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[Story] Saqqara

@Undead Poet: ich werde 'Areal' an einigen Stellen durch 'Gebiet' oder 'Bezirk' ersetzen, danke. Die Parallelen zu Ägypten sind korrekt erkannt, verantwortlich für die Hintergründe der Idee ist "Ägypten - Eine Sinngeschichte" von Jan Assmann.
Der Cliffhanger erfordert natürlich ein schnellstmögliches Update, und so habe ich tatsächlich auch schon wesentliche Teile davon fertig.
Gruß an alle, Reeba
 
Juhu, ich konnte tatsächlich endlich etwas Sinnvolles beitragen! :lol:
 
Endlich bin ich dazugekommen, die beiden letzten Updates gefallen. Sie haben mir sehr gut gefallen, vor allem der Kinsgott. Aber das Ende ist natürlich schon fies:autsch:

Ich hoff auf baldige Fortsetzung, aber lass dir soviel Zeit, dass es weiterhin so gut bleibt:top:

mfG,
Para
 
Ohja, :top:

der Kindgott ist eine überraschende Wendung.
Das Woher und Warum ist leider noch völlig ungeklärt.
Füllt ein Gott ein entstandenes Vakuum so einfach aus?
Was ist mit den Älteren Göttern? (Wenn wir schon von Göttern reden)

Der Kindgott muss sich sehr sicher fühlen, wenn er schon die Bezwinger der Übel so behandelt. Macht strahlt er aus oder Macht läßt er spüren.
Wie real ist diese?

Immerhin hat er in einem Jahr geschafft, was andere in tausend Jahren nicht zu Wege gebracht hätten. Ein kleiner Geschmack der Beliebigkeit dieser Gestalt verbleibt dennoch bei mir, was vielleicht daran liegt, dass diese Gestalt so aus dem Nichts kommt, ohne Ankündigung, ohne Hintergrund (Ich habe die zeilen mit der Inkarnation nicht überlesen) oder deshalb, weil das Böse in der Literatur gerne das Antlitz der Schönheit und Begehrenshaftigkeit zu seinem Vorteil nutzt.

Trotzdem: Wieder sehr schön geschrieben, auch der Gefangenenzug am Anfang sehr anschaulich und zum Mitfühlen anregend.


:hy:

DV
 
Zur Qualität möchte ich mich nicht wiederholen. :top:

Der Kindgott wirft mehr Fragen auf als Antworten. Für einen reinen Strohmann, hinter dem die Priester stecken, ist zuviel an ihm dran. Wo kommt er her, welche Macht besitzt er, in so kurzer Zeit und so heimlich dieses Imperium errichten zu können?
Was ist sein Ziel?
Was versteht ein Kuraster unter einem 'Gott'?
Warum interessiert er sich für den ehemaligen Weltenstein?
Wo bleibt die Fortsetzung?
 
Stalker_Juist schrieb:
Wo bleibt die Fortsetzung?

ich muss doch sehr bitten...
je länger Reeba braucht, desto besser sind ihre up's, schon mal so herum betrachtet? ;)
ich persönlich bin ein großer gegner von diesem "mehr! mehr!" gekreische, so wie es kinder ständig machen :flopp:

wenn ich mal eines tages meine eigene story hier veröffentliche, werde ich für jeden satz, in dem auch nur der hauch von :mod: herauszulesen is, einen tag länger warten, bis ich mein up poste :p
 
Das Kapitel erklärt wenig bis nichts, das ist mir klar - ebenso klar wie die Tatsache, dass ich intensiv mitdenkende und aufmerksame Leser habe. Kap. 15 ist nur eine Art erster genommener Schwelle auf dem Weg, die Hintergründe des neuen Sanktuarios zu entdröseln. Ich werde es nicht bei mysteriösen Mächten und Gestalten belassen ;)
 
Wenn ich mal motzen dürfte (was ich sowieso tue :D)....

Ich muss sagen, Respekt wie du immer wieder so ein hohes Niveau erreichst und auch stets beibehältst, aber besonders im letzten Kapitel schneidest du dir damit ins eigene Fleisch.
Das ganze Kapitel hätte einen viel größeren Effekt, wenn du erst zum Schluss dich so hochschraubst, während das alles davor sich mehr wie "Ruhe vor dem Sturm" anfühlen sollte. Du bräuchtest wie eine Waffe einen Schalldämpfer...

Gut, ich rede mir leicht, ich muss es ja nicht schreiben ;)
Vielleicht liegt es auch nur daran dass ich beim Lesen desöfteren mit den Gedanken abschweife (passiert mir ständig, Konzentrationsschwächen), und dann ist so ein komplizierter Text erstmal immer gleich, da immer gleich anstrengend.

bevor ich mich jetzt um Kopf und Kragen rede... *verschwind*
 
Verschwinden, wieso das denn?
Du wünschst dir eben etwas leichtere Lektüre oder einfacheren Stil, so hab ich's zumindest verstanden, und deswegen reiss ich doch keinem den Kopf ab, schon gar nicht dir :kiss:
Ich nehme es mal als Mahnung, mich immer wieder an das 'einfacher!'-Motto zu erinnern.
*Schalldämpfer suchen geh*
Gruß, Reeba
 
Ich glaube nicht, dass er sich leichtere Lektüre wünscht, er möchte nur einen Hinweis geben, wie man das Kapitel verbessern könnte.
So habe ich das aufgefasst.
Wobei ich nicht ganz wüsste, wie das funktionieren sollte... Aber ich kann mir vorstellen, wie er es meint.

Der Weg bis nach Travincal -> schlichter Stil
Bei Betreten des höchsten Tempels -> Reeba-Stil :D

Damit könnte man zeigen, wie überlegen und erhaben der Kindskaiser und seine kleine Residenz sind, verglichen mit dem Rest der Stadt, und der Bevölkerung.
Keine schlechte Idee.
 
Undead Poet schrieb:
Ich glaube nicht, dass er sich leichtere Lektüre wünscht....


...darum habe ich ja auch geschrieben 'leichtere Lektüre oder einfacheren Stil'.
Die Verbesserungsvorschläge in allen Ehren, aber ich werde das Kapitel nicht umschreiben, da es mir selbst gut gefällt, wie es ist.
:hy:
 
Das würde ich auch nie verlangen :angel:

Undead Poet hat mich da ganz richtig verstanden. Es wäre eine geniale Steigerung gewesen.
Es ist schwer, weit oben zu schwimmen, was Reeba?! ;)
 
Ich schwimme lieber mit Schwierigkeiten weiter oben, als ohne Schwierigkeiten anderswo :D

*blubb*
 
*Und das ohne Luftmatratze* ;)

Da bin ich ja mal gespannt. (auf die Erklärungen, meine ich)

Übrigens auch, wie Du deine Charaktere erfolgreich aus dem Gefängnis bringen willst....wird ziemlich spannend werden.



:hy:

DV
 
Da ich heute Geburtstag habe wünsche ich mir von dir als Geschenk ein Up-Date. :D Du hast nämlich an der spannensten Stelle aufgehört. Aber ansonsten bin ich total begeistert, hin und weg.
 
Happy Birthday, @Samira. Passenderweise wird das Update heute fertig; wenn es dann demnächst erscheint, nimm es als Geburtstagsgeschenk an dich.
 
mach mal ein tread auf wo ne zusammenfassung ist daaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanke
 
Hehe, dann nutze ich mal ebenfalls diesen Thread, um Samira zum Geburtstag zu gratulieren. :) Aber ich freue mich natuerlich auch schon sehr auf das Update.
 
Zu diesem Kapitel kann ich nur eines sagen: Du bist grausam :cry:

Solche unterbrechungen sind richtig gemein...

Ansonsten gilt dir wie immer mein Respekt für dein Werk. Weiter so.
 
Darum hab ich mich diesmal auch wirklich beeilt - hier die Fortsetzung.
Sie wird allerdings auch eine Pause einleiten, weil ich demnächst eine Woche auf Reisen sein werde und mir intensiv Gedanken über das weitere Gerüst der Geschichte machen muss. Schreibzeug kommt mit auf die Fahrt, allerdings wird es - realistisch eingeschätzt - diesen Monat kein Update mehr geben.
Gruß @alle, Reeba :hy:

***********************************



XVI. In die Wälder





Die Wächter des Gefängnisses in Oberkurast standen in schlechtem Ruf.
Sie selbst lebten in dem grimmigen Bewusstsein, nicht zu den anderen Bewaffneten der Alten Stadt zu gehören, geschweige denn zum Gesindel der gewöhnlichen Wachleute und Kerkermeister. Aus dem Nichts kamen sie, aus den Schatten der Bevölkerung wurden sie rekrutiert.
Die Straßen rings um das besondere Gefängnis waren ihr Bereich, sowohl zur Arbeitszeit als auch danach, und die Bevölkerung hasste sie. Durch eine Anordnung aus Travincal stand ihnen alles offen, die Tavernen, die Garküchen und Märkte, die Freudenhäuser und auch die Hütten der unteren Kasten, die sich nicht wehren durften, wenn sie eindrangen, um sich über die Töchter herzumachen und ihre derben Späße mit den Armen zu treiben. Niemand besaß das Recht, Geld von ihnen zu verlangen. Dies war die Gegenleistung für ihre bedingungslose Treue und die Grausamkeit und Ausdauer, mit der sie taten, was ihnen aufgetragen wurde.
Jetzt hielten sie, wo es notwendig war, den soeben zurückgeführten Gefangenen ihre blanken Klingen entgegen, als es an die Verteilung auf die Zellen ging, und sie wussten um ihren Wert bei der Bewachung gefährlicher Insassen. Ihre waffenstarrende Überlegenheit war erste Vorsichtsmaßnahme.
Hier schien dies etwas übertrieben und war ungewohnt, doch die heiligen Männer Travincals hatten darauf bestanden. Die Hinrichtung würde für den Aufwand entschädigen. Und da nun die Behandlung der Gefangenen nicht weiter den Anweisungen unterlag, die es vor der Überführung in das Heiligtum gegeben hatte, mussten die Männer nicht länger den Anschein von Zurückhaltung wahren.
Man hatte ihnen gesagt, dass die Gefangenen versuchen könnten, zu fliehen. So hatten sie diese langsam und mit der größten Wachsamkeit zurückgeführt. Bei der geringsten Handlung, die nach Flucht aussah, waren sie zu töten. Die Männer aber bedachten das Mädchen, eine bislang mächtige Waffe, wie sich gezeigt hatte – und tatsächlich unternahmen die Gefesselten nichts, gingen mit gesenkten Köpfen durch die Straßen. Im Hof, dann im Gang, entstand ein wenig Unruhe.
Hier, beim Abnehmen der Fesseln, zogen die Männer ihre Waffen und warteten, während das Kind in seine Zelle gebracht und das Gebäude von außen verriegelt wurde. Der Küster für die magische Versiegelung schritt eilig heran.
Vorfreude auf Wein und eine Nacht in Erwartung einer mehrfachen Hinrichtung erfüllte die Wächter, einige starrten auch grob die Frauen an, die recht ansehnlich waren. Nur Zwei oder Drei schmeckten beiläufig die Luft, die wohl ein Gewitter ankündigte.
Die Gedanken, dass die Enge des Gebäudes sie ebenso behindern würde wie einen Gegner, dass der erste Schritt vor der sicheren Verwahrung des Mädchens der Schutz vor der Magierin hätte sein müssen und dass die Gefangenen nicht mehr als einen Lidschlag an Zeit brauchen würden, waren ihnen nicht gekommen.





Durch den Vorhang ihres dichten schwarzen Haares wagte sie einen versichernden Blick, ob die Zellentür sich auch fest hinter der kleinen Gestalt geschlossen hatte.
Im letzten Moment der Stille fing sie noch auf, wie dicht die verhassten Gestalten sie umstanden. Der enge, muffige Gang war voll vom Dunst zusammengedrängter Körper.
Dann zischte Hadan Jetzt!, und mit der Schnelligkeit eingespielter Gruppen reagierten die Gefährten.
Wir haben nur diese eine Gelegenheit. Elf Männer, darunter der Küster – die massiven Wände – der verwundete Paladin – ihr Kind, nur unzureichend geschützt.
Flink wie ein Gedanke warf sich Eya neben ihr gegen die vier nächsten Bewaffneten. Ihre Hände waren frei, schon lange, ihre waffenlose Attacke forderte tödliches Zögern heraus. Sie brauchte keine Waffen. Ifrah hörte die Schreie im anhebenden Tumult – dann hielt die Assassine plötzlich zwei Säbel, und zwei Männer waren schon am Boden. Die anderen prallten rückwärts gegen weitere Körper, Wachen, dazwischen Hadan.
Das Chaos schloss wild seine Faust um sie alle, und Eya war schon darin untergetaucht, hineingeglitten in ihr Element.
Von rechts nahte der Küster, stolpernd und starrend, aber immer noch Zentrum einer fühlbaren Energie. Ifrah riss die Hände hoch.
Im Gesicht des Mannes zuckte Schreck. Doch sie durfte ihm keine Zeit lassen, nicht für einen einzigen Gedanken, nicht für eine einzige Wahl seiner unbekannten Mittel.
Zwischen den herumrudernden Armen und Waffen und den Köpfen hindurch, die plötzlich gleißend hell beleuchtet hervorstachen, stieß knackend ein meterlanger Blitz. Der Knall der Entladung und das Krachen der Elementarkraft brachen über die Menschen im Gang herein, als sei ein leibhaftiges Gewitter herabgestiegen.
Die Enge war ein brüllendes Wetterleuchten. Mit geschwärztem Gesicht wirbelte der Küster wild herum wie ein Kreisel, fiel dann, und Ifrah streifte hastig das Rütteln des Schocks ab. Neben dem Glühen der Befriedigung erfasste sie Entsetzen. Aus solcher Nähe hatte sie die Verheerung ihrer Macht selten zuvor gesehen.
Indes erholten sich die Gegner viel zu rasch von ihrer Starre.
Der Spalt kurzen Freistehens schloss sich schon wieder. Zwei Wachen stürzten zu ihr hin, und in der Enge gab es keine Rückzugsmöglichkeit. Hastig warf sie einen Blick auf das Ende des Ganges, aber außer einem unüberblickbaren Gewühl aus Leibern war nichts zu sehen, auch nicht die Tür zu Maysan. Der erste Widersacher kreischte, bevor er sie erreicht hatte, und mit hochschlagendem Herzen hoffte sie, dass der übereilt ausgeworfene Funkenteppich keinen ihrer Gefährten verletzte. In zu großer Hast riss die ungeheure Kraft sich leicht los, Schutz gab es nur für die, die in den Augen des Wirkenden klar im Licht standen. Dazu reichte ihre Entscheidung über Freund und Feind, aber sie benötigte Konzentration. Und Platz.
Brüllen, das Zischen von Funken, Brandgeruch. Nur Atemzüge waren vergangen, und der zweite Angreifer war bei ihr, bevor sie aufschreien konnte..
Seine Hände rauchten. Sie sah es mit unsinniger Klarheit. Der Säbel in seinen verbrannten Fäusten hieb seitlich gegen sie, ungezielt, er wollte sie umhacken, die Urheberin des grausamen Wetterleuchtens niedermachen, egal wie.
Mit einem unbeholfenen Satz wich sie aus, an der Wand entlangschrammend. Das Blatt der Waffe streifte ihre linke Schulter und riss sie auf, während es in einem Bogen an ihr vorbeizischte. Wo sonst ihre Rüstung sie im Nahkampf notfalls schützte, trug sie jetzt nur ihre Tunika auf der Haut. Aufstöhnend griff sie nach der Wunde, die Linke geballt. Der Angreifer setzte zu einem zweiten Hieb an.
Diesmal gab es kein Ausweichen, und eine Entladung würde ihn nicht aufhalten. Maysan. Sie zuckte, als der Mann im Zuschlagen hasserfüllt aufkeuchte.
Jemand rempelte ihn an und warf ihn um.
Atemlos starrte Ifrah den Paladin an, den sein eigenes Manöver mit umgerissen hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sich den gebrochenen Arm haltend, rollte er von dem gestürzten Bewaffneten weg. Die gesunde Hand griff nach der fallengelassenen Waffe.
Ihre Blicke trafen sich kurz.
Dann drängte ein widerwärtiges atmosphärisches Aufstöhnen – oder waren es gequälte Menschenstimmen? – sie auseinander, und im Dunkel des vertrauten Entsetzens und dem Moloch des Ganges sprang sie vorwärts, an Türen vorbei, stieß sich durch kämpfende Gestalten. Am Ende des Ganges duckte sich Eya unter den Hieben eines Wächters hinweg, ihrerseits mit dem entwendeten Säbel gegen seine Blößen vorstoßend. Die raschen Atemzüge des Assassine standen hell vor dem Lärm des Ganges und verrieten, dass der Kampf und die Angst vor einem Versagen sie anstrengten.
Ifrahs Schritt stockte, doch das Gesicht der jungen Frau sprach Bände. Nein! Hol Maysan!
Zitternd trat Ifrah vor die dunkle Tür, hastig, die Aufmerksamkeit zwischen Zelle und Gang zerrissen. Die Wachen, von denen noch ein halbes Dutzend die Gefangenen bedrängte, waren so nah, drei, vier Schritte konnten sie hertragen.
Gewaltsam musste sie den Impuls unterdrücken, nach Maysan zu rufen, und prüfte die Riegel vor der Tür. Sie waren durch einen Schlüsselmechanismus gesichert. Unverrückbar.
Noch während sie dastand, hin- und hergerissen zwischen verzweifelter Eile und Bedenken, erreichten Fußtritte und Waffengeklirr ihr Ohr. Sie wirbelte herum.
Der hinter der Biegung, an der sie verharrte, abgehende Gang gebar an seinem Ende eine ganze Heerschar neuer Gegner, durch den Kampfeslärm aus anderen Ecken des Gebäudes herbeigerufen.
Wieder ging ein Gewitterwind um sie auf. Er hob ihr Haar sacht empor, knisterte, und so, mit leicht gespreizten Beinen und funkelnden Augen, erwartete sie die Gegner.






Den Säbel in der Linken, kam Menrad auf die Füße.
Knurrend verfluchte er den unbrauchbaren rechten Arm, spannte sich und blickte sich gehetzt um. Ein anderer Gegner, der den Paladin gerade nicht ansah, stand so dicht neben ihm, dass Menrad ihn um ein Haar gestreift hätte. Der Lärm war in der Enge des Ganges ohrenbetäubend, vom Licht der Blitze tränten ihm noch die Augen. Sein Herz flatterte in der Brust wie ein aufgeschreckter Vogel, und die Luft roch seltsam nach Kohle. Er fasste den Griff der fremden Waffe fester. Verkohltes Fleisch.
Schräg gegenüber war der Nekromant in ein Handgemenge mit zwei Bewaffneten verwickelt. Die Enge des Ganges bewirkte, dass die Männer sich gegenseitig behinderten. Dies und die Brandwunden auf ihren Gesichtern – anstelle des linken Auges besaß einer nur noch eine schwarzrote Fläche – erklärten, warum der Nekromant noch nicht tot war.
So dachte Menrad, dem Mann vor ihm, da dieser sich umdrehte, den Säbel ungeschickt in den Hals stoßend. Sie handeln unkoordiniert. Sie sind mehrere Einzelgegner nicht gewohnt. Der Getroffene fiel ihm auf die Füße und zuckte.
Dann aber, als der Paladin aufsah und zu dem nur wenige Schritte entfernten Schauplatz des gerade beobachteten Gemenges eilen wollte, erlosch das Licht. Mit schon entgeistertem Stirnrunzeln sah er noch, dass die Bewegungen der Männer um den Nekromanten seltsam schwer wurden.
Oder nein, die Fackeln brannten noch. Und ihr Licht wurde auch nicht schwächer.
Aber es schien, als senke sich eine aus dem Nichts gekommene, bräunliche Düsternis über alles, die weniger den Augen als allen Sinnen gemeinsam erkennbar war. Übergangslos brach ihm Schweiß aus. Und obwohl er Ähnliches noch nie erlebt hatte, wusste er augenblicklich, wer die Quelle war. Der Nekromant.
Bleich hinter den Männern auftauchend, die sich krümmten, zeigte sich Menrad sein Gesicht – eine weiße, durchsichtige, von innen heraus kränklich leuchtende Fratze, eine uralte Maske aus anderen Leben im Widerschein eines Feuers, und dann trafen ihn die Augen und sein Herz fühlte sich an, als zerfalle es zu Asche.
Nur kurz. Er keuchte, den Säbel in der Hand. Überall schwankten die Gegner im Gang, da taumelte ihm auch schon einer entgegen. Neben ihm riss sein ehemaliger Mitgefangener seine Widersacher herum, besaß mehr Kraft als geglaubt, weit mehr – die Männer wehrten sich kaum – einem stak ein scharfzackiges Gebilde in der Brust und er kreischte und hieb blindlings um sich - - - doch da musste er sich dem Nähertaumelnden zuwenden, wollte auch nicht mehr dort hinübersehen...
Ohne zu denken, hieb er ihn nieder. Schreie, Stöhnen, dann war er an ihm vorbei. Die jüngere Frau kämpfte mit einem Einzelnen, von der Magierin sah er vor der letzten Zelle nur das Gelb ihrer Kleidung. Die Luft schien zu flackern.
Die Assassine überwand ihren Gegner und eilte auf die Magierin zu, und unsicher folgte er ihr. Das Abwischen des blutigen Säbels an seinen Beinkleidern geschah ganz automatisch. Hinter ihm ebbte das Schreien ab. Ein gleichmäßiger, grausiger Singsang hing nun noch um sie – das Ächzen der Verwundeten und Sterbenden.
Kurz bevor Menrad die Frauen erreichte, drehte sich die Magierin um. Ihr Gesichtsausdruck bedeutete unzweifelhaft: aus dem zweiten Gangteil nahten weitere Feinde. Das Antlitz der Assassine glänzte im Fackelschein, als sie sich umwandte. „Schnell!“ Ihre Stimme war nur ein Flüstern.
Menrads Schritt zögerte, was wollten sie tun?, und der Nekromant überholte ihn. Verschwand um die Ecke, vor der die Magierin jetzt in einem neuen Gewitterwind zauderte, und die junge Frau stürzte ihm nach. Lärm kam auf. Menrad setzte zu einem Sprung an – er musste versuchen, zu helfen.
Noch im Schritt erreichte ihn ein Laut, den er zunächst nicht einordnen konnte, ein Reißen, ein Klang, als schütte jemand Eimer voll dicklicher Flüssigkeit an die Wände, und er eilte entsetzt weiter, während die Magierin ihre Hände gegen die Tür richtete. Die Warnung ihrer dunklen Stimme – dann flog die Tür in Stücke, und noch im Krachen herabpolternden Holzes sich duckend, erreichte Menrad die Ecke und rutschte aus.
Um nicht hinzustürzen, stützte er sich mit der Linken ab, und trotz der unklaren Position der neuen Feinde huschten seine Augen kurz nach unten. Er war in Blut getreten. Von rechts wieder Schreie, der Gang, die Gestalten des Nekromanten und der Assassine, die zurückgerannt kamen, eine ganze Meute Bewaffneter ferner hinter sich. Neue, zu viele, und Menrad sah, dass sie stolperten, wutbrüllend ausglitten. Wo kommt all das Blut her? Dann blickte er genauer hin.
O Himmel, ihr Hüter des Lichts, nein!... Menschenhaufen, kaum zu Erkennendes und doch schrecklich Deutliches war, was die Bewaffneten zum Straucheln brachte, ihnen ein schrilles Geheul entriss, einer mochte wohl stürzen, sich besudeln....
„Paladin!“ Eine Hand zog ihn mit. „Paladin!“ Die junge Frau zerrte ihn auf die geöffnete Zelle zu. Scharlachspritzer sprenkelten ihre Haut. Benommen irrte sein Blick umher.
Nur Atemzüge trennten sie von der heranstürmenden Menge. Die Magierin trug ihr Kind auf dem Arm aus der Zelle, nicht weil es nicht laufen konnte, registrierte er durch einen Nebel, sondern um ihm die Augen zuhalten zu können.
Mit den Anderen warf sich Menrad herum, bereit, den Verfolgern zu begegnen. In all diesem Wahnsinn brach sein Widerstand ein, auch der seines Verstandes. Die Litanei auf seinen Lippen hörten nur die Umstehenden, die ihn mit sich zogen, er selbst vernahm sie nicht.
Sie eilten den Gang zurück in Richtung ihrer Zellen.
„Paladin!“ Die Augen des Nekromanten dicht vor ihm, schwarzweiß gefleckte Kiesel in einem schweißüberströmten Gesicht. Um sie krachte es, als ein weiterer Blitz die Verfolger hinter die Ecke zurücktrieb. „Der Grundriss des Gebäudes – wo kann die Waffenkammer sein?“
„Die... was...“ Am abbiegenden Gang hatte er keine Türen gesehen. Verwahrtes war entweder weit hinten im Gebäude, oder... Er sah sich gehetzt um.
Zehn Türen, zwei davon kleiner. Er wies hin, doch sie waren schon zu demselben Schluss gekommen, hatten ihn vielleicht nur wachrütteln wollen. Hinter der zweiten Tür wurden sie fündig, zerrten heraus, was ihnen bekannt vorkam. Während sie sich noch hastig die Sachen zuwarfen, spülte die Welle der Verfolger um die Ecke des Ganges.
Einen riss ein Messer um, aber die junge Frau hatte sich bereits wieder abgewandt und führte sie leichtfüßig an. Das Mädchen stand jetzt auf seinen Füßen, und der Paladin bemerkte, dass die Anderen es immer in der Mitte zu halten versuchten, obwohl es sie behinderte.
Als sie den Gang halb hinter sich hatten, flog an seinem Ende die Tür auf.
Mehr Männer mussten von außen um das Gebäude herumgelaufen sein.
„In die Zelle!“ Der Nekromant kam als Letzter herein. Es war die Zelle der Männer.
Die Magierin hatte das Kind der Jüngeren zugeschoben, die das wimmernde Wesen an sich heranzog, und sprang neben den großen Mann an die Tür. Mehr als einen Blitz konnte sie nicht in den Gang hinaussenden, dann waren die Verfolger von beiden Seiten da.
„Die Tür zu!“ Menrad warf sich neben der Magierin und dem Nekromanten gegen die schweren Bohlen, die gegen den Widerstand schon hereindrängender Männer eben noch zufielen. Die Tür erbebte. Lange würden sie sie nicht zuhalten können.
Wir sitzen in der Falle. Sie atmeten keuchend.
Mit schreckgeweiteten Augen stand das Mädchen neben der Leiche Chanas, die jetzt dicht am Fenster lag. „Keine Angst, Maysan“, rief ihre Mutter leise und bebend. „Komm her, komm“, und die Assassine stand stumm daneben, Klingen in den Händen.
Viele Augenblicke blieben ihnen nicht mehr.
„Ja, hol sie her, Ifrah.“ Eine eigenartige Ruhe beherrschte die Stimme des Nekromanten, doch auch ein unguter, düsterer Unterton, der Menrad den Kopf drehen ließ. Auch die Frauen, gewahrte er beunruhigt, während die Tür wieder dröhnte, sahen ihren Gefährten fragend an. „Hol sie her und halte ihr die Augen zu.“
In der Stille zwischen ihnen rasten Menrads Gedanken.
Um ihn war eine Ahnung oder etwas noch Vageres, eine Angst, er konnte sie fast mit Händen greifen. Die junge Frau wurde leichenblass. Hinter ihr zog die Magierin das Kind an sich. Schreie auf der anderen Seite der sich langsam aufschiebenden Tür.
Was –
Das Letzte, was er sah und hörte, bevor das Entsetzen über ihm zusammenschlug, waren das Leuchten einer plötzlich übermächtigen Aura, kränkliches Licht einer fahlen Flamme, und die Worte Ich bitte dich um Verzeihung, Sohn Kurasts in einem fremdartigen Tonfall. Macht dehnte den Raum, presste ihm ein Keuchen ab – diese Worte – und er verstand schlagartig.
„Nei-!“ Sein Schrei ging unter.
Die Welt zerbarst in Fetzen.
Einer davon war ein abgewandtes Frauengesicht, einer eine Gestalt, die sich wegdrehte und unter der Wucht des entfesselten Drucks nieder duckte, und mit einem Mal brach eine verzerrte Blüte aus Rot über alles. Steine polterten.
Er stierte durch einen Alptraum. Luft, schwaches Straßenlicht, kamen von irgendwo herein. Sein Mund schrie, stand weit offen, aber er hörte nichts.
Die Erschütterung hatte ein Loch in die Wand gerissen. Das Fenstergitter hing schräg in den bröckelnden Spalt, und von Chana war nur noch zerstörtes Fleisch übrig, hoher Himmel... hoher..., und er würgte. Hände rissen ihn vorwärts. Hastende Gestalten im Staub, über Steine springend.
Was seine Beine ihm noch gehorchen ließ, wusste er nicht.
Sie tauchten aus der aufgebrochenen Wand, dem Zellendämmer und dem Staub wie Verschüttete. Taumelten durch Mauerreste auf eine Straße, die plötzlich umherstand, Menschen wichen ihnen mit Schreckensrufen aus, Lampen hingen herum.
Dann rannten sie, die Straße entlang.
Rannten, das Kind strauchelte, eine Hand riss es grob hoch auf einen starken Arm, Häuser und Tempel huschten vorbei. Das Grauen warf Menrad launisch ein paar Einzelheiten hin: seinen pochenden Arm, den Steinboden, der gegen seine rennenden Füße stieß. Das nächtliche Kurast. Hastig wandten sie sich oft um. Hinter ihnen in den Straßen war Geschrei.
Plötzlich erstreckten sich die alten Grenzplätze vor ihnen, wo früher Wasserbecken den Urwald ferngehalten hatten.
Sie rannten weiter, entlang neuer Kanäle, und nach Ewigkeiten erschien eine Borte zwischen den Häusermassen, dunkler Wald, aus dem sich Wasser speiste. Der Kanal stieß von hier an zwischen dichtstehenden Häusern hindurch, zu Fuß nicht weiter zu verfolgen, und verschwand schließlich im Wald.
Zwei große Tempel ragten links und rechts von ihnen auf, und vor diesen sich aufhaltende Priester hatten sie schon entdeckt und machten geräuschvoll Aufhebens darum. Gehetzt schossen sie Blicke umher und rangen nach Luft. Weit von hinten kamen fackeltragende Schatten durch die Straßen gerannt. Überall in dem offenen, schlaflosen Kurast musste man sie bemerken.
„Diese Stadt hat ihre Augen jetzt überall“, zischte der Nekromant.
Das wieder abgesetzte Mädchen hielt sich eng an die Magierin, die wie sie alle durch das Gepäck belastet war. Seine kleinen Hände gruben sich in die Falten ihrer Hose.
„Wohin, Hadan?“ Die Augen der Jüngeren behielten die sich unaufhaltsam nähernden Verfolger beständig im Blick. Unweit schlug etwas hart und hölzern gegen eine Säule. Die Männer hinter ihnen setzten Bolzenwaffen ein.
Der Angesprochene wandte rasch den Kopf überall hin. „In den Wald!“ kommandierte er dann rau. „Durch die Kanäle!“ Das Geschrei sich nähernder Priester wurde lauter.
Die Bewegung der Gruppe riss ihn mit, wie sich ein Tier dem Lauf der gesamten Herde gedankenlos anschließt, und so warf sich Menrad neben den Anderen vornüber in das tiefe Wasser.






Das Wasser schlug lau und schwarz über ihr zusammen.
In aller Hast und Not froh, wenn es das Blut mit sich nähme, tauchte Eya einmal ganz unter. Dann kam sie hoch und sah sich nach den Anderen um.
Gerade und geregelt, in teils von Stufen eingefassten langen Becken, durchstach der Kanal das Gewirr der Häuser, hier mehr ein Abwasserlauf als eine Zierde wie im alten Teil von Oberkurast. An mehreren Stellen spannten sich flache Brücken darüber. Nach einigen hundert Fuß löste er sich in Waldfinsternis auf, über der der Nachthimmel wartete. Wenn sie es nur bis dorthin schafften!
Der Kanal war nicht tief, ihre Stiefel berührten eine glatte Grundfläche. Behindert durch die teils nicht angelegte Ausrüstung, glitten die Anderen durch das schwarze Nass heran, Hadan, der mit raschen Zügen schwamm, zwischen ihm und Ifrah das Kind, dann der Paladin, dem seine Verletzung sichtlich zu schaffen machte.
Fern eilten die Verfolger herbei, Menschen liefen in den Gassen jenseits der Häuser neben dem Kanal her, sich gegenseitig zurufend, wo sie die auffälligen Fremden durch schmale Spalte zwischen den Häusern im Wasser sehen konnten.
Den Mund fest geschlossen, um kein Wasser zu schlucken, warf sich Eya wieder auf den Bauch. Wäscheleinen spannten sich über ihren Fluchtweg. Unter den Brücken war es schwarz, und sie hörte das Keuchen der Anderen, hell dazwischen Maysans tapfere Atemzüge. Wasser schwappte gurgelnd gegen Stein.
Nach einer Weile kam ihnen von unten der Boden näher.
Dunkelheit, die nicht bloße Nacht oder eine weitere Brücke war, fiel über das Wasser.
Der Wald! Ein Flussbett ersetzte unter ihren tastenden Füßen die glatte Einfassung des Kanals. Unablässig zurücklauschend mit mühsam unterdrücktem Atem, schwammen sie in die Waldfinsternis hinein, wateten durch Wurzeln, die sich an ihre Kleider hakten, und zu beiden Seiten säumten Stämme das Gewässer, undeutlich in der Finsternis.
Schließlich arbeiteten sie sich durch wuchernde Wasserpflanzen den Uferstreifen hinauf. Krochen an Land wie Ratten, durchnässt und erschöpft, aber zäh.
Hinter ihnen war nichts mehr zu sehen als das Schattengewirr des Waldes.
„Weiter“, scheuchte Hadan sie auf. Eya half Ifrah mit dem Kind, dann teilten sie eilig das Gepäck neu auf.
Etwas abseits von den Anderen trat die Assassine auf den Paladin zu. Im Dunkeln war von ihm nicht viel mehr zu erkennen als eine große Gestalt, die sich den rechten Arm hielt. Er roch nach Schlick und nassen Kleidern wie sie alle.
„Kann ich Euch helfen?“ fragte sie in Richtung der Augen, die in einem schwachen Strahl Helligkeit aufglänzten. „Eure Waffen wiegen schwer. Wollt Ihr mich etwas davon tragen lassen?“
Die Stimme, die ihr antwortete, klang matt und tonlos, aber abweisend – die Stimme eines Mannes, der unter Schock steht und sich darum um so fester an seine Prinzipien hält. „Diese Waffen sind heilig. Freiwillig gestatte ich niemandem, sie anzufassen. Und Ihr seid eine Frau.“
Dann wandte er sich ab, bevor sie etwas erwidern konnte. Langsam folgte sie ihm, der zur Gruppe aufschloss.
Hadan wartete ein Stück hinter den Anderen auf sie.
Trotz des unausgesprochenen Grauens ihrer Flucht war seine Gegenwart tröstlich, stärkend, und sie tauschten hastige, geflüsterte Worte. Sie beide und auch die Anderen waren bis auf Schnittwunden und leichte Blessuren unverletzt geblieben. Ausrüstung fehlte, ein Dolch, Kleinigkeiten, die auf dem Grund des Kanals liegen mochten.
So rasch sie konnten, drangen sie in den tiefen Urwald vor, Schatten, die sich einen Weg durchs Unterholz bahnten, dann auf natürlichen Pfaden schneller vorankamen. Die Luft stand still und stickig. Nachtvogelrufe klangen geisterhaft über die Blattdächer hin. Dann kam der Mond durch die Wolken und versah die Welt mit fast taghellen, silbrigen Formen.
Der Boden stieg an.
Schweiß ließ die Kleider nicht richtig trocknen, und das Atmen fiel schwer.
Eya sah nach rechts. Aus den Waldteppichen war Kurast aufgetaucht, unter ihnen, die jetzt von einem südlich der Stadt gelegenen Hügel herabsahen auf die riesige Stadt, ein Lichtermeer mit Zierblöcken aus Tempeln dazwischen. Sie standen hoch an den Hängen auf einem kleinen, freien Platz.
Als die Anderen weitergingen nach einem Moment schweigenden Schauens, blieb Hadan zurück.
Leise und unsicher trat Eya an den Nekromanten heran. Reglos ragte seine Gestalt vor der im Tal daliegenden Stadt auf. Von der Seite, ihm gerade bis zur Schulter reichend, blickte sie hoch in sein Gesicht.
Zorn und Trauer fraßen von innen an der Härte seiner Züge, die der Verzweiflung über eine enttäuschte Hoffnung nicht standhalten konnte. Hier kamen unter einem bitteren Irrtum Pfeiler eines ganzen Weltbildes zu Fall und rissen eine Verbundenheit mit sich weg, die einer Heimat, so verstand die Assassine, sehr nah gekommen war.
„Ich weiß jetzt, was du gefühlt hast“, sagte er leise, ohne sie anzusehen, und nahm ihre Worte vorweg, die ihr Mitgefühl kaum fassen konnten, weil ein ähnlicher Verlust hinter ihr lag. „Oft in den letzten Wochen, wenn du schliefst, habe ich dich angeschaut, bemüht, dich zu sehen in der Nacht deiner Flucht. Ich sehe dich jetzt.“
Nie zuvor war er ihr so groß, so nah und verwundbar erschienen. Die eigene Furcht und Erschöpfung fiel von ihr ab, als sie vorsichtig, mit einem leisen Klirren, ihren Leib spannte und seine herabhängende Rechte berührte. Die Hand schloss sich um ihre tastenden Finger, dankbar wie um einen festen Halt.
„Das ist nicht das Ende“, sagte sie, und ihr glückte sogar etwas wie ein Lächeln, als er ihr das Gesicht zuwandte. „Wir sind hier noch nicht sicher. Komm weiter.“
Sie ließ ihn los, wandte sich zum Wald und begann vorauszugehen, entschlossen, die schmalen Schultern gestrafft. Das Gefühl der Scheu verließ sie immer mehr. Wenn der große, schweigsame Mann in ihrem Rücken ihr aus der Verzweiflung des Vertriebenseins hatte helfen können, konnte sie dasselbe vielleicht auch für ihn tun.
Ich liebe dich, richtete sie stumm Worte an ihn, aber sah sich nicht um. Folge mir.
Schon im Dunkel der ersten Bäume hatte er sie eingeholt.





Die Morgendämmerung fand die Gruppe auf einer Lichtung.
Sie waren tief in die Wälder südlich von Kurast vorgedrungen. Nun, da ihre Kräfte ermatteten und sie seit Stunden keine Menschen hinter sich oder ringsum wahrnahmen, wagten sie eine Rast.
Maysan schlief unter einem Baum fast augenblicklich ein. Der Paladin hockte auf einem Gewirr von Brettwurzeln und blinzelte schwach in die zarte Helligkeit, die über die Baumwipfel hinweg langsam Einlass in die Lichtung fand. Er war von Allen im schlechtesten Zustand, die Flucht hatte ihn weit mehr angegriffen als die Gefährten.
Als diese jetzt herankamen, um ihn in die notwendige Beratung über ihrer aller Lage mit einzubeziehen, hingen seine Augen finster an Hadan.
Der Nekromant begegnete dem Blick schweigend. Eben dieses Schweigen aber schien den Verwundeten unerträglich zu reizen.
„Ich werde Euch nicht weiter folgen“, knurrte er. Ifrah sah Hass und Grauen in seinen Augen, doch etwas wie Angst und auch Rücksicht auf das schlafende Kind befahlen ihm offenbar, leise zu sprechen. „Ihr seid nicht besser als diese... was ihr mit Chana... ich...“ Die Stimme versagte dem Dasitzenden, und es war nicht klar, ob sein Zittern bedeutete, dass er dem Nekromanten an die Gurgel wollte oder dass er mit Tränen des Entsetzens kämpfte.
„Was Euch so erschreckt, hat uns befreit, und Euch desgleichen“, entgegnete Hadan eisig. Nur seine Vertrauten ahnten, dass Arroganz und Schuld in ihm stritten und ihn erstarren ließen, wie sie es schon viele Male erlebt hatten.
Die gesunde Hand des Paladins krampfte sich um den Kampfhammer, der neben ihm lehnte, eine wuchtige, fürchterliche Waffe. Etwas wie gesammelte Konzentration, wenn auch wutgefleckt, umgab den Mann.
„Ruhig“, breitete Ifrah die Hände mahnend aus. „Das ist nicht die Zeit für Uneinigkeiten.“
Blutunterlaufene Augen maßen sie mit einem Blick, der deutlich zeigte, wie wenig weit der völlig entkräftete Lichtkrieger davon entfernt war, den Verstand zu verlieren. „Von einer Magierin nehme ich keine Befehle entgegen“, kam es zwischen seinen Zähnen hervor.
„Ihr seid hier nicht unter Eurem Volk, Paladin“, antwortete sie ohne Häme.
Sie war zu erschöpft, um Abneigung oder verletzten Stolz zu empfinden. Mit einem Blick zu ihren Gefährten vergewisserte sie sich, dass es ihnen Recht war, wenn sie hier das Wort führte. „Ihr kennt uns nicht, und wir kennen Euch ebenso wenig, aber die gemeinsame Flucht hat auch Euch vor dem Tod bewahrt. Vielleicht mag dieser Gedanke so weit reichen, dass die uralten Feindseligkeiten zwischen unseren Klassen eine Weile ruhen können. Wenn Ihr nicht bei uns bleiben wollt, so geht.“ Sie wies auf das verschlingende Grün. „Geht, wohin Ihr wollt. Solltet Ihr Euch aber zum Bleiben durchringen können, werdet Ihr Euch daran gewöhnen müssen , dass in dieser Gruppe niemand führt, oder immer der mit der größten Erfahrung.“
Zum Abschluss warf sie ihm die Wasserflasche hin, die gerade unter den Gefährten die Runde gemacht hatte. Einen Augenblick lang regte er sich nicht. Dann hob er sie auf.
„Wohin jetzt?“ fragte Eya in das unbehagliche Schweigen, während Hadan Ifrahs Schulter mit dem saubersten Stück Stoff verband, das zu finden war. Die Augen der Frauen richteten sich auf ihn, und das nur von Vogelrufen unterbrochene Schweigen der Lichtung senkte sich über sie.
Es bedufte kaum vieler Worte, um sich über ihre Lage klar zu werden.
Auch wenn man ihre Spur verloren hatte, war die Alte Stadt vorerst Feindesland, ebenso die umliegenden Orte und Wälder. Nahrung bot der Wald, Geld hatte man ihnen nicht weggenommen, und von Letzterem besaßen Hadan und Ifrah Reserven, die lange hinreichen mochten. Dringlicher war die Frage, was sie tun sollten und konnten.
Die Welt schien weit und unsicher ringsum zu liegen. Um so erstaunter waren seine Gefährten über Hadans Erwägungen, die den Worten des Küsters im Tempel nicht ihre bittere Wahrheit, aber dieser Wahrheit etwas von ihrer absoluten Gültigkeit nahmen.
„Ich weiß nicht, vor welcher Macht wir in Travincal gestanden haben“, teilte der Nekromant seine Gedanken mit. „Aber Kurast überschätzt seinen Wirkungskreis, oder ich kenne diesen Teil der Welt nicht mehr.“
„Was war das?“ ging Ifrahs Stimme leise dazwischen. „Das... dieses Kind... war es wirklich dieses Kind, all diese Macht? Ich weiß, dass ihr Dasselbe gefühlt habt.“ Unwillkürlich huschten Aller Augen zum Dickicht der Bäume, und die Eindrücke der Tempelstadt kehrten bedrohlich zurück.
Hadans Blick richtete sich nach innen. „Nein“, sagte er langsam, gedämpft. „Das Kind ist nur ein Kind, und doch weit mehr. Aber wir waren dort unter Menschen. Seine Macht... ihre Macht, haben sie von einer anderen Quelle.“
„Du sprichst in Rätseln“, sagte Ifrah.
„Das Kind könnte ein Erwählter aus einer alten Küsterkaste sein.“ Der Nekromant atmete tief ein. „Schon vor dem Fall des Rates hat es eine Machtlücke gegeben, denn anders als in Pundar oder Baraidha regiert in Kurast kein Fürstenhaus. Nach dem Sieg über die Großen Übel war es sich selbst überlassen. Die Küster könnten dies als ihre Gelegenheit gesehen haben, einen lange im Verborgenen gehegten Plan endlich umzusetzen. Die Zeit ist gut gewählt... ihr habt gesehen, wie die Menschen sich überall verändert haben.“
Sie sahen sich an. Dies erklärte womöglich den Machtwechsel in Kurast, doch nicht, was die Drahtzieher antrieb und woher sie ihre Macht bezogen, die unleugbar etwas Unmenschliches hatte.
„Wer auch immer dahinter steckt“, fuhr Hadan fort „Kurast ist das geistige Zentrum dieses Kontinents.“ Seine Stimme schwankte leicht. „Ich kann dem nicht den Rücken kehren. Es hat vor Jahrhunderten eine Abwendung von den Schrecklicheren unserer Götter gegeben“ – ohne es zu bemerken, fasste er mit der Rechten nach einem Anhänger auf seiner Brust – „und das zugunsten der Öffnung unserer Welt Richtung Norden und Westen. Aber die Götter, die fast in Vergessenheit geraten waren, sind wieder hier.“ Seine weißen Augen suchten Eya. „Wir haben es gesehen.“
Er sah den düster dasitzenden Paladin an. „Und sie dulden keine anderen Kulte. Schon gar nicht die hellen, ausgeglicheneren, die, in denen ein ‚Licht’ überall hineinscheint.“
Der Paladin hob den Kopf, und irgendetwas in seinen Zügen zog sich zurück und wich einem klareren, nachdenklicheren Ausdruck.
Unwillkürlich war die Gruppe näher zusammengerückt – abgerissene Gestalten mit nassem Haar, müde im heller werdenden Licht.
Da sprach Menrad. „Vor meiner Abreise nach Kurast ließ ich Nachrichten nach Lut Gholein, Lyst und Baraidha senden, auch nach Fadraîs.“ Seine Stimme klang belegt. „Einheiten aus dem Westen werden kommen, falls die Botschaften sie erreicht haben.“
Falls“, warf Eya ein. „Lyst steht vielleicht unter der Kontrolle der Viz-Jaq’Taar, und die anderen Städte sind nicht fern oder es liegt ein Meer dazwischen. Per Schiff versendete Nachrichten dürften leicht aufzuhalten sein.“
„Und selbst wenn Eure Krieger kommen“, richtete der Nekromant das Wort an den Paladin „so weiß niemand, wann, und was sie tun werden. Offener Angriff als Vergeltung für die Vertreibung und Ermordung Eurer Männer? Und gegen welche Stadt zuerst? Nein, vertraut Ihr meinetwegen darauf, aber diese Hoffnung birgt keine Lösung für uns.“
Der Angesprochene machte eine Bewegung, erwiderte aber nichts, und finsteres Nachdenken überzog sein Gesicht erneut mit Schatten. Nicht ohne Mitgefühl warf Ifrah ihm einen Seitenblick zu. Er war einer der Versprengten einer mit erbitterter und feiger Gewalt aus dem Osten vertriebenen Gruppe, ohne Kontakt zu seinen Brüdern oder den Hauptleuten der fernen Königsstadt. Er war allein unter völlig Fremden in einem fremden Land.
Hadans Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Es gibt eines, worin sich Kurast täuscht.“ Die Stille der Lichtung schien sich noch zu verdichten. „Die Hoffnung ist schwach, aber ich werde ihr dennoch folgen.“
Der Nekromant begann, ihnen seine Andeutungen auseinander zu setzen, und Ifrah fühlte, dass sich das Gewicht ihrer gemeinsamen Ausgestoßenheit sacht zu heben begann. Du vergisst, dass du ihn noch nicht sehr lange kennst, dachte sie zuletzt. Und dass er hiervor ein langes, ein sehr langes Leben gelebt hat.
Hadan sprach vom Süden.
Ihnen ging zuerst nicht auf, was er meinte, doch dann ergriff sie wachsendes Erstaunen. Unter Shanghar, in dem vielleicht schon die Trümmer der paladinischen Mission rauchten, unter Baraidha, lag so viel Land, dass es fast nicht vorstellbar war, und hinter all diesen endlos scheinenden Wäldern Pundar und östlich davon die große Insel Mandjab.
Pundar war älter als Kurast, verborgener, vergessener, weil keine direkten Schifffahrtswege dorthin führten, die es mit dem Westen hätten verbinden können. Tiefste Wälder umgaben es, darin aufragend Tempel, gegen welche die Gebäude Kurasts nur kleine Nachbildungen waren.
Dorthin, eröffnete ihnen ihr alter Gefährte, liefen seine Verbindungen zu anderen Vertretern seiner Klasse und zu anderen, meist geringeren Kasten, Verbindungen, denen die Zeit wenig anhaben konnte und die seit jeher nicht viel mit Wegpunkten gemein gehabt hatten.
Kurast mochte der Schmelztiegel des Ostens sein.
Aber es gab noch andere Zentren und weitere Völker an seinen Rändern.
Sie begannen zu begreifen, dass er von möglichen Verbündeten sprach – so wie ihnen die Barbaren Harrogaths und andere Menschen zu Mitstreitern geworden waren.
Lange standen sie im frühen Licht und beratschlagten. Wieder nördlicher oder von hier aus an die Küste zu gehen, wagten sie nicht. Für niemanden von ihnen außer für den Paladin lag im Westen eine Verpflichtung, und er konnte nicht allein über das Meer gelangen.
Der Osten gab sie nicht frei. Nicht, bevor sie nicht versucht hatten, Hilfe in seinen Weiten zu erhalten.
„Ich gehe mit Hadan“, sagte Eya vor Allen. „Wohin sonst könnte ich gehen?“ Diesmal schaute sie rasch genug zur Seite, um etwas von seinem Blick aufzufangen. Es konnte auch sein, dass er ihn nicht mehr verbarg.
„Ich gehe mit euch“, sagte Ifrah. „Vielleicht kann Maysan irgendwo unterkommen, wenn der Süden auch für unsere Gegner so undurchdringlich ist, wie du sagst, Hadan. Und für mich zählt am meisten, bei euch zu sein.“
Nach einer Rast mussten sie bald aufbrechen. Kurast war noch zu nah und der Weg in den Süden weit. Dazwischen lagen die Städte, deren Gesinnung nicht mehr feststand. Mit ihnen mitgehend, mochte Menrad zumindest erfahren, welches Schicksal die Mission in Shanghar ereilt hatte.
Düster, zu geschwächt für langen Widerstand, nickte er, als sie ihm anboten, sie zu begleiten.
Wie sie hatte er keine andere Wahl.
 
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