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[Story] Saqqara

Ich denke, es ist Zufall, dass Reeba und ich in unseren aktuellen Geschichten zum fast gleichen Zeitpunkt Perspektivenwechsel einsetzen. Es war zumindestens nichts darüber abgesprochen.
Außerdem hat Venusia recht, die Kunst ist, sie richtig einzusetzen, also (meiner Meinung nach) zu wiederholen ohne sich zu wiederholen. Und der hier vorliegende ist durchaus gelungen.

Am neuen Teil gefällt mir der erste Abschnitt mit Hadan und Menrad wirklich gut, da Menrads Blickwinkel eine passende Grundstimmung aufbaut, in die dann Hadan eintreten kann. Der zweite Abschnitt mit Eya und Ifrah kann dieses Niveau nicht ganz halten, er ist zwar ebenfalls gut, aber nicht so gut wie der erste Abschnitt. Ich glaube, dass liegt an zwei Dingen: Erstens fehlt etwas die Verliesstimmung mit Dreck und Ratten, die im ersten Abschnitt da ist, zweitens kommt meine Lieblings-Erwachsene Ifrah vor, da habe ich immer höhere Erwartungen. :D
Besonders gespannt bin ich auf die Fortsetzung, insbesondere wie Menrad auf Eya und Ifrah reagieren wird. Also sofort weiterschreiben. :D
 
Ich schreibe mal keinen Kommentar, denn je weniger Reeba hier lesen und beantworten muß, desto schneller kann sie die Fortsetzung posten ...
 
HUHU!
Seid Ihr schon vollzählig, oder darf ich mich der erleuchteten Runde anschließen? Leider kann ich selber nicht auf schriftstellerische Erfahrungen verweisen, aber wenn dies als Aufnahmegrund genügt: Ich kann lesen...

Reeba, Deine Geschichte ist wunderbar! Die Story hat mich sofort gefesselt. Und ich habe natürlich ganz brav erst die Vorgeschichte gelesen. Das war vor *grübel* äh 5 Tagen. Ja, und nun bin ich auf dem Laufenden.
Dein Schreibstil ist einmalig. Die wunderschön formulierten Beschreibungen versetzten mich immer direkt an den Ort des Geschehens.
Die Helden sind so plastisch, so voller "Leben", dass ich sie mir bestens vorstellen kann.

Gestern hatte ich mir noch vorgenommen, einen Kritikpunkt anzubringen: Es wird langsam Zeit, dass sich die beiden Parteien begegnen.. hmm naja, was soll ich sagen. Nach dem letzten Kapitel hab ich gar nix mehr zu kritteln. Aber wenn mir mal was auffallen sollte, meld ich mich - versprochen!


:hy: Insidias
 
Hallo Reeba.

Wie immer super, nur etwas kurz. Da wo man schon voll drinnen wahr,
hörte die geschichte auf. Naja ich versuch
so oft wie möglich hier mal reinzuschauen hab zur Zeit
viel am Hals (prüfungs stress!*g),

(p.s hoffe auf nextes Kapitel)

Grüße Storm :flame:
 
Hallo,
da hier all so furchtbar positiv sind,
muß zumindest ich mal motzen :

Die zeitlichen Abstände zwischen den Updates sind unzumutbar lang !
Das läßt sich doch sicher ändern, oder ?
 
*g* da könntest du sogar recht haben aber hetz sie mal nicht noch mehr - da hat man ja schon fast ein schlechtes Gewissen... Außerdem ist der Druck keineswegs gut für die qualität ;)
 
@Systemerror: Schreib DU erstmal eine größere Geschichte, dann wirst du merken wieviel Zeit sowas brauchen kann! ;)
Das geht los das ganze, meist länger als geplante, Kapitel zu schreiben, zu korrigieren, dann muss es zum beta-Leser, dann muss es wieder korrigiert werden.
Gut, das alleine könnte drei Tage dauern, AAAAAAAAAAAAAABÄÄÄÄÄÄR.....

Leider sind wir ja auch nur Menschen und müssen zwischendurch schlafen, Essen, Geld verdienen oder Dinge tun, damit wir später Geld verdienen können (= Schule, Studium, Ausbildung, sich hochschlafen). Dann kommen noch die unberechenbaren Inspirationsaussetzer dazu, private Angelegenheiten, Eltern die wollen das man sein Zimmer abstaubt...

Insofern sind wir doch eigentlich um jede Minute dankbar, die Reeba das Update noch verzögern muss, denn erstens sagt uns das, dass sie viel arbeit reingesteckt hat und noch reinsteckt, was uns wiederum eine gute Qualität garantiert, und zweitens zeigt es uns, dass sie auch nur ein Mensch ist :D
 
Systemerror schrieb:
Die zeitlichen Abstände zwischen den Updates sind unzumutbar lang !
Das läßt sich doch sicher ändern, oder ?

'Unzumutbar'?
Ist dir klar, wieviel Arbeit in so einem Kapitel steckt?
Ich muss da wie Saturn sagen: wer so etwas selber noch nicht gemacht hat, denkt vielleicht, man setzt sich mal einen Nachmittag hin...
No sir.
Ich habe Studium, Job und Privatleben ;) WENN ich mal einen Tag Zeit habe, schaffe ich momentan nicht mehr als zwei, drei Seiten (und die Kapitel sind stets mindestens sechs Seiten lang). Dann noch Tippen, mögliche Korrektur, Betalesen durch zwei Leute (die beide berufstätig sind und das abends in ihrer Freizeit machen).....
Rechne dir das mal aus.
Zudem haut es einfach nicht immer hin.
Ich möchte mal behaupten, dass "Saqqara" sowohl inhaltlich als stilistisch relativ anspruchsvoll ist. Und daher braucht es auch Zeit.

Insofern: nein, dass lässt sich leider nicht ändern.
Ich würde euch gerne öfter ein neues Kap. bieten können, aber dann müsste ich das wirklich beruflich machen.


@Insidias: welcome aboard ;)
 
Gelesen habe ich es schon lange, schreiben tu ich erst jetzt etwas :angel:
Ich muss sagen, die ganze Atmossphäre ist wieder mehr als passend. Bin wieder mal richtig am Bildschirm geklebt. Konnte meine Augen nicht mehr abwenden, obwohl meine Blase gedrückt hat :D
Lass dir ruhig Zeit und lass dich nicht hetzen. Auch wenn ich selber noch nie wirklich aktiv etwas in der Grösse geschrieben habe kann ich mir durchaus denken, wie zeitintensiv es ist. Ist ja auch nicht deine einzige Story. Muss mir die in insacred auch mal zu gemüte führen. :D
Mach weiter so.

mfg holy
 
Sebalon schrieb:
:mod: Huhu,

ich habe das letzte Kapitel auch gelesen, schon länger. Es gefällt mir, wie
fast immer. :top:

Ich hoffe mal, dass diese Geschichte dann, wenn es denn mal in ferner, ferner
Zukünft :D einmal soweit ist, ein happy End haben wird.

Bei vielen Werken stelle ich leider fest, dass sie ein sehr trauriges Ende haben.
Schon die Vorgängergeschichte war ja davon "befallen" :cry: So macht es fast
keinen Spass, gut zu sein.... :no:

Es grüsst

Sebalon

ich hab ne happy-end-allergie :motz:
ne jk... hab (eigentlich) nichts gegen (gut erzählte) happy-ends, aber dann bitte auch wirklich realistisch und nicht all zu übertrieben
tausend grinsende, lachende gesichter und spielende kinder auf nem riesenfest, aus dem anlass eines siegreichen krieges, so was stößt mir übel auf... nur ein (gar nicht mal übertriebenes - siehe star wars neuverfilmung) beispiel
in dem falle wäre ein nachdenkliches oder weitere folgen versprechendes ende angebrachter
happy end gehört imo eher in die kategorie "stories, die von mehr oder weniger belanglosen themen ala 'tragische romanze' handeln"
zum beispiel Saqqara sieht mir eher nach einem nachdenklichen oder tragischen ende aus, aber das entscheidet ohnehin Reeba :rolleyes:
 
@ Sebalon

ich kenn deine argumentation bereits, wurden mir schon paar mal vorgehalten
in diesem fall steht eben argument gegen argument, keines von beiden sticht das andere aus
schlussendlich bleibt es persönlicher geschmack, wie so oft
wie gesagt, Reeba entscheidet, und sie wird wohl noch das passende ende zu ihrer eigenen geschichte finden können, oder? ;)
 
Hallo ihr;
zum Ende kann ich nur sagen, dass ich versuchen werde, alle in der Geschichte auftretenden Ereignisse darin so realistisch wie möglich einzubinden. Wenn wir miteinander am Ende eines Krieges stünden, wäre unsere Gefühlslage sicherlich auch mehr als gemischt. Vielleicht würde uns mitten im - berechtigten und tatsächlich menschlichen Feierdrang - ein ganz anderes Gefühl heimsuchen, und der Ein oder Andere würde sich zurückziehen müssen, weil er die Festivitäten plötzlich nicht ertragen kann.

Aber wie schon richtig gesagt wurde: bis zum Ende ist es noch weit :D
Und da endlich wieder etwas Zeit ist, setze ich mich schnell dran....

Bis bald, Reeba
 
Die Argumentation hat ja spätestens ab jetzt nichts mehr mit der Geschichte zu tun, daher würde ich euch bitten, eure persönlichen Differenzen per PM auszutragen und nicht hier.
Danke :)
 
XV. Der Kindgott





Im nahenden Abend spannte sich der Himmel leuchtend über Kurast.
Nur das veränderte Licht begleitete die Dämmerung, während der Schritt des Lebens sich kaum verlangsamte. Besucher drängten sich vor Tempeln und Tavernen, und teils schon entzündete Lampen zeigten an, dass viele auch zur Nachtzeit offen stehen würden.
Der Zug mit den Gefangenen wand sich aus dem Gebäude in die belebten Straßen, und wieder trieben die Wachen ihn mühelos durch die Menge.
Diesmal aber war man sichtlich um Eile bemüht. Die Gefangenen ahnten, dass ihre Weiterführung nach Travincal eine Ausnahme war und kein Aufsehen erregen sollte.
Eya fand sich ein weiteres Mal am Ende des Zuges. Zwei neben ihr gehende Männer hatten ihre Handfesseln durch Stricke im Griff.
Da aber der vor ihr Geführte schlecht vorankam, rückte sie bald an den zweitletzten Platz auf. Sie sah den Mann deutlich, nah, als man sie austauschte.
Er hatte in derselben Zelle gesessen wie Hadan. Blutunterlaufene Augen trafen ihre kurz. Ein Paladin. Seine Rüstung war beschädigt und seine geduckte Haltung, die seinen hohen Wuchs geringer machte, übervoll von Schmerz und Erschöpfung. Er taumelte ein ums andere Mal, was stets mit einem herrischen Zerren und Stoßen seitens der Wachen quittiert wurde.
Wer war er, und warum führte man ihn ebenfalls nach Travincal?
Sich fester um sie krallende Angst verhinderte gesammeltes Nachdenken. Zwischen innerer Auflehnung und Sorge ließ sie sich vorwärtstreiben, das Gesicht ein so beredter Spiegel ihres Unglücks, dass vielleicht auch deshalb die Augen der Passanten den ihren rasch auswichen, wen sie ihnen zufällig begegneten. Eya war es nicht gewohnt, sich gegen Aufmerksamkeit hart zu machen, und diese seltsame Weichheit neben ihrer kämpferischen Schulung führte dazu, dass sie Scham empfand.
Scham, durch die Strassen dieser unverändert herrlichen Stadt geführt zu werden, als habe sie geplant, den Menschen hier Leid zuzufügen.
Ihre Wangen brannten, und an jedem Schritt hing der Wunsch, unsichtbar zu werden.
Sie sah nach den Anderen. Hadans Rücken verriet Anspannung und dass er vorgab, durch alles hindurchzusehen. War er, anders als sie, schon einmal in Gefangenschaft gewesen, damals, in den langen Jahren seines einsamen Weges? Sie dachte an die Kriege, von denen er ihr erzählt hatte.
Ifrahs mühsam beherrschte Bewegung sprach Bände. Ihr war es gleich, was die Vorübergehenden dachten, ihre Sorge galt nicht ihr selbst, sondern Maysan. Dass ihre wehrlose Tochter in den Armen eines Widersachers lag, der sie dahintrug wie ein liebender Mensch sein schlafendes Kind , musste ihr vorkommen wie ein schlechter Traum.
Eyas Schultern strafften sich. Sich wieder auf die Anderen zu konzentrieren, schärfte ihre Sinne, rettete sie ein wenig – wie immer. Wir haben nichts Unrechtes getan.
Die Häuser ringsum wichen immer mehr den mächtigen Tempeln des Oberen Kurast, die sie flüchtig kannte. Travincal nahte. Musik kam aus vielen der hoch auf Sockel thronenden Bauten, das Klirren von Schellen, an- und abschwellender Gesang. Eine ungeheure Größe umstand sie, die wie alle Menschen klein und vergänglich zwischen den Steinmassen tappte. Selbst durch Angst und Fremdheit drang das Uralte, das wieder Erwachte eines Heiligtums.






Als zwischen den letzten Tempeln die Treppen zum Damm auftauchten, blieben die Menschenmassen allmählich zurück.
Der Damm verband das Obere Kurast mit dem von Wasser umgebenen Travincal, das sich wie eine Insel aus der Stadt erhob.
Auf den breiten, flachen Stufen hielt der Zug kurz an, weil erste Wachen passiert werden mussten, und Hadan wandte den Kopf und sandte einen einzigen, langen Blick umher.
Noch vor einem Jahr war Travincal das östliche Ende der menschlichen Bebauung gewesen, ein Herz, das außerhalb des Körpers lag. Jetzt war es die Mitte der Stadt. Sie erstreckte sich weit ringsum, hatte den Wald verdrängt und umspannte den erhöhten Bezirk, andachtsvoll, wie eine kniende Menge Betender. Hier, auf den Stufen, offenbarte sich der Wandel am deutlichsten.
Sein nüchterner Blick verließ den Nekromanten auch jetzt nicht, aber er war froh, dass niemand in diesem Augenblick sein Gesicht sah, und was hinter der Maske vorging.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.
Gerade und schlicht führte der lange, fast zehn Schritte breite Damm auf die Hohe Stadt zu. Hier hatten sie sich damals bemühen müssen, sich den Weg freizukämpfen, nicht hinunterzustürzen in die Wassergräben und Becken.
Die zwei Damm-Tempel der Bairha zogen heran, bescheiden noch, passend zu den ausgeglichenen Göttern Sathrî und Bisra.
Wachen umstanden das Ende des Dammes und das freistehende Tor zur Hohen Stadt, aber Hadan nahm sie und das neuerliche Anhalten des Zuges nur noch schwach wahr. Er vermochte den Blick nicht von dem weiten Areal abzuwenden, das hinter dem Tor schon sichtbar wurde, und etwas fasste nach ihm und presste ihm das Herz zusammen.
Beinahe bedingungslose Verehrung, wie sie ihn an die ganze Stadt band. Ein Gemenge aus Bildern, Wiedererkanntem, das an ihm rüttelte, heftiger noch durch die halb begriffenen Wandlungen und die Einsicht seines Irrtums. Über all dem aber, über den Dächern hängend und aus dem Areal herausschwappend – die Drohung. Das hinter allem Wartende. Die neue Macht.
Macht, derart gleichmäßig und durchdringend atmend, überall in der Atmosphäre, im Stein, im herrlichen Licht der sinkenden Sonne, dass dies erklären mochte, wie die Menschen und Tempel so ruhig dastehen konnten.
So heilig, so sicher.
Travincal. Was geht hier vor, bei Pakhra.
Hinter dem Tor öffnete sich die Hohe Stadt.
Weite aus Plätzen und Treppen, und darum stehend die größten Tempel der Stadt, dicht an dicht, und niemand wusste mehr ganz genau, wer das Uralte begonnen hatte und wie den Erbauern ein Bezirk gelungen war, der stumm machte vor Staunen und Bestürzung.
Den Anderen, die diese Plätze vor der dunklen Zeit nicht gekannt hatten und das erste Mal ohne hastende Feinde sahen, musste der Atem stocken.
Man führte sie mitten über das weite Areal.
Mit jedem Schritt wurde die Ahnung mehr zur Gewissheit. Wer oder was auch immer jetzt hier die Fäden in der Hand hielt, erwartete sie.
Du weißt, dass wir kommen. Die Schatten fremder innerer Sicht schlichen sich in Hadans Geist.
Um die Seelenlichter seiner Gefährten legte sich alte, tiefe Furcht. Unerschütterlich hielt der Zug auf den größten Tempel zu, den ältesten, den zentralen. Den ehemaligen Kerker des Hasses. Er fühlte ihren und den eigenen Widerwillen.
Ursprünglich und auch jetzt wieder war er der Tempel Antavaas, des Gottes der Herrschenden, und seine Stellung über allen anderen Tempeln spiegelte die Seele der Stadt wieder. In der Verehrung Antavaas war Kurast ganz es selbst – Stolz. Bekenntnis zur Kastenhörigkeit. Uralter, absoluter Machtanspruch.
Vor dem Tempel ragte ein Standbild auf.
Die Gefährten sahen es erst jetzt, denn auf den riesigen Trittsteinen zwischen den Wasserbecken suchten sie die Schrecken der Geister des hier überwundenen Rates heim – oder die Erinnerung an ein einsames Dahinsteigen über fratzenhafte Leichen, in dem eiligen Versuch, eine kleine Menschengruppe einzuholen.
Das Standbild warf einen Schatten über sie, während sie, mehr gezerrt denn aus freien Stücken, schon den Tempel betraten. Es zeigte einen Menschen, so schien es. Eine doppelt mannshohe Gestalt stand schlank, den Oberkörper nackt und schimmernd, aus schwarzem Stein. Während man ihn vorbeidrängte, sah Hadan in der Rechten der Statue ein altes Küsterszepter. Um ihn herum flüsterten die Bewaffneten Unverständliches. Das merkwürdig alterslose Steingesicht unter einem hohen, kronenartigen Kopfschmuck verschwand aus seinem Blickfeld.
Sie waren im Tempel.
Hier führten Stufen hinunter in weite unterirdische Geschosse, doch dort hinab ging es diesmal nicht. Der Tempel war erweitert worden. Die einstige Rückwand bot jetzt durch eine mächtige Öffnung Einblick in große Räume, die der Fläche unter sich nun wohl entsprachen.
Hinter dem Durchgang erwartete den Zug eine Garde in Bronze und Rot, flankiert von zwei Küstern.
Man stellte die vier erwachsenen Gefangenen in einer Reihe auf. Von ferner kamen Musik und andere Klänge, und in der kühleren Atmosphäre lagerten Reichtum und die Vorausahnung einer Offenbarung so aufdringlich, dass sie kaum atmen konnten.
Ein Küster hob die Arme über das sich zornig verfinsternde Gesicht.
„Ihr steht im Heiligsten der Hohen Stadt.“ Fremden gegenüber hatte man sich – wie an allen Orten höherer Bedeutung – bislang stets des Sandhaîn bedient, der gemeinsamen Sprache, die Jeder mehr oder minder beherrschte. Der Küster aber sprach kurastisches Jabrah. Hadan bemerkte einen huschenden Seitenblick Ifrahs.
„Nieder!“ fuhr die Stimme des Küsters dazwischen.
Man stieß sie auf die Knie, auch den Paladin, der beinahe hinfiel. Hadan knirschte mit den Zähnen. Aufspringen, zuschlagen, in einem Toben entfesselter Macht das bewusstlose Kind an sich reißen, mit den Gefährten fliehen durch einen Regen aus Blut... Es war eine nahe, sehr verlockende Möglichkeit. Maysan konnte leicht dabei sterben, ebenso der verwundete Paladin, und ihr wahrer Widersacher würde verborgen bleiben.
Mühsam überwand er die brüllende, purpurne Wut hinter seinen Augen.
„Ihr kniet nur zu Recht, denn er ist nahe“, intonierte der Küster. Nichts an seinem Gehabe wirkte im Mindesten gezwungen.
Du bist der Vertreter eines älteren Kultes. Hadan forschte im Gesicht des Mannes. Und das ist nicht möglich. Es liegt nur ein Jahr zwischen unserem Gestern und unserer Gegenwart. Unter Menschen bildet sich in so kurzer Zeit keine neue Sekte. Nicht in diesem Ausmaß.
„Hohe Stadt und deine Sehenden darin“ – der Mann hob die Arme diesmal in Richtung des Areals – „Suchende“ – eine Hand nahm die knienden Menschen ein – „Heiligster, Verkünder des alten und des neuen Heils, empfange uns“, und er wandte sich den Gemächern zu.
Dann ging er den auf die Füße Gezerrten und dem Zug voran.
Im neuen Tempelbereich war es nicht schwarz und düster wie in den unterirdischen Regionen.
Kostbarer Zierrat und Standbilder schmückten die weiten Räume, auch bisweilen Kissen und Lager, so dass sie wie Gemächer wirkten. Priester gingen umher. Im mattgoldenen Licht, das durch Deckenöffnungen fiel, stand duftender Rauch.
Sie gingen hindurch.
Hadan spähte aus den Augenwinkeln umher, und fast konnte er sich selber sehen dabei, bleich, misstrauisch, die Härte und das oft bewusst eingesetzte Abschreckende seines Äußeren, das jedoch hier, jetzt, nicht ganz über seine tiefempfundene Angst hinwegtäuschen konnte. Die Anderen schritten stumm, gebannt von Furcht Opfertieren fast ähnlicher als Kämpfern. Der umgebende Reichtum schüchterte sie ein.
Der Nekromant unterdrückte ein Gefühl schwerer Schuld und konzentrierte sich stattdessen auf die Macht, die umherstand wie ein Atem, wie ein selbstgefälliger Strom, in dem er bis zur Brust voranwatete.
Er wurde dichter.
Der Gesang ringsum verstummte, wurde zu Gemurmel, er wusste es nicht. Der Schritt des vorangehenden Küsters verlangsamte sich zu einem Schreiten, Schellen erklangen, erzene kleine Glocken, wie es in den Tempeln zum Gebet an einen Gott üblich war. Aber dies hier war nicht für Antavaa. Nicht für einen Gott.
Schwach erreichte ihn noch einmal der Widerschein Eyas. Doch sie war hinter ihm in dem leisen, ungeheuer leisen Zug.
Dann endete ein großer Raum vor einem Durchgang. Eine Stellwand schirmte den dahinterliegenden Bereich ab, dergestalt, dass man um sie herumgehen musste. Monotones Rufen kündigte den Zug an. Man teilte sie auf.
Hadan und der Paladin wurden rechts herum geführt, die Frauen und Maysan links herum.
Sie hielten den Atem an.
Die Größe des Raumes war beträchtlich. Hier herrschte nicht länger goldenes, sondern schwach silbriges Licht. An der Kopfseite erhob sich ein flaches, großes Podest.
Darauf stand ein niedriger und breiter steinerner Thron. Purpurner Stoff verkleidete die rückwärtige Wand, goldgemustert. Zu beiden Seiten des Throns standen oder saßen Küster.
Und in der Mitte, auf dem Thron selbst, vor den Stoffbahnen, die die Wand hinaufstürzten wie riesige Flügel, saß der neue Herrscher Kurasts.
Beinahe ohne Widerstand ließen sie sich erneut in die Knie zwingen.
Starrten stumm, ohne einen fassbaren Gedanken. Aus Ifrahs Richtung kam ein merkwürdiger Laut, vielleicht ein Schluchzen, es konnte aber auch ein entsetztes Auflachen sein. Hadan hörte den Paladin keuchend einatmen, dann heiser flüstern.
„Das ist doch nicht möglich!“
Auf dem Thron saß ein Kind.





Nein, sie irrten sich nicht, begriff die Magierin. Sie kniete ganz links in der Reihe der Gefährten, und ihr langes schwarzes Haar floss auf den Boden. Neben ihr kniete Eya, dann kam der fremde Verwundete, dann der Nekromant. Sie irrten nicht.
Alle Macht lief hier zusammen. Es gab kein verborgenes Wesen hinter dem Thron oder nebenan, keine gepanzerte Gestalt, die hereinkommen würde, Quelle dieses gleichmäßigen, dunklen Atems.
Die Macht saß auf dem Thron und sah sie an, und sie schaute zurück.
Es war das schönste Kind, das sie je gesehen hatte.
Ob männlich oder weiblich, wusste sie nicht sofort zu sagen. Der bronzefarbene Oberkörper lehnte nackt an der Steinlehne des Throns, nur die Schultern verbarg eine zierliche Halbrüstung, den Unterleib ein Schurz aus Seide. Auf dem Kopf ruhte mit rätselhaftem Halt eine seltsame hohe Krone. Das Standbild vor dem Tempel.
Das Gesicht, das Ifrahs Schauen – und das jedes anderen – für eine Weile vollkommen beherrschte, vereinigte in sich die Schönheit von Mann und Frau in jenem Stadium, da sich die Züge noch nicht entschieden haben. Dunkelhäutig war es, aber von einer vergeistigten inneren Blässe, alt und jung zugleich.
Du siehst das Böse. Alles trat hinter die sitzende, ruhige, königliche Gestalt zurück, und ihre Empfindung schien der Magierin irrsinnig, aber sie wusste, dass sie sich nicht täuschte.
„Ihr seht das Höchste unserer Heiligen Stadt.“ Die Stimme eines der Männer zu Seiten des Throns kam gleichzeitig mit dem Ton eines Kesselgongs.
Bewaffnete drückten den Knienden das Haupt tiefer, aber so, dass sie noch auf den Thron schauen konnten.
Große dunkle Augen hielten Ifrah fest. Unter der Oberfläche des beherrschten Antlitzes und der unkindlichen Gelassenheit des Leibes, der in all der Pracht wie ein schmuckes kleines Gefäß wirkte, saß ein Wille wie ein schwarzes Strahlen. Sie sah bloß ein Kind, einen Knaben von vielleicht zehn Jahren, aber selten hatte sie einem Wesen gegenübergestanden, das so absolut und verstörend das Bewusstsein seiner eigenen Macht verkörperte.
„Bhavesh, Herr der Welten“, stimmte der Sprecher eine Huldigung an „kommende Ewigkeit in Gesetz und Leben, auch von den Suchenden wird dir zuletzt Lob zuteil werden.“ Das Kind saß still im Regen der Worte. „Er ist gekommen, der Kindgott, König des Diesseits, der lang Erwartete – Narshra-Asni-La: Inkarnation von Narshra-„
„Das ist Lästerung“, unterbrach eine andere Stimme die Lobpreisung.
Ifrah zuckte. Der Bann der Worte fiel kurz von ihr ab. Erst als zwei Bewaffnete unter dem wütenden Wink eines Küsters Hadan mit dem Ende eines Lanzenstocks einen Schlag versetzten, der laut widerhallte, begriff sie, dass der Nekromant gesprochen hatte.
In den Sekunden der Verwirrung sah sie rasch nach links. Eben setzte der Bewaffnete, der sie hütete, Maysan ab. Der Kopf ihrer Tochter schwang hin und her, und unter den Haaren kam ein leises Seufzen hervor. Sie wachte auf. Indes war sie offenbar so benommen, dass sie kauerte, halb lag – ein kleiner Haufen Mensch auf dem herrlichen Marmorboden. Mein kleines Mädchen.
Zischend stieß ein Bewacher der Magierin den Kopf wieder in die richtige Richtung.
Was passiert hier? Ihre Gedanken rasten, schmerzlich umkleidet von der Sorge um ihre Vertrauten. Hier war sie beinahe außerhalb ihres Wissens über die Welt des Ostens.
Narshra, der Gott des Diesseits. Seine Inkarnation? Die Bedeutung einer solchen Verkündung war immens. Gruppen und Kasten verstanden sich halb als die Wirklichkeit gewordene Essenz bestimmter Gottheiten – aber die Gestaltwerdung in einer einzelnen Person war etwas, von dem sie noch nie gehört hatte.
Um den Thron hing ärgerliche Unruhe. Ifrah spürte Schweißtropfen ihren Rücken hinabrinnen.
Die Augen des Kindes, die während des Vorfalls auf dem Nekromanten geruht hatten, begannen wieder zu wandern. Sie fühlte Panik in sich aufsteigen, als der dunkle Blick sich ihr zufällig näherte.
Diese Augen veränderten sich, obwohl man es nicht sah. Hier beschauten sie Fremde mit der Arglosigkeit eines Kindes, das nicht wertet, das nur neugierig ist auf eine nie gesehene Sensation. Dann wieder schmolz das Kindliche an dieser Gestalt weg von ihr, und sie hätte, so schmalbrüstig und zierlich sie war, ein Heerführer sein können, ein uralter, wiedergeborener Fürst, klein unter großen, ungeschlachten Leibern und schön, dass nur noch ein Kniefall blieb und es kein Gut noch Böse mehr gab, sondern nur noch ein für dich als das reine Leben, oder ein gegen dich als unweigerliche Verdammnis aus Lebendigkeit und Fülle.
Das Kind, als der Sprecher fertig war, hob die Hand.
Auf allen Gesichtern außer fünfen malte sich sklavische Ehrfurcht.
Dann sprach der Kindgott von Kurast.






Menrad erschauerte, als sich die Gestalt auf dem Thron rührte.
Unbewegt hatte sie während ihrer Huldigung dagesessen, reglos und doch sehr lebendig, mit unerschütterlicher Geduld und Wachsamkeit. Wie ein Reptil.
Jetzt schloss die Geste den Lobesschwall des Küsters ab, gelangweilt und majestätisch, und Menrad wusste, was folgen würde. Ein Verhör. Eine Verurteilung. Irgendetwas, das erklärte, warum er und die drei Mitgefangenen hier im höchsten Tempel zu Kurast auf dem Boden knieten und, da sie noch lebten, warum es mehr sein würde als eine Ausrufung zur Hinrichtung.
’Ihr wisst etwas’, hatte der Nekromant gesagt, ’etwas, das sie interessiert, sonst wäret Ihr nicht mehr hier. Bei uns sind sie offenbar derselben Meinung.’
Sein Kopf wurde langsam wieder frei. Widerstrebend hatte er sich eingestehen müssen, dass der Nekromant Recht hatte - die Wärter hatten ihm vergiftetes Wasser gegeben. Den Triumph, einen Paladin lallend und halb von Sinnen in einem ihrer Tempel zu sehen, würde er den Herrschern dieser Stadt jedoch nicht gestatten.
Er bohrte den Blick in die Gruppe auf dem Thronsockel. Jetzt, da er wieder Gebieter über seine Gedanken war, mischte sich Trauer in die Wut, die in ihm aufstieg. Was hiervon hatte Cedric geahnt oder gewusst? Nichts vermutlich. Es hätte ihn über die Maßen entsetzt, genug entsetzt für eine Mitteilung an mich.
In diesem Augenblick sprach das Kind auf dem Thron.
„Warum seid ihr gekommen, um mich zu töten?“
Die Gefangenen bewegten sich unruhig, und Menrad registrierte aus dem Augenwinkel, dass die Anderen sich um ein Haar angesehen hätten. Haben der Nekromant und diese Frauen vorgehabt, Travincal zu stürmen und dieses Kind umzubringen? Zu Dreien, mit einem kleinen Mädchen im Schlepptau?
Doch noch während er irritiert da kniete, erreichte ihn eine Ahnung. Wie die drei Menschen neben ihm. Er spürte es an der begreifenden Starre ihrer Haltung.
Und der Paladin verstand.
„Ich weiß, dass ihr es wollt“, nahm die Kinderstimme seine Gedanken auf, als habe er sie herausgeschrieen. „Auch wenn ihr es selbst noch nicht wisst. Ihr werdet meinen Tod wollen.“ Der schmale Leib reckte sich, das Gesicht zeigte in seiner Gelassenheit einen Hauch Belustigung. Ich bin unüberwindbar, sagte es. Wie lachhaft ist euer Ansinnen, oder auch wie bedauerlich Leben verschwendend.
Menrad sah, dass sich der Nekromant aufrichtete, soweit das auf Knien möglich war.
„Ist das der... Grund für unsere Festsetzung?“
Einer der Küster sprang zornentbrannt vorwärts, doch ein Wink des Kindgottes hieß ihn innehalten. Ein anderer Mann mit scharfen, intelligenten Zügen trat ohne sichtbare Aufforderung neben den Thorn. Es schien, dass ihr junges Gegenüber nicht mehr sprechen wollte – oder Solches üblicherweise anderen überließ. Dennoch beherrschte nur eine Gestalt den Raum, und Menrad musste sich zwingen, den Blick von dem schönen Antlitz loszureißen.
„Es ist nicht euer Recht, Fragen zu stellen. Allein dass die Hohe Stadt keinen Feind zu fürchten braucht, mag euch Dinge eröffnen. Doch das ist ebenso wenig von Bedeutung wie euer Dasein.“
Angst stieg an Menrad hoch. Nicht die Furcht vor dem Tod oder weiterem Leid, sondern nackte Angst vor ungeheuerlichen Offenbarungen. Du hast bei der letzten Weihe die Kräfte des Lichts gespürt. Was, wenn es doch andere gäbe?
„Ein Jahr“, fuhr der Sprecher fort „liegt seit der Niederwerfung der Abgesandten der Schwarzen Welt zurück. Ein Jahr ist seit der Überwindung der Herren des Schreckens, die Brüder sind, vergangen.“ Als habe ein eigenständiger Teil von ihm das Begreifen übernommen, behinderte die fremde und umständliche Sprache Menrad plötzlich nicht mehr. „Ein Jahr liegen die Lande ohne die alte Ordnung des Roten Steins, der zerstört wurde. Die neue Zeit ist gekommen. Auch wenn die Welt noch kaum von diesem Wandel weiß.“
Die Augen des Kindgottes wanderten über die drei Anderen. Menrad schien kurz vergessen.
„Ausflüchte sind ganz unnötig.“ Der Küster stand wie eine Statue. Der Raum war eine Prunkstätte der Reglosigkeit in einer Stunde unermesslicher Bedeutung. „Dem Höchsten und Travincal ist lange bekannt, was auf dem Gipfel der Welt geschah.“ Eine Geste umfasste den Nekromanten und die Frauen. „Die Überwinder der Alten Übel sind nun hier.“
Menrads Kopf ruckte herum.
Die Fremden, zwischen denen er kauerte, waren die Mitglieder der kleinen, später gänzlich verschollenen und halb in Vergessenheit geratenen Gruppe, die sich aus den Wirren der bedrängten Städte und Länder abgesetzt und an die Fersen der Dämonen geheftet hatte. Damals, vor einem Jahr, in einer in ihren Grundfesten erschütterten und heimgesuchten Welt. Er war erstarrt, ohne es zu merken. Irrsinn nahm er wahr zwischen diesen Mauern, aber keine Lüge. Konnte das wahr sein? Aber warum sollten die Herrscher dieser Stadt eine Posse spielen, und für wen?
Die Stimme neben Menrad vertrieb letzte Zweifel.
Es war eine der Frauen, die zu sprechen wagte. „Ihr habt uns die ganze Zeit beobachtet, und mit Hilfe unlauterer Handlanger.“ Es klang bitter, doch auch überrascht vom eigenen Wagemut. „Was rechtfertigt solche Mittel –„ Unter den Augen des Kindgottes brach sie ab.
„Mittel?“ Der Küster gab seiner Stimme einen fast nachdenklichen Tonfall. „Mittel sollten deine Sorge nicht mehr sein, Assassine. Auch die neue Welt, das Zeitalter, dessen erster Atem um euch ist, soll euch nicht mehr kümmern.
Ihr seid von Interesse, aber keine Gefahr, und ohne die günstige Fügung eures freiwilligen, zufälligen Kommens hätte sich das Auge Travincals vielleicht nicht einmal weiter suchend auf euch gerichtet. Ihr seid so Wenige.“
Obwohl er seine Mitgefangenen nicht kannte, streifte etwas von der gelassenen, beinahe bedauernden Vernichtungskraft dieser Worte den Paladin.
Ihr seid so Wenige.
Wie es traf, hörte er am Stocken des benachbarten Atems.
„Warum sind wir dann hier?“ wagte sich leise eine andere Frauenstimme vor.
„Meinetwegen.“ Der Kindgott nahm sie alle in das milde und mitleidlose Dunkel seines Blicks. „Ich war neugierig.“ Er ignorierte, dass die Menschen um ihn sich verbeugten, als sei jede Gefühlsäußerung eine kostbare Gabe seiner Gunst. „Ihr wart beim Roten Stein, als er endete. Das ist nicht unwichtig.“
Sacht schaltete sich der Küster wieder ein. „Dies ist das einzige Wissen in euch, woran dem Gefüge der neuen Welt gelegen ist.“ Er lächelte. „Wir müssen den Gefangenen sicherlich nicht von ihrer Lage sprechen. Ein Kind ist bei euch. Ihr versteht die Drohung und werdet euch daher mühelos erinnern, welche Geheimnisse über das Wesen des Steins der Abgesandte, der ihn zerstörte, euch verriet.“
Eine Weile lang herrschte tiefe Stille. Unwillkürlich sah Menrad aus dem Augenwinkel den Nekromanten an. Aber auch in dessen hagerem Gesicht stand nichts außer Verwirrung und Unverständnis geschrieben. „Es gab keine Geheimnisse“, antwortete er dann langsam. „Das Mysterium der Funktion des Weltensteins als Grundpfeiler ist den Weisen vertraut. Über seine... Natur erfuhren wir nichts, was darüber hinausgeht.“
„Pflegen Jünger des Pakhra neuerdings Worte der Lüge im Mund zu füh-„
„Es ist gut, Pravar.“
Der Kindgott fixierte den Nekromanten.„Sie sagen die Wahrheit.“
Es klang nur unwesentlich enttäuscht, als bestätige sich eine Vermutung.
Der Küster, der deutlich unzufriedener wirkte, beugte sich zu seinem kindlichen Herrn und wechselte einige unhörbare Worte mit ihm. Sonst rührte sich niemand, auch die Wachen hinter den Gefangenen verrieten sich nur durch den Schweißdunst ihrer Körper, der seltsam mit den Wohlgerüchen des Tempels kontrastierte.
Menrad rann selber Schweiß den Hals hinab.
Die Benommenheit der letzten Tage war fast verflogen, und umso drückender kam die Ahnung, wie diese absurde Szene fortlaufen musste. Er wagte einen Blick zu dem kleinen Mädchen, das wie eine schlaffe Puppe auf dem Prachtboden saß und sich die Augen mit matten Fäusten rieb. Besonders der Anblick dieses hilflosen Kindes inmitten all der anwachsenden Bedrohung schürte ein Brennen in seiner Brust. Hass.
Diese Monstrosität auf dem Thron sprach, wie auch immer, die Wahrheit. Der Hass auf sie wuchs, und der Wunsch, sie zu töten, war bereits erwacht.
„Paladin.“ Unter der Stimme des Küsters sah er grimmig auf. „Du machst dir über dein Ende die geringsten Illusionen. In der Tat ist es so, dass nicht nur in Kurast die ‚Mission’ deines Ordens nun endet. Shanghar und Baraidha werden in den folgenden Tagen fallen. Der Wind der Götter und ihrer Erhebung wird eure Männer hinwegfegen. Eure Häuser brennen vielleicht schon.“ Etwas an Menrads Gesicht schien den Sprecher zu belustigen. „Eure Zeit ist vorbei, Paladin. Die Götter sind geduldig, aber eure Hauptleute haben zu lange die Augen verschlossen. Der Osten weist eure kleine Lehre zurück. Ihr hättet sie nehmen und in den Westen zurückkehren können, aber dem Blinden, der eine Heilung ablehnt, kehrt das Schicksal irgendwann den Rücken zu.“
Seltsam deutlich vernahm Menrad, zu Stein erstarrt, neben sich das Knirschen von Zähnen.
„Dir aber soll noch eine Gelegenheit eröffnet werden, Paladin. Gib dein Wissen über alle Befestigungen und Stärken eurer Städte an uns weiter, dann kannst du gehen, wohin du willst. Auch wieder über das Meer. Selbst das gestattet dir die Hohe Stadt, denn niemand würde deinen Worten Glauben schenken. Nicht wahr?“ Wieder lächelte der Küster.
„Selbst wenn ich dieses Wissen besäße, würde ich euch nicht ein Wort davon sagen!“ Menrad wunderte sich, wie wuterfüllt seine Stimme in der stillen Luft stand.
Er war ihnen fast völlig gleichgültig. Sie hatten ihn ein wenig aufbewahrt in ihrer Stadt, aber seine Weigerung bedeutete nur einen weiteren Kopf auf dem Block.
Eigenartig streifte ihn in diesem Augenblick eine fremde Empfindung – vielleicht nur eine weitere unter Hunderten in diesem Tempel, in dem es ohnehin nicht mit rechten Dingen zuging. Doch nein, sie war an ihn gerichtet. Fremdes Mitgefühl, schwach, aber eine seltsame Regung in all dieser Gefahr.
„Wie du willst, Paladin.“ Unzufriedenheit über die offenbar mangelnde Ausbeute der Begegnung verdüsterte das Gesicht des Küsters. Dann straffte er sich.
„Man wird euch in eure Zellen zurückbringen. Morgen werdet ihr sterben.“ Es kam ganz leichthin. „Die Hohe Stadt duldet keine Unruhestifter, und wer ihr einmal wart, wen mag das kümmern? Es wird mit euch verschwinden.“
„So wie auch Menschen eurer Stadt verschwunden sind?!“ Die jüngere der beiden Frauen konnte ihre Wut und Entgeisterung sichtlich nicht mehr niederhalten. „So wie – aah!-„
Menrad hörte den dumpfen Hieb und zuckte zusammen. Neben ihm brach Zorn aus einem harten Käfig, dass es ihm halb den Atem raubte.
„Widerstand ist töricht“, kommentierte der Küster die Auflehnung der Gefangenen. Dann wurde seine Stimme eindringlicher. „Missversteht die Geduld der Hohen Stadt nicht als Dummheit, ihr Männer und Frauen. Denkt an das schutzlose Kind.“
„Würdet ihr wirklich einem Kind etwas zuleide tun?“ Durch die Worte des Nekromanten hörte Menrad das verzweifelte Aufstöhnen der älteren Frau.
„Dem Mädchen wird nichts geschehen, wenn ihr Ruhe und Würde bewahrt. Sie wird hier in Kurast aufwachsen, und es wird ihr an nichts fehlen.“ Mit einem Wink ordnete der Küster an, dass man die Gefangenen aufstehen lassen sollte. „Wiederum - glaubt nicht, über eure Kräfte wäre nichts bekannt. Doch selbst wenn ihr euch an eine Flucht wagen solltet – selbst wenn ihr und das Kind dies überlebt... wohin wolltet ihr gehen?“
Stumm stand Menrad neben den fremden Kämpfern, und die Worte brandeten über sie alle hinweg.
Obwohl er diese Leute nicht kannte, entblößte das Vorgehen Travincals und die trotz allen Irrsinns unverrückbare Sicherheit seines Handelns sie als Außenseiter.
Kurast lag nun unter der Herrschaft dieses Raumes.
Und die Unerschütterlichkeit dieser Macht, begriff er vage, beruhte nicht auf dem Gedeihen irgendwelcher Pläne, sondern auf der Hilflosigkeit eines Jeden, der dagegen angehen wollte. Warum die Baalsüberwinder sich hatten ergreifen lassen, leuchtete ihm nicht vollständig ein, er ahnte es nur, doch die Umstände ihrer Festsetzung – und seiner eigenen – ließen einen ersten Blick darauf zu, was in jüngster Zeit die Welt zu durchsetzen schien wie eine Krankheit.
Es wurde nicht weiter mit ihnen gesprochen.
Noch in ihrer Anwesenheit beriet sich die Gruppe um den Thron, während man sie zur Abführung vorbereitete. Menrad war wie betäubt, übermannt von einer Lähmung, unter der Wellen finsteren Begreifens auf- und niedergingen. Den Anderen schien es ähnlich zu gehen. Das Mädchen sah mit trüben Augen um sich, kam dann wieder auf den Arm eines Bewaffneten, und es schien, dass es zunächst wieder mit in die Zellen sollte.
Dann aber, während man sie hinausführte, fort von dem Kindgott, und durch den Tempel wieder hinaus in das Areal der Hohen Stadt geleitete, spürte der Paladin, dass sich um ihn etwas regte.
Hinrichtung. Es hing zentnerschwer an ihren Schritten.
Als er aber zufällig die Gesichter der Mitgefangenen sah, bemerkte er den Blick, den der Nekromant und die ältere Frau rasch wechselten. Darin war Ernst, aber keine Hoffnungslosigkeit. Die Wachsamkeit abwägender Strategen ging von ihnen aus.
Die Gruppe überquerte das Areal.
Sie gingen langsam, und ihre Bewacher trieben sie nicht an, vielleicht aus Gleichgültigkeit oder in einem Anflug von Nachsicht mit den Verurteilten.
Unwillkürlich spannte Menrad die Muskeln des gebrochenen Arms und verbiss sich den Schmerz. Sie planen etwas. Dafür bist du lange genug Kämpfer. Wie beiläufig, aber gründlich, zählte er die Wachen, maß die Gestalten der Frauen und des Nekromanten. Sie hatten keine Waffen. Und dann noch das Mädchen, das grenzte an Wahnsinn – doch im selben Atemzug begann sein Herz schneller und kraftvoller zu schlagen.
Sie erreichten die Treppe. Die abendliche Stadt war hell von tausend Lichtern, die sich im Wasser spiegelten.
Als sie durch die Straßen zogen, sah der Paladin für eine Sekunde die Hände der jüngeren Frau an ihren Fesseln nesteln. Seine Gedanken jagten, und die Passanten schienen ihn anzustarren. Wie wollen sie dem Labyrinth dieser Straßen entgehen?
Von vorn kommend, irritierte ihn ein pulsend anwachsendes, unsichtbares Etwas, lautlos, unbemerkt – oder sahen die Leute den Zug noch seltsamer an? – gemischt mit einer Spannung der Luft, die ihm sacht die Haare aufstellte. Grundlos dachte er an eine Wiese vor Fadraîs unter nahendem Gewitter. Sein Schritt stockte leicht.
Sie gelangten in den Gefängnisvorhof.
Die Fortbewegung der Gruppe lahmte – dann waren sie im Durchgang, wieder vor den Zellen, in denen der tote Chana lag und die Ratten raschelten. Blicke, heimlich, ein bleiches Augenpaar streifte ihn.
Angespanntes Gedränge entstand, die Wachen drohten mit ihren Säbeln, weil die zu dirigierenden Körper immer widerstrebender wurden.
Das Mädchen verschwand, die Arme nach seiner Mutter ausstreckend, am Ende des Ganges hinter der Tür der letzten Zelle, die dumpf zufiel und abgeschlossen wurde. Auch die Eingangstür zum Gang wurde versperrt. Von außen gingen schwere Riegel.
In ihr Zuschnappen zischte eine Stimme.
„Jetzt!“
Dann, so schien es Menrad, brach in dem engen Gang die Hölle los.
 
... :eek:

UND??? Wie kannst du es wagen, ausgerechnet jetzt abzubrechen??? Du hast doch sicher eine Doppelfolge geplant und wirst den anderen Teil noch im Laufe dieses Abend veröffentlichen, oder? Hab Mitleid mit uns, wir vergehen schier vor Erwartung dessen, was da kommen soll! :cool:

Das Erstaunlichste an dieser ausgezeichneten Fortsetzung ist, daß wir trotz der neuen Informationen und Hintergründe im Grunde genommen noch immer im Dunkeln tappen. Wer ist dieser Kindgott? Steckt eine höhere Macht dahinter? Gut oder Böse? Sie weiß um die Rolle, die die Gefährten einst gespielt haben, und würdigt (?) auch ihre Leistung, aber dennoch denkt sie nicht daran, sich der Gruppe zu offenbaren, sich ihrer zu bedienen oder ihr wenigstens eine faire Behandlung angedeihen zu lassen. Die tieferen Beweggründe und Absichten sind immer noch gänzlich jenseits unserer Einsicht.

Bitte bald weitermachen! :top:
 
argggghhhh ende ?
wiso ?
was geht da ab ?

du kannst gemein sein ^^

aber dafür ists gut
 
Haha, wie ich es mir dachte - der Kampf findet erst im nächsten Kapitel statt... Nur, um mich zu ärgern, wie ich vermute.
Bin schon sehr gespannt, wie du das meisterst, und außerdem hoffe ich, dass die Auseinandersetzung nicht allzu schnell entschieden wird.
So habe ich mehr zu lesen und kann mehr Formulierungen von dir stehlen, um meinen Wortschatz zu erweitern.

Belassen wir es dabei. Wieder ein wunderbares Kapitel, du hast dich ein weiteres Mal selbst übertroffen. Wie du die Überlegenheit des Kindgottes(wittere ich Parallelen zu Ägypten? Auch dort wurden Herrscher wie Gottheiten behandelt und waren bei Amtsantritt nicht selten noch minderjährig.) demonstriert hast - wirklich beeindruckend.
Beim Lesen fühle ich mich selbst machtlos und möchte zugleich dem vermeintlichen Gott an die Kehle springen.

Winziger Kritikpunkt: Als der Gefangenenzug Travincal erreicht und du diese Situation nutzt, um den Bereich der Tempelstadt näher zu beschreiben, findet sich mehrmals in sehr kurzen Abständen das Wort 'Areal', was du auch, um die Wortwiederholung zu vermeiden, durch ein simples 'Gebiet' hättest ersetzen können. :D

Davon abgesehen - grandios.
Da ich bekennender Gegner von '"Wann-kommt-endlich-das-nächste-Kapitel"/"Viel-zu-kurz" - Kreischern' bin, verzichte ich auf eine derartige Äußerung, obwohl ich mich schwer zurückhalten kann. ;)
 
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