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Stahles Spaltung [Ich denke, also bin ich: Teil 3]

nerienna schrieb:
Ich finde schon den Titel göttlich!
Ein wunderschönes, abgewandeltes Zitat - und so passend!

Schade, dass ich an meiner Schule kein Latein haben durfte.


Bis dahin
Fenix
 
@Fenix: das Zitat wäre: Mens sana in corpore sano
Ein gesunder Geist (wohnt) in einem gesunden Körper
 
Tja, ist so ne Sache :D.

Ich hab Alles hier, aber ich brauch zwei Namen von Akt 3-Mercs, und auf dem Laptop ist D2 nicht drauf mit neuestem Patch, und die CD ist fernab.

D.h., wenn ihr mir schnell mal so 5 Namen nennt, von denen ich mir dann welche aussuchen kann für das neueste Kapitel, kriegt ihr auch schneller ein Update ;).

Simon
 
Narphet
Khalil
Phaet
Geschef
Vanji
Thadar
Yatirai
Rhadge
Yaschid
Jabari

edit: baeh, was ist das denn fuer ein hässliches Teil :eek:
 
Jelani
Devak
Telasch
Narphet
Khalil
Thadar
Rhadge
Yaschid
Yarulf
Flux

Ja ich lese die Story, auch wenn ich bis jetzt noch nie gepostet habe :D
 
Ich danke euch beiden, und :hy: Santa! Da find ich doch glatt Platz für einen dritten Namen.

Also, zum Kapitel an sich: Mir war das Wochenende wieder langweilig, und das ist gut für euch, wenngleich es schon handschriftlich im Voraus zusammen mit dem letzten entstanden ist (darum auch der geteilte Titel), sind mir doch noch so viele Sachen extra eingefallen, dass ihr euch auf glatte 6 Seiten freuen dürft. Gut, ein wenig durch Leerzeilen aufgeblasen, aber trotzdem, es passiert eine Menge. Mir wird ein wenig übel, wenn ich bedenke, wie viel ich schon geschrieben habe, und der erste Quest hat im Grunde noch nicht einmal angefangen; aber gut, jede Geschichte braucht ihre Exposition, und ich denke nicht, dass euch langweilig wird dabei, oder :D? Trotzdem: Bevor ich jedes Detail einzeln behandle und die Kapitel dafür splitte bis es am Schluss 130 sind oder so, nehm ich lieber in Kauf, dass ihr später enttäuscht seid, wenn ein Update mal "nur" aus 3 Seiten besteht - ich hoffe, dass versteht ihr denn auch, die letzten waren eigentlich grundsätzlich unnormal lang, sogar das erste war die längste eine Seite, die ich bisher hatte für ein erstes...

Also denn, langer Rede kurzes Ende: Enjoy!

Simon
 
Kapitel 6 - In corpore ferreo

Ich bleibe stocksteif stehen. Oh, Himmel. Der Zweite ist noch da, nicht besiegt von seiner eigenen Gier nach Kontrolle, meine Dornen hielten ihn nur auf...und wenn er sich wieder gesammelt hat...dann ist er erneut so stark wie ich...nein! Nein, ist er nicht! Ich bin stark! Stärker! Ich muss es sein. Ich muss gewinnen.
Erneut spiele ich mit dem Gedanken, einfach dem Meister zu sagen, er solle meinen Körper verändern, mich wieder weiter von dieser Monströsität aus Schlamm, Metall und Feuer entfernen, die sein groteskes Idealbild ist, aber nein...es ist nicht nur die Mühe, die er in diesen Körper gesteckt hat, das Geld, der Schmerz, die Demütigung, die es ihn gekostet haben, mich wiederauferstehen zu lassen, nur, weil er der Überzeugung ist, mich zu brauchen...ich kann das nicht wegwischen, ich darf ihn nicht wissen lassen, wie sehr ich diesen Körper hasse.
Nein, darum geht es nicht allein. Es ist zu spät, viel zu spät, dieses Geheimnis zu verraten. Und doch hatte ich immer gute Gründe, es zu verschweigen: Als er auftauchte, konnte ich nicht reden, der Meister wusste nicht einmal, dass ich denken konnte, wie hätte ich ihm da sagen können, dass in mir Gefahr darauf wartet, hervorzubrechen? Dann, die Zeit als Blutgolem, anfangs völlig ohne Einflüsse von ihm, bis zuletzt, als zeitgleich mit meiner Fähigkeit zu sprechen unsere Freundschaft gefestigt wurde - wie hätte ich ihm da sagen sollen, dass er mir eben nicht vertrauen kann, dass ich keine Sicherheit für ihn darstelle, weil ich selbst nicht sicher bin, wann ich von wem gesteuert werde?
Und jetzt, da diese Freundschaft besteht - wage ich es, sie dadurch zu gefährden, dass ich ihm gestehe, wie lange ich ihn schon betrogen habe? Ich kann es nicht, ich darf es nicht. Ich will es nicht. Ich bin gefangen in meiner Schuld, mein Schweigen verdammt mich, ohne, dass ich wirklich etwas dafür kann - ich weiß, dass ich Nichts dafür kann! Aber warum tut es so weh?
So lass mich doch in Ruhe, Dämon in mir! Verschwinde, treib dein finsteres Spiel um die Macht mit jemand Anderen, du kannst deinen Körper haben, aber nimm nicht meinen, nicht diesen, der der Freund des Generals ist, um diese Freundschaft zu pervertieren...und doch, und doch...du kannst es nicht, egal, wie ich flehe. Wir sind zu zweit in diese Hülle geboren worden. Ist es unser Schicksal, auf ewig um sie zu streiten?
Ich ramme meine Fäuste an meine Augen, meinen Blick nicht auslöschend, ein Stahlklang dringt an mein Gehör. Lass mich in mich hinein sehen! Die Ebene unseres Kampfes erneut erblicken! Es muss enden!
Aber kein Feld aus Grau entsteht, keine schwarzen und weißen Avatare, von denen einer ich bin und der andere er. Er schweigt, wohl wissend, wie sein einer Satz meine gerade gefasste Überzeugung, jegliche Zweifel überwinden zu können, zerschmetterte. Ich hasse dich...ich hasse dich! Warum kämpfst du nicht fair? Warum redest du nicht mit mir? Warum, warum, warum...
Ich nehme die Hände wieder herunter. Kurast umgibt mich. Diese Stadt voller Intrigen, voller kaputter, korrupter Menschen, voll Wahnsinn. Ich muss hier raus. Jetzt.
Ich fliehe, über den Hauptplatz auf den Steg voller Barrikaden, den wir so hastig überquerten, als wir Marius nachjagten. Den Blick starr in den Dschungel gerichtet, seinen kleinen Rundschild missmutig über den Kopf als Schirm gehoben, hält ein triefender Soldat Wache am Ausgang der Docks. Seine leuchtend rote Uniform, Roben unter einem Brustpanzer, Eisenhelm und Breitschwert, habe ich schon einmal gesehen, wie Ormus am Rande meines Blickfeldes beim Rennen vor Kurzem...beziehungsweise vor zwei Wochen, die ich nicht miterlebt habe. Ich verlangsame meinen Schritt, als ich näher herantrete, die metallenen Sohlen deutlich hörbar auf dem Holzuntergrund. Er spricht, ohne sich umzudrehen.

"Ists endlich Zeit für meine Ablösung, Devak? Hast ja lange genug dafür gebraucht."

"Es tut mir Leid, aber den Regen müsst Ihr noch eine Weile länger ertragen."

Sein Kopf schießt zu mir herum, und sein Schwert aus der Scheide.

"Monster! Dämon! Keinen Schritt weiter!"

Ich sehe, es ist nicht der, der meine Blutgolemform gesehen hat. Seine dunklen Augen in einem ebenfalls dunklem Gesicht sind leicht schräggestellt und geweitet, aber er zeigt seine Furcht nicht durch ein Zittern im Schwertarm oder sonstige körperliche Anzeichen. Das ist gut. Ich bleibe stehen und hebe beschwichtigend die Hände.

"Ruhig. Bitte, greift mich nicht an. Ihr werdet bemerken, dass ich von drinnen komme. Ich wollte nur in den Dschungel."

Er starrt mich lange an, sein Schwert nicht senkend, dann ziehen sich seine Augenbrauen zusammen.

"Gehörst du etwa zu diesem Totenbeschwörer, der jetzt schon seit Wochen flach liegt?"

Ich nicke. Er steckt sein Schwert verärgert zurück.

"Verdammt, dann schulde ich Yaschid ein Glas, der hatte wohl doch Recht mit seinem Monster in menschlicher Begleitung, das er gesehen haben will. Ich bin übrigens Vanji. Also, du kannst durch, ich sag Devak, er soll dich wieder reinlassen, wenn du zurückkommst...falls er sich bis dahin bequemt hat, aufzutauchen.
Du willst doch wieder zurück, oder?"

Ich nicke wieder, und er tritt zur Seite. Als ich an ihm vorbei gehe, schüttelt er den Kopf.

"So richtig gesprächig bist du nicht, was?"

Meine Schritte halten neben ihm inne und ich muss kurz gegen eine Welle der Verzweiflung ankämpfen.

"Ich hasse meine Stimme."

Er lacht!

"Bist du nicht der Einzige hier! Na dann, viel "Spaß" im Dschungel...völliger Wahn..."

Sein Kichern begleitet mich bis zur Baumgrenze, genau wie sein Blick, aber sobald ich beides los bin, renne ich los. Mein Zeitgefühl ist perfekt wie mein Gedächtnis, aber ich verliere es, während ich die Grenzen dieses furchtbaren Körpers austeste. Mechanisch laufe ich, über Wurzeln springend, unter Schlingpflanzen hindurch duckend, an Bäumen vorbei und durch zwei hindurch, niemals langsamer werdend...wo sind die Grenzen? Wo?

Vergiss das Suchen, du hast keine.

Ich stolpere, rolle mich unbewusst ab und lande hart an einem Baum. An ihn gelehnt stütze ich meinen Kopf auf meine rechte Hand und die an mein Knie. Könnte ich mir sparen, genauso wie das Sitzen selbst - aber ich will mir nicht eingestehen, dass Beine, die vom Laufen nicht müde werden, auch ewig stehen können. Von den Blättern über mir tropft Wasser auf meinen Kopf, fließt über meine Augenplatten, verschleiert meine Sicht; es kümmert mich nicht. Mein Blick geht nach innen.
Warum bist du nicht tot? Du bist doch nur hier, um mich zu quälen, oder?

Ich bin hier, um zu fordern, was das meine ist. Denkst du, so ein kleiner Rückschlag auf rein geistiger Ebene hält mich auf? Wenn du deine Hülle so hasst, gib sie doch ihrem rechtmäßigen Besitzer. Ich mag sie.

Niemals! Ich habe gesehen, was passiert, wenn du den Körper besitzt! Du bist ein Mörder, ein Psychopath, ein Wahnsinniger! Der General hat einen besseren Begleiter als dich verdient!

Ach, und das bist du?
...
So schweige nur...und lass mich in den Tiefen deiner schwarzen Seele...ich kann warten, Kampfmaschine.


Du...ich...nein! Es ist deine Seele, die schwarz ist! Es ist...
sinnlos. Der Zweite ist weg. Still, heißt das. Wie eine Spinne in ihrem Netz verborgen in mir, nur darauf lauernd, zuzuschlagen...
Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Händen, aber wieder dient dies nur der Verdeutlichung, was ich am liebsten nicht mehr sehen möchte, als die Flächen mein Blickfeld füllen. Ich bin eine Kampfmaschine. Was ich nie werden wollte, ist jetzt Wirklichkeit. Emotionen, Gedanken, was ich bin, begraben unter der kalten Schale metallischer Funktionalität. Diese Hände...die plumpen Finger...wofür sind sie gebaut? Die Stacheln, die Aura, Alles für den Kampf. Ich bin Stahl gewordener Tod. Und ich hasse jede Sekunde meiner Existenz. Wie kann er nur diesen Körper wollen? Das gibt keinen Sinn! Ja, die Blutgolemform war beherrscht von Schmerzen, aber eben auch von diesem besonderen Bund zwischen mir und dem Meister, ein körperlicher, den wir zu Freundschaft erweiterten...
ich schrecke auf, als mir die schönen Erinnerungen zumindest ein wenig die Trübsinnigkeit lindern und endlich wieder ein logischer Gedanke meinen Kopf durchdringt. Freundschaft. Darauf läuft es doch immer wieder hinaus! Du hattest nie einen Freund, oder? Du warst immer nur die Tötungsmaschine. Dein Meister hat dich nicht verstanden, nicht deine Intelligenz gewürdigt, nie mehr als die Funktion in dir gesehen. Und um nicht wahnsinnig zu werden, hast du dich voll darauf eingelassen! Du wurdest bewusst zu dem seelenlosen Killer, der du bist!
Ich weiß, dass du mir nicht antworten wirst. Aber denk darüber nach, wie viel von deinem Handeln nur von Neid auf unsere Beziehung motiviert ist.
Womit wir beim Thema wären - was sitze ich hier rum? Mühelos stehe ich auf, ohne Krämpfe, Druckstellen...
Ich habe einen Auftrag, und ich werde ihn erfüllen. Zurück zu den Docks! Diesmal gehe ich langsamer, dafür bestimmter. Eigentlich kommt es nicht einmal auf die Mission an sich an. Es geht um den Inhalt! Der General braucht mich, und ich werde ihm helfen. Um jeden Preis, denn in diesem Körper bin ich bereit, ihn zu zahlen!
Diese Gedanken helfen, meine Entschlossenheit zu stärken - fast so sehr wie es mich beflügelt, den Zweiten einmal seine eigenen Methoden kosten zu lassen. Nicht nur er kann beunruhigende Fragen stellen.
Ich kam doch von da...nicht wahr? Mein Gedächtnis sagt mir...
Ich drehe mich um. Wenn ich ihn diese Richtung gelaufen bin, muss ich den Abschnitt kennen. Hm...Bäume, Äste, Blätter...na toll! Was nützt eidetische Erinnerung, wenn Alles gleich aussieht? Nein, dieser Dschungel ist nicht natürlich. Die Bäume lassen ihre Äste tief hängen, auch die langen Blätter fallen teils bis auf den Boden...stellenweise bildet sich durch die unglaubliche Nähe der Pflanzen zueinander eine regelrechte Wand aus Holz, durch die man einfach nicht kommt. Das ist kein Wald - es ist ein Labyrinth! Lianen, die überall hinunterhängen, erschweren auch auf den seltsamerweise vegetationslosen Pfaden das Gehen, tückisch unter faulendem Belag aus Moosen und Baumteilen verstecke Wurzeln laden, wie ich erfahren habe, zum Stolpern ein...neben mir fließt träge ein schlammiges Bächlein, und kaum können die stehen Regentropfen die fast ölige Oberfläche stören.
Ich gehe zögerlich weiter...kam ich über eine Brücke? Ich kann mich nicht wirklich erinnern, als ich rannte, muss ich komplett meine Umgebung ausgeschaltet haben. Moment...eine Brücke...aus Stein? Mitten im Dschungel? Wer hat die gebaut?
Da wird mir bewusst, dass diese Formation rechts von mir kein Baumstumpf ist - unter zahlreichem Pflanzenbewuchs liegt Stein. Ich streiche ein paar Lianen weg...und vor mir steht eine behauene, mit Fresken verzierte Säule.
Ich blicke mich um. Diese Erhebung, da, zu gerade die Felsen arrangiert! Und unter mir...die Schicht aus Schlamm teilt sich vor meinen hastig grabenden Händen...ja, nur knapp unter der Fäule, ein Weg, gepflastert.
Unsanft lande ich auf meinem Rumpf, als mich die Erkenntnis überwältigt von etwas, das ich zwar wusste, aber das mir jetzt erst richtig klar wird: Ich bin in Kurast! Die Stadt, von der ich nur die Docks kenne, ist um mich herum, unter mir, neben mir, über mir...und der Dschungel hat sie verschlungen. Komplett. Häuser, Straßen, Säulen, Plätze, Gassen, Alles einfach weg.
Unsicher erhebe ich mich wieder. Das Böse liegt überall...und als ich einen Ast zertrete, mein unnachgiebiger Fuß morsches Holz laut splittern lässt, bemerke ich, was hier einfach fehlt: Geräusche. Keine Grillen zirpen, keine Mücken surren, geschweige denn Vögel zwitschern. Nichts bewegt sich außer Blättern. Der Dschungel ist tot, ein natürlich Ort der blühenden Lebens, der Regenwald, in seiner Funktion komplett auf den Kopf gestellt und als Mittel zur Auslöschung eines kompletten Volkes benutzt - die schiere Bösartigkeit dieser Methode bringt mich fast um den Verstand. Wie konnten sie es wagen...das Prasseln des Regens ist wie der Rhythmus einer Melodie, die einfach nicht einsetzt, ein stetes Vorspiel ohne Sinn. Man wartet, und wartet...und: Nichts. Es ist nervenaufreibend. Ein Geräusch wenn doch käme...

"Kommt doch und holt mich!"

Ich fahre zusammen, so weit ich kann. Eine menschliche Stimme, weiblich, und zwar von - da! Ich luge um einen Stamm herum, nach einem kurzen Lauf der Quelle des Schreis nah.
Auf einer kleinen Lichtung steht sie, in einen relativ leichten schwarzen Schuppenpanzer gehüllt, kurze, ebenfalls schwarze Haare, ein blasses Gesicht, das ich im Profil sehe; ungewöhnliche Färbung für diese Gegend, die Meisten sind hier farbig, Ormus, die Soldaten...meine Augen wandern nach unten; am unbedeckten Arm entlang an ihre rechte Hand, die andere sehe ich nicht, ist eine kurze Klinge geschnallt, die über ihre Finger hinausragt, die sie locker nach unten hängen lässt; tropfenförmig verjüngt sie sich zum Ansatzpunkt an ihrem Handgelenk hin, wo ein Ledergeschirr die Waffe fixiert. Ihre Beine sind nackt bis auf einen Kettenrock, der über kurzen, ebenfalls schwarzen und hautengen Hosen hängt, jedoch nur bis knapp unter die Hüften; die Feuchtigkeit daran lässt ihre muskulösen Schenkel glänzen, die in schlichten, ebenfalls schwarzen Kettenstiefeln enden, hinter denen etwas liegt, das ich nicht klar erkenne. Sie hebt die linke Hand - ah, auch an sie ist eine Waffe geschnallt, diese aus drei einzelnen, miteinander verbundenen Klingen bestehend, wie meine Klauen von früher - und krümmt einen Finger lockend in Richtung der anderen Seite der Lichtung. Dort - ah! Ihr gegenüber, eine unbestimmbare größere Anzahl vom Dschungel verborgen, stehen mehrere kleine Gestalten, vielleicht so groß wie mein Arm lang ist, grundsätzlich humanoid, aber mir einem viel zu groß proportioniertem Kopf, dessen Mund zugenäht ist und der keine Augen hat...verstörend, da könnte man fast die Messer vergessen, von denen jeder eines führt, die einschneidige Klinge halb so lang wie einer von ihnen und sich am Ende auf die viertelte Dicke der Länge erweiternd...gefährlich. Ihre Haut ist gräulich, die Haare hängen fettig und verfilzt herab, die winzigen Ärmchen und Beinchen scheinen gar nicht in der Lage, diese grotesken Püppchen am Umfallen zu hindern - aber sie tun es.
Da, noch ein Schrei, diesmal aus ihrer Richtung, ein ersticktes Röcheln mehr, aber voller Hunger, und sie stürzen sich auf die Frau. Ich muss...

"Willst du dir etwa erst ansehen, ob es spannend wird, Kleiner?"

Schreck durchzuckt mich, als die rasselnde Stimme ertönt. Schnell blicke ich auf und hätte gleich darauf am liebsten weggesehen. Ein Monster, locker noch einmal halb so groß wie ich, der ganze Körper bestehend aus...Holz? Jedoch mit Grünstich...die handlosen Arme sind Baumstämme, Äste spärliche, spitze Haare, ein Brustkorb und Schultern wie gigantische Wurzelknoten, so breit wie das Ding hoch ist. Das Gesicht ein Holzklotz, ohne Züge bis auf zwei kleine, rot glühende Augen, Kohlen, eingebettet in unverbranntem Grundmaterial. Und Alles überzogen mit Dornen, gewaltig wie sicherlich schmerzhaft zugleich. Was zum Herrn des Schreckens...

"Ach, ihr folgt? Brave Kerlchen. Als Belohnung - ein Tanz!"

Die Frau stiehlt wieder meine Aufmerksamkeit mit ihrem Hohn, als sie allein gegen ein Dutzend der Mörderpüppchen steht - da zieht sie ihren linken Fuß zurück und flippt mit ihm ein Objekt in die Höhe, das, was neben ihm lag. Sie fängt es mit einer Hand auf und setzt es dann auf, ein Helm, nicht unähnlich dem Schädel, den der Meister vom Geist...Gespensterbeschwörer bekommen hat. Aber schwarz...und da, als sein Saum, der ihren Nacken schützt, die Rüstung berührt, wird ihr ganzer Körper durchsichtig! Wie...?
Zwei Baumarme packen meinen Kopf wie einen Schraubstock, und ohne es wirklich zu spüren, weiß ich, dass ein wenig mehr Druck ihn wie eine Stahlnuss zerquetschen wird.

"Ich hab dich gerade was gefragt. Nicht ablenken lassen."

Meine Gedanken schießen schnell durch ihr gepresstes Behältnis. Was soll ich tun?

Erzähl ihm was!

Du...egal! Was?

Egal, das wie zählt!

Ohne, dass er dafür Worte verschwendet, lässt der Zweite genau in meine Gedanken fließen, was er damit meint, wie früher die Kampfaktionen, für die ich nicht erfahren genug war, als wir noch zusammenarbeiteten. Sofort lege ich so viel Sicherheit und Arroganz in meine Stimme, wie hineinpasst - leider nicht viel.

"Ganz offensichtlich bin ich ein Späher, du Holzkopf. Lass sofort meinen Kopf los, sonst wird Jemand noch ungemütlich."

Späher? Wie kommst du auf so einen Unfug?

"Welcher Späher? Ich habe noch nie einen so kleinen Dornendrescher wie dich gesehen..."

Die Frau schießt plötzlich vor und spießt auf eine Klaue einen, auf die zweite Klaue einen anderen Gegner auf, und in einer fließenden Bewegung tritt sie einen dritten in hohem Bogen von sich weg, der in das Messer eines Kameraden fliegt. Wahnsinn!

Red weiter, du Idiot!

Oh, da war was...aber was...egal, jetzt ist es zu spät, und ich bin bekanntermaßen weit besser als du im Improvisieren, hm?

"Hättest du einen von uns vorher gesehen, wären wir schlechte Späher, immerhin sollen uns die Lebenden so nahe an ihrem Rattenloch auch nicht sehen, oder? Was machst du eigentlich hier?"

Noch mehr Arroganz, fordernder!

Es tut mir aufrichtig Leid, dass in diese Stimme kein Hauch von Betonung passt!
Da lösen sich langsam die Klammern von meinem Kopf, während die Durchscheinende weiterhin ihre Gegner vernichtet. Sofort wende ich mich davon ab, um herumzufahren, widerwillig, weil ihr Kampfstil mich absolut fasziniert, aber das hier ist wichtiger. Ich stutze kurz, als ich weitere sechs Exemplare der Baumdämonen - Dornendrescher also, passend - hinter dem sehe, mit dem ich gerade rede...sie sind hellbraun, nicht so grünlich wie er: toll, ein Held - aber mein kurzes Zögern sollte er hoffentlich nicht bemerkt haben. Seine sowieso schon schwierig zu verstehende Stimme wird betont neutral, als er sich noch ein wenig mehr aufrichtet...als würde er nicht ohnehin über mir türmen! Auch gespielte Autorität hat offenbar Effekt bei Dämonen.

Und schlecht gespielte noch dazu.

"Befehl von ganz oben. Sag bloß, du weißt Nichts davon?"

"Ich bin hier komplett abgeschottet, und das soll auch so sein. Klär mich auf."

"Na gut. Wir sind die Vorhut, für die du wohl auch spähst, weil bald...he, sie ist fertig! Schnappen wir sie uns, bevor sie noch abhaut!"

Nein! Diese Information wäre vielleicht...nein, sicher von höchster Wichtigkeit gewesen! Das ist doch zum...
Baumkrieger stürzen an mir vorbei. Er sieht mich schief an.

"Kommst du auch mit?"

"Menschen schlachten? Immer."

Und Bäume niederbrennen. Ha! Wie tief bin ich gesunken, dass Diener des Bösen mich automatisch als einen der ihren akzeptieren? Immerhin praktisch...

Exakt. Hilf ihnen jetzt, verbreite falsche Informationen, spioniere sie aus!

Eine gute Idee...Moment, helfen? Ich muss ihr helfen gegen diese Übermacht!

Bist du wahnsinnig? Halt, bist du, ich vergaß. Aber so? Auch zu zweit haben wir keine Chance! Wenn du sie eigenhändig tötest, können wir überleben!

Du...sei still! Geh wieder zurück in deine dunkle Höhle, wo auch immer du dich versteckst! Ich werde Nichts dergleichen tun! Für wie verkommen hältst du mich?

Du bist hoffnungslos. Unglaublich. Na dann, viel Spaß bei deinem Doppelselbstmord, von mir kannst du keine Hilfe erwarten.

Ich zittere.
Sie hatte gerade, wie der Meister es immer tut, die toten Püppchen nach Wertvollem durchsucht, als sie gerade noch rechtzeitig den ersten Dornendrescher herandonnern hörte. Bevor er die Stelle, an der sie kniete, mit einem Hieb zerschmetterte, ist sie weggesprungen. Kleine Leichen fliegen durch die Luft. Sie knurrt.

"Habt ihr nicht gelernt, eine Frau nie bei etwas zu unterbrechen?"

Während der erste noch schwerfällig seinen Keulenarm hebt, rammt sie ihm eine Klaue in die Brust, springt, und die zweite landet höher in ihm. Zwei weiß glühende Kugeln beginnen, schnell um sie herum zu wirbeln. Hm...? Da stößt sie sich ab, krümmt den Rücken fast ganz durch, und tritt ihm kopfüber ins Gesicht. Da - eine kleine Explosion entweicht ihren Sohlen, und Späne fliegen überall hin, als die Kugeln verschwinden! Der Körper ihres Gegners zuckt, und als sie mit einem halben Salto auf dem Boden landet, geht er urplötzlich in irrsinnig schnell brennenden Flammen auf, die in weniger als einer Sekunde Nichts zurücklassen...doch, eine seltsamerweise völlig ungeschwärzte ovale Holzscheibe, die auf dem Boden liegen bleibt. Ich bin beeindruckter denn je.

"Verdammt, das wird nicht leicht - komm, wir verhindern, dass sie abhaut, falls meine Diener es nicht schaffen!"

Der Anführer, mit mir noch zurückgeblieben, rennt um die Frau herum, und ich folge zögerlich - sie scheint zurecht zu kommen...die Baumwände verengen sich hier zu einem schmalen Durchgang, der einzig andere Weg aus der Lichtung neben dem, über den die Drescher und ich kamen.

"Versteck dich in diesem Gebüsch, du bist meine Rückendeckung, falls was schief läuft. Ah - aber die Jungs haben sie eigentlich unter Kontrolle."

Mit Entsetzen sehe ich, wie drei Dornendrescher sie umzingeln und ihre Keulen heben. Ich hätte sofort eingreifen sollen! Jetzt ist es zu spät...sie blickt gehetzt um sich...und springt im letzten Moment zwischen des Einen Beinen hindurch. Sofort rollt sie sich aufrecht, während ich innerlich aufatme...und blickt auf eine Wunde an ihrem Oberarm: Da kam ein Dorn zu nah.

"Tja, Kinder, war schön, mit euch zu spielen, aber wir raufen ein ander Mal, ja?"

Sie streckt kniend ihre rechte Hand aus und hält die Klinge daran senkrecht nach oben; auf einmal...verdunkelt sich die Sonne. Was? Das erinnert mich zu sehr an...aber nein, sie ist nicht überrascht, es war ihr Werk. Die Drescher sind verwirrt, über ihren Köpfen schweben graue Wölkchen, Symbole der Blindheit, die sie überfallen hat, wie die orangen Flämmchen ein Symbol für den Verstärkten Schaden sind, den der Meister flucht. Ohne Orientierung stolpern sie herum, sie nutzt die Gunst der Stunde - und rennt direkt auf mich zu.
Da tritt der Anführer in ihrem Weg, und sie kann gerade noch ihren Sprint abbrechen, bevor sein Arm direkt vor ihr niederfährt. Ein Grinsen liegt in seiner Stimme.

"Netter Trick, aber damit beeindruckst du höchstens meine Diener..."

So, das reicht jetzt. Ich stehe auf.

"Also, ich bin beeindruckt..."

Alles liegt klar und deutlich vor mir, jedoch in schwarz-weiß; ich kann im Dunkeln sehen - klar, so sehe ich auch meine Handflächen, wenn ich sie vor die Augen lege.

"Du solltest doch in Deckung..."

"Ich sollte dir auch nicht in den Rücken fallen, tue ich aber."

Bevor er kapiert, was Sache ist, forme ich meine plumpen Finger zur Faust - was ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte: so ungeeignet sie für Feinarbeit zu sein scheinen, so perfekt formen sie einen Keil mit Dornen an den Spitzen, den Knöcheln - und ramme sie mit voller Wucht über den Hüften in seinen Körper. Das gewaltige Krachen, das mich belohnt, verrät mir, dass hinter dieser glänzenden, nichtssagenden Hülle eine gewaltige Kraft steckt, und Splitter sprühen. Ein keuchender Schrei entweicht ihm, da zuckt er noch einmal mehr, zweimal...und plötzlich überzieht mich ein Spanregen, als sein Torso explodiert. Kurz darauf brennt das Holz, das meine Faust umgibt, blitzschnell ab und ich starre der Frau in die klar sichtbaren Augen im halb durchscheinenden Helm, die sich gerade von einer Landung aufrichtet.

"Danke, dass du ihn abgelenkt hast. Darf ich fragen, warum?"

"Er hat eine Frage nicht beantwortet. Verschieben wir den Rest auf später? Die Anderen kommen."

Noch vier überlebende Dornendrescher stürmen auf uns zu, sichtlich wütend und offenbar nicht mehr blind - ja, die Welt hat wieder Farbe, und die Wölkchen haben sich aufgelöst.

"Na dann - zeig, was du kannst!"

Damit wirbelt sie herum und rennt den Gegnern entgegen. Die-ist-doch-irre...
Ich renne hinterher.
 
Natalya \o/
Gutes Kapitel! Vor allem die Beschreibung der Fetische hat mir sehr gut gefallen. Oder sind wir noch im Spinnenwald und das sind Seelentöter? :confused:
 
Wieder ein spannendes Kapitel, ein kleiner Fehler:


TwinYawgmoth schrieb:
ich SCHREKCE auf, als mir die schönen Erinnerungen zumindest ein wenig die Trübsinnigkeit lindern und endlich wieder ein logischer Gedanke meinen Kopf durchdringt. Freundschaft.


@ lord freak: Im Spinnenwald und im Moor gibts Fetische, im Schinderdschungel gibts Schinder und Seelentöter imho
 
Gefällt mir auch sehr gut. Gerade hat man sich so nach den ersten 5 Seiten so richtig reingelesen und schon ist es wieder vorbei :( Wieder ne Woche warten...

Ansonsten gefällt es mir auch wirklich sehr gut. Find ich lustig, dass der Golem mit einem Schlag nen Dornendrescherchampion erledigt :) Ist wirklich beeindruckend.

lg, Gandalf
 
Interessant, dass man auch mal nen anderen Char in Aktion sieht. Aber ich frag mich, wie gut Assassinen und Totenbeschwörer miteinander zurechtkommen. Die "Berufe" sind ja doch ein bisschen gegensätzlich.

Die Beschreibung des Dschungels, der früher Kurast war, ist richtig gut gelungen, auch die Fetische und Dornendrescher kann man sich gut so vorstellen.

Sorry fürs Klugscheißen, aber ich habs gerade nochmal im Stowasser nachgeschlagen und ich glaube, es müsste "in corpore ferreo" heißen. Ferreus ist das Adjektiv eisern, ferrum ist der Substantiv Eisen. Passend zum Zitat müsste da ein Adjektiv hin.

Tippfehler:

beim Rennen vor Kurzen - vor Kurzem

Ach, und das bist du?
... - die drei Punkte sind klein, müssten aber glaub ich in normaler Schriftgröße
 
Von der Spielwese her: grundsätzlich sehr gut, wenn die Assassin den Necromancer nicht überflucht (Cloak of Shadows), das mag der nicht so gerne.
Ansonsten sind es die beiden Charakterklassen mit am Meisten Humor in den Sprüchen...
 
-G4nd4lf- schrieb:
Gefällt mir auch sehr gut. Gerade hat man sich so nach den ersten 5 Seiten so richtig reingelesen und schon ist es wieder vorbei :( Wieder ne Woche warten...

Ansonsten gefällt es mir auch wirklich sehr gut. Find ich lustig, dass der Golem mit einem Schlag nen Dornendrescherchampion Ein Boss wars, ich nehm immer "Anführer" oder "Held" als Synonyme für die erledigt :) Ist wirklich beeindruckend.

lg, Gandalf
Stimmt nicht, er lenkt ihn nur ab - schau genau:

Ein keuchender Schrei entweicht ihm, da zuckt er noch einmal mehr, zweimal...und plötzlich überzieht mich ein Spanregen, als sein Torso explodiert. Kurz darauf brennt das Holz, das meine Faust umgibt, blitzschnell ab und ich starre der Frau in die klar sichtbaren Augen im halb durchscheinenden Helm, die sich gerade von einer Landung aufrichtet.
Er hat ihn nur abgelenkt, Nat hat ihn zweimal tigergeschlagen und dann einen Drachenschwanz auf die Brust gesetzt.

Sorry fürs Klugscheißen, aber ich habs gerade nochmal im Stowasser nachgeschlagen und ich glaube, es müsste "in corpore ferreo" heißen. Ferreus ist das Adjektiv eisern, ferrum ist der Substantiv Eisen. Passend zum Zitat müsste da ein Adjektiv hin.
Oh. Schon wieder zu lange her bei mir - das müssen wir natürlich korrigieren. Danke auch für den Rest der Korrekturen und immer für euer aller Lob!

Simon


EDIT: Die Punkte sehen bei mir normal aus, vielleicht liegts an dir oder am Forum - kann ich Nix machen ^^.
 
Denke mal schon, dass die noch im Spinnenwold sind.

Aber schön Natalya mal kämpfen zu sehen. Währ ja zu scharde, wenn die immer nur in diesem stinkenden Hafen rumstehen muss.

Tolles Kapitel :top: Weiter machen!


Fenix
 
Zu Befehl, Fenix.

Gibt eigentlich nicht zu viel zu sagen heute...eigentlich gar Nix. Enjoy :D.

Simon
 
Kapitel 7 - Die Antwort im Schatten

Ich drehe die Holzscheibe, die der letzte der Dornendrescher bei seinem Tod zurückgelassen hat, versonnen zwischen den Händen; da fällt sie mir hinunter - ich muss mich noch daran gewöhnen, so kurze Finger zu haben. Komisch, das - warum sollten sie eine Art von Leiche hinterlassen, wenn sie doch völlig verbrennen? Ich werde die hier mitnehmen.

"Also, jetzt haben wir sie dafür bestraft, dass sie mich gestört und dir nicht geantwortet haben, was jetzt? Kämpfen wir auch?"

Ich sehe zu der Frau auf, die ihren Helm locker auf einer Hand balanciert; ihr kurzes Haar ist feucht von Schweiß und Regen und sie atmet etwas schneller, aber ich glaube, auch so sollte ich das nicht einmal versuchen, selbst, wenn ich es wollte.

"Ich würde verlieren, aber das ist nicht der Grund. Ich bin kein Dämon."

"Soso. Was bist du dann? Warum bist du hier, und warum hilfst du mir?"

Himmel, ist die aggressiv. Na, wer freiwillig statt zu rennen mit diesen Dingern kämpft - aber wie!...

"Die gängige Bezeichnung lautet 'Golem'. Ich bin mit meinem Meister, dem General, von Lut Gholein gekommen, und helfe Euch, weil ich auf der Seite der Menschheit stehe in diesem Kampf gegen das Böse. Auf welcher Seite steht Ihr?"

"Ich würde sagen 'auf meiner', aber das ist nicht ganz richtig. Hm...ist dein Meister etwa dieser Junge, über den Alle lachen, weil er völlig kopflos in den Dschungel gestürzt ist und das nur knapp überlebt hat?"

"Über das Lachen weiß ich Nichts, aber der Rest der Beschreibung scheint zu stimmen."

"Jetzt sei nicht so steif, ein 'Ja' hätte gereicht! Na, das ist dann doch interessant. Aber genauer: Warum bist du hier, im Dschungel?"

Jetzt mal langsam hier...ich bin nicht bei einem Verhör.

"Das Gleiche könnte ich Euch fragen."

"Dann tus."

Wie...die geht mir langsam auf die nicht vorhandenen Nerven!

"Schön, warum seid Ihr hier...im Dschungel?"

"Mir war langweilig. Du bist dran."

Ich bleibe still, weil ich weder husten kann noch meine Augen sich zu weiten in der Lage sind, aber sie ist hier nur, weil...aber sie hat den Kampf mit diesen Monstern gesucht...und was sag ich jetzt? Genereller Hass auf Dämonen? Auch Langeweile? Ach, ich habe genug von diesem Verwirrspiel, was gibt es mit der Wahrheit zu verlieren? Vielleicht unnötige Paranoia, genau.

"Ich bin hier, weil ich eine Weile allein sein wollte."

Das überrascht jetzt aber sie. Unentschieden, Madame.

"Das klingt aber gar nicht nach einer Motivation, die ein willenloser Diener haben sollte..."

Das reicht jetzt aber wirklich.

"Wollt Ihr gleichzeitig meine Ehrlichkeit und meine Intelligenz in Frage stellen? Ich habe nicht gerade überschwängliche Freude für meine Hilfe erwartet, aber jetzt muss ich mich nicht beleidigen lassen!"

Sie hat die Frechheit, zu grinsen!

"He, es steckt ja doch Feuer in dir! Nur die Ruhe, ich mach doch nur Scherze. Dass du denken kannst, war klar, sobald du erkannt hast, dass ich dir locker überlegen wäre!"

Sie legt den Helm auf den Boden und streckt ihre rechte Hand aus.

"Ich heiße Natalya, freut mich ehrlich, dich kennen zu lernen. In diesem Irrenhaus ist man immer froh, Jemand zu treffen, der einen ohne wenn und aber unterstützt, wenn man es braucht. Obwohl ich sicher alleine mit denen fertig geworden wäre..."

Ich starre kurz ihre Hand an, aber eigentlich kann ich dem Nichts hinzufügen...vorsichtig schließen sich meine Finger um ihre, und ich schüttele sie kurz.

"Ihr könnt mich Golem nennen, das tun Alle."

"Duz mich, Eisenjunge. Tun Alle."

"In Ordnung...Nat."

Sie lacht laut auf.

"Du bist gut! Jetzt erzähl mir doch mal, warum du alleine sein wolltest, das verstehe ich nicht."

Ich wende meinen Blick von ihrem ab und richte ihn auf den Boden.

"Ich glaube, das würde dich nicht interessieren."

Ihre Hand packt mein Kinn und zieht es nach oben. Ich starre in ein ernstes Gesicht.

"Mach dich nicht lächerlich. Meiner Erfahrung nach sagen die Leute nur, dass sie alleine sein wollen, wenn sie in Wirklichkeit viel eher Jemand zum Reden brauchen."

Lange Sekunden sage ich Nichts, und die Gedanken in meinem Kopf drehen sich im Kreis herum, eine träge Spirale, die zu keinem Ergebnis führt. Außer dem...dass sie Recht hat. Aber kann ich ihr trauen?
Ach, Himmel. Wem denn sonst. Der Meister darf meine Probleme nicht erfahren, und Deckard...warum erzähle ich es nicht ihm? Andererseits...würde er es dem Meister verschweigen? Will ich ihn damit belasten? Will ich warten, bis ich wieder zurück in Kurast bin, um loszuwerden, was mich belastet? Will ich Natalyas Angebot wirklich ausschlagen?
Eben.

"Möchtest du dich vielleicht hinsetzen? Es könnte etwas dauern."

Sie verschränkt die Beine unter sich - wie geht das überhaupt? - und stützt das Kinn grazil auf ihre Handfläche.

"Fang an."

Ich lasse mich ihr gegenüber nieder.

"Im Grunde begann Alles bei meiner Erschaffung..."

Man könnte meinen, während meiner Erzählung würde ich mein Zeitgefühl verlieren, aber während die Worte aus mir herausströmen, präzise artikuliert und absolut emotionslos, bemerke ich, dass ich nicht einmal über sie nachdenken muss: Was ich sage, läuft vor sich hin, ohne mein Zutun, das erste Mal, dass ich meine Lebensgeschichte, so kurz sie ist, ohne etwas auszulassen, wiedergebe. Wichtiger, meine Gedanken, meine Gefühle, sie alle fließen mit hinein, und so ergibt sich der seltsame Effekt, dass meine Sätze allein durch die Kraft der Worte darin genau die Stimmungen vermitteln, die sie sollen, obwohl meine Stimme dazu völlig ungeeignet ist...ich weiß einfach, was ich zu sagen habe. Und ich hatte eindeutig Recht mit meiner gerade getroffenen Entscheidung: Ich hätte nicht länger warten können...meine Zweifel, meine Sorgen, mein Leid, hätte ich es nicht aus mir herausgelassen, wäre ich daran zugrunde gegangen.
Also sind zwei Stunden, siebzehn Minuten und eine unwichtige Anzahl an Sekunden vergangen, seit ich begann, und zu keinem Zeitpunkt schien Natalya auch nur im Mindesten gelangweilt.

"...und darum musste ich fliehen. Der Zweite, wie ich ihn mittlerweile nenne, wartet nur darauf, dass ich Schwäche zeige, der Meister ist körperlich gebrochen und geistig kurz davor, und meine neue Hülle ist kalt, leer, emotionslos wie meine Stimme. Ich bin eine Kampfmaschine geworden, Nichts weiter, und das betrügt jede Sekunde meiner Existenz als denkendes, fühlendes Wesen...schau dir diese Hände an!"

Ich hebe sie.

"Sie können keine Blumen pflücken, sie können keine Hände schütteln, sie können Niemand streicheln. Ich forme sie zur Faust - so - und es sind Waffen. Ich entspanne sie wieder - und sie sind nutzlos. Kampf oder Nichts, das sind meine Optionen, weil ich immer wieder daran erinnert werde, wenn ich nicht gerade kämpfe, wie tief ich gefallen bin. Und während des Kampfes muss ich gleichzeitig gegen meinen Gegner von außen und gegen den in mir bestehen, weil am Ende beider Pfade bei einer Niederlage die Vernichtung steht."

Ich verstumme kurz, aber kaum entsteht die Stille, bricht Natalya sie.

"Der Zweite...du sagtest, er hätte dir zwar geholfen, den Dornendrescher zu überzeugen, du gehörtest zu ihnen, aber nicht mehr im Kampf an meiner Seite? Kannst du dir vorstellen, warum?"

"Ich verstehe ihn grundsätzlich nicht, aber in diesem Fall denke ich, dass er tatsächlich an diesem Körper hängt, jedoch nicht so sehr, als dass er voll mit mir zusammenarbeiteten möchte, um ihn zu retten, wenn er überzeugt ist, dass ich eine für uns gute Situation komplett umwerfe. Ist ja nicht so, als ob ich gerne mit ihm arbeite, weil ich nie weiß, wie sehr ich dadurch meine Kontrolle verliere."

"Was wiederum daran liegt, dass dein Körper so ist, wie er ist. Und warum erzählst du das deinem Meister nicht?"

"Ich habe zu lange geschwiegen, er hat zu viel investiert, wenn ich meine Lebenslüge eingestehe, jetzt, wo es ihm so schlecht geht, und ich auch noch alle Anstrengung, die er in diesen Körper gesteckt hat, verachte...das würde er nicht aushalten."

"Das glaube ich nicht."

Mein Kopf schießt hoch. Ich kenne den Meister doch wohl besser als...sie hebt die Hand.

"Ich glaube nicht, dass du ihm das aus diesem Grund nicht erzählst. Wenn der Rest deiner Geschichte stimmt, und ich glaube nicht, dass du da übertrieben hast, weil ich dich für Jemand halte, dem Angabe komplett fern liegt, dann warst du immer für ihn da, wenn er schwach war, du hast ihn in Momenten der Verzweiflung immer gestützt und ihn auf den richtigen Weg gelenkt. Und jetzt, wo er wieder schwach ist und du ihn wieder retten musst, bist du auch selbst schwach - und das willst du ihm nicht sagen. Du willst ihn nicht auch einmal um seine Hilfe bitten."

"Ich...ich muss da alleine durch..."

"Unsinn, Golem! Weißt du, wie ich das nenne? Stolz. Du bist zu stolz, von ihm die Gefallen einzufordern, die er dir schuldet."

Ich sage Nichts. Stolz. Ich? Ich bin vom Wesen her bescheiden, das hat sie selbst gerade festgestellt! Ich bin immer fähig, mich anzupassen, ich stehe jede Demütigung durch, ich bin ein treuer Diener. Ich bin...
Oh, verdammt. Ich bin stolz auf meine Leidensfähigkeit.

"Jetzt pass mal auf. Mir wird hier draußen langsam kalt, und ich glaube, es ist nicht in deinem Interesse, deine ganze Zeit damit zu verschwenden, hier herumzusitzen und dein schlimmes Schicksal zu beweinen. Reiß dich zusammen, denk einmal in aller Ruhe darüber nach, wie viele Lagen von Täuschung und Verheimlichung du noch über die schon vorhandenen häufen willst, bis du letztlich nur noch eine Maske nach außen trägst für deinen Meister und den Rest der Welt."

Eine...Maske? Ich glaube, kein einzelnes Wort hätte mich mehr erschüttern können als dieses...sie steht auf, und ich bleibe sitzen.

"Kommst du mit, oder was? Zurück zu den Docks, ich muss deinen Meister kennen lernen!"

Ich...muss ablenken.

"Was ist eigentlich mit dir? Du weißt jetzt Alles über mich, aber ich Nichts über dich."

Als ich auch aufstehe, sieht sie mich schief an.

"Weißt du, Golem, ich kenne mich doch auch nur deswegen ausgezeichnet mit Täuschung und Masken aus, weil ich selber so gut darin bin."

Damit setzt sie ihren Helm auf, wird wieder durchscheinend, streckt ihre rechte Klaue wieder senkrecht vor sich - ein Muster aus konzentrischen weißen, unterbrochenen Kreisen erscheint unter ihren Füßen - und rennt davon, schneller, als ich es für möglich gehalten hätte. Mit einem gefühllosen Fluch stürze ich hinterher. War das jetzt ein Fehler? Hätte ich auf Deckard hören sollen und mit der Wahrheit geizig sein sollen? Ich weiß es nicht, ich weiß gar Nichts mehr. Ich bin verwirrter als vorher.
Oder formt der ganze Staub, den ihre wenigen Worte in mir aufgewirbelt haben, jetzt doch einen Pfeil, der in die rechte Richtung weist?
 
Du hast meinen Tag gerettet :) Danke schön für dieses Update. Hätte ich ja gar nicht erwartet, dass Natalya so ein gesprächiger Charakter ist - die Psychologin. Sehr interessante Fortsetzung. Dumm nur, dass ich für das nächste Kapitel noch ne woche warten muss.

lg, Gandalf
 
Ein schönes Kapitel. Es freut mich, dass der Golem endlich jemanden gefunden hat, dem er mal alles erzählen konnte (und gut, dass der Zweite nicht dazwischengefunkt hat). Und Lob für den witzigen Dialog am Anfang. *kopfschütteldannlautlach* ;)
 
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