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[Story] Saqqara

Storm-ICE- schrieb:
Frage: muss denn alles bis ins kleinste beschrieben werden? Ich finde es schöner wenn man die Phantasie schweifen lassen kann, denn wir wissen doch alle was abgeht.

Tja, das ist eben Reeba's sehr eigener Stil :rolleyes:
Vielleicht für phantasievollere Leser nicht so geeignet, aber wie immer Geschmackssache
 
Ich habe heute meinen Tag der Missverständnisse :clown:
Meinte Storm jetzt wirklich, dass ich zuviel beschreibe, oder war er eher mit den Andeutungen in der genannten Passage zufrieden?
:verwirrt:

@ETBrooD: "für phantasievollere Leser nicht so geeignet", na vielen Dank auch.
Meine dann vielleicht auch nicht so phantasievollen Leser können sich gleich mitbedanken.

Gruß, Reeba
 
vielleicht... ;)

Ich muss dieses Missverständnis einfach aufklären, wär ja gemein von mir, wenn ichs nicht tun würde:
Es ist eine eigene Kunst, so gut zu erzählen/beschreiben, dass der Leser so tief hineingesogen wird, dass er sich nichts Eigenes mehr dazudenken kann, weil du mit geschickter und ausfüllender Wortwahl schon längst alles im vorraus einbaust, was man sich bei weniger detaillierter Erzählung selbst zusammenreimen müsste
Durch deinen Erzählstil kommt eine dermaßen dichte Dichte (:D) auf, dass man praktisch im Strudel der Ereignisse versinkt

So meinte ich das, ganz ehrlich und kein bisschen schöngeredet :)

Von mir kam bloß deswegen kein Lob (welches sicher sofort klar gemacht hätte, wo ich stehe) weil es vor nahezu perfekter Perfektion (:D:D) nichts mehr zu loben gibt

In diesem Sinne

mfg
Brood

PS:
Wir alle haben dich ganz doll lieb, kann ich beschwören :clown:

PPS:
Du hast wohl Recht, das ist/war tatsächlich dein Tag der Missverständnisse :keks:
 
Dann können wir den Tag der Missverständnisse nun ja vielleicht - mit etwas unmissverständlicherer Ausdrucksweise auf der einen und weniger hirnverbrannter Überempfindlichkeit auf der anderen Seite - abschließen.
Danke für die Aufklärung :)
Gruß an alle und zurück an die Arbeit,
*etwas zerzaust* Reeba
 
Jetzt will ich auch noch was sagen. Meine Finger sind jetzt wieder fähig zu tippen. Zwischen durch sind die nämlich wie verwurzelt auf den Tasten geklebt, während dem Lesen deines Updates.
Kann mich da nur anschliessen, die Szene, wo Hadan und Eya im Wasser sind, ist einfach nur erste Sahne. Ich hatte die ganze Szene sofort vor Augen, was doch einiges verlangt.
Reeba du darfst aber nicht verzaust sein, sonst fängst du noch an so verwirrte sachen zu schreiben wie Saturn. Ich meine über Vertotennis und Kraftwerkeinbrüche und so komische sachen. (Vorsicht Ironie :D)
Darum lasse ich dir jetzt extra einen Kamm hier, dass du auch deine Zerzaustheit wieder in den Griff bekommst. Einfach 10 mal über den Kopf fahren damit und es ist alles wieder gerade.

mfg holy
 
the_holyman schrieb:
Reeba du darfst aber nicht verzaust sein, sonst fängst du noch an so verwirrte sachen zu schreiben wie Saturn. Ich meine über Vertotennis und Kraftwerkeinbrüche und so komische sachen. (Vorsicht Ironie :D)
Darum lasse ich dir jetzt extra einen Kamm hier, dass du auch deine Zerzaustheit wieder in den Griff bekommst. Einfach 10 mal über den Kopf fahren damit und es ist alles wieder gerade.

mfg holy

Schönen Dank auch *kuller*
Dann wird dir das nächste Update sicher gefallen ;) da benutze ich ein verschobenes Raumzeit-Kontinuum, Überaschungsauftritte von Schlagersängern, und und und...

*geht jetzt ein extra psychedelisches Update nur für holy schreiben*
 
so nach dem ich als vorbereitung GdW durchgelesen hab, fang ich jetz hier an. über die genialität von reebas werken brauch ich eh nix sagen.
deshalb sag ich nur das saturns kommentare auch nen gewissen unterhaltungsgrad haben ^^ :P

mfg kobo
 
nene die Beschreibung war genau richtig, weiter so!


Das Leben ist ein scheiss Game, aber die Grafik ist geil!
 
moin!

hab mich extra im Forum registriert um hier reinzuschreiben ;)

Ich wollte einfach mal ein dickes Lob an Reeba loswerden, ich verfolge deine Geschichten schon seit längerem und ich bin echt schwer beeindruckt wie du so schreibst.

Weiter so! Bin schon gespannt wie's weiter geht :read:
 
So, bin jetzt endlich durch mit der Fortsetzung:-) Also ich sag mal: RESPEKT:D

Ist wirklich klasse die Story. Deine und die von Saturn les ich grad am Liebsten, beide sind einfach klasse.

Weiter So:top: :top: :top: :top: :top:

mfG,
Para
 
So, hier mal das neue Kapitel, nach etwas kürzerer Zeit diesmal.
Ich hoffe, es gefällt.
Danke für die vielen Kommentare :hy:






XIII. Tausend Augen





Das auf den Knien liegende Kamel war nicht hoch. Sie erreichte den Boden, aber beim Absteigen blieb ihre Weste an einem der Sattelhörner hängen.
Ihr Fuß stieß gegen den weißen, geblähten Leib. Dumpfes Kollern. Dichte bewimperte Augen glänzten böse aus dem langen Schädel, der sich nach ihr umwandte. Ein bissiges Blecken machte die Zähne frei.
Ängstlich zerrte sie an der Weste. Der Berdjalla, der das Tier geführt hatte, war nirgends zu sehen. Am Bein erzitterte der Kamelleib, und in leiser Panik jagten ihre Augen der sich entfernenden Frauengestalt nach. „Madji!“
Aber ihre Mutter ging einfach weiter.
Eilte auf zwei abseits Stehende zu, und sie war schon vergessen und ihr Ruf ungehört geblieben.
Das Schneiden begann hinten im Hals, klein und scharf. Da ruckte sie mit aller Wut und allem Widerstreben der zurückliegenden Wochen an dem verfangenen Kleidungsstück.
Ein Reißen. Sie war frei. In sicherer Entfernung zu dem pendelnden Kopf des Tragetiers sah sie den Spalt im Stoff an, der Fäden aus der hübschen Stickerei gerissen hatte, und würgte das Nadelkissen in ihrer Kehle hinunter. Mit der Erinnerung an Madjis Aufregung, wie sie bei Auftauchen der Küste immer unruhiger umhergegangen war auf Deck, wich der Schmerz im Hals einem anderen Gefühl. Sie wusste seinen Namen nicht. Wie für viele andere Dinge gab es vielleicht keinen. Aber das Namenlose war ihr urvertraut.
Ihre Mutter rief.
Durch den sich nur langsam senkenden Staub blinzelte sie hin.
Ringsum war alles schwere, gelbe Luft, schiebende Leiber, Geschrei unter drückender Sonne. Durchdringender Gestank von Schweiß und Dung, Karawanengerüche. Ein paar Mal hatte ihre Mutter ihr zu erklären versucht, warum sie diese weite Reise auf sich nehmen mussten. Aber wieder, wie bei den Fragen vor Jahren, warum sie weggehen wollte, hatte sie nicht richtig geantwortet. Und die Reise hatte nichts zu tun mit ihnen beiden. Das begriff sie schnell, mit einer wütenden Traurigkeit.
Dieser Einsicht konnte sie nichts entgegensetzen, und sie hatte ihr die Freude verleidet, all das Neue zu sehen, zusammen mit Madji.
Große, herrliche Ungetüme, fischartig, die den Bug des Schiffes begleitet hatten, reitend auf sprühender Gischt. Das Umherstreifen auf Deck, nachts der Musik der Besatzung lauschend, und der erste Sonnenaufgang auf See. Paradiesische Vögel, die aus dem Wald des neuen Ufers kamen wie lebendige Edelsteine, und eine Feder fallen ließen, die nur ein Geschenk sein konnte.
Sieh doch, wie schön. Habe ich dir nicht versprochen, dass wir ganz wunderbare Dinge sehen werden? Die Stimme klang flehend. Düsterkeit ließ sie die sanfte braune Hand wegschieben. Sie machte es ihr schwer, nicht aufzuschreien. Und da sie durchaus sah und spürte, dass die Dinge wunderbar waren, wuchs quälend eine Vorstellung.
Vielleicht konnte sie sich gar nicht richtig freuen.
Wieder rief ihre Mutter.
Hinter ihr, die sich jetzt ungeduldig umsah, warteten die Fremden. Sie waren einer der Gründe für die Reise, sie wusste es. Trotz stieg ihn ihr auf, dass sie sich kaum rühren konnte.
Diese da erinnerten wieder an Madjis Verschwinden, an die Tränen und an das leere Grasland, Weite und Verlassenheit bis zum Horizont.
Eine Windbö der Einsamkeit ging ihr, hier, mitten im Trubel des Hofes, durch und durch.
Dann aber – fürchtend, dass noch schmerzlichere Schelte drohte, aber auch, weil unter allem finsteren Widerstreben ein Streif Neugierde auf das Fremde aufleuchtete – machte sie einen zögernden Schritt. Noch einen.
Ihre Mutter lockte mit der ausgestreckten Hand, fordernd und bittend zugleich.
Steif ließ sie sich heranziehen. „Ich möchte, dass du meine Freunde kennen lernst.“
Die Hand abschüttelnd, sah sie an den Fremden hinauf.
Auch diese, so groß und fern sie waren, schienen nicht recht zu wissen, wie dem Schweigen zwischen ihnen allen und der Erwartung darin begegnet werden sollte.
Es waren eine Frau und ein Mann.
Die Frau regte sich zuerst. Sie beugte sich ein wenig herab. „Binjawl, Maysan. Mein Name ist Eya, und ich habe schon viel von dir gehört.“
Das war eine unerwartete Neuigkeit. Stumm sah sie die Frau an. Das dunkle Lederzeug brachte sie zum Staunen, auch das helle, ovale Gesicht. Schwärzere Augen hatte keine Wüstenechse in Sadr Hammath. Als die Fremde sich unsicher lächelnd aufrichtete, streifte ein Hauch Zuneigung das Mädchen, weil die Andere keinen der herablassenden Scherze der Erwachsenen an ihr versuchte.
Ihre Mutter regte sich unbehaglich, sie spürte es. „Maysan, du solltest einen Gruß erwidern, der dir entboten wird.“ Ärger und Zerrissenheit stritten in ihrer Stimme. Bevor sie sich über Letzteres wundern konnte, meldete sich jemand anderes zu Wort.
„Lass nur, Ifrah.“
Misstrauisch sah sie an dem geisterhaft blassen Mann empor. Er hatte gesprochen.
Sie blickten sich an.
Es war keine unwillkürliche Zuneigung in dieser Begegnung. Maysan spürte die Düsterkeit ihrer Züge verblassen. Der Mann missbilligte ihre Anwesenheit, klar und unverhohlen, derb wie ein Schlag. Aber er sah sie in einer eigenartigen Weise an, und sie verstand es. Abseits der Missbilligung zählte für ihn nicht, dass sie ein Kind war.
Dann hieß er sie willkommen. Seine Stimme war heller als erwartet und klang dem Kauderwelsch verwandt, das sie seit dem Hafen überall hörte.
Während sie noch die Symbole auf seinem schwarzsilbernen Brustharnisch und eine halb verheilte Wunde in seiner Halsbeuge besah, legte sich die Hand ihrer Mutter schwer, erschöpft, auf ihre Schulter.
„Sie spricht nicht viel. Und vor Fremden tut sie sich immer schwer.“
Da, als sie den Kopf senkte, die ersten Zornestränen in den Augen, kam von vorne, von oben, mit einem Mal etwas Vertrautes und strahlte auf sie ab. Es vertrieb ihren Zorn nicht und nahm auch der Traurigkeit nicht die scharfen Kanten. Aber es langte hin, dass sie neugierig zu den beiden Fremden hoch blinzelte. Sie sprachen jetzt wieder mit ihrer Mutter.
Dann ging es aus dem Hof der Karawanserei hinaus in die bewegten vollen Gassen, und gegen ihren Willen seltsam aufgemuntert, lief sie mit.





Sie zogen sich in eben jene Schenke zurück, in der Hadan und Eya genächtigt hatten.
Tageshitze und Vorsicht gleichermaßen hießen sie, den Straßen den Rücken zu kehren. In der Unübersichtlichkeit der Stadt zog sich der Verdacht, beobachtet zu werden, immer unangenehmer um sie zusammen.
Im Innern der Schenke fanden sie einen Tisch, der etwas abseits stand, und ließen sich nieder.
Maysan nahm einen Becher Kräutermilch an, hielt sich aber nicht lange mit Trinken auf und flüsterte, sobald sie geendet hatte, ihrer Mutter etwas ins Ohr.
Während Eya ihr auf scheue Seitenblicke hin ausdauernd zulächelte, beobachtete Hadan die Tochter ihrer alten Gefährtin.
Das Mädchen war groß für seine acht Jahre. Nun, da sie direkt neben Ifrah stand, traten mehr Unterschiede hervor als Gemeinsamkeiten. Maysan wirkte mit ihrer blasseren Haut und dem langen braunen Haar wie ein helleres und nur vage verwandtes Abbild ihrer Mutter. Bereits ihr Kinderkörper ließ erahnen, dass sie größer und feingliedriger werden würde als ihre Mutter. Es mochte ihr toter Vater sein, der sich hierin zeigte.
Das kleine Gesicht war überschattet, und selbst in den grünen Augen lauerte Düsterkeit.
Halb gegen seinen Willen fühlte der Nekromant eine Welle der Zuneigung und des Mitleids für das fremde Kind. Klugheit und ein erstaunliches Gespür für seine Umgebung halfen ihm kaum gegen eine zu schwere Last.
„Bleib aber dicht vor der Schenke“, sagte Ifrah eben zu ihrer Tochter. „Lauf nicht auf die Straße hinaus.“
Maysan nickte, wand sich zwischen den Tischen hindurch und verschmolz mit der staubigen Helle, die von draußen hereindrang.
Am Tisch herrschte Schweigen.
Wahrhaftig gewöhnt sind wir aneinander nicht, dachte die Assassine. Dafür war keine Zeit.
Ifrah war trotz der Wiedersehensfreude die Befangenheit anzusehen. „Maysan fremdelt stark“, begann sie, schwach lächelnd. „Sie ist noch nie so weit von Selthe fort gewesen.“
Bevor Eya sich anerkennend äußern konnte, wie gut das Mädchen die Strapazen zu verwinden schien, kam ihr der Nekromant zuvor.
„Du hättest sie nicht mitbringen dürfen, Ifrah“, sagte er gedämpft. Es war nicht klar, ob er neugierige Ohren befürchtete oder ob er aus Respekt vor Ifrahs Person seinen Ärger zügelte.
Die Magierin schaute in den verzierten Teebecher vor sich, und in ihrem dunklen Gesicht arbeitete es. „Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, das kannst du mir glauben.“
„Immerhin wusstest du, dass dich dein Weg in unruhige Gebiete führt“, entgegnete Hadan. Die Vergangenheit, in der taktisches Kalkül alles gewesen war, das zählte, strahlte hart von ihm ab. „Wie kannst du hoffen, sie zu schützen?“
Unbehagliche Stille setzte ein. Die Magierin schien zu überlegen, was sie erwidern sollte. Es ließ sich erahnen, dass jede Erklärung durch ihr altes Leben führen musste.
Mit einem Mal atmete der Nekromant leise, aber hörbar ein, und eine Veränderung durchlief seine Gestalt. Unter dem Tisch hatte sich die schmale Hand der Assassine auf sein Bein gelegt, beredt durch einen einzigen Druck beschwichtigend, nachdenklich.
Die Berührung allein erinnerte an etwas, das berücksichtigt werden musste. Es existierte noch ein anderer Blick auf die Dinge als der der Jagenden und Einzelgänger. Er legte die Hand auf ihre.
„Du hast sicher gute Gründe, Ifrah.“ Hadans Stimme merkte man nun an, dass jedes Wort ungewohnt für ihn war. Aber sie klang wärmer. „Die Lage in Kurast ist unsicher und... eigenartig. Allein sich hier zu treffen, kann schon ein Fehler gewesen sein.“
„Das weiß ich.“ Kurz sah tiefe Müdigkeit aus Ifrahs Zügen hervor. Dann ging ein Ruck durch sie, als werfe sie gleichsam hilflos und entschlossen etwas von sich. „Es tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, euch damit zu beladen.“
Eya machte eine Bewegung, sagte aber nichts. Durch Hadans Gesicht zog etwas wie Reue.
Die drei unterschiedlichen Augenpaare trafen sich, und da fiel die Starre von ihnen ab.
„Ich wusste nicht, was ich tun sollte, als die Zeit für den Aufbruch gekommen war“, fuhr Ifrah fort. „Maysan hat in den vergangenen Jahren bei anderen Menschen gelebt, guten und fürsorglichen Nachbarn. Aber Selthe und die kleinen Weiler am Nordrand der Wüste sind nicht mehr sicher. Nichts ist mehr sicher im Westen... so wie hier.“
„Fadraîs?“ Hadans Frage fasste zusammen, was sie alle von der Alten Königsstadt und dem Sitz des paladinischen Lichtordens wussten.
Fadraîs hatte wieder, wie zuletzt vor einigen Jahrzehnten, begonnen, gegen alle Ursprünge anderer Mächte als jene der vom Lichtorden gepredigten Heilslehre vorzugehen. Das betraf die Druiden im Norden und die vereinzelten Magiekundigen, die verstreut lebten. Viele weigerten sich, auszuweichen, aber andere zogen notgedrungen nach Süden, oder noch weiter fort. Unter den Reisenden, die an die Ufer des Ostens gespült wurden, befanden sich Männer und Frauen mit besonderen Fähigkeiten, oft in Begleitung ihrer Familien, jetzt entwurzelt.
„Ja, sie kommen wieder in die anderen Städte“, bestätigte die Magierin. „Sie geben sich den Anschein, ihre Zügel stramm ziehen zu wollen, aber sie tun nur, was sie am besten können. Es hat bereits Festsetzungen und Aufruhr gegeben..“ In Ifrahs Stimme wich beißender Zynismus ruhiger Traurigkeit. „Die Magierschule bei Selthe hat sich nach Dâurdh zurückgezogen. Sie gehen tief in den Süden Aber das ist nicht alles.“
Sie rückten zusammen, und Hadan bestellte frischen Tee.
„Im Norden sind alte Zwistigkeiten zwischen Barbaren und Druiden wieder aufgebrochen, und offenbar blutig wie seit langer Zeit nicht mehr.“ Ifrah fing die betroffenen und ungläubigen Blicke ihrer Gefährten auf. „Ich weiß, ich wollte es zuerst auch nicht glauben. Aber es ist wahr.
Reisende werden in diese Regionen kaum mehr vorgelassen, und einige haben die Kämpfe mit eigenen Augen gesehen. Clankämpfe, uralte Streitigkeiten um Gebiete, und die Blutrache hat bereits für offene Kampfhandlungen gesorgt. Und es gibt Flüchtlinge aus diesen Regionen.“
Nachdenkliche Stille folgte den Worten der Magierin.
Keiner von ihnen war mit den nördlichen Hochlanden des Westens und den dort lebenden Menschen gut genug vertraut, um ermessen zu können, was die Zeit überwiegenden Friedens dort beendet haben mochte. Aber eine Ahnung ließ ihnen die Brust eng werden.
Eya sprach sie aus.
„Überall ist Unruhe“, sagte sie tastend. „Als fiele alles auseinander, was die Menschen verbindet, und als... habe sie jemand angewiesen, nur noch auf die Unterschiede zu achten.“
„Und auf alte Konflikte“, setzte Ifrah hinzu.
Die Gefährten sahen sich an.
Von fern dämmerte aus ihren so verschiedenartigen Gesichtern derselbe Schein. Dasselbe kaum Auszudrückende, die Erinnerung an ein Erzittern ihrer Welt kurz nach dem Ende eines Kampfes, bis hinab in die Grundfesten des Lebens.
Und sie dachten an den jungen Barbaren, der ihr Begleiter gewesen und zuletzt in den schroffen Bergen des äußeren östlichen Hochlandes geblieben war. Er fehlte in ihrer Mitte.
„Habt ihr etwas von Urel gehört?“ Zweifelnd sah Ifrah die anderen an, die stumm verneinten.
„Die Einzige, die deinen Brief erhalten hat, ist Eya“, warf der Nekromant ein. „Erst durch sie erfuhr ich von deinem Vorhaben. Wenn du alle Briefe auf dem Landweg versendet hast, sind sie sämtlich durch Patao und Lyst gegangen. Es könnte Zufall sein, dass sie ihren erhielt, aber“ – er fing einen Seitenblick aus kohlschwarzen Augen auf – „an Zufälle lässt sich nur noch schwer glauben.“
„Der Orden.“ Die Magierin nickte. „Ich war mir des Risikos bewusst. Wenn sie allerdings an sämtliche Schriftstücke gelangen, ist das wahrhaftig beunruhigend. Nicht bloß lägen ihnen somit alle Wege offen, sie...“ Sie brach ab.
„... sie wissen in meinem Falle alles“, schloss Eya. Sie holte den Brief hervor und drehte ihn behutsam in den Händen.
Ihr schien, dass es auf einmal sehr still wurde. Die Augen der beiden Älteren waren auf sie gerichtet, und eine unbekannte Regung erfasste sie.
Immer hatte sie sich den Anderen gegenüber nackt gefühlt, eine Hinzugekommene unter Erfahreneren, die unbeirrbarer als sie und rätselhaft voranschritten. Nun ging ihr auf, dass sie von ihnen sehr viel mehr wusste als diese von ihr.
Kurz sah sie den Nari-Tempel vor sich. Fühlte Hadans Körper unter ihren Händen. Dir wird nur zuteil werden, was du dir nimmst.
Mit einem Lächeln beendete sie das wartende Schweigen. „Mich haben sie während des vergangenen Jahres fest im Blick behalten. Sei es wegen... unseres Weges, von dem sie vielleicht mehr wussten als gedacht. Sicher aber, weil ich ihnen entkommen bin... damals. Wie viel Aufwand ihnen das wert ist, weiß ich seit einigen Wochen.“
Kurz berichtete sie Ifrah, die anfangs fragend und dann immer mitfühlender drein sah, was sich seit dem Erhalten ihres letzten Auftrags ereignet hatte.
„Somit ist es gut denkbar, dass sie dir den Brief absichtlich haben zukommen lassen“, meinte die Magierin, als Eya geendet hatte.
„Ich weiß es nicht. Er schien nicht geöffnet worden zu sein.“
Ifrah überantwortete den Rest ihres kalt gewordenen Tees dem lehmigen Boden der Schenke und gab dem Wirt ein Zeichen.
Noch immer saßen sie halbwegs ungestört.
Die Schenke würde erst bei Einbruch der Dämmerung mehr Volk anziehen, wenn die Garküchen öffneten.
„Wo Urel ist, wissen wir also nicht“, fuhr Hadan fort. „Hätte dein Brief ihn in Harrogath erreicht, wäre er sicher hier.“ Alle erinnerten sich, wie sie den Barbaren verwundet, niedergedrückt von Zweifeln und der enttäuschten Hoffnung auf erlösenden Frieden, in der Hohen Stadt zurückgelassen hatten. Leicht war es ihnen nicht gefallen, aber in ihrer eigenen Erschöpfung und Sehnsucht nach ihren Heimatorten hatten sie ihm nicht zu helfen gewusst.
„Er wollte dort noch ausharren.“ Ifrahs dunkle Stimme holte die Gestalt unmittelbar herbei. Nachdenklich saßen sie, als von weitem das karstige Hochgebirge in den feuchtwarmen Mittag der Schenke hineinragte. „Aber er ist sicher nicht lange in Harrogath geblieben.“
„Das glaube ich ebenfalls nicht.“ Hadan verschloss sein inneres Auge vor dem Bild der Stadt.
Vor dem Schatten des Berges und den eisigen Stollen. Würde einer von uns es lange aushalten, dort oben? Ein dumpfer Schmerz zuckte in seiner linken Seite.
„Wo kann er hingegangen sein... danach?“ fragte Eya.
„Vielleicht in seine Heimat“, sagte der Nekromant, gepresst, als benehme ihm etwas den Atem. „Der Kupferclan lebt nahe Akal, im Hochland weit nordwestlich von Patao. Aber es lässt sich schwer vorstellen, dass er sich dort niedergelassen hat.“ Er sah erst Eya an, dann Ifrah. „Hast du während des letzten Jahres Ruhe gefunden? Oder du?“ Einen Atemzug lang rang der schweigsame Mann mit sich. „Ich habe es versucht, und es ist mir nicht gelungen. Dazu, dass ich es vielleicht nicht mehr vermag, kamen die Unruhen, die Nachrichten von überallher.“
„Ich denke ähnlich“, sagte Ifrah. „Und habe ähnlich empfunden, ihr wisst es ja. Und wir alle hier“, fasste sie dann zögernd zusammen „sind es gewohnt, auf uns gestellt zu sein. Urel aber nicht. Er ist jünger, er... ich glaube nicht, daran, dass er sich zurückgezogen hat, irgendwohin.“ Sie zögerte wieder. „Ich glaube nicht, dass er seinen Frieden gefunden hat.“
Hadan schüttelte kaum merklich den Kopf. Die Geräusche des Schankbetriebs drangen laut und fremd in das Schweigen am Tisch. Nein, er wird nicht zur Ruhe gekommen sein. Trotz unserer Wünsche für sein Heil.
„Aber wo kann er stecken, wenn er noch am Leben ist?“ Diesmal war es Ifrah, die fragte, niemand Besonderen ansprechend.
Und obwohl niemand antwortete, wussten alle ihre eigenen Gedanken und die der Anderen im Westen, weit drüben auf der anderen Seite des Meeres, wo hinter vielen Tagesreisen, nach langen Wochen, die Felder und Ebenen anstiegen, sich mit Wäldern bedeckten und in grenzenlose Bergregionen übergingen. Druidenland. Barbarenland.
Allein dass sie sich in der Weite der Welt gefunden hatten, grenzte an ein Wunder.
Einen einzelnen Mann aufzuspüren, ohne das alte System der Wegpunkte, ohne zu wissen, wohin seine Pfade ihn geleitet hatten, war fast unmöglich.
Nur langsam kamen sie aus wortlosem Nachsinnen wieder zu sich.
Ifrah vergewisserte sich mit einem Blick, dass ihre Tochter vor der Schenke lungerte und dem Straßenbetrieb zusah. Dann strich sie aufseufzend ihr Haar zurück.
„Da mein Brief es war, dessentwegen wir uns hier zusammengefunden haben, sollte ich euch erklären, was mich zu der Reise bewegte“, begann sie. „Wobei wir viele Gründe schon gestreift haben, die im Westen liegen. Aber nicht nur dort. Man hört, dass hier der Lichtorden in Bedrängnis geraten ist. Da ich nach Fadraîs nicht gehen wollte, weil ich der Stadt nicht traue, dachte ich, hier zu beginnen... vielleicht etwas in Erfahrung zu bringen. Niemand in meinem Umfeld kennt meine... unsere Sicht auf die Dinge, niemand hat gesehen, was wir sahen. Mir schien es nicht mehr richtig, Schweigen über die Zweifel zu decken. Und ich wollte euch wiedersehen.“ Sie atmete ein, und es schein, dass sie dabei die Gerüche der Region, in die sie gekommen war, froh einsaugte. „Aber ich bin auch hier, weil ich dem Blick des Ostens in dieser Zeit mehr vertraue.“
Sie lächelte. „Und in dir, Hadan, weiß ich um Jemanden, der zu diesem Blick gehört.“
Der Nekromant blieb ernst. „Ich habe dieselbe Hoffnung, aber sie könnte vergebens sein. Heimlichkeit hat uns in einer Welt, die wie gelähmt dalag... damals... weit gebracht, aber diese Welt existiert nicht mehr.“
Er sah vor sich auf die Tischplatte, und die Frauen brauchten eine Weile um zu begreifen, dass er ihren Augen auswich. „Und ich kann nicht mehr versichern, den Osten noch gut genug zu kennen, um jemanden führen zu dürfen.“
Die Aura der Verschlossenheit um den großen Mann wurde für einen Moment lang durchsichtig.
Eya sah von der Seite den Kampf gegen die eigenen Zweifel vage hinter der Maske seines Gesichts, als dränge darunter ein ganz anderer Mensch ans Tageslicht. Es dauerte nur kurz. Sie wusste, dass ihrem Blick diese Regungen am weitesten ausgeliefert waren. Sie beide gehörten jetzt zusammen.
Erinnerungen an atemlose Tage und verwischtes Grün streiften sie. Hadan hatte die Gruppe geführt, damals, durch die überwucherte Stadt, hinauf bis nach Travincal.
Ifrah betrachtete den Nekromanten gedankenvoll. Nun hatten sie alle etwas offenbart, wozu Vertrauen nötig war.
Sie mussten nun überlegen, wo noch hinter die Vorgänge in der Stadt zu blicken war, ohne zu viel weiteres Aufsehen zu erregen. Die Magierin ließ sich berichten, was den vor ihr Angekommenen bereits widerfahren war.
Mit zunehmender Besorgnis hörte sie von dem Verschwinden der ehemaligen Bekannten der alten Gruppe, der allgegenwärtigen Angst der Menschen, der Ablehnung der Befragten. Das völlige Verschwinden der Paladine war ihr nicht verborgen geblieben. Am beunruhigendsten aber schienen die rätselhaften Hinweise auf eine höhere Gewalt. Eine Instanz zeichnete sich hinter der veränderten Stadt ab, doch so schwer fassbar, dass offenbar selbst die Kuraster nicht auszudrücken wussten, wem ihre Verantwortung galt – oder es nicht wagten.
„Wir müssen uns vorsehen“, sagte Hadan. „Wenn wir uns in der Stadt bewegen, dann entweder als bloße Müßiggänger, ohne Fragen, oder mit klaren Zielen.“
„Können wir in dieser Schenke unterkommen?“ fragte Ifrah, die an die kommende Nacht dachte.
„Der Wirt hat freie Zimmer“, entgegnete Hadan. „Wir haben hier bereits die letzte Nacht verbracht. Er scheint vertrauenswürdig.“
„Wie wollen wir weiter vorgehen?“ erkundigte sich Eya. „Wen können überhaupt noch trauen?“
Sie rückten noch enger zusammen.
„Ich kenne zwei Familien, die zumindest vor dem Fall der Stadt enge Kontakte zur Bairha-Priesterschaft in Travincal pflegten“, überlegte Hadan. „Die Bairha stellen die niedere Priesterkaste zweier Tempel. Was seit damals aus ihnen wurde und ob sie noch in die Travincaler Hierarchie eingemeindet sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber wenn die alte Ordnung noch besteht, würde ich mich an sie wenden.
Sie gehören einer ärmeren Kaste an. Ihre Götter sind Sathrî und Bisra, Gott der Zwischenwelten und Göttin des Lichtes. Die Priester sind fast besitzlos, unbestechlich, nicht an Macht interessiert. Sathrî stehen die Kulte der Nekromanten sehr nahe, und wir haben seit Jahrhunderten einen guten Austausch mit seinen Dienern gepflegt.“ Der Blick des Nekromanten richtete sich nach innen, als prüfe er die Verlässlichkeit der alten Zusammenhänge, mit denen er aufgewachsen war. „Wenn es jemanden gibt, dem man vielleicht trauen kann, dann sind es diese Leute.“
„Die genannten Familien unterstützen die Bairha?“ fragte die Magierin und offenbarte ein fortgeschrittenes Verständnis der gesellschaftlichen Hierarchien. Höhere nicht-priesterliche Kasten konnten ihr Ansehen und ihren Einfluss untermauern, indem sie Priesterschaften Geld oder andere Unterstützung zukommen ließen. Die Tempel, gebaut um den Göttern zu gefallen, benötigten Förderer und gaben im Austausch geistige Pfade leichter frei. Das Geflecht solcher Beziehungen war dicht, undurchschaubar fast.
„So ist es“, bestätigte Hadan. „Zu ihnen sollten wir gehen. Sonst zu niemandem mehr – zumindest nicht offen.“ Er überließ es der Vorstellungskraft der Anderen, ob er damit auf weiteres Nachforschen ohne Hilfe von außen anspielte, oder ob er andere, noch verborgenere Wege andeutete.
„Sollte nicht Einer von uns mit Maysan bei der Schenke bleiben, während die anderen sich weiter umsehen?“ warf Eya ein.
Ifrah nickte und wandte bei der Erwähnung ihrer Tochter den Kopf zur entfernten Tür.
„Ich sehe sie nicht...“, murmelte sie und reckte den Hals.
In diesem Augenblick schlug der ausgeprägte Sinn der Assassine für Gefahr Alarm, und sie spannte sich.
Es mochte Ifrahs mütterliche, enge Sorge sein, die zuerst auf sie abgestrahlt hatte. Von draußen, aus der Helle der Straßen, näherte sich Unruhe.
Eya stand auf. Vor der Tür entschwanden Schatten. Menschen wichen aus, fehlten plötzlich.
Kurz nach ihr war Ifrah auf die Beine gekommen, die sie verwirrt ansah, nur von der Sorge um ihr Kind getrieben.
Behutsam, gemächlich fast, folgte Hadan. Eya spürte ein wesenloses Streifen leise sich vorbereitender Macht.
„Was ist? Was... ich gehe sie hereinholen...“ Ifrah machte einen Schritt auf die Tür zu.
Im selben Moment entstand Tumult in der staubigen Helle. Füße scharrten durch erregte Stimmen.
Hinter Ifrah ging der Wirt vorbei, weitausholenden Schrittes wie ein Mann seines Standes, der schon viele Ruhestörungen mit zwei, drei Handgriffen beseitigt hat.
„He!“ rief er nach vorn. Die anderen Gäste waren längst in unruhiges Palavern ausgebrochen. „He, was geht da vor?“
Als das Licht vor den hereindrängenden Bewaffneten wich, die einen Stolpernden vor sich her- und wegtrieben, weil er im Wege gestanden hatte, als der freundliche Schankraum sich wie eine Falle um sie zusammenzog und schloss, begegneten sich Eyas und Hadans Augen kurz. Er sah angewidert aus. Dann zog über die tief in seinen Zügen verborgene Trauer Zorn und wischte sie fort.
Neben ihnen erstarrte Ifrah mit einem hilflosen, noch ungläubigem Stöhnen.
Die hereinkommenden Männer trugen matte Teilrüstungen, rote Hosen und Tulware. Ihre Schilde stießen gegen die Türöffnung. Harte Augen suchten rasch, geübt Winkel und die Gesichter der an die Wände zurückweichenden Gäste ab. Keine ungeschickte Bewegung, kein Zucken in den steinernen Gesichtern unterbrach ihre tödliche Ausstrahlung. Ihre Augen blieben am etwas abseits stehenden Tisch hängen, und weder das entgeisterte Antlitz ihrer offenkundigen Mutter noch ihr ängstliches Keuchen konnten sie bewegen, die kleine Gestalt freizugeben, die sie mit sich hereingezerrt hatten.
Eine harte Hand hielt das von Entsetzen geschüttelte Mädchen an den Haaren und der losen Haut des Nackens wie ein junges Tier.





Das Erstarren in Vorbereitung auf einen Kampf.
Das erste Mal am Nari-Tempel, nach langer Zeit, dann bei ihrer unwirklichen Begegnung mit dem Marutam, und hier durchlief es ihn wieder, ein drittes Mal. Die Untermalung durch begreifenden Zorn mochte dazu beitragen dass er ahnte, dass damit die friedliche Zeit endgültig wieder vorbei war.
Er ließ dem Ausmaß des Irrtums die Dauer eines Herzschlages Zeit, um sich einzuprägen.
Die Bewegung der Gäste, fast eine kopflose Herde. Die sofortige, geschmeidige Wachsamkeit der Gefährten. Dem Schankraum haftete plötzlich ein bitterer Anstrich an.
Dann holte er Luft und überschlug die Zahl der Widersacher. Ein guter Ort. Das muss man ihnen lassen.
Dann brach alles in Bewegung aus.
Metall kratzte, Eyas Klingen, die sie überkreuz aus den Scheiden zog. Der Wirt ging auf die Bewaffneten zu, wütend das Eindringen beschimpfend. Ein Faustschlag traf ihn wie ein Hammer von der Seite in den unteren Rücken. Die ersten Gäste schrieen, als er zu Boden ging. Alle, die fliehen wollten und es wagten, wurden zur Tür hinausgelassen, durch die Mauer der Gestalten, die das Licht verdunkelten.
Neben ihm füllte sich die Luft auf Hüfthöhe mit Tausenden winziger Nadeln. Er legte Ifrah sacht die Hand auf die Schulter. Ihre Fäuste waren knochige Kugeln, von denen aufgeladene Luft in Wellen abstrahlte. „Lasst mein Kind los!“ rief sie der schweigenden Schar zu. Maysan wand sich tonlos.
„Nicht, Ifrah“, sagte er leise zu ihr. „Du bringst sie nur in größere Gefahr.“ Ihr Widerwille war so massiv, dass er ihn durch die ruckende Schulter spürte wie einen störrischen Herzschlag. Sie fügte sich, halb erstickt von Wut. Nur der Blick auf ihre gefangene Tochter und in die Augen der Männer gegenüber, in denen kein Zögern vor dem Töten eines Kindes wohnte, hielt sie davon ab, den Bereich vor der Tür in eine tobende Lichthölle zu verwandeln.
Rechts, auf der anderen Seite des Tisches, wartete Eya auf ein Zeichen.
Ihre Lage indes war klar.
Sie konnten nicht fliehen, ohne Maysan zurückzulassen.
Einem Angriff musste sie sofort zum Opfer fallen. Sie, und wohl auch andere Unschuldige.
Der Wirt krümmte sich im Versuch, aus dem Bann blinder Schmerzen herauszukriechen. Lastenträger, Händler, Diener starrten von den Wänden her, versteinert vor Schreck.
Einer der Bewaffneten sprach.
„Die drei Fremden – Hadan Sakudhra, Nâkyshat na Lhabarna, seine Begleiterin Eya und Ifrah al Dhakir – werden uns zum Sitz des Höchsten, nach Travincal, begleiten.“ Der zähe, magere Sprecher deutete auf das gefangene Mädchen. „Ihr werdet euch nicht widersetzen oder fliehen.“
Es war kein Befehl, sondern eine Feststellung. Sie würden nicht fliehen.
Die Bewaffneten setzten sich in Bewegung.
„Nicht... in meinem Haus...“ Der Wirt rollte sich spuckend auf die Knie. „Was sind das nur für Tage... in dieser stinkenden Stadt?!“
Der Anführer wandte sich um. „Nehmt den da gleich mit“, wies er ohne eine erkennbare Regung an. Zwei Männer zerrten den Wirt auf die Füße.
Mit einer leichten Handbewegung hielt Hadan die Assassine zurück, die einen entrüsteten Schritt nach vorn gemacht hatte. „Der Mann handelt auf meine Anweisung“, rief er den Bewaffneten zu. „Er hat dafür Geld bekommen und zuviel getrunken, aber nichts mit uns zu schaffen.“
Bösartigkeit war das erste Zucken in den starren Zügen des Anführers. „Es werden sich noch weitere Unschuldige finden, die du ’bezahlt’ hast und die ich mitnehmen lasse, Nâkyshat, wenn du nicht schweigst.“
Als Ifrah eine Bewegung machte, drohte er stumm in ihre Richtung.
Die Gruppe verharrte still, die nahenden Bewaffneten anstarrend. Über zwei Dutzend Männer mochten es sein, weitere fünf oder sechs hatten den Schankraum mit dem Wirt bereits verlassen. Hinter dem Tresen rang eine Frau die Hände in stummer Verzweiflung.
Hadan wich ihrem umherirrenden Blick aus.
Dem näherkommenden Anführer warf er hin: „Warum werden wir festgesetzt, wenn man uns auch nach Travincal hätte befehlen können?“ Das Gesicht des Anführers war schon ganz nah. Aber jetzt antwortete er nicht.
Als sie ihm beide längeren Messer abnahmen, Eya entwaffneten, ihnen allen die Hände hinter den Rücken banden und das Gepäck der Gruppe irgendwo unter den Männern verschwinden ließ, dachte Hadan flüchtig, dass diese fehlende Erwiderung die ungeheure Macht hinter ihrer Festsetzung verdeutlichte wie nichts anderes.
Nicht nur kannte man sie, hatte ihre Wege in der Stadt mit tausend Augen verfolgt und verhaftete sie nun wie überführte Wegelagerer. Man schloss auch um sie den Griff einer Stadt – einer neuen, anderen Stadt – in der beliebig Aufgegriffenen nicht einmal mehr ein Grund genannt werden musste, warum man sie am helllichten Tage vor aller Augen mitten aus dem Leben holte.
Fern noch, hinter den Häusern, saß diese Macht. Jetzt, da sie sich zeigte, schien ihm, dass er sie spüren konnte. Finster, die bleichen Augen auf einen Punkt jenseits der Schenkenmauern gerichtet, ließ er sich fesseln.
Wer bist du?, dachte er.
Eya ließ alles mit sich geschehen wie im Traum. Ein verkapselter Kern klarer Wachsamkeit würde sich augenblicklich losreißen, sobald sich die Gelegenheit zu Flucht oder zum Erwehren ergab. Ein Auge ruhte angstvoll auf Ifrah, die stumm allen Anweisungen folgte, und auf Maysan, die man jetzt an eine Leine band wie einen jungen Köter, um sie bequem führen zu können.
Der Rest ihrer Aufmerksamkeit aber lag unter einer Decke immer tiefer sich auftuender Bestürzung. Die Alte Stadt übertraf das kleine Kalamё an verborgenen Drahtziehern, wie sie es an Größe übertraf. Sie konnten nichts tun. Bereits der erste Schritt nach Kurast hinein war der Schritt in eine Falle gewesen.
Vage sah sie betretene, gaffende Gesichter, als man sie und die Anderen durch den Raum zur Tür führte. Ihr war in aller Not aufgefallen, dass Einige bei Hadans Namen gemurmelt hatten, und auch jetzt verfolgten Viele mit versteckten Blicken, wie der Nekromant abgeführt wurde.
Ein Stoß in den Rücken ließ sie plötzlich taumeln. „Shdra, nahandri!“ In der kalten Stimme hinter ihr lag ein Hauch Verachtung. Sie verstand den Dialekt nicht, war sich aber sicher, beschimpft worden zu sein. Als Aufrührerin vielleicht, als Ungläubige oder als Hure.
Ein klarer Teil ihrer Selbst griff nach diesem kleinen Vorfall und hielt ihn fest.
Zwei Worte nur, Ungeduld. Aber sie bedeuteten, dass die erschreckende, kalte Schulung nicht alles war, was diese Männer erfüllte, und sie hatte einen Riss. Es gab für sie Hassenswerte neben dem Heer der Gleichgültigen.
Wo Hass war, war auch eine Lehre – eine Lehre mit Lücken.
Die Bewaffneten führten sie aus der Schenke heraus.
Licht und Hitze übergoss sie in den lauten Straßen, wo der Zug mühelos eine Bresche in die dichten Massen trieb.
Ganz vorne führte man den Wirt, dahinter Maysan. Ihre kleine Gestalt tauchte hin und wieder zwischen den roten Hosen und blitzenden Schilden auf. Danach kam Ifrah, dann, hochaufgerichtet, Hadan. Sie selbst folgte an letzter Stelle.
Sie sah die Stadt vorbeiziehen, das Obere Kurast. Es erstreckte sich jetzt auf allen Seiten, bis das Auge den Mauern und Dächern nicht mehr folgen konnte. Tempel hoben sich reichverziert in den Himmel und überschatteten die Straßen. Die Wassergräben waren jetzt gereinigt. Unter den Tritten federten nicht mehr wuchernde Flechten, sondern standen große Trittpflaster aus dunklem Material.
Die Menschen sahen dem Zug nur selten nach. Es mochte aus Angst sein, oder weil ein solches Bild nichts Neues mehr für sie war.
Der Zug ging indes nicht nach Travincal. Noch lange bevor die Stufen zum Damm auftauchten, bog er in eine Seitengasse, dann in den Hof eines großen Gebäudes. Kurz schallte noch Stadtlärm zu den festgesetzten, dann ging es durch eine Tür in kühleres Halbdunkel.
An einem langen Gang lagen zehn schwere Holztüren zu Zellen.
Vor die letzte auf der linken Seite, bevor der Gang eine Biegung, wohl hin zu Wachräumen und Kammern machte, führte man Maysan. Der Wirt verschwand mit zwei Männern um die Ecke.
Das Mädchen wimmerte nach seiner Mutter. Sie standen bleich, Schneiden an der Kehle, und niemand schenkte Ifrahs Flehen, sie zu ihrem Kind zu lassen, Beachtung. Eine Aura der Hast war ringsum. Grob riss man ihnen die Fesseln von den Händen.
Die Frauen stieß man zusammen in eine Zelle, hastig, und Ifrah, die ein Wort des Protestes wagte, fing sich einen Schlag ein, bevor die schwere Tür zufiel. Die Assassine warf sich dagegen und horchte keuchend. Draußen war Tumult, Hadan wehrte sich wohl. Dumpfes Ringen, Fluchen drang durch die Tür.
Schräg gegenüber wurde eine Zelle verschlossen, und eine Weile später hörte man Maysans dünne Stimme fern im Gang. Ifrah stieß mit den Fäusten gegen das dunkle Holz.
Dann verrann die Stimme, verschluckt hinter Stein und eisernen Riegeln, und sie hörten nichts mehr.
 
Erster :rolleyes:


und: Nichts auszusetzen.

Großes Lob.

Sehr schöne Einführung von Maysan, gelungenes Gespräch nach all der Zeit der Drei und die Ergreifung... ja, passt.
Sehr stimmungsvolle Einführung der neuen Macht in Kurast.

Lass Dir Zeit fürs nächste Update. Nächste Woche reicht.

:)


:D


DV

Edit: Wohl das beste Kapitel bisher zusammen mit dem vorletzten :top:
 
:hy:

Spitzen update nur wie immer hört es dann auf, wenn es nicht aufhören sollte :P Tja kritisieren kann ich eigentlich nichts. Also keine Müdigkeit vortäuschen sondern weiter schreiben :)

Du bist spitze

Gandalf

PS: Die Gefühle des Kindes hast du wirklich sehr gut dargestellt. Respekt
 
Ein Feiertag heute, nicht nur dem Kalender nach, sondern auch, weil es ein Update gibt. Das schöne daran ist, daß ein Ende bislang nicht abzusehen ist, so daß wir uns wohl noch auf viele Fortsetzungen freuen können. Wir ahnen zwar (wie die Protagonisten), daß irgendetwas nicht in Ordnung ist in der Welt, aber Genaueres ist uns (wie ihnen) verborgen. Nur die vereinzelten Nachrichten aus den verschiedenen Weltgegenden lassen lassen ein schattenhaftes Bild der Lage vor unserem inneren Auge entstehen. Und es sieht nicht so aus, als wolle Reeba uns in nächster aus dieser Ungewißheit entlasse. :D

Da überhaupt nicht abzusehen ist, wie es weitergehen wir, orakel ich jetzt mal, daß die drei jetzt im Gefängnis einen gewissen Paladin treffen werden, über dessen Schicksal wir ja auch noch nicht wissen ... Aber in diesen unruhigen Zeiten hat sich bislang als sicher geltende Erfahrung häufig als ungewiß herausgestellt, und so mag ich jetzt auch völlig danebenliegen ... ;)

Stumm sah sie die Frau an, zurückgezogen in enganliegende Glieder. Das dunkle Lederzeug brachte sie zum Staunen, auch das helle, ovale Gesicht.

Darüber habe ich lange nachgedacht, aber ich verstehe es nicht. Bezieht sich das auf die Tochter oder (wahrscheinlicher) auf Eya? Meint es dann ihre Rüstung? Ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht.
 
mal wieder eine super Fortsetzung, nur wer sperrt ne Magierin in eien gewöhnliche Zelle wo se sich doch sowiso wieder rausteleportieren kann ^^
 
Danke für die ersten Rückmeldungen :)
@tyraiel: wäre Ifrah allein, würde ihr das eventuell zur Flucht verhelfen, aber dass weder sie noch die anderen Gefährten sich zur Wehr setzen, hat das Kind und die unklare Lage zum Grund - vielleicht auch ein bisschen die Hoffnung, dass sich für sie noch aufklärt, warum man sie festgenommen hat.
Ein Teleport würde Ifrah in den Gang oder sogar zu Maysan bringen, aber dann... und auch das nicht unbemerkt. ;)
@Lanx: ich habe den Satz umgestellt, er müsste jetzt weniger verwirrend sein. Danke für den Hinweis (Wald vor lauter Bäumen...).
 
Wusstest du, dass dieses Kapitel sogar auf Schriftgröße 9 nicht weniger als 7 A 4 Seiten umfasst?
Vermutlich schon.

Wieder eine großartige Forsetzung. Der Anfang mit Maysan als Protagonistin ist stimmungsvoll und stellt gut den kindlichen Verstand dar.
Die nächste Szene, die des Gesprächs der drei in der Taverne, ist mir persönlich etwas zu lang geraten, allerdings wüsste ich auf die Frage, wo denn etwas zu kürzen wäre, keine Antwort.
Das Adjektiv 'zu laaang' geistert mir recht oft nach Lektüre deiner Kapitel durch den Kopf - allerdings bleibt es dort auch, denn bei näherer Betrachtung entpuppt sich jeder Satz, jedes Wort als Teil eines Ganzen, welches ohne die Existenz des Einzelnen zerfallen würde.
Kompakter geht es einfach nicht, vielleicht würde sich mancher Autor sogar noch länger fassen.
Der letzte Teil macht mir wieder den Mund wässrig, gibt er doch Aussicht auf eine nahende... Kampfszene!

Meiner Erfahrung nach gibt es nur drei Möglichkeiten, wie eine Fortsetzung aussehen könnte - zwei davon schliessen Kampfhandlungen mit ein. ;)

Bin also sehr gespannt, überhaupt wurde in diesem Kapitel viel Atmosphäre aufgebaut, Fragen kamen auf, und im nächsten wird sicher die Spannung auch noch weiter erhöht werden.
Im Übrigen stehen die Chancen auf 'aggressive Verhandlungen' nicht schlecht, was mich selbstverständlich sehr freut. :)

Oh, und wo ich mich schon in deine Gegenwart wage... Wie du sehr wahrscheinlich gemerkt hast, befindet sich das zweite Kapitel meiner Story noch nicht in deinem Posteingang.
Momentan befinde ich mich in der 'Irgendetwas-fehlt-mit-Sicherheit-noch-ich-weiss-nur-nicht-was' Phase und habe nebenbei noch für die Schule zu tun...
Ich hoffe, du kannst mir verzeihen und hast noch etwas Geduld mit einem gebeuteltem Schreiberling. ;)
 
Moin Undead Poet,
danke für deine ausführliche Rückmeldung. Der Mittelteil ist in der Tat lang, imo aber notwendig. Nun sind (fast) alle beisammen, in einer feindlichen Umgebung... doch, ja, die Chancen für einen Kampf stehen nicht schlecht :D
Mit dem Versprechen, dass die Action insgesamt in dieser Geschichte keineswegs zu kurz kommen soll, danke ich dir und den anderen Lesern für die geduldige Begleitung durch viele Kapitel, die andere Schwerpunkte hatten.
@Aaahhh...Dämonen!: lass dir Zeit - solang du nur weiterschreibst :kiss:
Gruß, Reeba

Meine Güte, bin ich früh wach... endlich mal etwas Zeit am Stück!
 
was ist eigendlich mit den paladinen passiert, sind die ärmsten mittlerweile vom mob erschlagen worden oder warum kommen die ncht mehr vor ? ;-)
 
@tyraiel: sieh dir mal @Lanx's Beitrag an und seine Mutmaßungen.
Du glaubst doch nicht ernstlich, dass ich einen Handlungsstrang einfach verrrotten lasse, oder? ;)
 
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