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Stahles Spaltung [Ich denke, also bin ich: Teil 3]

„Ob du wusstest, dass deine Aura nur einen bestimmten Maximalradius hat? Wenn nein, haben wir gerade beide etwas gelernt. Wenn nein, bist du ein ziemlicher Idiot.“

„Ob du wusstest, dass deine Aura nur einen bestimmten Maximalradius hat? Wenn nein, haben wir gerade beide etwas gelernt. Wenn ja, bist du ein ziemlicher Idiot.“

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Hmm, Unterstützung im Kampf?
Wobei ich mich ja schon immer fragte wie Marius sich an den ganzen Monstern vorbei schleicht.
Solang er mit Diablo unterwegs ist klar, hat er kein Problem aber eigentlich trennen die sich ja im Grab bei Baal oder?
ok, egal für die Story.

Find ich jedenfalls gut, noch ein wenig Dialog bevor es in den Endkampf geht.
 
gefällt mir gut, das neue kapitel...wobei ich mir eine genauere beschreibung des "neuen" alten golems gewünscht hätte:confused: stacheln sind jetz aus knochen...hm ok^^

was mich aber schon die ganze zeit beschäftigt hat: warum ist der golem so anfällig gegen feuer? ein gutes metall erreicht seinen schmelzpunkt bei weit über 1000°C er wird ja kaum aus blei sein :D er ist ein EISEN-golem--> schmelzpunkt bei 1538°C. in d2 sind aber alle flammen GELB, was auf eine weit niedrigere temp deutet....ach was solls...magische flammen eben :P

Ach und die wendung mit marius, klasse :D musste echt lachen und ebenfalls den kopfschütteln, nicht nur innerlich^^

mfg
 
gefälllt mir gut^^


nur gewöhnlich trifft man marius net oda? XDD


naja viel glück beim zerstören des seelensteins XD
 
gefällt mir gut, das neue kapitel...wobei ich mir eine genauere beschreibung des "neuen" alten golems gewünscht hätte:confused: stacheln sind jetz aus knochen...hm ok^^
Jo, genau das :p. Wenns wichtiger wäre, hätt ich das schon angesprochen, ists aber nicht.
was mich aber schon die ganze zeit beschäftigt hat: warum ist der golem so anfällig gegen feuer? ein gutes metall erreicht seinen schmelzpunkt bei weit über 1000°C er wird ja kaum aus blei sein :D er ist ein EISEN-golem--> schmelzpunkt bei 1538°C. in d2 sind aber alle flammen GELB, was auf eine weit niedrigere temp deutet....ach was solls...magische flammen eben :P
!
Ach und die wendung mit marius, klasse :D musste echt lachen und ebenfalls den kopfschütteln, nicht nur innerlich^^

mfg

Freut mich, dass es doch noch Leute überrascht hat :p. Auch generell, dass es euch gefällt.

Muss euch aber leider enttäuschen für Übermorgen...da bin ich nämlich gerade an der Ostsee, und die letzten Tage waren auch komplett verplant, also werde ich die Woche wieder aussetzen müssen. Tut mir Leid :(.

Aber ich hab dafür was gefunden, als ich den PC formatiert hab - hätte gar nicht gedacht, dass es voll ausgetippt vorhanden ist, wars aber! Die Lagerfeuergeschichte von vor zwei Jahren :). Damit ihr nicht ganz ohne sein müsst und über eine völlig absurde Handlung lachen könnt, die mal nicht von Blizzard ist.

Ach ja, Nix für Leute mit schwachem Magen und so.

Simon
 
Tod über Kopf


Tag 1 - Kollegen



„Ralf, mach doch mal die Musik leiser.“
...
„Danke. Bist du dir sicher, dass wir hier richtig fahren?“
„Klar. Ich war schon mal in Windorf. Auf nem Konzert.“
„Super. Und, wie ist das Kaff? Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, warum uns die Verwaltungsdeppen herschicken?“
„Erich, du weißt, wie sinnlos es ist, in die Hirne dieser Idioten blicken zu wollen – auf jeden Fall, Windorf ist ein verschlafenes Nest, die haben ne kleine Polizeistation, nichts Großes, und ich glaub, der letzte Mord ist schon 10 Jahre her gewesen, als ich vor fünf Jahren da war!“
„Super. Klingt nach einer Woche Entspannung, die ich genauso gut in Spanien hätte verbringen können.“

Es ist ein grauer Herbsttag mit leichtem Nieselregen, als die Polizisten Ralf Landmann und Erich Auer in ihrem zivilen Wagen über die Autobahn in Richtung Windorf fahren. Nur zwei Tage zuvor hatte sich Erich noch auf seinen wohlverdienten Urlaub gefreut, als sein Vorgesetzter bei der Mordkommission ihm die Erlaubnis dafür entzog, weil Windorf zwei Spezialisten benötige. Sofort. Ralf, der Pathologe, ist noch weniger informiert als sein Kollege; beide verfluchen die Tatsache, dass sie die besten auf ihrem jeweiligen Gebiet sind, die der Landkreis zu bieten hat.
Als sie in Windorf angekommen sind, regnet es in Strömen; obwohl eigentlich wenig los sein sollte, ist der Parkplatz vor dem Polizeipräsidium voll, und sie müssen fünf Minuten entfernt ihren Wagen abstellen. Tropfend rennen sie durch die Drehtür.

„Und jetzt? Irgendeine Art von Rezeption hier oder so?“
„Ich grüße Sie, meine Herren. Tut mir Leid, dass unser Dorf Sie so ungastlich empfängt, aber es herrscht gerade ziemliches Chaos.“
Erichs Augen weiten sich, als er sieht, wer aus einer Seitentür getreten ist; die wohl schönste Polizistin, die er je gesehen hat, was nicht allzu viel heißt, aber dennoch – das überrascht ihn doch. Ein Seitenblick auf Ralf zeigt ihm, dass dieser sich entweder sehr gut unter Kontrolle hat – oder dass die Gerüchte, er sei schwul, stimmen. Seine Augen schießen zurück zu der Frau vor ihm, deren Lächeln viel bedeuten kann...ist ihr seine Reaktion etwa aufgefallen? Sie schüttelt ihm die Hand, hält sie sie länger als die von Ralf?
„Mein Name ist Kira Samor, ich kümmere mich um den Fall. Ihr seid doch die Unterstützung, die sie uns geschickt haben?“
Erich beeilt sich, ihr zu antworten.
„Erich Auer der Name. Ja, wir sind die Spezialisten der Mordkommission. Das ist mein Kollege Ralf Landmann.“
Kira, deren Lächeln verschwunden war, lässt es wieder aufstrahlen.
„Na hervorragend! Sie sind ein wenig spät dran, ich hatte gehofft, dass Sie es sind, aber gerade, nachdem ich das Reden angefangen hatte, dachte ich mir, was ist, wenn Sie gar keine Polizisten sind, sondern nur Besucher? So ein Glück.“
Erichs aufgesetztes Grinsen wird ein wenig säuerlich; ist die Person vor ihm leicht bescheuert? Aber sie sieht verdammt gut aus, trotzdem...er spürt Ralfs Augen auf sich; er nimmt es ihm doch hoffentlich nicht übel, dass er ihn ihr vorgestellt hat...oder? Kira bricht das unangenehme Schweigen selbst wieder.
„Nun, ist ja egal...also, Männer, was wisst ihr über den Fall?“
„Nichts.“
Beide Polizisten haben fast gleichzeitig gesprochen, und Kira blickt ernüchtert.
„Aber Sie werden uns sicher gleich aufklären, Frau Samor?“
Erich grinst sie an, und sie schrumpft ein wenig zusammen – hat er es übertrieben mit seiner Hilfestellung? Diese unschuldige Dorfpolizistin...ein wenig doof...ach, er sollte leichtes Spiel mit ihr haben. Die Vorstellung lässt ihn ein wenig dämlich grinsen. Kira nickt hastig.
„Natürlich, natürlich...kommen Sie mit...man muss es gesehen haben, um es zu verstehen.“
Sie lässt die beiden stehen und drängt nach draußen; als sie merkt, dass es in Strömen regnet, rennt sie wieder zurück, in das Zimmer, aus dem sie kam, und kommt gleich wieder mit einem Schirm heraus. Erich und Ralf tauschen einen vielsagenden Blick.
„Kommt schon – ihr seid doch nicht aus Zuuucker!“
Und so folgen die beiden Spezialisten der Mordkommission Kira Samor, die mit ihrem Regenschirm vorangeht und kein einziges Mal zurückblickt, und sind schon nach zwei Minuten völlig durchnässt.
Der Steg, der auf die Insel führt, ist glitschig, und als Erich ausrutscht, kann er sich gerade noch einen Fluch zurückhalten; Ralf hilft ihm kommentarlos auf und erhält dafür keinen Dank. Wieder bemerkt Erich aus den Augenwinkeln seinen irritierten Blick; was soll das? Ralf kann sich doch um seinen eigenen Kram kümmern, und von einer Schwuchtel will er sich sicher nicht anfassen lassen. Oder von Jemand, der vielleicht auch was von Kira will. So oder so, warum mussten sie ihm diesen Typen mitschicken?
Das feuchte Gras platscht unter den Füßen der Ermittler, als sie unter Bäumen hindurchtrotten, die keinerlei Schutz vor dem Regen bieten und selbst noch mehr dicke Tropfen zusteuern; Erich fasst einen Entschluss: Wenn seine Chefs ihn hierher geschickt haben, um irgendeinen Hühnerdiebstahl in diesem Bauerndorf zu untersuchen, dann wird er Irgendjemand umbringen. Vielleicht als erstes Ralf, der viel zu zufrieden aussieht – weil Kira vor ihnen läuft? Mit Schirm?
„Hören Sie, Fräulein Samor, ist es noch weit? Wie groß ist diese Insel überhaupt?“
Sie kichert, aber bleibt nicht einmal stehen.
„Ach, Herr Auer, seien Sie doch kein Baby. Wir sind gleich da, und Sie können sicher nicht behaupten, dass es sich nicht gelohnt hat, herzukommen.“
Erich murmelt halblaut Verwünschungen und starrt auf den Boden, dahintrottend...bis er merkt, dass nur noch seine Füße auf dem Untergrund dahinplatschen.
„Was ist? Ralf! Steh nicht so rum, je schneller wir da sind, desto früher kann ich nen warmen Kaffee trinken.“
„Erich, wir sind da...“
Erichs Blick schießt zu Ralf, der mit offenem Mund in die Höhe starrt; sofort dreht sich Erich um, und sieht Kira unter ihrem Schirm stehen, ihn ansehend und ein schiefes Grinsen im Gesicht habend.
Und neben ihrem Kopf hängt ein Totenschädel. Halt, zwei. Drei! Erich schreit auf und tritt einen Schritt zurück. Die leeren Augenhöhlen wenden sich ihm zu, als sich der Schädel dreht...ein wenig Wasser schwappt heraus...er muss gegen einen Brechreiz ankämpfen.
Die Schädel sind noch am Rest der menschlichen Skelette befestigt, und diese hängen mit ihnen nach unten, an den Knöcheln aufgeknüpft, von den Ästen eines alten Baumes herunter. Im eisigen Wind schwanken sie hin und her, zwei so nah aneinander, dass sie immer wieder gegen das andere stoßen und das Rauschen des Regens durch ein unregelmäßiges Klappern untermalen.
Kiras Grinsen wankt keinen Millimeter, und Erich bemerkt, wie dumm er dasteht; das kann er sich nicht erlauben! Solange Ralf wenigstens genauso entsetzt ist wie er...
„Das ist...interessant, Fräulein Samor...die Knorpel sind noch zwischen den Knochen, ja? Ich sehe keine Drähte, die die Knochen zusammen halten.“
Erich beißt die Zähne zusammen; was fällt dem Kerl ein, so ruhig zu sein? Er stählt sich und tritt näher zu Kira, unter einem der Schädel hindurchduckend, und starrt das Skelett an; zumindest tut er so, in Wirklichkeit geht sein Blick in die Ferne, er hat schon genügend Leichen gesehen, aber nie...solche...Gott! Keine Schwäche zeigen.
„Ja, die Knorpel sind noch dran.“
Ralf schluckt.
„Oh Himmel...ihr wisst, was das bedeutet, oder?“
Erich runzelt die Stirn. Das bedeutet...natürlich...nein...er weiß es doch! Er ist doch nicht dämlich! Nicht vor Kira!
„Jemand hat den Leichen Haut, Muskeln und Fettgewebe entfernt – sie sind nicht verfault, sonst hielten die Knochen nicht von selbst zusammen.“
Erich schickt ein Stoßgebet zum Himmel, dass Kira ihn gerettet hat...Kira? Mit neugefundem Respekt sieht er die Beamtin an. Sie ist vielleicht ein wenig dämlich, aber sie hat Mumm. Was für eine Frau. Und die Antwort auf Ralfs Frage...sie ist...verstörend...aber natürlich wäre er gleich selbst draufgekommen! Natürlich!

Der Kaffee ist lauwarm und schmeckt furchtbar. Erich verzieht das Gesicht, als er einen Schluck nimmt. Ralf fasst ihn gar nicht an, als er seine ersten Erkenntnisse mitteilt.
„Der Regen hat viel abgewaschen, aber ich glaube, die Skelette waren noch vor Kurzem vergraben, was nicht heißt, dass sie lange unter der Erde waren – wie wir schon festgestellt haben. Ich könnte ein Labor oder Ähnliches brauchen. Habt ihr so was?“
Kira Samor schüttelt den Kopf.
„Wir auf den Land sind sehr schlecht ausgestattet...“
„Dann müssen wir eben improvisieren. Ich denke, wir sollten die Leichen noch heute hierherbringen lassen, ihr habt sicher einen Raum, in dem wir drei Bahren stellen können, damit ich sie untersuchen kann, was eben noch übrig ist.“
Was erdreistet er sich schon wieder, das Heft in die Hand zu nehmen? Erich stellt die Kaffeetasse mit einem Klacken ab.
„Nicht heute! Ich muss noch den Tatort sichern und nach Fingerabdrücken suchen, Spuren ausfindig machen...“
Ralf runzelt die Stirn.
„Ja, Erich, das ist sozusagen deine Aufgabe hier, aber denkst du, du findest bei dem Wetter und mitten in der Nacht groß was heraus? Du kannst soviel suchen, wie du willst, aber es ist nach Mitternacht, und heute Abend will ich die Skelette hier haben!“
Dieser...mistige...Klugscheißer! Wenn Kira nicht hier wäre...
„Also, Männer, ihr wisst jetzt, worum es geht...warum schlafen wir nicht Alle eine Nacht darüber? Ihr habt euere Zimmer in der Pension, ja?“
Erich und Ralf schauen sich an.
„Ja“, antworten sie fast gleichzeitig.
Kira strahlt förmlich.
„Schön! Dann besprechen wir doch Morgen...äh, heute natürlich!, wie wir weiter vorgehen. Oh, es ist schön, euch Profis hierzuhaben, sonst wäre ich komplett aufgeschmissen!“
Nachdem sie sich verabschiedet haben, gehen die beiden Beamten schweigend durch die Straßen von Windorf; der Regen hat aufgehört. Als Erich gerade seine Tasche aus dem Kofferraum ihres Autos holt, spricht Ralf ihn an.
„Kira gefällt dir, was?“
Erich schlägt sich den Hinterkopf am Kofferraumdeckel an, als er zusammenzuckt.
„Ah, erschreck mich doch nicht so! Gefallen...pah...mit Kollegen fängt man Nichts an.“
Ralf zuckt mit den Achseln.
„Wenn du meinst...auf jeden Fall finde ich, du solltest deine Balzversuche aus unserer Arbeit heraushalten, ich habe keine Lust, dass die Ermittlungen durch so einen Unsinn wie Imponiergehabe beeinträchtigt werden. Und so, wie ich dich kenne, könnten deine Anmachen auch unsere Beziehungen zu den lokalen Polizeioffizieren beeinträchtigen, und das will ich gleich gar nicht.“
Ohne auf eine Antwort Erichs zu warten, stolziert Ralf davon.
Was fällt ihm ein? Was fällt ihm ein? Was Erich von wem und wie will, ist doch seine eigene Sache! Er könnte...er würde Ralf jetzt am liebsten...
Nein. Nein, nur die Ruhe, dieser Dreckskerl bekommt schon, was er verdient. Früh genug, und es wird ihm Leid tun, Erich so gedemütigt zu haben!




Tag 2 - Blutmond




Der nächste Tag beginnt mit Arbeit, als sich die Ermittler zu einer Lagebesprechung treffen. Erich würde das nie zugeben, aber er hatte Alpträume wegen der Skelette, die sie auf der Insel gefunden haben, und so ist seine Laune noch schlechter, als sie es eh wäre, weil er schon wieder mit Ralf zusammenarbeiten muss.
„Auf der Insel ist also generell wenig Personenverkehr?“
Ja, versuch nur, sie mit deiner Fachsprache zu beeindrucken! Erich hofft, dass sein Zähneknirschen nicht auffällt. Kira nickt.
„Natürlich gibt es ein paar Spaziergänger, aber gegen Abend ist sie meist menschenleer, gerade in den Bereichen, die weiter vom Sporren entfernt sind. Nur bei besonderen Veranstaltungen ist mehr los.“
Wäre Kira nicht Kira, hätte Erich sie nun angefahren, weil man ihr scheinbar jede Information einzeln aus der Nase ziehen muss. So aber kann er stolz auf sein Geschick sein, wie er seine Stimme ruhig hält, als er genauer nachfragt, welche Veranstaltungen sie denn meint.
„Nun, jedes Jahr kommt eine Zeltlagergruppe, die sind vor einem Monat abgereist...vorher ist immer ein Konzert...nun, sonst wüsste ich gerade Nichts.“
Erich hebt eine Augenbraue.
„Vor recht kurzer Zeit die einzigen zwei Ereignisse mit einer Menge Menschen? Ralf, könnten die Leichen einen Monat alt sein?“
Der Pathologe zuckt mit den Achseln.
„Ich müsste sie mir genauer ansehen. Diese Zeltlagergruppe, das sind Kinder, oder? Es sind keine Kinderleichen, das ist sicher. Über den Daumen gepeilt, denke ich nicht, dass sie vor länger als zwei Wochen vergraben wurden. Wann sie letztlich gestorben sind, ist eine andere Frage.“
Erich runzelt die Stirn und lehnt sich zurück. So sehr er seinen Kollegen verabscheut, was er sagt, hat Hand und Fuß, und er wird jedes Bisschen dieser Informationen nutzen, um den Fall zu lösen – alleine, und dadurch gewisse auch anwesende Kolleginnen beeindrucken. Egal, ob die Hauptarbeit sein Rivale erledigt hat...dem er damit gleich noch eins auswischen kann. Ein Plan formt sich in seinem Kopf. Die andern scheinen zu glauben, er denke über den Fall nach – das hat Zeit! Und indirekt hat es ohnehin damit zu tun.
Er wartet länger, als er für diesen kurzen Gedankengang gebraucht hat, damit es wirklich den Anschein hat, er gebe sich besonders viel Mühe – dann schüttelt er demonstrativ bedauernd den Kopf.
„Nein, wir haben einfach zu wenig Informationen. Wer weiß, vielleicht sind es Konzertbesucher von außerhalb gewesen, die Jemand erst eingesperrt hat und dann nach zwei Wochen getötet? Vielleicht hat es Nichts mit den Veranstaltungen selbst zu tun?“
Kira schaut auf die Uhr.
„Ich habe gleich einen Termin, ein Bürger wollte eine Aussage machen. Möchtet ihr bei der Vernehmung dabei sein?“
Erich muss sich anstrengen, nicht das Gesicht zu verziehen. Was ist mit seinen Spekulationen? Hat sie dazu gar Nichts zu sagen?
“Liebend gern, Fräulein Samor.“
„Ach, Erich, duzen wir uns doch – die Sache ist kompliziert genug, dass wir eine Weile daran arbeiten könnten...“
Ihr Lächeln zaubert ein selbiges auf sein Gesicht, und Erich wäre komplett froh, wenn nicht ein unterdrücktes Schmunzeln auf Ralfs Mund erschiene...was den Moment für ihn ruiniert. Er schafft es, gepresst seine Zustimmung auszudrücken. Seine freudige, natürlich.
Der Mann, der ihnen bald darauf an einem Tisch gegenübersitzt, ist schon pensioniert, hat eine große Hornbrille und viele Lachfalten, jedoch ist sein Gesicht im Moment vor Sorge verzerrt.
„Als ich hörte, dass Leichen auf der Insel gefunden wurden – so etwas spricht sich im Dorf natürlich herum – musste ich sofort daran denken, was mich schon länger beschäftigt...ich habe einen...na ja, sagen wir, Bekannten im Dorf – er ist obdachlos – aber sehr nett!“
Wie verkrampft der alte Mann versucht, zu verneinen, mit einem sozial Niedergestellten befreundet zu sein, amüsiert Erich. Bloß nicht aus der geregelten, spießigen Weltordnung herausfallen, in der es zum guten Ton gehört, Menschen, die anders sind, zu hassen. So eine Einstellung stößt Erich fast so ab wie Homosexuelle. Er seufzt.
„Also, sie haben einen obdachlosen Freund, was ist mit dem?“
Der Mann wird rot.
„Kein Freund, er...kommt eben öfter vorbei...und erzählt Geschichten. Gute Geschichten! Meine Enkel freuen sich immer, und ich...lade ihn zu Essen ein. Nun, er ist...seit drei Wochen nicht mehr erschienen, ich habe ihn nicht einmal gesehen und ich mache...ja, ich mache mir Sorgen.“
Erich sieht zu Ralf, der nickt. Drei Wochen – möglich. Erich steht auf.
„Ich danke Ihnen für ihre Informationen, wir kommen auf Sie zurück, falls wir Ihre Hilfe erneut benötigen.“
Der Senior steht übermäßig schnell auf – er ist froh, dass das kurze Verhör vorbei ist. In der Tür dreht er sich noch einmal um.
„Ich hoffe, mein...Freund...ist keine...der Leichen. Hören Sie, Sie sollten sich diese alte Frau ansehen, die am Altwasser wohnt, und sich Madame Solumna nennt. Sie ist eine Hexe! Aber ich habe Nichts gesagt, ja? Auf Wiedersehen!“
Er verschwindet. Ralf wartet nur, bis er außer Hörweite ist, und explodiert dann.
„Was soll das, Erich? Ich hätte noch mehr Fragen an den Kerl gehabt! Wenn er während des Verhörs mit der alten Frau angekommen wäre, hätten wir auch zu ihr mehr gewusst! Wir hätten ihn festnageln können! Wann eine Befragung vorbei ist, ist doch ohnehin Sache der leitenden Ermittlerin zu entscheiden, und das ist Kira!“
Erich grinst schief – na, dich Stockfisch habe ich doch noch aus der Reserve getrieben, was? – und zuckt mit den Schultern.
„Komm, Ralf, was der erzählt, sind doch nur Dorfgerüchte – das könnte ich von Jedem erfahren, den ich auf der Straße frage. Was ich auch machen werde. Heute Nachmittag kümmere ich mich zuerst um den Tatort, und frage dann ein paar Anwohner.“
Ralf unterdrückt seinen Ärger, und Erichs Grinsen wird innerlich breiter. Ich mache dich fertig.
„Dann sehe ich mir derweil am besten diese Frau an, die der Kerl verdächtigt. Kira, weißt du, wo sie wohnt?“
Kira verrät ihm die Adresse, und Ralf bricht auf. Erich verabschiedet sich mit einem vielsagenden, langen Blick von seiner Kollegin und geht auf die Insel.
Es ist Abend, als Erich zurückkommt. Wie er vermutete: Die Dorfbewohner wissen Alle das Gleiche und im Grunde nichts Konkretes. Die ganze Sache war absolute Zeitverschwendung. Und Ralf, oh, wie er ihn hasst, hatte auch noch Recht damit, dass ihm die Untersuchung des Tatort überhaupt Nichts bringen würde.
Kira sitzt am Computer und tippt ziemlich lustlos vor sich hin. Sie ist allein...das ist Erichs Chance.
„Kira, du siehst sehr gelangweilt aus...“
Sie lächelt unsicher.
„Ja, der Papierkram wieder...“
Erich tritt näher an sie heran und setzt sich auf ihren Schreibtisch.
„Ich könnte mir Spannenderes vorstellen als das, du nicht?“
Sie grinst.
„Ich verstehe, was du meinst...
Hättest du Lust auf einen Spaziergang im Mondlicht?“
Erich stutzt; eigentlich hatte er etwas Anderes vorgehabt...aber wenn sie es langsam möchte...dann wird er ihr zeigen, wie viel er von Romantik versteht!
„In Ordnung, Kira, sehr gerne...meinst du, die Insel wäre als Ort privat genug?“
Ihr Grinsen wird noch breiter.
„Oh Erich, das wäre wunderbar.“
Ha, denkt er sich, nicht mehr lange...
Arm in Arm schreiten sie über den Sporren, und der Mond ist bereits aufgegangen. Erich erzählt einen eher schlechten Witz, aber Kira lacht dennoch. Entweder, sie ist zu dumm, zu verstehen, wie ich mich anstelle, oder sie mag mich, denkt Erich...aber eigentlich ist es ihm egal. Ihr Weg führt sie zur Inselspitze, und sie setzen sich auf eine Bank. Für eine Weile starren sie in die Ferne und genießen den Sternenhimmel.
Da lehnt sich Kira zu Erich, und dreht den Kopf, um ihm aus nächster Nähe ins Gesicht zu sehen. Er kann sich kaum zurückhalten...lass sie den ersten Schritt machen...da gleiten Kiras Augen an seinem Gesicht vorbei, und ein gellender Schrei aus ihrem Munde zerreißt fast Erichs Trommelfell.
Er stößt sie vor sich weg und fährt herum, was hat sie gesehen?
Hinter ihnen steht ein Baum, mit einem Stamm, der gut einen Meter Durchmesser hat. Diese Seite von ihm haben sie nicht gesehen, als sie sich der Bank näherten, und nur jetzt, wo sich Kira umdrehte, bemerken Beide, was die ganze Zeit hinter ihnen lag.
Eine Leiche ist an Händen und Füßen – und durch den Bauch – an den Baum genagelt...kopfüber. Ein regelrechter See aus Blut liegt unter ihr, und mit Ekel stellt Erich fest, dass das Mondlicht Schuhabdrücke von ihnen Beiden beleuchtet, da sie beim Herangehen an die Bank gar keine Möglichkeit hatten, an der riesigen Pfütze vorbeizugehen. Wie angeklebt ruht sein Blick auf dem grausigen Bild, das der Tote bietet, aus irgendeinem Grund kann er ihn nicht von dem Loch in seinem Unterleib lösen, das der Holzpflock hinterlassen hat, zerrissene Kleidung, zerfetzte Haut...aber er zwingt sich, darüber hinaus zu sehen. Verkrümmte Finger, jeder einzelne gebrochen, hilflos um die herausragenden Nägel geschlungen, die ihn wie eine groteske Jesusfigur am Holz fixieren. Die Augen...fehlen...und der Mund ist zu einem letzten Schrei weit geöffnet, das ganze Gesicht ist tiefstrot, wie der Rest des Körpers.
Kira schluckt trocken, und als Erich sieht, dass es keine Seile sind, die um Äste geschlungen sind, sondern viele noch mit der Leiche verbunden sind, von der sie ausgehen, verliert er Alles, was er noch im Magen hat. Als er es endlich schafft, den Kopf von Boden zu heben, immer noch hypnotisiert, magisch angezogen wie abgestoßen gleichzeitig vom leeren Blick des Toten, grinst er plötzlich, zum Glück ohne, dass er Kira sieht.
Sieh an, Ralf, hast du doch bekommen, was du verdient hast.



Tag 3 und 4 – Gesichter des Horrors




„Es sind...Ritualmorde. Das Opfer leidet dabei so lange wie möglich, ohne zu sterben. Es ist eine regelrechte Kunst, dafür zu sorgen, dass man zwar Körperteile abtrennt, aber nie so viele, dass das Verbluten der Folter ein Ende setzt. Meistens endet das Leben des Opfers, nachdem es den größten Teil seiner Haut verloren hat, aber das ist wohl unterschiedlich...“
Kira blickt auf von der Seite, die sie aus dem Internet ausgedruckt hat.
„Das ist so unglaublich abstoßend! Ich kann das nicht mehr lesen...“
Erich schnappt sich das Papier und studiert es stumm. Ja, Ralf, sein sportlicher Kollege, hat durchgehalten, bis sein Peiniger daranging, seine Organe einzeln zu entfernen. Oh, wie er ihm dieses Ende gönnt. Dennoch – so sehr Kira nun auf seine Unterstützung angewiesen ist, um nicht zusammenzubrechen, er muss immer noch Jemand finden, den er für die ganze Sache beschuldigen kann...immerhin sind auch einige unschuldige Obdachlose gestorben außer Ralf...jammerschade.
„Kira, wir müssen diese Frau finden! Ralf wollte zu ihr, sie muss es getan haben. Diese Dorfgerüchte hatten wohl doch einen Kern Wahrheit.“
Ihre Stimme zittert.
„Ja...ja, das müssen wir wohl...Erich, ich...“
Er tritt näher.
„Ach, meine Liebe, das ist doch nicht so schlimm, komm her, lass dich...“
Das Telefon klingelt. Erichs Miene ist purste Wut, als er den Hörer ergreift, weil Kira nicht einmal in die Richtung des Apparates schaut – „schon das fünfte Mal heute Morgen, sicher legt der Anrufer gleich wieder auf“, murmelt sie.
„Polizeistation Windorf?“
„Ich grüße Sie...Erich, nehme ich an. Natürlich, Ihr Kollege ist ja nicht mehr. Wie schön, dass ich Sie endlich erreiche.“
Erichs Knöchel werden weiß, als er den Hörer fester packt.
„Sind Sie etwa Madame Solumna? Was wollen Sie, wo verstecken Sie sich?“
„Oh nein, Herr Auer, nun seien Sie doch nicht so neugierig...sind Sie allein?“
Erich sieht Kira an, dann nickt er – als er merkt, dass dies Nichts nützt, spricht er ein festes „Ja“ ins Telefon.
„Gut...ich habe Ihnen durchaus etwas mitzuteilen...unter vier Augen. Kommen Sie um Mitternacht auf die Insel...allein.“
Das Freizeichen ertönt. Erich starrt den Hörer an. Kira tritt hinter ihn und berührt ihn an der Schulter.
„Was ist? Wer war das?“
Kurz nur muss er überlegen, aber ihre Berührung lenkt ihn ab, und er beugt sich verschwörerisch zu Kira.
„Du hättest Nichts gegen einen zweiten Nachtspaziergang, oder?“
Als sie zögernd nickt, könnte er vor Freude aufschreien. Er ist Ralf los, Kira ist in seiner Hand, und der Fall bald auch. Die Hexe wird verantwortlich gemacht, und Niemand wird sich dafür interessieren, wer der wirkliche Mörder ist – solange die Öffentlichkeit einen Sündenbock hat, ist Alles gut...
Der Mond steht abermals hoch am Himmel, als Erich und Kira auf der Insel ankommen. Er scheucht sie in ein Gebüsch.
„Folge mir zwischen den Bäumen, du bist meine Rückendeckung, falls sie eine Überraschung parat hat – aber lass dich nicht sehen!“
Dann geht er alleine weiter, sich immer Kiras beruhigender Präsenz unsichtbar bewusst, pfeifend...es ist eine schöne Nacht. Er erreicht die Inselspitze. Wo ist die Frau?
„Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Erich.“
Sein Herz springt fast aus seinem Hals, als die Stimme dicht hinter ihm ertönt. Er fährt herum, seine Polizistenreflexe greifend, aber sie ist schon einen Schritt zurückgetreten. Eigentlich sieht sie ganz harmlos aus, findet er, aber das ist ihm egal – er wird sie ausnutzen, um seine Karriere mit der Lösung dieses Falls voranzutreiben.
„Kommen Sie mir nicht so! Was spielen Sie überhaupt? Was haben Sie meinem armen Kollegen angetan?“
Sie hebt ihren Zeigefinger und schüttelt ihn unter Erichs Nase.
„Ts, ts, ts, wie schnell die Menschen immer zu Schlüssen springen, die einfach nicht wahr sind. Sie sind doch Polizist, oder?“
„Natürlich!“
“Warum interessieren Sie sich dann für Unsinn, den irgendwelche Leute im Dorf erzählen, mehr, als für Beweise?“
Erich überspielt die Unsicherheit, die diese so selbstsichere alte Dame in ihm auslöst, indem er gleich wieder in die Offensive geht.
„Welche Beweise denn? Ich weiß nur, dass Ralf zu Ihnen wollte, und jetzt ist er tot, geschlachtet geradezu!“
Sie schüttelt den Kopf.
„Regen Sie sich ab, bitte. Ich liefere Ihnen die Beweise sofort. Bitte, folgen Sie mir – nur ein paar Schritte – ja, von hier aus können Sie es sehen. Die lockere Erde da, schauen Sie!“
Erich, skeptisch, tritt noch einen Schritt näher; tatsächlich, hier wurde umgegraben.
„Und, was soll mir das jetzt sagen?“
“Hier waren vor Kurzem noch drei Skelette vergraben, Herr Auer. Ich muss es wissen, denn ich habe sie hier verscharrt.“
Er muss sich beherrschen, nicht loszuschreien.
„Sie...Sie haben diese drei ermordet...und geben es einfach zu?“
Wieder dieser Zeigefinger! Erich ist kurz davor, ihr den Hals umzudrehen.
„Ich sagte schon einmal, springen Sie nicht zu schnell zu Schlüssen. Ich wäre doch bescheuert, so eine Tat zu gestehen. Ich sage Ihnen, was wirklich passiert ist. Vor drei Wochen war ich auf dieser Insel, alleine, weil Niemand in einer Vollmondnacht um 12 Uhr hinausgeht in diesem Dorf, hier wohnen fast nur abergläubische Spinner. Ich dagegen musste um diese Zeit meine Kräuter pflücken – sie haben nur Wirkung, wenn der Vollmond hochsteht. Und da fand ich sie liegen – ihre Haut und die Muskeln waren entfernt, und ich weiß nicht, wo sie sind...ich will es auch nicht wissen. Die Skelette waren mit ausgebreiteten Armen in einem Dreieck arrangiert, die Füße in der Mitte zusammengebunden...
Ich wusste, dass ich beschuldigt werden würde. Ich wusste, dass alle Leute im Dorf in ihren sinnlosen Vorurteilen die alte Dame als Sündenbock nehmen würden, die eh allen irgendwie komisch vorkommt.
Also habe ich sie vergraben und gehofft, dass sie nie wieder auftauchen. Dem...war nicht so. Der Mörder wollte, dass sie gefunden werden, und es hat wohl diese drei Wochen gedauert, bis meine Grube entdeckt wurde...“
Erich starrt sie an. Soll er ihr glauben, dass sie die Skelette vergraben hat? Diese ganze Geschichte ist doch...und trotzdem, ein leiser Zweifel nagt an ihm. Würde sie ihm das erzählen, wenn sie nicht die Wahrheit sagen würde? Sie hätte sich einfach verstecken können, oder die Sache mit dem Vergraben nicht erwähnen...er hätte nie Beweise für eine Verwicklung von ihr in den Mord gefunden.
Aber eigentlich ist das doch egal. Er braucht einen Schuldigen – sie steht vor ihm – er hat seinen Schuldigen. So einfach ist das. Er sollte sie gleich...
Moment. Kira schaut zu. Er muss sanft vorgehen.
„In Ordnung, das ist ja Alles schön und gut, und dass Sie mir das erzählt haben, und nicht verschwunden sind, lässt mich dieses Angebot machen. Ich muss mir erst einmal – wenn es hell ist, diese Dunkelheit geht mir auf die Nerven! – diese Grube ansehen, und herausfinden, wann hier wer womit was gegraben hat. Sie kommen Morgen um 14 Uhr ins Präsidium, und wenn Sie da nicht aufkreuzen, werde ich mich nur ganz schwer von einem anderen Hauptverdächtigen als Ihnen überzeugen lassen!“
Sie nickt.
„Ich danke Ihnen, dass Sie so vernünftig sind, Herr Auer. Ich hoffe, wenn meine Erfahrungen und ihre Beweisaufnahme hier zusammentreffen, finden wir den, der wirklich hinter den Morden steckt. Einen Dank auch dafür, dass Sie alleine gekommen sind, Sie haben Mut!“
Sie verschwindet, und Erich starrt ihr noch lange nach. Alleine. Hehe. Wenn sie wüsste, was ihr bevorsteht! Er setzt sich auf die Bank, diesmal achtet er darauf, an dem getrocknetem Blutsee vorbeizusteigen, und sieht sich eine Weile den Sternenhimmel an. Ob Kira und er wohl bald...nachdem er die alte Frau ins Gefängnis gebracht hat, sicher. Wo bleibt sie eigentlich?
„Kira? Komm schon, die Alte ist längst weg, du brauchst dich nicht mehr zu verstecken.“
Aber Kira bleibt verschwunden. Dem dummen Mädchen ist wohl langweilig geworden, nachdem klar war, dass Madame Solumna keine Bedrohung war...sicher bewundert sie Morgen seinen Mut, genau, wie die alte Frau das tat! Er fühlt sich großartig, als er zurück zur Pension geht.
Am nächsten Tag ist Kira nicht im Präsidium – hat sie die Sache so mitgenommen, dass sie doch daheimbleibt? Erich macht sich einen Kaffee und schlürft ihn genüsslich. Er denkt nicht daran, auf der Insel eine Spurensicherung bei der Grube vorzunehmen – was solls? Solumna steht doch ohnehin als Schuldige fest. Er sieht ein wenig Fern, bis seine Mittagspause anbricht, und ist um 14 Uhr bereit für ihr Kommen.
Als er zwei Stunden gewartet hat, gibt er auf und geht zur Pension, in sich hinein lachend. Sie macht es ihm zu einfach! Dass sie zur Vernehmung nicht erschienen ist, wird schwer in den Augen der Richter wiegen – sie ist erledigt. Nach Stunden der Langeweile fällt ihm ein, dass er sich um Kira kümmern könnte – sie freut sich doch sicher über eine Schulter zum Ausweinen...er ruft ihr Diensthandy an.
Kira antwortet nicht. Erich belästigt den Nachtportier des Präsidiums, er soll ihm ihre Privatnummer verraten, oder ihre Adresse, am besten beides! Eingeschüchtert von seiner Vehemenz macht der Mann es. Was für ein pflichtvergessener Feigling.
Kira ist nicht zuhause, muss Erich feststellen, als er an ihrer Tür klingelt. Und es fängt schon wieder zu regnen an! Wo ist...
Da trifft ihn eine Erkenntnis wie ein Schlag in die Magengrube. Madame Solumna tauchte heute Nacht hinter ihm auf...sie war ihm also gefolgt...und Kira war ihm auch gefolgt. Zwar versteckt, aber eigentlich traut er der unfähigen Landpolizistin nicht zu, schleichen zu können. Was, wenn sie sie entdeckt hat...und, wenngleich wohl nicht für die ersten Morde verantwortlich, Panik bekommen hat und seine Kollegin ermordet hat? Oder er, Gott bewahre, hat sich geirrt in ihr, und sie ist tatsächlich ein psychopathischer Killer?
Er rennt, und je schneller er rennt, desto mehr scheint es zu regnen. Er darf nicht zu spät kommen – immerhin will er Kira nicht als Leiche! Seine Schritte tragen ihn über den Sporren, ins glitschige Gras der Inselmitte...
Ein Lichtschein erregt seine Aufmerksamkeit. Er umrundet einen Baum. Und bleibt stocksteif stehen, als er die Szene vor sich sieht.
Unzählige Grabkerzen, die auch bei Regen brennen, formen einen Kreis um einen Körper, der frei schwebend von einem Baum hängt und von dem mehr als Wasser auf den Boden fließt. Die nackten Knöchel sind eng mit groben Seil zusammengebunden, und die Arme erreichen gerade nicht den Boden, obwohl sie schlaff ganz nach unten hängen. Es ist...eine Frau...und Erich muss alle seine Willenskraft aufwenden, näher zu treten, in den Kreis aus Lichtern, und er streckt eine Hand zu der Leiche aus...
„Erich!“
Sein Herz setzt einen Schlag aus, als er herumfährt...und es fängt wieder zu schlagen an, als er sieht, wer geschrieen hat. Kira steht vor ihm, und die Erleichterung auf ihrem Gesicht ist fast mit Händen zu greifen. Sie rennt zu ihm.
„Erich, oh Gott, Danke, dass du hier bist! Es ist...es ist so furchtbar, ich habe sie hier hängen gefunden, und ich weiß...ich weiß nicht, was ich tun soll!“
Sie stürzt in seine Arme, und er ist froh, dass sie sein idiotisches Grinsen nicht sieht. Endlich! Es hat fünf Tote gebraucht, aber er hat sie genau da, wo er sie haben will. Da sieht er, dass sein hastiges Umdrehen gerade die Leiche gedreht hat...
Er starrt in das Gesicht von Madame Solumna, zumindest das, was davon noch übrig ist. Ihre Lippen sind entfernt worden, und scheinbar nicht abgeschnitten, sondern abgerissen. Ihre Nase fehlt, ihre Ohren fehlen, und der ganze Rest ist entstellt durch unzählige blaue Flecken und Brandwunden...nein, nein, Erich, du kannst Kira jetzt nicht über den Rücken spucken...er hofft, dass sie sein Zittern nicht bemerkt, er muss stark sein, ganz stark...und da stellt er etwas fest, was ihn noch mehr als alles Andere hier den Schweiß auf die Stirn treibt: Kopfüber hängend, nachdem sie verprügelt wurde, ihr Körperteile entfernt, tiefe Schnitte in den Unterleib zugefügt wurden...lebt Madame Solumna noch. Sie atmet. Und ihre Hände heben sich...er steht stocksteif da vor Horror, als ihr Mund sich öffnet, und sie flehentlich die zugeschwollenen Augen auf ihn richtet...
„Weeeeeeeeeg...“
Sie stößt zu, schwach, mit ihren gequälten Gliedern, zuckt, und er fragt sich, was will sie? Was will sie ihm mitteilen? Das ist zu viel...zu viel für ihn...
„Kann ich...kann ich Ihnen helfen? Nein, ich sehe, es geht nicht, bleiben Sie ruhig, bleiben Sie ruhig...“
„Weeeeeeeeg...Kiiiiiraaa...“
Langsam, ganz langsam dringt durch den schwarzen Schleier schlimmsten Terrors in Erichs Gedanken, was sie ihm sagen will – und es dauert. Viel. Zu. Lange.
Er keucht, als es ihm klar wird, aber noch mehr keucht er, weil ein Messer in seinen Nieren gelandet ist. Ein langes Messer. Schmerz explodiert in seinem Rücken, und als Kira ihn loslässt, fällt er um wie ein Mehlsack. Er starrt in den Sternenhimmel, und ihr Gesicht schiebt sich in sein Blickfeld, mit einem Grinsen, dass keinen Hauch mehr von der Hirnlosigkeit enthält, die ihr Ausdruck vorher immer hatte. Es ist...grausam.
Erich spürt, wie Blut seine Kleidung beschmutzt, sich mit dem Schlamm vermischt, und er zittert, als Kira das Messer über ihn senkt, und schreit auf, als sie es plötzlich über seine Achillessehnen zieht, die eine, die andere – Gott! Er wird nie wieder gehen können! Er wird...oh nein. Nein! Nein! Sie bereitet ihn vor, wie ihre anderen Opfer! Das...das hält er nicht aus! Er...fängt an, unkontrolliert zu schluchzen, als sie ihn über einen Ast kopfüber hochzieht und mit dem Knie an den Stamm des Baumes presst, während sie den Hammer hebt, mit dem er gleich Nägel durch die Handflächen getrieben bekommen wird. Durch den Schmerz, der nicht mehr schlimmer werden kann – aber er weiß, es wird schlimmer, viel schlimmer – bringt er noch ein Wort heraus.
„Warum?“
Kira hält kurz inne und sieht ihm ausdruckslos ins Gesicht hinunter, das neben ihrem anderem Knie ist.
„Ich erzähle meinen Opfern nie, warum ich tue, was ich tue.“
Sie nagelt methodisch, aber mit großzügigen Pausen zwischen den Schlägen, seine Füße einzeln fest. Als sie sich für seine Arme bückt, grinst sie ihn noch einmal an.
„Es nicht zu wissen erhöht die Qual nur noch, verstehst du?“
Helles Lachen durchsetzt die gellenden Schreie, die in dieser Nacht über die Insel dringen, aber von Niemanden gehört werden, und durch den Schleier aus Blut und Tränen vor seinem Gesicht sieht Erich ständig das zerschundene von Madame Solumna, dem seines immer ähnlicher wird, wie eine Anklage vor sich.
 
Die Story ist an sich nett, die Details sind wirklich nicht (oder eher sehr?) übel.
Aber nit falsch auffassen, wenn ich sage, dass ich mir bei einem so unsympathischen Protagonisten nicht mehr als 4 Kapitel antun würde ;)


Btw, es ist Sonntag... :D
 
Die Story ist an sich nett, die Details sind wirklich nicht (oder eher sehr?) übel.
Aber nit falsch auffassen, wenn ich sage, dass ich mir bei einem so unsympathischen Protagonisten nicht mehr als 4 Kapitel antun würde ;)
War auch irgendwie der Sinn :p. Ich tu ungern Unschuldigen was an in den Geschichten, ist ja auch für Kinder!

Leider war ich heute zu sehr damit beschäftigt, Allen hallo zu sagen, nachdem ich aus dem Urlaub wieder da bin und Zeug nachlesen etc. ...muss das Kapitel mal wieder nen Tag verschieben. Aber ist wohl eh kaum Jemand da.

Simon
 
verdammt --da hab ich dank gebrochenem handgelenk mal frei und hier is trotzdem nix zum lesen XD
 
War auch irgendwie der Sinn :p. Ich tu ungern Unschuldigen was an in den Geschichten, ist ja auch für Kinder!

Leider war ich heute zu sehr damit beschäftigt, Allen hallo zu sagen, nachdem ich aus dem Urlaub wieder da bin und Zeug nachlesen etc. ...muss das Kapitel mal wieder nen Tag verschieben. Aber ist wohl eh kaum Jemand da.

Simon
der Tag is lange um :motz:
 
Jo.

Eine dicke Entschuldigung für die extreme Verspätung...ich dachte ja, ich könnte Montags schon fertig sein. Falsch gedacht, weil auf einmal RL auf mich eingeströmt ist. Übermorgen ist Bachelorprüfung Physik, dafür hab ich immer Nachmittags gelernt, Abends dann immer wenig Lust und Muße gehabt...nebenbei, nach dem Urlaub kamen alle Leute gleichzeitig an und wollten wieder was mit mir machen, also gaaah keine Zeit zu schreiben.

Bis gestern, da hab ich mich einfach hingesetzt, Anfragen, was zu zocken ignoriert, und so 4 Stunden durchgeschrieben. HA!

Also...viel Spaß, ich hoffe, das war die Wartezeit ein wenig wert.

Simon
 
Kapitel 88 – Mephistos letzte Falle

Marius...der Mensch, der in Tal Rashas Grab Baal befreit hat und so zu Tyraels Niederlage führte. Der uns auf diese Reise voller Entbehrungen und Schmerzen geschickt hat. Wilde Wut erfüllt mich.

„Lass ihn bloß nicht entkommen, Golem.“

„Die einzige Fluchtmöglichkeit, die ich ihm heute eröffne, ist ein schneller Tod.“

Der Mensch in meinen Armen beginnt leise zu wimmern. Gerade will ich den Zweiten offen maßregeln...so verdient, wie Marius das hätte...da bemerke ich, wie des Meisters Augenbrauen sich gefährlich zusammenziehen...und er zustimmend nickt. Seine Schritte führen ihn langsam auf Marius zu, bis er ihm fast auf den Füßen steht.

„Ein wirklich interessanter Zufall, dass wir an einem derart gastlichen Ort das erste Mal Gelegenheit haben, ein nettes Gespräch zu führen. Ich weiß zwar, dass die Zeit leicht drängt, aber für diesen Plausch nehme ich mir doch ein paar Minuten. Wir haben uns noch nicht richtig vorgestellt, würde ich sagen, aber wohl voneinander gehört, nicht? Also, machen wir es offiziell. Ich bin der General, sehr erfreut. Unter welchen Namen kennt man dich?“

Marius weicht zurück vor dem eisernen Starren des Meisters, bis er spürt, wie nahe sein Hinterkopf meiner Stirn kommt, und erstarrt. Ein Keuchen entweicht seinen stotternden Lippen nach jedem Satz.

„Bitte...bitte tötet mich nicht...“

Diese rückgratslose Ratte hat Tyrael losgeschickt, um Baals Seelenstein zu zerstören? Lass ihn bloß nicht die Mitleidstaktik schieben. Er ist ganz allein dafür verantwortlich, dass unser unfähiger Engelfreund nicht schon in Tal Rashas Grab der Sache ein Ende bereiten konnte!

Der Zweite nötigt mich, den Zug auf Marius' Arme zu erhöhen. Ich gebe dem Druck bereitwillig...wir brauchen schnelle Antworten. Und ich tue ihm ja nicht weh...es ist nur eine Warnung. So wie die Stimme des Zweiten eine ist.

„Du hast eine klare Frage bekommen. Der Herr erwartet eine klare Antwort von dir, und er wird sie bekommen.“

„Ah! Bitte...bitte nicht...ich bin Marius! Das wisst Ihr doch!“

„Ja, aber recht viel mehr wissen wir nicht, hm? Erzähl uns doch mal, was dich so in diese missliche Situation geführt hat.“

„Aber...ich bin unschuldig...bitte, hier unten ist Alles voller Monster, sie könnten jederzeit in diesen Raum kommen, wir müssen fliehen! Lasst mich doch einfach gehen...ich bin nur ein armer, vom Schicksal gebeutelter...“

Der Meister gibt ihm eine schallende Ohrfeige. Ich zucke geschockt zusammen, was den Rücken des Menschen in meinem Griff für kurze Zeit sehr unangenehm gegen meine spitze Brust drückt. Schnell lasse ich etwas lockerer...was tut der Meister da?

Das Richtige.

„Dreh ihn herum, Golem.“

Ich tue wie geheißen.

„Siehst du das? Meine Skelette bewachen den Eingang. Wir sind von oben gekommen, du feiger Bastard, durch Horden von ihnen hindurch. Wir wissen, was hier läuft, und sind völlig sicher. Also...schau mich an.“

Erneute einhundertachtzig Grad meiner später sieht Marius wieder die wütende Grimasse des Meisters vor sich.

„Und jetzt erzähl mir haarklein, wie ein nutzloser Sack Knochen wie du zu der zweifelhaften Ehre gekommen ist, nicht nur einem, sondern zwei Großen Übeln integral auf deren Weg zur Zerstörung der Welt zu helfen!“

„Ich...ich habe Nichts dergleichen...“

Der Meister schnippst mit den Fingern. Was soll mir das...?

Oh, den Befehl kenne ich von meinem.

Was...?
Bevor ich merke, wie mir geschieht, übernimmt der Zweite die Kontrolle und reißt Marius' Arme auseinander...was, seinem Schrei nach zu urteilen, definitiv schmerzhaft war.

„Rede.“

Was tust du? Hastig greife ich mir die Kontrolle wieder...was, sehr zu meinem inneren Aufatmen, ohne Probleme vonstatten geht.

Einen direkten Befehl kann man doch nicht ignorieren.

Es war ein Fingerschnipsen!

Alte Reflexe, wie gesagt!

Tu das nie wieder!

Ha, das lag noch nicht einmal in meiner Macht zu verhindern, wenn ich es gewollt hätte. Was verteidigst du jetzt diese Ratte?

Wir...können doch nicht einfach diesen unbewaffneten Mann foltern!

Wir brauchen Antworten, schnelle Antworten, viele Antworten. Es ist ein ungemeiner Glücksgriff, dass er uns hier über den Weg gelaufen ist, diese Chance ergreifen wir jetzt. Und er hat jede Unze Pein verdient!

Ich spüre, wie mein Zorn langsam in Entsetzen umschlägt. Und Scham, dass ich mich davon zunächst mitreißen ließ. Das...ist nicht unsere Art. Wir tun sowas nicht.

Du vielleicht nicht...aber der Meister und ich scheinen uns da mal einig zu sein. Also halt dich gefälligst zurück und freu dich, dass es gleich ein paar quälende Fragen weniger geben wird.

Marius beginnt zu erzählen, oftmals stockend, was der Meister zu einem schnellen Schnipsen bringt und Marius zu einem darauffolgenden Schrei, als der Zweite den Zug auf seine Arme immer weiter erhöht.

„Der Wanderer...mit ihm begann Alles. Es war in einer dreckigen Kneipe auf der Straße vor dem Pass über die Tamoe-Berge...eine Müllhalde für Menschen, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sahen außer dem Alkohol. Meine Situation war etwas komplizierter...aber auch mir gab das billige Gift, was ich wollte. Vor Allem Vergessen.
Wart Ihr auch eine der unglücklichen Seelen, die das Hereinbrechen der Hölle über das Kloster mitbekamen? Wenn ja, wisst ihr, wie meine Erinnerungen daran aussehen. Seit Tagen hatte ich aus Angst nicht geschlafen, aber ich war kurz davor, den Kampf gegen meine Müdigkeit zu verlieren...
...da krachte die Tür auf, die eisige Kälte von draußen herein lassend. Aller Augen richteten sich auf den Eingang...da stand eine große, in eine Robe gehüllte Figur. Mehrere Anwesende waren kurz davor, den Fremden...angemessen...zu grüßen, als wir plötzlich spürten, wie sich die Kälte nicht nur auf unsere Haut legte, sondern auch lange, eisige Finger um unsere Herzen schlug. Aber in keines mehr als meines, der wie alle anderen gesehen hatte, wie der Alptraum im Kloster begann...mit einer dunkel berobten Figur, die durch das Tor nach Osten ging.
Der Fremde schritt in völliger Stille durch den Raum, ein Schwert hinter sich herschleifend, offenbar am Ende seiner Kräfte. Die gleiche Waffe, die auch der Böse mit sich geführt hatte...
Er stolperte auf eine leere Bank, in den Schatten am Ende des Raumes, und stieß sein Schwert in den unbedeckten Lehmboden.
Die Ecke für verlorene Seelen, die Zuflucht derer, die der Welt entfliehen wollen, weil sie zu viel gesehen hatten...oder zu schlimme Taten begangen...also auch der Ort, an dem ich mich niedergelassen hatte.
Unsere Blicke trafen sich, als er mich bemerkte. Mein Herz setzte aus, ich wusste, dass ich in wenigen Sekunden unter dem Starren dieser Augen wahnsinnig werden würde...der Schatten aus meinen Träumen hatte mich gefunden.
Da fuhr ein Windstoß durch die noch immer offene Tür, und öffnete seine Kapuze leicht. Ein verirrter Strahl Kerzenlichts fiel auf seine Stirn, und ich sah ein unverwechselbares Zeichen...eine kreisrunde, frisch verheilte tiefrote Narbe.
Endlich begann mein Herz wieder zu schlagen, als sich meine Furcht in ungläubiges Staunen wandelte. Nur wenige Monate zuvor hatte ich genau dieses Muster schon einmal gesehen...und seinen Träger bejubelt. In Triumph war der Held von Tristram durch die Straßen getragen worden, ein rauschendes Fest war abgehalten worden...ich war extra von weit her angereist, um seinen Sieg über das Böse zu feiern. Die dunkle Gestalt aus meinen Alpträumen...sie war er, der uns Alle gerettet hatte!
Mein Hirn versuchte ohne Erfolg, die beiden Bilder zu vereinen. Wie konnte...da begann er zu zittern. Er wandte sich von mir ab, den Griff seines Schwertes mit voller Kraft umklammernd, aber sein Zucken wurde schlimmer. Aber er schaffte es, ein paar Worte herauszupressen, so leise, dass nur ich sie hören konnte.
'Ihr kennt mich...', sagte er. Seine heisere Stimme, so voller Verzweiflung, brach meine Lähmung. Ich stand mühsam auf und legt ihm eine Hand auf die Schulter, die selbst zitterte. Ihr seid der Held, sagte ich ihm. Der uns Alle gerettet hat.
'Und sich selbst verdammt...', war seine Antwort. Aber das letzte Wort ging unter in einem Schrei, als er plötzlich aufsprang, mich zu Boden werfend, nur um gleich darauf wieder in die Knie zu gehen, vielleicht schrie er noch weiter, vielleicht war er totenstill, ich weiß es nicht, denn in diesem Moment begann um mich herum die Hölle erneut nach Sanktuario zu kommen. Flammendämonen sprangen durch den Raum, weißes Feuer durchbohrte schreiende Menschen, Fleischbestien krochen aus sich öffnenden Löchern im Boden, es war...“

Er stockt hier das erste Mal.

„Nur weiter, bis jetzt ist es wirklich interessant.“

Nach etwas Unterstützung durch den Zweiten findet Marius die Kraft, seine Erzählung fortzusetzen.

„Schließlich erlangte der Held die Kontrolle über sich zurück. Ich glaubte fast, eine Aura um ihn zu sehen, die sich, nachdem sie ihn eine Weile lang verlassen hatte, wieder in seinem Körper festsetzte. Da verstand ich, was mit ihm geschehen war...er war während seiner Zeit unter Tristram zu dem geworden, was er selbst bekämpft hatte, einem Avatar des Bösen auf Erden...“

„Soll passieren, wenn man sich den Seelenstein eines Großen Übels in die Stirn rammt.“

Marius scheint ernsthaft überrascht zu sein.

„Das war der Grund für die Narbe...?“

„Hat dir dein guter Freund von dem Teil etwa nicht erzählt? Egal, los! Warum hat er dich verschont? Warum bist du ihm gefolgt?“

„Ich...ich wünschte, ich könnte diese Fragen mit Gewissheit beantworten. Was ich sagen kann...nachdem sein Ausbruch vorbei war, und es um uns herum nur noch Leichen und Feuer gab, sah er mich wieder an mit diesen Augen, die so viel Unheil gesehen hatten. Und er sagte: 'Du kennst mich...hilf mir, ich selbst zu bleiben...'. Hatte er noch teilweise Kontrolle über sich oder war es schon Diablos tückischer Plan, der aus ihm sprach, um einen willigen Sklaven zu bekommen? So oder so...er stand auf, sein Schwert zurück im Boden lassend, sich wie an einem unsichtbaren Marionettenfaden gehend gebärdend, und ich tat, über Leichen und durch das Feuer, meine ersten Schritte ihm nach. Ich hätte im Feuer bleiben sollen und sterben, aber etwas zog mich ihm nach. Sicher war es nicht sein verzweifelter Schrei nach Hilfe allein. Hat er mich durch schwarze Kunst gezwungen? Was war sein Plan mit mir? Oder war es eben doch der Held, und nur seine unglaubliche Präsenz, mein Wissen um seine Taten für das Gute, brachten mich dazu, ihm zu folgen? So oder so...wir gingen. Während der ersten Zeit redeten wir nicht mehr miteinander. Er brütete über sein dunkles Schicksal, ich versuchte weiter erfolglos, den Klauen des Schlafes zu entkommen, den grausamen Erinnerungen...wieder und wieder wollte ich ihn ansprechen, fragen, was er gesehen, was er getan hatte, aber ich schaffte es nicht, die Stimme zu erheben. Aus Angst, aus dem Gefühl, dass dies Alles nur ein wirrer Traum nach einem fürchterlichen Alkoholrausch war...aus falschen Respekt vor dem Menschen, der er noch war...ich weiß es nicht.“

Der Meister hebt eine Hand, sein Gesicht eiskalt.

„Er hat dich darum gebeten, ihn daran zu erinnern, wer er als Mensch war, ihn davor zu bewahren, von Diablo kontrolliert zu werden...und du hast Nichts getan? Du warst einfach still?“

Als ich die gefrorene Miene des Meisters sehe, steigt auch in mir kühler Zorn hoch. Meine Finger drücken einer nach dem anderen etwas fester in die Handgelenke meines Gefangenen. Marius hätte verhindern können, was passiert ist...vielleicht hätte er den Helden retten können wie ich den Meister vor sich selbst gerettet habe. Mit was für einem schwachen, nutzlosen Menschen haben wir es hier überhaupt zu tun...

Ich hoffe, der Meister gibt den Befehl...

Aber dieser bleibt einfach nur völlig ausdruckslos, als die Sekunden verstreichen, in denen Marius keine Antwort gibt, sein Gesicht abgewendet.
Endlich bricht der Meister sein Schweigen.

„Sprich weiter.“

Marius beginnt plötzlich, viel schneller als bisher zu reden, in einem hoffnungslosen Versuch, seine Schuld zu überspielen. Jedes weitere Wort seines Versagens schürt meine Wut.

„Unsere lange Reise durch die Wüste begann nun, während der ich jegliches Zeitgefühl verlor. Endlich, nachdem unser Kamel gestorben war, nachdem ich schon kurz davor war, einfach doch einzuschlafen und diesmal für immer, brach mein Begleiter sein Schweigen. Er erzählte mir seiner Vergangenheit als großer Krieger...von den Dämonen, die er getötet hatte...er malte sie mir in den größten Details aus, und ich geriet ins Zittern, als er mir Dinge über sie verriet, die man sicher nicht wissen konnte, wenn man sie nur tötete...ich weiß nicht, ob er es überhaupt bemerkte, aber bei manchen geriet er geradezu ins Schwärmen. Denn sie waren ja letztlich Meisterwerke eines Teils seines Seins...eines wachsenden Teils. Schließlich kam die Rede auf das Ende seines Kampfes unter Tristram, und das Grinsen, das ihn überkam, als er erzählte, wie er sah, als Diablos Einfluss den schwachen Körper des Königssohns Albrecht verließ. Der Junge, der zum Avatar des Herrn des Schreckens auf Erden geworden war, lag tot vor ihm...und er geriet ins Philosophieren darüber, ob Diablo nicht dumm gewesen wäre, einen so schwächlichen Körper zu wählen? Vielleicht...vielleicht war sein Plan von Anfang an gewesen, einen Helden anzulocken durch seinen Taten, der ihm einen wirklich starken Körper schenken konnte. Er hatte Angst davor, in diese Falle getappt zu sein...aber diese sah man nur leise in seinen Augen funkeln, und in seiner Wortwahl. Das Grinsen in seinem Gesicht...es sagte mir, dass Diablos Falle längst zugeschnappt hatte.
Dennoch folgte ich ihm. Ich hatte keine Wahl. Wo immer er wandelte, spross das Böse aus dem Boden...ich sah die dunklen Wolken, die hinter uns herzogen! Ich war so weit gekommen...nur noch die morbideste Neugier trug mich vorwärts. Ich wollte wissen, was am Ende seiner Reise stehen würde.
Schließlich verriet er es mir...und es war sicher nicht der Held, der es tat. Als ich endlich einschlief, das erste Mal seit Wochen wirklich tief wegdämmernd, sah ich in einem Traum, was unser Ziel war...ich erfuhr die Geschichte von Tal Rasha, der eines der Großen Übel in seinen Körper einsperrte, wie der Held es mit Diablo versucht hatte.“

„Und das hat ja auch hervorragend funktioniert.“

Der trockene Kommentar des Meisters lässt mich plötzlich auch eine Abscheu dem Helden von Tristram gegenüber entwickeln...was hatte er sich angemaßt, ein Krieger, dessen größte Auszeichnung der Mut – oder der Wahnsinn – war, sich in die Katakomben des Klosters und noch viel tiefer zu wagen, die Stärke zu besitzen, einen Erzdämonen kontrollieren zu können?

Viel mehr ekelt mich an, was Marius uns gerade für einen Grund geliefert hat, dass er mitging...reine Faszination mit dem Bösen. Er hatte keine weiteren Ambitionen außer der Befriedigung seines urmenschlichen Gelusts nach Sensation...er wollte derjenige sein, der das Böse gewinnen sah, jeden Schritt des Weges verfolgend.

Ich freue mich, dass mein Gesicht bis auf die Augenbrauen ausdruckslos ist – die sind so ernst zusammengezogen wie die des Meisters. Dieser winkt Marius weiter.

„Wir wissen, was Tal Rasha getan hat. Ihr habt das Grab also tatsächlich erreicht?“

„Ja...er erlaubte mir, mich in Lut Gholein zu stärken, aber nicht eine Nacht konnte ich in strahlenden Juwel verbringen, bevor wir wieder loszogen. Weiter, weiter ging die Reise, während ich glaubte, hinter dem Horizont schon die Schreie aus der Stadt zu hören...später stellte sich heraus, dass Lut Gholein nicht wie das Kloster von Dämonen überrannt worden war, zum Glück. Aber mein Begleiter erzählte mir, dass er einen vielversprechenden jungen Mann getroffen hatte, wobei er nicht weiter ins Detail ging...aber die Nachricht sandte mir kalte Schauer über den Rücken. Wie so Manches, das ich noch sah und hörte in den nächsten Tagen.“

Schabe...

Da hat er die Falle für uns in der Zuflucht vorbereitet...er wusste, dass wir nur über diesen Weg eine Chance hatten, ihn einzuholen, also hat er die Saat des Wahnsinns und der Machtgier in dem Jungen gepflanzt...

„Und endlich erreichten wir die Schlucht der Magier. Er ließ mich einen alten Stein behauen und anschließend vergraben, was ich nicht verstand...“

Damit ist Marius auch für diesen versuchten Trick verantwortlich...das vertauschte Grabsymbol!

„...aber noch weniger, was sich danach tat. Als wir das Grab betraten, in die kühle Dunkelheit schritten, fühlte es sich an, als stünde ich an der Schwelle zwischen dieser Welt und einer komplett anderen, in der jeglicher Verstand ein Ende haben müsste; aber der Zeitpunkt, an dem ich davor noch Angst hatte, war bei mir schon lange in der Vergangenheit. Eine wilde Hoffnung blühte in mir auf, als er seltsamerweise nicht immer schwächer wurde, sondern stärker, als wir tiefer in das Grab drangen, völlig unbehelligt, an unzähligen Fallen vorbei, und nie eine falsche Abzweigung nehmend. Am Ende konnte ich kaum mehr mit ihm Schritt halten...hatte er Diablo doch besiegt, seinen schwächenden Einfluss überwunden?
Aber als sich das Siegel, schon viel zu geschwächt für dämonische Macht, einen kurzen Moment lang öffnete, wusste ich, dass die Hoffnung leer gewesen war...nicht sein menschlicher Teil war stärker geworden, sondern sein dämonischer. Ich kauerte in einer Ecke der stockdunklen, von Gliedertieren überlaufenen Kammer, als er einen ersten Beweis seiner endgültigen Verwandlung in den Herrn des Schreckens lieferte, sich hinkniete, ein unmenschliches Brüllen losließ und ein Tor zur Hölle aufriss, durch das ein gewaltiger Dämon kroch, eine fette Made mit gewaltigen Klauen, Zähnen, grausamen Augen...sie kniete auf ihren unzähligen Beinchen nieder und huldigte ihrem Herrn. 'Bewache diesen Ort, Duriel', wies er sie an, und ich wäre wohl gestorben vor schierem Terror, wenn mir nicht in den Kopf geschossen wäre, dass ich seit Wochen mit einem noch weit schlimmeren Dämon unterwegs war! Das Geringere Übel ignorierte mich aber völlig, und wir gingen in Tal Rashas Kammer...“

„Das will ich jetzt haarklein hören.“

„Also lass bloß kein Detail aus.“

Diablo hatte so viel Angst vor uns, dass er uns ständig Steine in den Weg geworfen hat...?

„Ich werde Alles erzählen! Alles! Bitte...bitte glaubt mir, ich...ich wusste nicht mehr, was ich tat...“

Der Zweite zieht an. Marius sinkt zusammen und flüstert die nächsten Worte fast, aber wir verstehen sie nur zu gut.

„Mein Begleiter...Diablo...schoss auf Tal Rashas mumifizierte, angekettete Gestalt an dem gewaltigen Stein zu, um seinen darin gefangenen Bruder zu befreien. Ich fiel zu Boden am Eingang der Kammer, meine Kraft am Ende.
Da tauchte Tyrael aus dem Nichts auf...weder Siegel noch Duriels Wache könnten je einen Erzengel aufhalten. Er hielt Diablo auf, welcher sich auf ihn stürzte, und beide kämpften. Ich sah, dass mein Begleiter sich gut hielt gegen die Hiebe des himmlischen Schwerts, aber er musste verlieren. Einen kleinen Teil meines Hirns erfüllte dies mit ernsten Bedauern, und ich habe seither damit verbracht, diesen Teil zu suchen, um ihn auszubrennen...
Das war der Zeitpunkt, als mir bewusst wurde, dass Jemand meinen Namen rief.
Es war Tal Rasha. Der echte Tal Rasha...nicht Baal...sein Gesicht, in lebendiger Fülle, unbefleckt von vielen, vielen Jahren unter der Erde zusammen mit einem Großen Übel, erschien kurzzeitig über dem Kopf der Mumie. Er flehte mich an, ihn zu befreien von Baal, auf dass er zusammen mit Tyrael gegen Diablo kämpfen könnte.
Die Brücke war voller Lücken, die fehlenden Planken gaben den Blick frei auf einen Abgrund, gefüllt mit Feuer. Es schien an meinen Beinen hochzüngeln zu wollen. Doch Tal Rasha trieb mich vorwärts, ermutigte mich...der Alptraum sei bald vorbei, sagte er.
Ich erreichte ihn. Ich streckte mein Hand aus, zögernd, bevor sie den Seelenstein in seiner Brust berührte. Das leuchtende Gelb schien zu wabern...da, plötzlich, hatte ich einen Finger darauf liegen. Er hatte mich angezogen wie ein Magnet, und schon hatte ich beide Hände darum geschlungen, denn ich musste ihn an mich nehmen. Die Zeit schien sich zu dehnen, als ich daran zog...und erst ein lautes 'Nein!' von Tyrael war es, das den Zauber durchbrach, aber schon hatte der Stein Tal Rashas Brust verlassen.
Auf einmal wurde ich gepackt und weggezogen, und ich hing an Tyraels Faust. Die leere Kapuze des Erzengels war nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, und ich dachte, ich würde überwältigt von all dem Licht und der Macht hinter ihm...nur der eiserne Griff, den ich um den Seelenstein hatte, hielt mich irgendwie an der Realität fest. Was auch immer sie war. Er scholt mich, meinte, ich hätte das Schicksal der Welt besiegelt...es war mir in diesem Moment egal. Ich weint ob des Lichts. Nur wie durch Watte drangen seine weiteren Worte zu mir durch...er gab mir eine Mission. Ich müsse den Seelenstein bis nach Kurast bringen, in den Tempel des Lichts in Travincal, wo sich bald ein Portal zur Hölle auftun würde, das ich mutig durchschreiten müsse, um den Stein in der Höllenschmiede zu zerstören! Sonst wäre Alles verloren...“

Der Meister stellt sich plötzlich auf die Zehenspitzen und brüllt Marius voll unmaskierter Wut ins Gesicht.

„Er hat was gesagt?“

„Ich...ich gebe nur wieder, was...“

„Das ist doch nicht die Möglichkeit! Du weißt schon, was das bedeutet, oder?“

Die Frage ist an mich gerichtet, und ich schäume, weil ich es weiß. Der Zweite kann sich noch etwas kohärenter ausdrücken als ich es schaffen würde.

„Tyrael ist fest davon ausgegangen, dass wir darin scheitern würden, die beiden aufzuhalten...er musste wissen, dass wir kommen. Er hat absolut damit gerechnet, dass Diablo und Baal zusammen mit Mephisto hier unten ungehindert ihr Höllenportal öffnen können.“

Der Meister ballt eine Faust.

„Wenn ich diesen Engel das nächste Mal treffe...so springt man nicht um mit uns, auch nicht, wenn man ein Himmlischer ist...schon gar nicht dann...du!“

Sein Finger schießt kurz vor Marius' Nase.

„Du verdammter Versager, wie ging es weiter? Wie bist du aus dem Grab entkommen, wie nach Lut Gholein zurück?“

„Tyrael...er half mir! Er warf mich von sich, und ich landete nahe des Eingangs...wie er das gemacht hat, weiß ich nicht, aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Seiner letzten Anweisung folgend, rannte ich. In der Mitte der Schlucht der Magier fand ich den Wegpunkt, mehr zufällig, aber ich erkannte ihn zum Glück. So gelangte ich nach Lut Gholein...“

„...wo du dich auf Meschifs Schiff eingeschlichen hast. Und die ganze Reise unter unseren Augen verbrachtest, ohne dass wir es wussten. Nur, um am Ende vor uns davonzurennen. Um womöglich allein durch den Dschungel zu laufen, an unzähligen Monstern vorbei?“

„J...ja...“

„Soso. Weißt du, was ich mich frage, Golem?“

Der Zweite gibt, wie ich spüre, absichtlich die falsche Antwort, an die der Meister aber offenbar noch nicht gedacht hat, was ihn noch mehr in Rage versetzt.

„Wenn Tyrael ihn nur vor Duriels Kammer abgesetzt hätte, wären wir auf ihn gestoßen und vielleicht gewarnt gewesen oder so? Abgesehen davon, dass wir uns eine ganze Menge Ärger mit Marius selbst hätten sparen können?“

„Nicht...nicht ganz, Golem. Die Frage ist doch, warum lebst du verdammter Bastard noch?“

Der Meister packt Marius an der Kehle, ich lasse ihn los, und er wirft den Menschen, der Schuld daran ist, dass der ganze Alptraum nicht schon in Tal Rashas Kammer zu Ende war, zu Boden.

„Was war dein Gedanke dahinter, vor den Leuten wegzulaufen, die die Sache in kompetente Hände hätten nehmen können, hm?“

Er tritt ihn in die Seite. Marius wimmert, stemmt sich auf die Knie und hebt flehend eine Hand. Die andere hat er unter sein fleckiges Hemd geschoben.

„Ich...ich hatte eine Mission von einem Erzengel...ich konnte nur mir selbst vertrauen! Was, wenn Ihr wie der andere Held gescheitert wärt...“

„Unfug!“

Der Meister tritt ihn auf den Rücken, zückt das Jade-Tan-Do und schlitzt das Hemd des kleineren Mannes auf. Seine zweite Hand wird sichtbar...die ein gelb leuchtendes Juwel umklammert, welches an einem Faden um seinen Hals hängt.

„Du bist der Versuchung erlegen...du konntest den Gedanken nicht ertragen, den Seelenstein aufzugeben.“

„Nein, ich...“

Wieder trifft ihn ein Tritt in die Flanke, der ihm die Luft aus den Lungen treibt. Etwas regt sich in mir.

„Erzähl mir hier keine Scheiße! Du bist ein selbstsüchtiger, schwacher Versager, ein Opportunist, der nur auf seinen eigenen Vorteil ist, so gering er auch sein mag...du ekelst mich an! Du symbolisierst Alles, was falsch ist an der Menschheit! Ich hasse dich!“

Wieder und wieder trifft sein Stiefel Marius, der es einfach über sich ergehen lässt, wohl wissend, dass er all das verdient hat...aber das nagende Gefühl in mir wird stärker und stärker, dass hier etwas ganz und gar falsch läuft. Es ist schwer, über meinen glühenden Zorn hinweg zu sehen, die diebische, sadistische Freude des Zweiten mit jedem erstickten Keucher des gequälten Menschen zur Seite zu schieben...aber gerade, als ich letztere mit Gewalt zu ignorieren versuche, überfällt mich schlagartig die Erkenntnis, was hier falsch ist...
Der Meister...hasst Marius...unser Zorn auf ihn ist immer weiter gewachsen...verdammt, er prügelt gerade einen wehrlosen Mann zu Tode! Der Zweite freut sich darüber...und das kommt mir nur ein leichtes Bisschen falsch vor?
Marius...ist Mephistos Falle für uns. Der einzige Grund, warum er so lange überlebt hat...ist, um den Meister hier zum Bösen zu bringen. Dieser...dieser Wahnsinn muss aufhören!
Da endet die Barrage an Tritten. Ja! Der Meister tritt zurück.

„Zieh ihn hoch, Golem.“

Ich tue wie geheißen, halte den schlaffen Körper. Marius ist noch bei Bewusstsein, aber nur gerade so.

„Ich könnte das stundenlang machen...ihn dafür bestrafen, dass er uns Alle ins Unglück gestürzt hat...aber irgendwie muss ich ja gutmachen, was er angerichtet hat, oder? Also, Marius...du größter Versager der Menschheit...du erhältst jetzt ein schnelles Ende, und kannst aus der Hölle dabei zusehen, wie wir deinen dicken Freund Diablo in eben jene zurück schicken!“

„Nein!“

Der Meister sieht mich schief an, ein Blick reinsten Erstaunens auf dem Gesicht.

„...was, Golem? Meinst du, er kommt in den Himmel, oder was?“

„General...du darfst ihn nicht töten!“

Er hält inne. Dann nickt er, schlau grinsend.

„Du hast Recht! Ich muss es vermeiden, so etwas zu tun...sonst laufe ich Gefahr, dem Bösen zu verfallen.“

Oh Himmel, Danke! Er hat er erkannt!

„Also entbinde ich uns beide der Verantwortung...Zweiter, mach mit ihm, was du willst!“

„Was?“

„Danke, Meister!“

Er packt Marius an den Ellenbogen, wirbelt ihn herum, und hält ihn direkt vor unser Metallgesicht.

„Das wird eines meiner befriedigendsten Werke...“

Langsam zieht er die Arme des Menschen auseinander, der nur noch inkohärentes Flehen äußern kann.

„General, nein, du verstehst nicht! Es ist böse, ihn überhaupt zu töten, wer es tut, macht keinen Unterschied! Mephisto beeinflusst dich, schürt deinen Hass auf Marius! Wir sollten ihn an Deckard übergeben...“

„Nein, Golem...dieser Mensch hat so viel Leid über die Welt gebracht. Er muss dafür zahlen. Und wir haben wirklich keine Zeit. Das hat Nichts mit Hass zu tun. Das ist Gerechtigkeit.“

„Spürst du es nicht? Der unglaubliche Zorn? Ich spüre ihn doch auch, er ist fast überwältigend, aber ich kann ihn gerade so unter Kontrolle halten...du hast dem Zweiten gerade erlaubt, ihn zu Tode zu foltern! Das ist nicht gerecht, das ist böse!“

„Wenn du unbedingt meinst...dann mach es eben schneller, Zweiter.“

„In Ordnung.“

Nein! Siehst du es denn nicht, die Falle, die Mephisto ausgelegt hat?

Dieser eine Mensch wird keinen Unterschied machen.

Er macht genau den Unterschied! Wenn der Meister sich jetzt offen für das komplett Böse entscheidet...

Alles nur Definitionssache. Aufhalten kannst du mich ohnehin nicht...ich kann den direkten Befehl nicht verhindern.

Ich...
Die Hände des Zweiten sind kurz davor, Marius zu zerreißen.
Mit aller Macht überfalle ich ihn, schlage ihn geistig nieder, reiße die Kontrolle an mich. Es ist mein Körper, verdammt! Der Befehl ist mir egal...er erging an dich, nicht an mich! Visionen des Meisters als Sklave des Bösen, als der alte Meister des Zweiten, sadistische Anweisungen gebend, stärken mich...und kurz, bevor die Schultergelenke des Mannes in meinen Armen ihre Sockel verlassen, halte ich an.

„Was ist denn jetzt?“

„Es ist falsch, General! Ich lasse das nicht zu!“

„Golem...muss ich dir den Befehl geben?“

Unglaubliche Traurigkeit erfüllt mich und fegt jedes Bisschen Hass weg. Der Zweite windet sich in mir...der unerfüllte Befehl versetzt ihn in Agonie. Aber ich bin mir meiner Sache absolut sicher...so sicher, wie nie zuvor, dass ich Recht habe. Das verleiht mir eine Willensstärke, von der ich nicht wusste, dass ich sie habe. Seine Angriffe prallen von mir ab wie von einer massiven Wand.

„General...dass du überhaupt darüber nachdenkst, sollte dir zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist mit dir. Mephisto hat dich fest im Griff, widersetze dich! Es muss dir gelingen, sonst haben wir verloren, bevor wir auch nur einen einzigen Blick auf ihn geworfen haben!“

„Ich werde diesen Kerl nicht einfach davonlaufen lassen nach dem, was er getan hat! Dreh ihn um!“

Hilflos muss ich Marius wieder den Meister ansehen lassen. Der kommt näher und hebt die freie Hand leicht...die andere hält das Jade-Tan-Do.

„Dieser Seelenstein...ich werde ihn an mich nehmen. Werde ihn dorthin bringen, wo er hingehört...unter den Hammer der Höllenschmiede. Und du kannst dort auf mich warten – als verlorene Seele!“

„Bitte...bitte nicht...hört auf Eueren Golem...“

„Mein Golem ist verwirrt im Moment – wage es nicht, ihn als Argument für dich zu bringen! Deine Zeit ist abgelaufen, schändlicher Verräter an der Menschheit!“

„Tötet ihn, Meister!“

„Halt still, Golem!“

Ich erstarre. Ein direkter Befehl...nein...

„Du verdammst uns, General!“

„Dieser Stein gehört nicht dir, Marius...“

Er streckt die Hand danach aus, gleichzeitig das Jade-Tan-Do auf den Hals des Zitternden richtend...aber seine Augen sind auf dem Juwel, das um diesen Hals hängt.
Sein Griff nähert sich...weiter...und ich kämpfe, kämpfe an gegen die Beherrschung, die ich so hasse.
Gewaltiger Schmerz überfällt mich, meine Muskeln fast wieder verkrampfend...aber ich schaffe es, meine Finger ganz leicht zu lockern. Marius fällt vor mir zu Boden wie ein nasser Sack. Knapp an meiner Stirn vorbei zischt der Dolch, und der Meister greift ins Leere.

„Du hast...“

„Mephistos Hass, General! Es ist nur der Hass!“

Er starrt mich an, und auf einmal verzerrt sich sein Gesicht zu einer Grimasse.

„So...und wo ist der Hass dann in dir? Ich glaube ja, dass du unter seinem Einfluss bist – warum sonst solltest du dich der Gerechtigkeit widersetzen?“

„Nein, ich...“

„Ja, genau, wo ist der Hass in dir? Ich spüre ständig welchen auf dich, das hat Nichts mit Mephisto zu tun...aber du, du versteckst ihn doch! Wo ist er? Wo?“

Als die beiden auf mich einbrüllen, sehe ich, wie Marius hastig zur Seite wegschlüpft, den Seelenstein wieder umklammert, und zum Wegpunkt kriecht. Zu sehr ist der Zweite von seinem Hass geblendet, um das zu bemerken...und da trifft es mich.

„Mephisto...er weiß nicht, dass zwei Seelen in diesem Körper wohnen...er hat sich auf dich fokussiert, weil du ein empfängliches Ziel bist, und ich konnte so entkommen, Zweiter!“

„Das ist doch...“

Der Meister blinzelt.

„Das ist...eigentlich nicht allzu unlogisch. Das hieße aber...nein, ich weiß doch, wie man damit umgeht...Moment, was ist mit Marius?“

Dieser ist nur noch einen Meter vom Wegpunkt entfernt. Der Meister dreht sich um zu ihm, von mir weg, und hebt das Jade-Tan-Do.

„Nein...das kannst du gleich vergessen...das wird dein letzter Akt der Feigheit!“

Ich sammle all meine Kraft. Das...kann ich...nicht zulassen...der Befehl umgürtet mich, verbrennt mich mit tausend Flammen, stößt tausend Dornen in mich...aber ich hole aus, balle meine Hand zur Faust...und ramme sie dem Meister in die Nieren, bevor er loslaufen kann. Ein überraschter Schrei entfährt ihm, als er zu Boden fällt.

„Was machst du denn da?“

Ich breche zusammen, das tue ich, vor Schmerz überwältigt. Marius dreht sich noch einmal um, sieht mich an...und als er etwas sagt, das ich nicht genau hören kann, an einen unbekannten Ort verschwindet, überfällt mich das Gefühl, dass ich gerade doch einen gewaltigen Fehler begangen habe...aber nur für einen winzigen Moment. Ich habe richtig gehandelt. Ich habe...den Meister vor Mephistos Fall gerettet...
Ich habe das Große Übel besiegt.
 
Ganz großes Kino, ich habe richtig mitgefiebert. Mit diesem Kapitel hast du die Story wirklich super wiedergegeben!
Ich bin überwältigt.

greetZ - Kicher
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genial



ich habe die bilder vor mir ablaufen sehen, de general mit der Maske aus reinem Hass


das sind gänsehautmomente---als horror romanschreiber wärest du sicher auch großartig XD
 
Herrlich, diese unerwartete Wendung.
Aber das nächste Kapitel wird viel interessanter...

Wie knapp wird der Golem denn dran vorbeikommen, in eine Konservenbüchse verwandelt zu werden?
Muss er ein weiteres Mal in den Untiefen seines Verstandes festsitzen, diesmal sogar auf Befehl seines besten Freundes?
Oder schafft er es, die wütende Fratze seines Herrn und Meisters zu besänftigen, auf dass sie sich kurz vor "Ende" nochmal zusammenreißen?

Was ist überhaupt mit Marius?
Wird er in seiner ängstlichen Art den Stein dem General vermachen? *Zaunpfahl Deckard*

All das und noch viel mehr, hoffentlich nächste Woche pünktlich, bevor die Fans es dem General gleichtun ;)
 
so ich bin auch mal wieder da und kann nur sagen: SUPER!

auch die kleine Story da hat mir gut gefallen:D

freu mich wieder auf mehr :>
 
hat mir auch sehr gut gefallen und ich bin endlich soweit, zum aktuellen geschehen zu posten :D da sich twin ja sehr an die geschichte hält, dürfte marius nur nochmal beläufig erwähnt werden, da er in der klapper besuch von baal bekommt und dessen seelenstein ja nicht zerstört wird ;)

grüße, zap
 
Feines Kapitelchen...
Ich freu mich schon auf den Kampf mit Mephisto!

Du gehst doch bei Maffer vorbei?
Der war das erste Viech, was meinen ersten Overlord umgebracht hat - mit dem hab ich seitdem ne Rechnung offen.
Ich weiß, das ist einige Laddern her, ich konnt damals nicht so gut spielen und Joreth war vollkommen verstattet und schlecht ausgerüstet, aber trotzdem...
(ich bin ja gar nicht nachtragend...)
 
Hallo,

ist insgesamt tatsächlich ein ganz nettes Kapitel geworden, insbesondere mit dem Konflikt General - Golem. Wirklich gespannt bin ich immer noch auf die Konfrontation mit Mephisto. Herr des Hasses, Ältester der Drei, Sprecher / Anführer des höllischen Trios (von der Video-Sequenz im Spiel her, die Bücher kenne ich nicht), unfassbar alt, unfassbar böse - und im Spiel verkommen zu einer Lachnummer Sondergleichen, wenn man denn halbwegs weiß, was man tut.
Zugegeben, zu Classic-Zeiten ohne jede Spielerfahrung sah das auch schon mal anders aus...

Andariel und Duriel jeweils als Schlachtfest zu inszenieren (bei Andy kam noch die psychologische Komponente hinzu) ist sinnvoll, gute alte Schwellenwächter-auf-der-Heldenfahrt-Tradition (gut, vielleicht auch keine Tradition, es passt zumindest). Mephisto hockt nun zwar an einer Schwelle, einer Pforte zur Hölle im buchstäblichen Sinne, doch ihn auch auf reines Hin-und-Zack-Weg zu reduzieren scheint reine Verschwendung.
Star Wars-Vergleich der X-te: In Mephisto habe ich wenigstens am Anfang ein wenig vom Imperator gesehen, frei nach dem Motto "Streck mich nieder mit all deinem Hass, und dein langer Weg zur dunklen Seite ist beendet". Gerade den spielinternen Spruch "Du kommst zu spät" kann man in diesen Kontext hineinlesen, wenn man es denn will, der Plan der Übel ist zu diesem Zeitpunkt auch durch den 'Tod' (ohne die Zerstörung des Seelensteins nur ein kurzfristiges Nickerchen) Mephistos nicht zu stoppen. Vielleicht hat Meph selbst schon den Körper des Helden als neuen Avatar ins Auge gefasst und prüft, ob dieser würdig genug dazu ist (sprich, ihn zerstören kann)...
Wie gesagt, dies war der Spieleindruck zu Classic-Zeiten, nach vierstelligen Runs in LoD hatte sich wenigstens bei mir dort unten die Stimmung drastisch reduziert.

Noch mal zum vorliegenden Kapitel: Die Golems finde ich hier recht gut gezeichnet, gerade der Erste, der hier zwar gerade das Barbarenland verdammt, dazu allerdings die Seele des Meisters rettet und dies vermutlich wirklich mit einer kurzfristigen Karriere als Dose oder metallischem Boxsack bezahlen darf. Die Freuden des Heldentums, sozusagen. Marius gefällt mir hier nicht, in meinen Augen war sein Verhalten reiner (und damit abstrakt gesehen unschuldiger) Wahnsinn statt Boshaftigkeit - der Unterschied zwischen Abscheu und Mitleid.

Wie gesagt, gegen den Herrn des Hasses wird es wirklich interessant.

Seleya
 
Freut mich, dass es euch insgesamt gefällt :).

@Seleya: Bezüglich Marius...ich selbst sehe ihn eigentlich auch nicht als böse, sondern viel eher als tragische Figur. Er ist offensichtlich ein rückgratsloser Schwächling, aber er hat einfach unglaubliches Pech, überhaupt in diese Situation zu kommen. Diablo nimmt ihn mit, weil er mehr oder weniger zufällig als Einziger überlebt in der Kneipe (oder er lässt ihn, warum auch immer, so wie bei mir), danach lastet mehr oder weniger die Verantwortung für das Schicksal der ganzen Welt MEHR ALS EINMAL auf seinen Schultern - und die sind dafür halt zu schwach. Er ist kein Held, aber wird von Tyrael in die Heldenrolle gepresst, natürlich kann er das nicht schaffen.

Dass er einfach nur abhauen will vor dem ganzen Irrsinn finde ich auch mehr als verständlich. Wobei er sogar noch einen Hauch Verantwortungsbewusstsein HAT - er will den Seelenstein nicht aufgeben, in womöglich falsche Hände...nur erkennt er nicht, dass er eigentlich manipuliert wird, weil seine Hände die falschesten sind, die es gibt. Vielleicht hat in Diablo ja wirklich nur mitgenommen, WEIL er so schwach und unfähig ist.

Alles, was der General und der Zweite ihm vorwerfen, ist von ihrem durch Mephi geschürten Hass geprägt. Tatsächlich kann Marius wirklich Nichts dafür, er HAT halt nicht die Willenskraft gehabt, sich Baal zu widersetzen, das hatte ja nicht mal Tal Rasha geschafft. Letztlich ist das Alles Tyraels Schuld, bei Licht betrachtet; der hat den schwachen Menschen bei Diablo komplett ignoriert, und ihm dann den unmöglichen Auftrag gegeben, Baals Seelenstein zu zerstören...und weil er sich dafür so viel Zeit gelassen hat, hat er sich jede Chance genommen, gegen Diablo und Baal in Tal Rashas Kammer zu gewinnen. Dass er im normalen D2 nicht einmal von Marius erzählt, obwohl das irgendwie schon wichtig wäre, erhöht seinen Arschlochfaktor nur noch.

Simon
 
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