Kapitel 13 – Des Glückes Schmied
Kurast ist still und leer, die Docks schlafen, nur eine einsame Wache steht auf der Brücke; gut so, denn die Ruhe trügt. Zu gerne scheint der Dschungel uns überraschen zu wollen.
Ich sinniere über meiner verschmolzenen linken Hand. Das war zum Beispiel eine. Sollte Metall wie das meine nicht besser standhalten? Es sei denn...nein, es gibt sogar zwei Möglichkeiten: Entweder, das eindeutig magisch erzeugte Feuer ist auch von der Stärke her anormal – oder Hratli hat uns bei meinem Material noch mehr übers Ohr gehauen, als ich dachte.
Ich muss meine Lasten ablegen, um einhändig die Truhe aufzubekommen: Schwierig, schwierig...das Gold landet darin, zusammen mit dem Behälter, dem Totemschädel...die Holzscheibe – und die Schwertklinge? Hm...da hätte ich eine Idee...soll ich es tun?
Ich sehe wieder den Rücken der Wache an, die Augen unter dem Eisenhelm sind unbeweglich in den Dschungel gerichtet. Ob es mir übel nimmt, wenn ich auf einmal hinter ihm auftauche? Oh, sicher...und wenn ich daran denke, wie er – oder der, der vor ihm Schicht hatte – es vermied, mich anzusehen...besser ist es, ihn nicht zu erschrecken, und damit ist meine Entscheidung gefallen. Ich schleiche zum Wegpunkt zurück – die Übung war gut, auf Stein ist es zwar schwerer, nicht zu klacken, aber es können keine Zweige unter meinen Sohlen zerbrechen – und intoniere sanft „Spinnenwald“ auf dem Wegpunkt, die Schwertklinge in der rechten Hand und den Schlüssel im Gürtel.
Keine Gegner auf dem Weg zurück; und, in der Tat, das Feuer brennt immer noch – sehr seltsam, aber ja genau das, was ich wollte. Doch ich sollte Nichts überstürzen.
Mit Gewalt und einem Stein versuche ich, die Finger meiner linken Hand auseinanderzubringen. Immer wieder schnellt er unter Klirren darauf herunter, aber sie sind unzertrennbar, wie Wachs verschmolzen. So tief kann die Zerstörung in den...elf und fünf Sechstel Sekunden, die ich die Hand im Feuer hatte, doch nicht gedrungen sein...immerhin „Spüre“ ich noch, wie ich mich bearbeite. Es ist nicht wirklich angenehm, aber weniger schlimm, als ich Verletzungen als Tongolem empfunden hatte. Also, kommt schon, Finger...trennt euch...
Plötzlich kracht es laut, und ich stoppe sofort meine Schläge auf den eigenen Handrücken. Was...warum spüre ich ihn nicht mehr?
Verwundert glotze ich auf ein Loch in meiner Hand: der Stein hat die Metalloberflüche durchschlagen, und darunter ist...Nichts. Ich bin hohl. Ein leeres Konstrukt.
Oh nein, damit fange ich gar nicht erst an. Was habe ich erwartet, einen Massivkern? Natürlich, und das aus einer einzigen Rüstung, die Naturgesetze betrügen kann nicht mal Magie. Also...das ist doch praktisch so...ich sehe in mich.
Meine einzelnen Finger lassen noch einen Röhrenansatz erkennen, aber dicht danach sind die Hohlräume durch ihre geschmolzene Hüllfläche durchbrochen, eingefallen und...Moment Mal.
Mein Daumen...der Ansatz an der Seite...er ist nur an der Spitze mit den anderen Fingern verschmolzen. Ich könnte ihn von ihnen trennen! Aber viel wichtiger...
Ganz kurz fühlt es sich enorm komisch an, als ich in mich greife, aber gleich ersetzt milder Schock das Gefühl. Ich kann meinen Zeigefinger in die Daumenröhre stecken, problemlos und so tief, bis das Gelenk – auch leer – ihn behindert. Derweil sind meine anderen Finger nicht viel schlanker als der Daumen – das Metall ist hier weniger als einen Millimeter dick! Kein Wunder, dass das so leicht geschmolzen ist! Und der Rest...zwei Finger prüfen die Dicke...ja. Ich bestehe nur aus einem Hauch Metall über Nichts – ein Blech geradezu! Da denk ich, ich wäre massiv, und...
Ruhig jetzt, da stimmt doch was nicht. Kurz vorher bin ich durch einen Dornendrescher gefallen, und ich habe nicht einmal Dellen. Mein Handrücken brach erst nach...genau sieben Schlägen. Ich bin robust. Nur warum?
Nun, was suche ich nach Logik bei einem wandelnden Metallhaufen! Doch halt – es gibt Sinn. Eine einzige Rüstung als Material für mein ganzes Ich – wie ich bereits feststellte, kein Zauber kann Stoff aus leerer Luft erzeugen. Es sind nur Energie- und Materialumwandlungen. Also wurde der Stahl dünn verteilt. Dennoch hält er – da kann ich den Grund nur vermuten, aber das wird wohl Teil der Magie sein, die mich überhaupt zusammenhält, meine Gelenke bewegt, meine Gedanken fließen lässt. Auch als Ton- oder Blutgolem hat mich ja irgendetwas zusammengehalten. Wobei...der Meister hat sicher nicht meine gesamte Masse an Blut verloren, und ich war massiv...vielleicht kann Magie ja doch...ach, egal, mein jetziges Material auf jeden Fall nicht.
Und darum ist Feuer so gefährlich, weil ich derart dünn bin und der physische Schutz der Magie gegen Feuer wirkungslos ist – ja! Und das heißt...dass das hier leicht werden sollte.
Ich halte das untere Schwertende ins Feuer und warte. Die Hitze kriecht die Klinge hinauf, und ich spüre die sekündliche Veränderung der Temperatur, aber ich glaube nicht, dass sie bald meinen Schmelzpunkt erreicht.
Nach einer ganzen Weile glüht das grifflose Ende, das im Feuer liegt, ein warmes Rot. Zur Sicherheit warte ich noch länger, dann ziehe ich sie heraus – jetzt schnell – mit einem beherzten Schlag lasse ich die glühende Klinge präzise auf meine linke Hand herabsausen...
Mein Daumen kommt frei. Ja! Und jetzt...
Ich ramme das breite, heiße Metallteil in das Loch meiner linken Hand.
„Aaah!“
Das...war...sehr...unangenehm. Aber...egal! Jetzt noch...ein wenig näher...
Die Flammen züngeln um die Verbindung. Ich beiße metaphorische Zähne zusammen. Nicht zu lange – Daumen weg! – und...aus.
Ich reiße die Hand wieder aus dem Feuer, warte kurz, und stecke die Klinge dann, nachdem ich überzeugt bin, dass sie nicht von selbst herausfallen wird, in den Boden, der zischt, weil er feucht ist. Mein rechter Fuß stellt ein Gegenlager für den Amboss meines Knies zur Verfügung, und methodisch hämmere ich mit der bloßen Faust auf die Klinge ein, die in mir steckt. Meine Substanz ist noch weich, und ich spüre regelrecht, wie sie sich mit dem weit härteren und dickeren Stahl der Klinge verbindet, sie umfließt, umarmt, willkommen heißt. Die verschmolzenen Finger krümmen sich unwillkürlich nach unten, als sie, neu angeschmolzen, von den Schlägen weggebogen werden, Platz freimachen für das Schwert, die Unterseite der Schneide nicht behindern wollend. Reicht es schon? Nein. Wieder erhitze ich die Stelle, wieder schlage ich, diesmal durch einen Baum gestützt – gerade wäre ich fast umgefallen – auf sie ein. Und Lücken zwischen den Legierungen schließen sich, bilden eine neue...
Ja!
Ich reiße die linke Hand hoch. Die grifflose Schwertklinge ist mit meinem Handrücken untrennbar verschweißt. Die vier verschmolzenen Finger formen darunter eine Kralle...nein, eine halb offene Faust, durch die ich immer noch etwas halten könnte, denn der Daumen ist etwas steif, aber relativ frei beweglich.
Damit suche ich eine Pfütze und verdampfe eine Menge Wasser. Und lasse mich danach auf den Boden fallen, der Schlamm ist mir völlig egal. Ich kann nicht ermüden? Ha, aber das hat mich jetzt erschöpft, da kann man sagen, was man will. Und es war...schmerzhaft fast...und doch befreiend. Warum?
Ich bewege meinen Daumen. Ich hebe den Arm waagrecht von mir weg und blicke die Klinge entlang, die krude, verschmolzene Verbindung von ihr und mir ignorierend. Ja, damit kann ich was anfangen. Ich habe aus zwei Missgeschicken etwas Gutes gemacht – und das bedeutet mein gutes Gefühl: Triumph!
Während meines Rückwegs – zu Fuß natürlich – kühlt die Hand langsam völlig aus. Die Dockwache staunt nicht schlecht, spart sich aber jeden Kommentar – hm, ist das jetzt gut oder schlecht? Da ist wieder dieser Gesichtsausdruck...das Abweisende, Ausweichend...und es gab derweil einen Wechsel. Na ja, wird Nichts sein.
Um mich ein wenig abzulenken, übe ich zunächst ohne Ziel, meinen Schwertarm zu benutzen. Ich habe zum Glück schon Erfahrung mit dieser Art von Waffe, aber nicht mit der Balance. Dass mein Handgelenk noch voll beweglich ist, ist ein Segen; so bin ich nur minimal eingeschränkter, als ich es mit dem Tonschwert war – vor Allem, weil ich dieses hier nicht einfach verschwinden lassen kann, dafür ist es länger, da es zu meiner Hand dazu kommt, und nicht aus der Hand entsteht. Stich, Schlag, die Rückhand braucht Arbeit! Bei Gelegenheit ein Trainingsgerät zulegen – hoffentlich habe ich nie Zeit dazu, denn heute sollte der Meister genesen! Während langsam die Sonne aufgeht, bemerke ich, wie sehr meine Waffe einer von Natalyas Klauen ähnelt. Ein wenig grober, natürlich...und ich werde sie nie abschnallen können. Ich ertappe mich dabei, wie ich versuche, ihre Bewegungen zu kopieren, wie ich sie im Gedächtnis habe.
Bin ich nun mehr Tötungsmaschine als zuvor? Eigentlich schon...aber es macht mir Nichts aus. Meine Erinnerung schweift zurück zu dem Moment, der mir die Inspiration gab, das hier zu versuchen: Mein interner Kampf gegen den Zweiten – ich mit Schwertern, er mit Krallen. Er der Aggressor, ich der Verteidiger. Diese Klinge kann auch blocken – genau so! Ha! – jedoch...ich denke an Natalya...mit zweien könnte ich das besser. Wie bei der Auseinandersetzung in mir auch. Seltsam, wie eine zweite Waffe dazuzufügen tatsächlich eine bessere Verteidigung bietet, der Angriff wird dadurch nur schwerer zu koordinieren, aber die Hände zum Schutz zu heben ist ein natürlicher Reflex, offenbar sogar von mir. Ich hebe die rechte Hand in die ersten Sonnenstrahlen und sehe sie an. Wenn ich grinsen könnte, würde ich es jetzt. Mit zwei Schwertern könnte ich es vergessen, jemals wieder Jemandem die Hand zu schütteln, ohne sie ihm abzutrennen. Dumme Idee, eine weitere Waffe schafft nie nur mehr Schutz, sondern immer auch mehr Schmerz.
Langsam steigt die Temperatur. Wann haben sich eigentlich die Wolken verzogen? Es muss an dem Wind liegen, der gerade weht. Ja! Ich spüre den Wind, den subtilen Druck auf meiner doch so dünnen und verletzlichen Metallhaut, wie das Schwert ihm Widerstand entgegensetzt...
Moment...
Staunend hebe ich die Klinge, durch deren Ruß- und Schlammflecken hindurch auch etwas Metall schimmert.
Ich spüre den Wind auf der Klinge.
Der Fluss ist tief unten, aber mein Arm ist ja lang. Verlängert. Das Wasser umspült das Schwert und reinigt es. Reinigt mich! Das Metall ist nun ein Teil von mir, wie meine Hand. Der Schmutz fließt in trägen Wirbeln von ihr weg.
„Golem!“
Oh. Ich war so in Gedanken versunken...ist es so spät? Ach nein, vielleicht fünf Minuten sind vergangen, seit die Schneide die Wasseroberfläche durchbrach. Noch steht die Sonne kaum über den Baumwipfeln.
„Meschif! So früh schon wach?“
Er antwortet nicht und stellt sich neben mich. Seine Wangen sind frisch rasiert, seine Haare noch nicht geschnitten, aber sie glänzen nicht, als die flachen Strahlen sie beleuchten. Die Augen darunter sind klar und schauen in die Ferne – in den Dschungel.
„Deine Stimme hat sich verändert, und nicht nur die.“
Ich nicke.
„Es hat sich Viel getan.“
„Gefällt mir.“
“Danke.“
„Keine Ursache.“
Wir schweigen wieder. Nach kurzer Weile seufzt Meschif, doch er setzt nur zu sprechen an und überlegt es sich dann anders. Wieder Stille. Dann fährt er sich durch die Haare.
„Wenn der Nebel dort aus dem Unterholz zieht und die feuchten Zweige im Sonnenlicht glitzern...dann ist es fast schön, oder?“
Ich sehe ihn an. Auch in seinen Augenwinkeln glitzert das Licht.
„Es ist schön, Meschif. Wenn Niemand wüsste, was dort unter den Bäumen schlummert, wenn Jemand, der keine Ahnung hat, diesen Blick genießen würde – er käme nicht umhin, diesen Anblick zu bewundern.“
Meschif hebt langsam die Hand, streckt wie flehend, verlangend, über den Fluss...dann lässt er sie fallen, geschlagen, aber nicht am Boden. Nicht mehr.
„Alle nennen Lut Gholein das Glorreiche Juwel. Jetzt sieh dir die Heimat an. Ist sie nicht auch eines?“
„Hat es den Dschungel gebraucht, um Kurast dazu zu machen?“
Schock durchzuckt ihn – und Ärger.
„Natürlich nicht! Kurast...es war immer schon die schönste Stadt der Welt. Diese Bäume? Sie sind eine Lüge. Ich sehe sie nicht. Ich sehe Kurasts Größe, wie es war – und wie es sein wird: Das wahre strahlende Juwel der Zwillingssee. Ohne die Großartigkeit der Stadt darunter wäre dieser Dschungel Nichts. So ist er...Alles...“
Seine Tränen fließen jetzt frei. Ich zögere kurz, dann lege ich ihm meinen harten Arm um die Schultern. Er zittert leicht – aber diesmal vor Wut, die er in seine feste Stimme legt.
„Du wirst dafür sorgen, dass Kurast wiederaufersteht, oder?“
Wieder nicke ich.
„Wie du letztes Mal sagtest, bevor du gegangen bist: Ich würde dir vielleicht für mehr danken als die Figur. Tue ich jetzt. Du hattest Recht. Wir müssen Alle tun, was wir können. Und wenn es dabei nur...“
Er schluckt und hält inne, wieder auf den Dschun...Kurast sehend.
„...um Erinnerungen geht.“
Scheint mir so, als hätte ich einen Verbündeten...ausgezeichnet.
„Es geht doch um die Zukunft, Meschif. Kurast wird wieder aufgebaut werden, sobald der Meister und ich losziehen können, um Diablo und seine Brüder zu stoppen.“
Schon hatte er sich zum Gehen gewendet, mir zu folgen bedeutend, aber jetzt dreht er sich noch einmal zu mir um, Kälte in den Augen.
„Die Zukunft, sie wird strahlend. Aber die Vergangenheit, sie ist es, die nicht mehr zurückkommt. Oder kann dein Meister Tote wieder lebendig machen?“
Oh...oh, warum habe ich das nicht gemerkt? Meschif hat nicht nur eine Heimat verloren – er hat auch Jeden verloren, der darin gelebt hat...Freunde...eine Frau? Kinder? Ich weiß es nicht, ich will es nicht wissen. Wie konnte ich das vergessen? Einfach vergessen? Hilflos flüstere ich ein „nein“, und erneut wendet der Schiffsführer mir den Rücken zu, mechanisch folge ich ihm. Bis zum Schluss unseres Gesprächs habe ich nicht einmal daran gedacht, ihn zu manipulieren. Ein Fehler? Die ganze Zeit habe ich übersehen, was ich hätte sehen sollen. Ich habe wohl doch zu wenig nachgedacht, sonst hätte ich verstanden, warum er so verzweifelt war.
Oder – oh böser Gedanke – habe ich zu viel nachgedacht? War nicht mein erstes Kommen auf sein Schiff bereits von meinem Plan motiviert, ihn als Verbündeten zu gewinnen? Und mein Frust danach – wie viel davon war der gerechte Zorn auf das Böse, wie viel davon mein Ärger, dass Meschif für mich nutzlos geworden war?
Ist das Gespräch gerade nicht nur deswegen gekippt, weil ich angefangen habe, ihn manipulieren zu wollen?
Nun, dafür habe ich ja mit Natalya geredet! Meine Motivation ist klar, dem Meister muss geholfen werden, und dafür muss ich Verbündete gewinnen. Das gerade war nur ein Fehler, aber der Versuch an sich war richtig, ich brauche nächstes Mal nur mehr Informationen. Ich war anfangs doch nur verwirrt, weil mir mein Ziel nicht klar vor Augen war – und mir noch nicht bewusst war, dass ich dafür über meinen Schatten springen muss, pragmatischer werden. Das wird es sein.
Bin ich froh, dass du endlich mal auf einen Schluss gekommen bist, und einen logischen noch dazu. Ich krieg hier ja Kopfschmerzen, weil du dir so viele unnötig dumme Gedanken machst.
Ich erschrecke nicht Mal. Ja, dass du hier mit Natalya übereinstimmst, wissen wir. Und ich bin wohl pragmatisch genug, dir dann Recht zu geben, wenn du es hast.
Ach, das ist nett. Aber du weißt schon, dass ich deine Zweifel Spüren kann, ja?
Ich...Unfug. Zweifel kann ich mir nicht leisten.
Obwohl sie ihre Preise gewaltig gesenkt haben...