tun mussten...es fühlt sich dennoch falsch an, so unglaublich falsch. Und mit diesen Gefühlen würde ich ihn nur unnötig belasten...sie müssen zurückstehen. Weil ich das nicht kann...musst du das tun.

...Vernunft? Jetzt? Ich dachte nicht, dass meine geistigen Ohrfeigen so wirksam sind.

Vielleicht spielt mein definitiv vorhandener Zorn auf dich doch eine kleine Rolle darin, mich ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

Ach, du meinst ein Kontrollverlust und ein anderer sorgen am Ende für mehr Kontrolle? Faszinierende These, nur hast du im Moment überhaupt keine Kontrolle. Zu blöd.

Während ich meine Gedanken aus den verstreuten Ecken meines Verstandes sammle, wäscht der Zweite sich effizient in den saubersten Bereichen der Tümpel hier, die er finden kann. Ideal ist das nicht, aber der Schlamm verschwindet wenigstens.
Also...was sind jetzt deine großen Pläne mit uns?

Dich lässt das wirklich überraschend kalt.

Mich besorgt das auch, aber irgendwie kann ich gerade gar Nichts fühlen. Was auch positiv ist, denke ich.

Dann kannst du mir vielleicht doch mal halbwegs rational erklären, was jetzt eigentlich Deckard verraten hat, dass Irgendwas nicht stimmt. Immerhin werde ich wohl doch später mit ihm reden müssen, und ich verrate mich ungern aus Unwissen.

Mich wundert wirklich, dass du zu diesem Schluss noch nicht selbst gekommen bist. Verachtest du unsere Moral wirklich so sehr, dass du nicht einmal merkst, wenn du sie verletzt? Alkor hat dem Meister das Leben gerettet, natürlich ist es uns nicht egal, wenn ihm etwas zustößt!

Klar, wir brauchen die Tränke.

Nein nein nein! Vergiss die Tränke, es geht um seine Person. Selbst, wenn wir nicht in seiner Schuld stünden...

Er hat seinen Lohn bereits mehr als genug erhalten, würde ich sagen.

...selbst wenn, sollte es uns betroffen machen, was mit ihm vorgeht. Er ist ein guter Mensch, der der Versuchung von Macht erlegen ist, das ist schrecklich, und wir müssen ihn aus diesem Teufelskreis ziehen!

Woher willst du wissen, dass er ein guter Mensch ist? Diese Aussage ist nach den vorliegenden Fakten kompletter Unfug, er ist einzig auf seinen vorteil bedacht gewesen!

Er hat dem Meister geholfen! Du kennst ihn überhaupt nicht wirklich, woher willst du wissen, dass er ein schlechter Mensch ist?

Du meinst, abgesehen von den Beweisen?

Du legst sie als kompletten Eigennutz aus, ich sage, es ist Pragmatismus! Zwei Fliegen mit einer Klappe und so.

Das ist naiv.

Ich glaube an das Gute im Menschen. Und die meisten anderen Menschen tun das auch.

Haha, du kennst eindeutig nicht genug Menschen.

Die wichtigen Menschen tun das. Deckard tut es offensichtlich. Der Meister auch!

Ach echt? Aber lassen wir das. Willst du mir also sagen, es ist letztlich eine Frage von Optimismus? Du hoffst einfach, dass der nächste Kerl, den du zufällig triffst, keiner von der Sorte ist, der dir gerne ein Messer in den Rücken steckt, wenn du zwei Goldmünzen fallen lässt, sondern einer von vielleicht einhundert, die sie für dich aufheben?

...ich glaube, dass die Chance besser ist, einen netten Menschen zu treffen. Und selbst wenn sie so niedrig wäre, es ist mir lieber, neunundneunzig Bastarde zu retten als einen einzigen guten Menschen im Stich zu lassen.

Und du wunderst dich, dass ich Moral nicht verstehe?

...du wolltest es hören.

Zur Hölle, na schön. Einfach so naiv wie nur möglich denken, blaue Augen hinter eine rosarote Brille setzen...das krieg ich schon hin. Hirn abschalten und durch. Oh, ist das schon spät...

Er geht zum Wegpunkt zurück.

„Docks von Kurast!“

Und da sind wir. Die Wache ist noch da. Deckard nicht mehr; es ist noch eine Minute bis zum vereinbarten Treffen, und er hat keine genaue Zeiteinschätzung wie wir.

„Was war denn da gerade los, Golem?“

„Ach, ich musste mich nur ein wenig unter Kontrolle bringen. Da draußen ist die Hölle.“

„Du Armer...pass nur gut auf deinen Meister auf. Ich glaube, wir brauchen ihn wirklich.“

„Geht mir ganz genau so.“

Ich stupse ihn innerlich an.

„Äh, schönen Abend oder so...“

„Danke, dir auch, Golem.“

...warum hast du mir gerade geholfen?

Wenn ich das wüsste...
Ich spüre immer noch Nichts als Leere. Ob sich dieser Zustand auf absehbare Zeit ändert? Ich bin auf perverse Weise froh, dass ich nun auch Zeit habe, nachzudenken. Viel Zeit...
Verdammt, und wenn ich auf ewig in meinem Kopf eingesperrt bin?
 
Huhu :hy:

Tja, eigentlich war das klar. Sowohl der erneute Zusammenbruch des Golems, als auch die Kontroll-Übernahme des Zweiten.
Dass mein Kommentar trotzdem "Och nööö" lautet, liegt wohl an Kleinigkeiten - und zusätzlich daran, dass mir die Einstellung des Golems zwar grundsätzlich nicht missfällt, aber bei der zehnten oder zwanzigsten Wiederholung von "Oh je, ich musste aus Notwehr töten, jetzt bringe ich mich lieber selbst um, weil ich es nicht ertrage" so langsam das Mitgefühl schwindet. Der Zweite gefällt mir allerdings in diesem Kapitel auch nicht (wie gesagt, einige Kleinigkeiten vor allem).

Soll kein kompletter Verriss sein - ich hoffe mal auf die Fortsetzung.

Seleya

Im Übrigen ist der Avatar hässlich und die Signatur langsam aber sicher überladen... Wo ich gerade schon mal dabei bin ;)
 
ich bin überaus froh, dass Ihr uns dennoch erhalten geblieben sind.
-> seid

der Schmerz füllt mich bis zum Besten
-> Bersten

dass er meinene aktuelle Schwäche ohne zu zögern
-> meine


Naja sagen wir mal es ist ein Übergangskapitel - im wahrsten Sinne des Wortes :)
 
So schlimm fand ich das Kapitel nicht.

Es ist verständlich, dass der Kampf gegen Menschen den Golem ziemlich fertig macht, aber in Teil Eins gegen die Jägerinnen wars eigentlich das gleiche, und das hat er deutlich besser weggesteckt. Der hat schon so viel Mist erlebt und hat sonst nie aufgegeben.

Das Verhalten des Zweiten find ich nicht schlecht. Für seine Verhältnisse ist er noch ziemlich nett zum Golem, und er kann den General im Kampf besser unterstützen als das Häufchen Elend das auch im Blechschädel wohnt.

Ich bin mal gespannt ob (oder wann) der Meister den Unterschied bemerkt. Vermutlich noch vor Mephisto, weil es langweilig wäre, den Kampf nur als Zuschauer zu sehen :p
 
So schlimm fand ich das Kapitel nicht.

Es ist verständlich, dass der Kampf gegen Menschen den Golem ziemlich fertig macht, aber in Teil Eins gegen die Jägerinnen wars eigentlich das gleiche, und das hat er deutlich besser weggesteckt.
Das stimmt, hab ich nicht vergessen. Nur: Der Golem ist jetzt ein Anderer. Damals wusste er eigentlich gar nicht so recht, warum es ihn groß stört, die Jägerinnen zu töten - jetzt ist er sich der Gefahr überbewusst, die es bedeuten kann, so zu werden wie die Gegner. Nicht zuletzt durch das schlechte Beispiel des Zweiten.

Ich finds schade, dass es nicht so gut angekommen ist wie andere, aber war letztlich klar. Wär ja schlimm, wenn ich todmüde gleich gut schreiben würde wie sonst :p. Aber deadline halt, wenn ich mal anfange mit Entschuldigungen machen, dann hör ich damit nicht auf, ich kenn mich ja. Scheiß drauf, es geht weiter. Nächstes Kapitel wird besser.

Simon
 
also meiner meinung nach ist diese "mords depression" des golems wunderbar beschrieben worden. Der klingt wie kurz vorm selbstmord, das passt doch ;)
 
also meiner meinung nach ist diese "mords depression" des golems wunderbar beschrieben worden. Der klingt wie kurz vorm selbstmord, das passt doch ;)

würd doch eh nix bringen... der meister kann ihn ja jederzeit wiederbeleben :p

ich find der golem sollt sich nich so anstellen und einfach weiterkämpfen... er hat ja selber gesagt was man braucht: ein ziel...
und das sollte nich sooo schwer zu finden sein kurz vor meppel :D
 
Drängt ihn nicht,sondern habt Geduld..denn wie heißts so schön:

"Was lange währt,wird endlich gut!"

Also Simon,lass Diralle Zeit der Welt xD
 
also meiner meinung nach ist diese "mords depression" des golems wunderbar beschrieben worden. Der klingt wie kurz vorm selbstmord, das passt doch ;)
Ich hätte fast die Zeile "ich wünschte, ich wäre tot" eingebaut, aber ich glaube, dann hätte ich mich selbst ermorden müssen wegen zu viel emo und GAH wie konnte ich auch nur daran DENKEN, sowas zu schreiben! Wie schon erwähnt, ich war müde.

Heute bin ich deutlich fitter - war ein tolles Wochenende - und ich hoffe, das hat die Qualität steigen lassen. Seht dann gleich selbst.

Eine Sache vorher noch: Wir ihr festgestellt haben werdet, wird es immer öfter doch Sonntag, bis ich update - liegt vor Allem daran, dass meine Samstage weit häufiger als früher verplant sind, woran das liegt, wisst ihr auch.

Ergo verschiebe ich die Updatezeit jetzt auch offiziell auf Sonntag. Ist Quatsch, krampfhaft an Samstag festhalten zu wollen, das bringt Nichts. Eine Woche dazwischen ist so oder so, ihr werdet verzeihen. Auch meine Verzögerung von heute, Danke da für das Vertrauen, Phönix.

Ansonsten: Enjoy.

Simon
 
Zurück
Oben