Kapitel 10 - Der Ideale Lösung
"...und das ist ja das Schlimme bei dem, was ich tat: Ich habe nicht nur meine gerade gefassten Prinzipien verraten, sondern dies sehenden Auges und mit voller Absicht. Wie viel schrecklicher kann ein selbsterlegter Auftrag scheitern als noch bevor er begonnen hat, und das allein durch meine Schuld? Wie tief hat mich dieser Irrsinn schon gepackt, wenn der Zweite die Stimme meines Gewissens ist?"
Natalya lehnt sich auf dem Bett zurück, wo sie wieder Platz genommen hatte, nachdem ich begann, meinen verdammten Plan zu bekennen. Verbündete wollte ich? Pah, ein Netz aus Abhängigkeiten zu schmieden war der Gedanke! Aufgebaut auf Informationen, gefestigt durch Erpressung, begründet durch Lügen und Manipulation.
"Ich verstehe dein Problem nicht ganz."
Meine Arme spreizen sich in eindringlichem Unglauben.
"Was gibt es daran nicht zu verstehen? Ich dachte, ich hätte Werte! Moral! Offensichtlich habe ich falsch gedacht. Stolz? Auf meine Schläue! Auch da hat der Zweite Recht, das Einzige, worauf ich mir was einbilden kann, ist meine Unfähigkeit."
"Du bist echt arm dran...zuerst wird dir jede äußere Sicherheit genommen durch einen neuen Körper und den Zustand deines Meisters, und dann zerbricht auch noch deine geistige Sicherheit.
Aber doch letztlich nur an ihrer eigenen Überheblichkeit, nicht wahr?"
Gerade wollte ich wütend werden - ich brauche hier kein Mitleid! Ich verdiene es nicht einmal! Aber ihr letzter Satz lässt ich doch stutzen...und erkennen - sie hat Recht.
"Ja, genau! Und das macht meine Schuld doch nur schwerer!"
"Unfug!"
Bevor ich auch nur überrascht sein kann, hat Natalya mir einen Finger zwischen die Augen gepresst.
Wie ich schon sagte, aus der Haltung kann sie problemlos Sprungfeder spielen.
"Hör doch auf mit dem Geweine, das steht Keinem und am Wenigsten dir. Ja, du hast einen Fehler begangen, aber er ist erstens entschuldbar und zweitens nicht so groß, wie du denkst. Du wärst nicht der Erste, der sich in Arroganz geflüchtet hat, um seine eigenen Probleme zu vertuschen, und auch nicht der Erste, der damit auf die Nase gefallen ist. Und beim Himmel, du hattest Grund genug, deine Unsicherheit zu überspielen. Ich weiß, was du durchgestanden und über-standen hast, jetzt brichst du mir nicht wegen einer solchen Lapallie zusammen! Dass das Problem nur von dir ausgeht ist doch nicht furchtbar, das ist eine Chance. Ändere deine Perspektive, ändere deine Einstellung, und du bist wieder mit dir im Reinen."
Ich...Arroganz benutzt, um...
'Ich bin ja soooo stolz auf meine Schläue! Hach, bin ich genial, nicht im Mindesten einfach nur ein Kind, das so tut, als könnte es mit den Großen spielen!'
In Ordnung, in Ordnung!
"Ich verstehe nicht...wie soll das so leicht gehen? Wenn es das wäre..."
Sie löst sich von mir und verschränkt die Arme.
"So weit war ich schon. Lass mich erklären. Du bist im Grunde absoluter Idealist, weil Ideale zu haben das Einzige ist, das dich am Leben gehalten hat, als noch Niemand wusste, dass du intelligent bist. Was gut ist; es hat dich zu einem der nettesten und selbstlosesten Wesen gemacht, das ich kenne."
Was dir im Grunde absolut Nichts nützt.
Kein Wunder, dass du es so siehst, immerhin hast du in der gleichen Situation wie ich stattdessen sämtliche Ideale aufgegeben und durch Meisterverehrung ersetzt, um nicht wahnsinnig zu werden, hm?
"...vielen Dank..."
"Nicht nötig, ich bin hier nur ehrlich. Leider ist es nun so, dass du feststellen musstest, dass deine Ideale ziemlich nutzlos sind, wenn es hart auf hart kommt, und sich womöglich sogar direkt ausschließen. Du wurdest gehörig desillusioniert, und das nagt jetzt an dir."
"Aber...meine Ideale...meine Prinzipien...sie können nicht wertlos sein! Ohne sie bin ich doch selbst Nichts wert!"
Bist du auch mit ihnen.
"Und genauso fühlst du dich jetzt, oder?"
Ich nicke niedergeschlagen.
"Und das ist nicht einmal das Problem. Jeder hat das Recht darauf, sich in einer solchen Situation schlecht zu fühlen. Aber du lässt dich davon lähmen, und das darfst du nicht."
Ich stutze, als ich diese Worte höre.
"...genau das habe ich dem Meister nach Prathams Tod gesagt..."
Sie stößt einen Finger in meine Richtung und beginnt, auf- und abzugehen.
"Also, was verrät deine Prinzipien mehr, ein wenig hinterlistig zu sein, um deinem Meister zu helfen, oder gleich aufzugeben, weil du einmal erkennst, was wir Alle irgendwann erkennen müssen: Dass Ideale zwar theoretisch in Ordnung sind, aber in der Praxis oft einfach nicht in Reinform haltbar? Niemand ist vollkommen, was Moralfragen angeht, und wenn du mal an einer schwer zu kauen hast, dann macht dich das doch nicht gleich zu einem schlechten Menschen. Golem. Egal.
Du sollst deine Ideale nicht aufgeben! Das habe ich nie gesagt. Das sollte Niemand. Hätte jeder so hohe wie du, wäre die Welt ein besserer Ort. Was ich fordere ich Nichts als etwas gesunder Pragmatismus."
"Wie kann man Prinzipien hochhalten und fordern, die man selbst nicht immer befolgt?"
"Da kommt die Perspektive ins Spiel. Bedenke, du wirst dich immer zwischen mehreren Handlungen entscheiden müssen, von denen jede ein anderes Prinzip verletzt. Jede Situation erfordert hier ihre eigene Beurteilung. Bist du soweit bei mir?"
"Ja..."
"Der Schluss ist demnach: Prinzipien und Ideale können immer nur das Fundament sein, auf dem du deine Entscheidung aufbaust - aber müssen es auch. Die Interpretation, welches Prinzip in welcher Situation als Basis geeigneter ist, auf die kommt es an."
Ja!
"Aber...wie soll ich erkennen, welchem Prinzip ich folgen sollte? Ist mein Meister wichtiger als meine Ehrlichkeit?"
Natalyas Ausdruck wird traurig.
"Das, mein Lieber, musst du selbst entscheiden. Aber ich sage dir: Keine Entscheidung ist die Schlimmste, und den Fakt, dass du eine treffen musst, zu bedauern, ist Nichts als schädlich."
Oh, wie Recht sie hat! Hör auf zu jammern und hilf dem Meister!
"Ich glaube, ich verstehe langsam...dass ich jetzt auf mich allein gestellt bin, fordert eigentlich diesen Pragmatismus, manchmal von zwei Übeln das kleinere zu nehmen statt durch das Verachten von beiden ein noch größeres entstehen zu lassen. Aber trotzdem...es widerstrebt mir zutiefst, dem Zweiten hierbei oder auch sonstwie zuzustimmen."
Sie überlegt.
"Soso, er ist meiner Meinung...und dir gefällt das nicht...denkst du, es ist ein wertvolles Prinzip, ihm nie beizupflichten, auch wenn er Recht hat?"
Das bringt mich ziemlich heftig dazu, eine schon vorgefertigte Antwort erst einmal zu unterdrücken.
Gut so.
Plötzlich grinst Natalya schelmisch.
"Sag mal...mit diesem Zweiten würde ich mich ja nur zu gerne unterhalten. Denkst du, das geht?"
Was?
Was?
"Ich kann ihm keine Kontrolle geben!"
"Nur die Stimme...?"
Das könnte gehen.
"Nein! Er ist gefährlich!"
"Sagst du dauernd, was sagt er? Mich würde sein Standpunkt brennend interessieren."
Ich bin gefährlich.
"Er sagt selbst, dass er gefährlich ist!"
"Ach komm, lüg mich nicht an, das tut er nicht. So schlimm kann er nicht sein. Auf jeden Fall will ich wissen, ob deine Angst vor ihm gerechtfertigt ist."
Angst? Ich habe keine...
Offenbar doch, sonst würdest du dich nicht so zieren, deine ach so gehasste Stimme zeitweilig aufzugeben.
Nur ein Trick...
Nein, eine Erinnerung an deine Prinzipien. Willst du gelogen haben, als du meintest, du hättest keine Angst vor mir - um das zu verteidigen, was Natalya gerade zu Recht als Unfug bewiesen hat?
Keine Angst...Vorsicht.
Ach?
...
Na schön! Dann sprich.
"Du unterhältst dich gerade mit ihm, oder?"
"In der Tat, Natalya. Ich freue mich über seine richtige Entscheidung. Zum Anlass unseres Kennenlernens würde ich dir zu gerne die Hand schütteln, aber der Restkörper ist noch unrechtmäßig besetzt."
Natalya überspielt den Wechsel bewundernswert, aber ich zucke zurück. Was machst du mit der Stimme?
Pah, ich habe weit mehr Erfahrung als du im Manipulieren magisch erzeugter Töne...
"Freut mich auch, dich kennen zu lernen...wie kann ich dich nennen?"
"Auch ich war stets nur als 'Golem' bekannt, wenn die geteilte Terminologie Verwirrung stiftet, könnt Ihr mich auch gerne 'Erster' nennen, denn nichts Anderes stimmt."
"Hm...der Golem, den ich kenne, nennen wir ihn 'Eisenjunge' - du kannst mich hören, ja?"
Ich nicke und hebe den Daumen meiner linken Hand.
"Gut. Also, der Eisenjunge hat mir ja bereits erzählt, dass du meinst, ein Anrecht auf diesen Körper zu haben. Kannst du mir das in eigenen Worte noch mal erklären?"
"Nur zu gerne, immerhin ist dies eines der Themen, das mich am meisten beschäftigt. Bei der Erschaffung dieses Zweiten wurde die gleiche Formel benutzt wie einst für mich, jedoch von einem anderen Totenbeschwörer als dem meinen. Weil dieser lange nicht die Beherrschung meines eigenen Meisters erreicht hatte und hat, erschuf er durch die leichte Abwandlung des Spruches seinen eigenen Golem mit eigener Persönlichkeit - aber mit meinem Körper. Ich habe das alleinige Recht auf ihn, es ist meine Formel, die ihn erschaffen hat, und nach Allem, was ich bisher über diese Welt herausgefunden habe, in die ich so unvermittelt gelangte, gesperrt in eine dunkle Ecke meines eigenen Bewusstseins, besteht mein Recht seit hunderten von Jahren."
Was? Du kannst nicht die gleiche Formel haben wie ich! Die gleiche Formel erschafft den gleichen Golem, sonst stünden wir nicht hier nach unseren beiden 'Toden'! Der Meister kann unmöglich zufällig eine ganz leicht andere für mich gefunden haben, wie für dich benutzt wurde!
Gefunden hat er sie, aber nicht erfunden. Du weißt doch, woher sie stammt - obwohl du damals davor zurückgeschreckt bist, mehr zu erfahren.
Damals...
Eine eisige Faust klammert sich um was auch immer in meiner Brust liegt.
Das Buch des Meisters, das zu studieren ich im Lager der Jägerinnen Gelegenheit hatte...Die geheime Kunst der Nekromantie...vom General geschrieben...
Du bist der Golem des ersten Generals!
Oh, du verdammter Schnellmerker.
"Ich verstehe deine Verbitterung...Erster...und will nicht einmal versuchen, mir die Qual vorzustellen, die es sein muss, in sich selbst gefangen zu sein. Dennoch - bist du nicht der Meinung, dass auch der Eisenjunge ein Recht hat, zu existieren, so wie du?"
"Ich bin dieser Meinung."
Das stimmt überhaupt nicht! Du hast mit hunderte Male gesagt, dass es dir am liebsten wäre, wenn ich von nun an in dir eingesperrt wäre - oder gleich ganz verschwunden!
"Aber eine Lösung für dieses Problem dürfte sich als schwierig gestalten, oder?"
"In der Tat habe ich mir bereits eine einfallen lassen. Wenn der General der heutigen Zeit es schaffen würde, meine Formel exakt zu kopieren, könnte er mich in meinem eigenen Körper erschaffen, und somit unsere Teilung auch physisch vervollkommnen. Dafür müsste unser geschätzter Zweiter natürlich erst einmal seine Lage gestehen."
Du...warum hast du mir das bisher nie gesagt? Bist du gerne in mir, oder was?
"Du glaubst doch wie ich an einen gesunden Pragmatismus. Ist deine Überzeugung von der Richtigkeit dieser Philosophie stark genug, um deinen Hass auf den Eisenjungen zu begraben und ihm seinen eigenen Körper zu gönnen?"
"Wie ich bereits sagte, ich bin nicht von Hass motiviert, ich suche nur Gerechtigkeit für mich selbst. Er kann genausowenig wie ich für die Situation, in der wir uns befinden, und ich wünsche ihm nur das Beste."
Nein! Nein, damit kommst du nicht durch! Du überzeugst sie hier nicht davon, dass du ein netter Kerl bist, der nicht nur auf sich schaut - ich erkenne deinen Plan, garantiert hilft es nur dir, wenn der Meister die Formel richtig für dich ausspricht!
Aus dir spricht doch nur die Angst, du könntest deine Kontrolle über mich verlieren...
"So ist das also. Damit kannst du dem Eisenjungen seine Stimme zurückgeben, ich freue mich über die Erkenntnis, die dieses Gespräch gebracht hat."
...
Na los, gib her!
"Es war auf jeden Fall aufschlussreich, Nat - vielen Dank, dass du mich dazu gebracht hast, auch ihn einmal zu Wort kommen zu lassen. In meinem Kopf hört sich doch Alles ein wenig anders an, als es gemeint ist."
Das...das habe ich nicht gesagt! Du kannst nicht einfach deine Stimme verstellen!
Ich sage nur, was du sagen solltest.
Natalyas Gesicht...wird wütend.
"Zweiter, hör auf, mich verarschen zu wollen. Ich glaube, du hast meine Erkenntnis nicht verstanden. Die besteht nämlich darin, dass ich mich dafür schäme, je an den Worten des Eisenjungen gezweifelt zu haben, was dich angeht, du schleimiger, betrügerischer Bastard."
"Was?"
"Ah, du gibst dich doch zu erkennen. Denkst du, ich bin von gestern? Du wünschst dem Eisenjungen nur das Beste? Eine schöne Aussage, von höchster Moral, 'nicht Hass, sondern Gerechtigkeit', dass ich nicht lache. Jeder würde den, der ihn, egal wie unschuldig, so einsperrt wie du eingesperrt wurdest, hassen. Womit klar ist, was ich mir schon dachte, als du die Möglichkeit erwähntest, das Problem zu 'lösen': Wenn ein neuer Golem erschaffen wird, mit deiner Formel, dann bist du dieser Golem, klar - aber wenn der General genug Macht hätte, um zwei Golems gleichzeitig zu kontrollieren, dann würde er das doch tun. Nein, du willst den Körper und den Meister für dich allein, und von nichts Anderem wirst du motiviert. Mit einem selbstsüchtigem Etwas wie dir will ich Nichts zu tun haben, und ich verstehe den rechtmäßigen Eigentümer dieser Hülle sehr gut, wenn er meint, wie gefährlich zu bist: Deine goldenen Worte sind Lügen, Manipulationen, du bist ein Blender, genau das, was er nicht werden will. Es ist verständlich, dass du verbittert bist, aber was du hier tust, ist einfach falsch. Wenn du keine Prinzipien hast, denen du bei der Suche nach ihr folgst, dann verdienst du deine Freiheit nicht."
"Nein, das ist..."
"Es reicht. Gib dem Eisenjungen die Stimme wieder, ich will Nichts mehr von dir hören."
Ja! Die Frau hat Recht! Her damit!
Hol sie dir doch!
Urplötzlich spüre ich, wie sich der Zweite in mir aufbäumt, gegen das Gefängnis meines Willens anstürmt, und mein Bewusstsein wird aufgesogen in einem Strudel...aus Weiß und Schwarz...nein!
Ich bin nicht so weit gekommen, um mich von einer Schlampe, die schlauer ist, als gut für sie ist, und einem Weichling, dessen sogenannten Ideale mich krank machen, behindern zu lassen!
Ich bin der Avatar des Lichts, und er der der Dunkelheit. Mit erhobenen Klauen stürmt er schon auf mich zu, ein kopfloser Angriff voller Hass, Aggression...die schwarzen Emotionen aller Lebewesen, in ihm personifiziert. Aber diesmal bin ich bereit. Hell strahlen meine Schwerter auf, und als er sich nähert...
Trete ich zur Seite. Er stolpert, sein Schwung ins Leere gehend, und ich packe ihn am harten Metallgenick. Die schwarzen Flammen züngeln über meine Hand, aber sie können ihr Nichts anhaben. Ich bin auch aus Stahl.
"Das lässt du schön bleiben."
Meine Schwerter verschwinden. Ich brauche sie nicht. Ich bin hier nicht der Aggressor, ich verteidige mich nur. Es ist hier Alles nur symbolisch, aber in mir haben diese Symbole Macht. Mein "Körper" ist geformt, weil er symbolisch meinen festen Willen darstellt; erst, als ich Bewusstsein erlangte in unserem Kampf zu Anfangs, entstand er. Also kann ich ihn auch, ganz, wie ich will, umformen.
Tentakel aus Licht schlingen sich um seine wild umher schlagenden Arme, und er schreit ein wortloses Brüllen der Überraschung. Ich lasse seinen Hals los, und auch meine rechte Hand löst sich auf, um über seinen Kopf zu fließen, in seine Augenhöhlen einzudringen. Ich presse mich an ihn, und Seile aus meiner Substanz schlingen sich um den Nachttorso, seine Füße versinken in einem Meer aus Helligkeit, die Krallen daran nutzlos. Ich löse mich von meinem Seelenkörper und betrachte von außen mein Werk.
Da steht er, der Zweite, Flammen über tonverstärktem Skelett, und ist hilflos, gefesselt von mir, eingesperrt - wie es sein sollte.
Du wirst mich nie los! Ich werde hier sein und auf eine Gelegenheit warten! Dein Körper gehört mir! Mir allein! Ich mache dich fertig, trotz deiner Tricks!
Pass du nur auf...auch meine Seelensubstanz hat noch eine Dornenaura...
Er war gerade dabei, sich aufzubäumen...und hat wohl auch seine Klauen dafür benutzt...und wieder durchdringt ein Schrei mein Inneres, als kurz, nur einen Sekundenbruchteil lang, sich tiefe Stacheln von mir in seinen Brustkorb bohren.
Ja, da ist er gut aufgehoben.
"Golem? Eisenjunge? Was ist mir dir?"
Ich hebe den Kopf; während meines kleinen internen Zwistes hatte kurz Niemand meinen Körper kontrolliert, und im Gegensatz zur Situation kurz nach meiner Beschwörung darin hatte sich Keiner vorher die Mühe gemacht, ihn perfekt auszubalancieren. Ich liege am Boden, und Natalya kniet über mir. Ich würde grinsen, wenn ich es könnte.
"Es ist Alles in Ordnung..."
Ich überlege kurz.
"Um genau zu sein, ist es sogar weit besser als vorher. Man braucht wirklich nur ein wenig Übung, um aus dieser Stimme etwas zu machen - oder einen Zweiten, der einem zeigt, wie es geht."
Natalya hebt eine Augenbraue.
"Woher soll ich wissen, dass du das bist?"
"Einfach..."
Ich erhebe mich.
"...im Gegensatz zu ihm habe ich Humor."
Sie bleibt skeptisch.
"Und wie soll mich das überzeugen?"
Mein schiefer Blick soll so verletzt wie möglich wirken.
"Also bitte...denkst du, sein Ego von der Größe dieses Dschungels da draußen würde es ihm erlauben, schlecht über sich selbst zu reden?"
Natalya lacht, aber ich bin noch nicht fertig.
"Zudem muss ich mich nicht verstellen, um dich Nat zu nennen. Nat. Ich kann dir nicht sagen, wie dankbar ich dir für dieses Gespräch und vor Allem sein Ende bin."
"Ach...keine Ursache..."
"Wirklich. Ich habe so viel gewonnen. Einen erneuten Kampf gegen ihn, weil ich begriffen habe, dass meine Prinzipien nicht wertlos geworden sind und die beste Verteidigung immer noch darin besteht, überhaupt nicht anzugreifen, eine Stimme, die sich fast menschlich anhört, und, am wichtigsten und was ich zumindest hoffe, eine echte Freundin."
Ich strecke meine Hand aus, aber sie umgeht sie und umarmt meinen kalten Körper. Ich erstarre.
"Dann lass auch mich dir danken, weil ich mich auch unglaublich freue, einen echten Freund gefunden zu haben. Und unser Gespräch hat auch nicht nur dir geholfen."
Ich lege den Kopf schief.
"Wie meinst du das?"
Sie lächelt.
"Denkst du, ich zweifle nicht auch manchmal an meinen Prinzipien und Idealen? Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, für was wir eigentlich stehen im Leben, und alleine können wir es nicht schaffen, diese Erkenntnisse zu gewinnen."
"Und wenn ich das recht verstanden habe...dann geht es bei einer Freundschaft auch um das, oder?"
"Genau. Also - was ist dein Plan?"
Ich überlege kurz, dann nicke ich.
"Ja...ich habe auch noch eine Aufgabe, nicht wahr? Weißt du was? Der Zweite hat mir heute wieder gezeigt, dass wir gegen diesen Wahnsinn einfach etwas tun müssen, so schmutzig unsere Finger dabei auch werden."
Ich schaudere kurz bei dem Gedanken, mein reines Bewusstsein um sein dreckiges geschlungen zu haben - aber nur so kann ich ihn eindämmen...
"Du wirst also deinem ursprünglichen Plan folgen?"
"He, er hat funktioniert - meine erste Verbündete habe ich gewonnen. Und wenn ich dafür manchmal lügen muss...verdienen es manche Leute hier nicht auch?"
Sie grinst.
"Nur zu wahr. Und was sagst du deinem Meister?"
Ich überlege nur kurz.
"Auch da muss ich wohl weiter lügen...und wenn ich sehe, was der Zweite mit ein paar zuckersüßen Worten hier fast erreicht hätte, halte ich ihn nur zu gerne weiter geheim."
Natalya seufzt.
"Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Sag mal...der Zweite hört immer noch mit, oder?"
Ich schüttele bedauernd den Kopf.
"Ja, er ist nicht verschwunden - das wird er wohl nie."
"Dann hör mir mal zu, Zweiter. Wie ich schon sagte, ich verstehe, dass du einen eigenen Körper willst und am besten deinen zurück. Und ich bedauere auch wirklich dein Schicksal, für das du Nichts kannst und das dir wirklich grausam mitgespielt hat. Jedoch deine Methoden verurteile ich. Dennoch bin ich der Meinung, dass es für dich, für euch beide eine Lösung dieses Dilemmas gibt. Dafür darfst du aber nicht nur an dich selbst denken - komplette Auslöschung des Eisenjungen ist keine Option, weil es auch einfach nicht möglich ist. Ihr müsst einen Kompromiss schließen, sonst müsst ihr ewig kämpfen und werdet nie glücklich."
Ich ziehe mich etwas zusammen.
"Es widerstrebt mir immer noch, dass ich mit diesem Giftling auskommen sollte..."
"He! Er hat das gleiche Recht darauf, in Frieden und Freiheit zu leben wie du!"
"...vielleicht hast du Recht...reden wir nicht mehr darüber."
...Danke, Nat...