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[Story] Saqqara

@alle bisher: dankeschön!
@Saturn: ich finds auch einen eigenartigen Zustand... Da würde ich mich mit dir ja gern mal drüber unterhalten.
Hauptproblem: Zeit, ich würde das gern alles zügiger durchschreiben. Aber Zeit fehlt wirklich. (Was man z.B. daran sieht, dass ich bei Episode4 selbstverständlich noch dabei bin, aber die letzten 2 Kapitel noch nicht gelesen habe...)
 
Hm, was soll man da noch sagen?

Begeistert grunzen weil mir die Worte ausgegangen sind?


Ich versuchs trotzdem mal:

Es ist nicht allzu schwer zu erkennen, dass Druiden und Barbaren in etwas Größerem gefangen sind das ihre Schritte und Handlungen lenkt.
Es ist noch nicht klar, was Druiden und Barbaren wirklich gegeneinander aufgebracht hat. Es scheint mehr zu sein als die üblichen Ränke fähiger Agenten, sonst würden die ansonsten eher besonnenen Druiden während des Marsches nicht so planlos selbstmörderisch angreifen und sich aufreiben.

Nur Urel scheint noch einigermaßen bei Verstand aber auch er scheint gefangen in eigener Unschlüssigkeit und gebunden durch die Wurzeln seiner Herkunft die ihm einen vagen Halt in den Zeiten richtungsloser Depression versprechen.

Schön auch zu sehen wie Urel mehr vegetiert als lebt:

-----------
"Vor Ewigkeiten, erinnerte er sich, hatte er mit Hingabe gegessen – dasselbe Fleisch und grobe Brot, das ihm jetzt nur noch als Brennstoff diente."
-----------

und hier:
-----------------
"In Bostacs Augen hing ein trüber, stierer Nebel, aber dann klärten sie sich. Ohne ein Wort des Einhändigen aufzugreifen, begann er zu schreien, die Augen auf Urel gerichtet.
„Sucht alle! Treibt sie zusammen!“ Das Gebrüll ging weit. „Bringt alle lebendig zum Platz!“ "
------------------

Wunderbar, wie unklar bleibt, ob Bostac auf Urel hört oder seine eigenen Ziele verfolgt.

Jetzt höre ich aber mit dem Zitieren auf, sonst müßte ich fast das gesamte Kapitel kopieren.
Ein unglaublich gutes Kapitel mit sehr guten und wieder sehr feinfühligen Beobachtungen.

:)

DV
 
Oh, ein wunderbares Kapitel.
Ich bin sehr beeindruckt. Und irgendwie findet sich wieder diese dämmernde Ungewissheit, wie 'damals' bei dem Kindgott.
Möglicherweise hat der böse Knabe wieder seine Finger im Spiel bei dem grausamen Spiel mit den Druiden und Barbaren?
Fragen über Fragen, auf die hoffentlich bald eine Antwort gegeben wird.
Ich könnte fast meinen, dass der dieses Kind sehr viel mit den allgemeinen Geschehnissen auf der Welt zu tun hat.

Aber zuerst möchte ich wissen, wie die Sache mit Urel ausgeht.
Deine Charaktere tragen überhaupt sehr menschliche Züge, was mir sehr gefällt, aber Urel ist bis jetzt mein Lieblings-Krieger. :)

PS: Welche Farbe der Ampel nimmst du denn an? Oder besitzt du die Fähigkeit, regenbogenfarben zu strahlen? ;)

Oh, außerdem möchte ich auch einen Laut der Bewunderung ausstoßen, ganz nach Dame Venusias Beispiel: Miau!
 
*sitzt ganz geduldig und wartet daumendrehend auf eine Fortsetzung*

Es ist noch nicht mal sicher, ob der Kindgott die einzige ,,neue Macht" in der Welt ist. Vielleicht tummeln sich hier noch mehr Wesenheiten, die nun wie in einem großen Schachspiel die Völker gegeneinander hetzen.

Warten wir erst mal ab, wie Urel zu der anderen Gruppe stößt (und umgekehrt)

*fängt an, nervös mit den Knien zu wackeln*
 
Wenn ich mal ein bisschen spekulieren darf, dann vermute ich mal, dass urel und die druidin Freunde werden und vielleicht dann später noch mit zum hauptteil dazu stoßen - dann fehlt theoretisch nur noch eine Amazone in der Gruppe :)

>Es ist noch nicht mal sicher, ob der Kindgott die einzige ,,neue Macht" in der Welt ist. Vielleicht tummeln >sich hier noch mehr Wesenheiten, die nun wie in einem großen Schachspiel die Völker gegeneinander >hetzen.

hört sich gut an... mal sehen :)
 
Ich lese jetzt schon ein weilchen Still mit, und ich muss sagen:

Ich bin beeindruckt.
Wirklich eine sehr schöne und durchdachte Geschichte, mit ausgefeilten Charakteren, überraschenden Ereignissen und detailieten Beschreibungen.

Grosses :top: von mir.

Freue mich aufs weiterlesen.
 
mittlerweile guck ich hier im Durchschnitt dreimal täglich rein...und zieh jedesmal die Mundwinkel runter wenn ich keinen neuen Lesestoff bekomme...
 
Ich habe bis jetzt alles Verfügbare dieser Geschichte gelesen und bin ganz gespannt, wie es weitergeht. Es gibt so viele Fragen, auf deren Antwort ich warte.

- Was geschiet in der Hütte zwischen der Druidin und Urel
- Trifft sich die alte Gruppe
- Wie geht die Reise in den Süden weiter
- Wer oder was ist die neue Macht

Außerdem finde ich die Weiterentwicklung der Charaktere zwischen dem ertsen und dem zweiten Teil der Geschichte toll.

Bitte schreib weiter.
 
Hi,
so, ich muß jetzt auch mal meinen Senf dazugeben......
und ich kann einfach nur sagen.......*wow* *geil* *wow*

Ich hab mir jetzt den Gipfel der Welt und alles hier verfügbare durchgelesen.
Ich konnte zwischendurch gar nicht mehr aufhören zu lesen.

Du hast hiermit einen neuen Fan gefunden.

Grüße
amunthep
 
Nochmals liebe Grüße an alle; tut mir leid, dass noch kein neues Kapitel da ist. Momentan gehen Unmengen Zeit für meine Abschlussarbeit drauf.
Drei Viertel des neuen Teils stehen aber schon, und just heute Abend werde ich mich wieder dransetzen. :hy:
 
Lass dich nicht zu sehr hetzen. wir wollen doch ein weiteres kapitel im hervorragenden reeba-stil und nicht irgendwas. solch gigantische qualität braucht einfach ihre zeit.


Gruß, Helldog
 
also die story gehöhrt meiner meinung nach in die top3 der storys in diesem forum wär schade wenns jetz nachlassen würde weil du dich hetzt!
lass dir aber trotzdem net zuviel zeit

grüße an alle die den clan STYLE kennen !
:rolleyes:
 
Bin schon da!






XIX. Die Freiheit der Jäger





Die Hütte war klein.
Viel Raum, um vor der angreifenden Druidin zurückzuweichen, gab es nicht. In den Bruchteilen des Augenblicks, bevor sie auf ihn losstürmte, zollte seine Kriegernatur ihr unwillkürlich Respekt. Sie war viel kleiner als er.
Mit einem wütenden Laut warf sie sich ihm entgegen. Sein inneres Auge maß die Lage – die Keule in ihrer Rechten war eine wuchtige, ernstzunehmende Waffe, deren entsetzlichem Niederkrachen er entgehen musste.
Das Bild des erschlagenen Druiden suchte ihn heim. Es war zu spät für eine Taktik. Die Hüttenwand stieß ihm in den Rücken, er konnte nur noch reagieren. In einem Bogen, durch den er flüchtig ein in Zorn und Angst verzerrtes Gesicht sah, kam die Streitkeule heran. Der dumpfe Klang, mit dem sie die Luft verdrängte, füllte die ganze Hütte.
Er riss die Linke hoch, den Stumpf mit der anderen Hand stützend. Heftiger Atem, unter dem Gewicht zweier Menschen knarrende Dielen – dann schlug die Keule auf. Eisenverstärkungen, die er beim überstürzten Hinsehen nicht bemerkt hatte, gruben sich in das Schutzleder. Urel stöhnte auf. Der Hieb pflanzte sich durch den getroffenen Arm fort bis ins Mark, und nur der Massigkeit seines Leibs hatte er zu verdanken, dass die Keule nicht die Deckung durchbrach und seinen Schädel zertrümmerte.
Im Nachbeben des Schlages standen sie einen, zwei Atemzüge lang, als rängen sie miteinander. Der Kampf hier mochte einer der letzten vor der endgültigen Übernahme des Dorfes sein, schoss es Urel durch den Kopf.
Dann ließ er das Schwert fallen.
Seiner Gegnerin wurden beide Hände vom Gewicht der abgelenkten Waffe nach unten gezogen, und er hatte alle Zeit, die er brauchte.
Seine Faust traf sie am Jochbein, seitlich zwischen Wange und Ohr. Im Fallen riss sie einen Stab mit um und schlug lang auf dem Boden auf.
Mit zwei Schritten war er an ihrer Seite, kniete sich nieder und fühlte ihren Puls mit dem Zeigefinger, das Schwert wieder in der Hand. Sie war noch halb bei Bewusstsein, aber wehrlos. Seine Berührung rief ein mattes Zucken ihrer Glieder und ein leises Ächzen hervor. Selbst dieser unterdrückte Laut klang eher angriffslustig als klagend.
Die Keule lag nahebei. Er brauchte sie nicht erst anzuheben, um zu sehen, wie schwer die Waffe war.
Er kniete noch in eigenartiger Starre neben der außer Gefecht gesetzten Gegnerin, reglos zwischen dem Nachzittern der Verwunderung und dem wiederkehrenden Unbehagen, als von außerhalb der Hütte Rufen ertönte.
Urel wand einen Strick, den er immer unter dem Gürtel trug, los. Dir binde ich besser die Hände. Die Druidin lag still, doch ihre Lider flatterten. Du bist imstande und versuchst es ein drittes Mal, gleich in welchem Zustand.
Erst als ihre Hände gefesselt waren, trat er aus der Hütte.
„Bruder“, ein Barbar mit geschulterter Axt spähte draußen in alle Winkel, „wir haben alle zusammengetrieben. Ich suche nach Entkommenen.“ Den dunkelhaarigen, bärtigen Mann umgab Wachsamkeit, aber keine Mordlust. „Hast du noch jemanden dort?“
„Eine Frau.“ Urel trat wieder in die dämmrige Hütte. Niemand sonst schien sich hier aufzuhalten.
Gemeinsam trugen sie die Druidin zum Dorfplatz.
Dunkelheit war hereingebrochen, aber Fackeln schufen die gewöhnliche Beleuchtung einer abendlichen Siedlung. Die meisten Hütten waren noch erhellt, standen so, wie die Eindringlinge sie vorgefunden hatten. Nur die fehlenden Bewohner zeigten die Wahrheit an. Wir sind hier die Angreifer.
Zur Dorfmitte hin waren zwischen den Hütten mehr und mehr Barbaren zu sehen. Sie hielten Wache vor Häusern oder Orten, an denen mehrere Druiden zusammenhockten, gefesselt zumeist. Auf dem Platz selbst hatte man viele Dörfler zusammengetrieben. Manche waren bewusstlos oder verwundet. Urel sah einige männliche Druiden, in der Mehrzahl aber Frauen, junge und alte, und viele Kinder.
Bostac kam ihnen durch den Feuerschein entgegen. Auf seinem nackten Arm leuchtete nass ein blutiger Schnitt, sein Gesicht aber war fest und gelassen. „Alles ist ruhig“, sprach er Urel an. „Wenigstens im Augenblick.“ Dann, näher herantretend, senkte er die Stimme. „Wir müssen reden, Freund. Eine Zusammenkunft, später, aber nur unter Ausgewählten. Nicht alle Männer sind zufrieden damit, wie der Abend verlaufen ist.“
Urel nickte. Müdigkeit fasste nach ihm, aber überrascht war er nicht.
Es waren gefährliche Stunden. Mit klareren Köpfen mussten sie jetzt weiter vorantreiben, was sie eben erst begonnen, herbeigebogen hatten. Ein anderer Weg – wenn wir ihn nicht suchen, tut es niemand.
„Ich komme sofort“, erwiderte er. Die Augen der Männer trafen sich offen. Noch, wusste Urel, konnte er sich Bostacs nicht sicher sein. Doch dass dieser hier vor Grausamkeiten zurückschreckte, war eine vage Hoffnung.
Die Druidin trugen sie in eine größere Hütte nah am Platz. Im Innern gab es einen geräumigen Verschlag, ähnlich einem Käfig. Die Ahnen mochten wissen, wofür er sonst gedacht war, doch hier kam er ihnen zupass. Nicht nur, weil er ihre Angriffslust bedachte, legte Urel sie dort mit Hilfe des anderen Barbaren ab. Er hatte gesehen, dass ihrem Transport viele, ja nahezu alle Blicke gefolgt waren. Die Dorfbewohner hatten nicht verbergen können, dass diese Frau offenbar einen besonderen Rang einnahm, und es schien ratsam, sie abseits gefangen zu halten.
In der Hütte brannten Kerzen. Der junge Barbar verschloss den Verschlag und wandte sich nach draußen. Nachdem er mit Bostac gesprochen hatte, würde er wieder nach der Druidin sehen.






Eben war ein heller Halbmond aufgegangen.
Die flackernd beleuchteten Hütten standen in der tiefen, samtigen Nacht wie Menschen, die um ein Feuer zusammengerückt sind.
Zum dritten Mal drehte Urel eine Runde durch das Dorf. Der Schein des Feuers war hier, bei den äußeren Hütten, nur schwach. Er reichte eben, um Gestalten in der nahen Dunkelheit erkennbar zu machen.
Gruppen von Barbaren durchstreiften seit Nachtbeginn die Umgebung und hielten Wache in der Wildnis. Niemand sollte sich dem Dorf überraschend nähern können. Sie waren vorsichtig, wussten sie doch kaum etwas über diese Gegend und die wahre Anzahl der hier lebenden Menschen. Weiter südlich siedelten zwar auch Barbaren, doch waren dies Stämme, die ihnen beinahe schon als Feinde galten, Verräter, die mit den Druiden gemeinsame Sache machten.
Einige Männer grüßten Urel, als er vorbeischritt. Andere standen zusammen und besprachen sich leise. Es war ruhig, doch etwas wie verborgene, aufgestaute Wut lag in der Luft.
Von Bostac wusste Urel, dass die Kupferclanmänner zumeist einverstanden damit waren, das Dorf besetzt zu halten und weiteren Schaden auf beiden Seiten zu verhindern, bis sich klärte, ob mit den Druiden zu reden war. „Wir wollen, dass die Druiden ihre Schuld eingestehen“, hatte der Dorfbarbar gesagt. „Und wir müssen den Wald als Jagdgebiet verteidigen.“ Es war ihm sichtlich schwer gefallen, die Notwendigkeit von Zugeständnissen auch von Seiten seiner Leute zu sehen. Doch er hatte sich durchgerungen, die Kinder und die Alten im Blick. „Wenn sie uns in Frieden lassen, werden wir dasselbe schwören.“
Auf Urels Fragen über den Felsblock im Wald hatte er nicht geantwortet.
Es blieb nur, auf eine Annäherung beider Seiten zu hoffen.
In der Dorfmitte lagerten die Barbaren, ruhend oder wachend. Unter einem mächtigen Baum, der den Platz zum Teil überschattete, saßen gefesselte Druiden, nur locker gebunden, so dass sie sich auch niederlegen konnten. Einige schliefen, andere starrten in die Flammen oder düsteren Blicks auf die hünenhaften Besetzer.
Die Druiden waren meist weniger schwer gebaut, magerer und nicht so breitschultrig wie ihre Kontrahenten. Dennoch musste jeder Mensch auf Sanktuario erkennen: hier saßen zwei einander eng verwandte Völker.
Die kleinen Kinder hatte man nicht gefesselt. Eingeschüchtert, müde von den plötzlichen Schrecken des Abends, hielten sich viele an ihre Mütter. Ein oder zwei Mutige aber liefen herum.
Urel sah eines, das kaum schon laufen konnte, auf krummen Beinen von seiner Mutter weg- und zu einem riesigen, kahlgeschorenen Mann hinschwanken, der nahebei saß. Die Frau hielt es nicht auf, zu erschöpft vielleicht, um auch nur den Kopf zu heben. Dem Kind wandte sich ein breites, stark tätowiertes Gesicht zu. Es sah indes nicht dort hinauf, sondern streckte, halb aus Neugierde, halb Halt suchend wohl, die Händchen nach dem blanken Schwert aus, das der sitzende Barbar vor sich aufgestützt hatte.
Nichts regte sich im Gesicht des Hünen. Dann nahm er langsam das Schwert weg, und bevor das Kind fallen konnte, dem sich entfernenden Eisen hinterhertappend, hielt eine große Hand es auf.
Der Barbar, der vor der größeren Hütte wachte, grüßte Urel. Es war derselbe, der ihm beim Tragen geholfen hatte. „Wir haben noch mit keinem von ihnen sprechen können, Bruder“, sagte er leise. Sein Name war Malic. „Es ist nicht aus ihnen herauszubekommen, wer sie führt.“
„Wo ist Bostac?“ fragte Urel. Er mochte den älteren, bärtigen Krieger und sein bedächtiges Temperament.
„Südlich, bei den Posten. Du sollst versuchen, was du kannst, ließ er dir sagen. Vielleicht hilft dir eine gute Hand.“ Malic drehte den Kopf zur Türöffnung. „Sie hat sich kaum gerührt.“
Nach einem freundschaftlichen Schulterdruck bückte sich Urel unter dem Türsturz hindurch. Sofort, als er die Hütte betrat, beschlich ihn ein Gefühl, das er sich nicht erklären konnte.
Die Druidin lag auf der Seite, halb im Schatten der Streben des Verschlages, und rührte sich nicht.
Sein Blick wanderte zu ihrer Waffe, die an der Wand lehnte. Die Keule war gut so lang wie sein Arm und lief in ein verdicktes Ende mit eingelassenen Eisenverstärkungen aus. Sie ragten heraus wie spitze Schwellen und unterstützten verheerend jeden Treffer.
Er sah zu der Liegenden hinüber. Sie war noch jung. Das schwache Licht zeigte ihm einen kräftigen Körper, glatte, nackte Beine. Lockiges Haar breitete sich lang auf dem Boden aus und verdeckte ihr Gesicht. Ihre Haltung war die eines Menschen, der matt vor Verzweiflung ist.
Sie mochte klug sein, verkannte aber sein Gespür, das weit geschulter als sein Denken war. Ihn konnte sie nicht so leicht täuschen. Weder war sie eine beliebige, schon besiegte Frau aus dem Dorf, noch schlief sie.
Sein Atem war seltsam eng.
Vielleicht ging eine Verlorenheit von ihm aus, ein Widerwille gegen die brutale Wucht, die ringsum den Lauf der Dinge bestimmte. Vielleicht war es auch nur das nachdenkliche Schweigen, mit dem seine riesige Gestalt die Hütte beherrschte.
Als er sich nach einigen unschlüssigen Schritten durch die schlichte Behausung wieder zu ihr wandte, hockte die Druidin auf den Fußballen. Ihr Haar fiel ihr nicht länger über das Gesicht, und sie beobachtete ihn.
Eine Weile lang war es sehr still.
Urel fühlte, wie alle Schuld und alle Angst vor dem Schicksal der Welt in ihm zusammenlief, niederdrückend, überschwer, und ihn lähmte. Auch Scham war dabei, weil er ohne Recht auf der freien Seite eines Gefängnisses stand.
Schweigend sahen sie sich an, misstrauisch. Von der Druidin ging Wachsamkeit aus und, der Wildheit zum Trotz, mit der er sie hatte kämpfen sehen, etwas wie Würde. Wie sollte er nur das Wort an sie richten? Urel hatte nie zuvor Verhandlungen geführt. Im Kampf war er stets vorangegangen, doch das Reden hatten Andere übernommen, Ältere, Wortgewandtere.
Unsicher langte er nach einem Schemel, um sich zu setzen.
„Du bist der Barbar, der mich niedergeschlagen hat.“
Die Stimme bewirkte, dass er sich aufrichtete, den Schemel noch in der Hand. Dann, ohne den Blick von den aus dem Verschlag glimmenden Augen zu nehmen, stellte er ihn ab.
Die Augen besahen ihn. Er musste gegen den Impuls ankämpfen, die linke Seite seines Körpers zu verbergen.
„Ja, du bist es.“ Die Stimme war ruhig, ohne Feindseligkeit. Dann klang sie verwundert. „Du hast nur eine Hand“, stellte sie fest. „Warum haben sie dich nicht verstoßen?“
Für die Dauer eines Atemzuges war es Urel, als müsse er in die Knie gehen.
Er blieb gebrandmarkt unter einem Volk, dessen Verstümmelte sich lieber in einen Abgrund stürzten. Es war ihm gelungen, dieses Bewusststein unter seinem neuen kriegerischen Weg zu begraben, herauszutreten aus dem unmittelbaren Schmerz und der selbstgewählten Verbannung. Und jetzt reichte die Frage einer Frau, um die frische Kruste des Vergessens wieder wegzureißen. Sie brauchte ihn nur anzusehen, um zu verstehen.
Die Rechte geballt, fühlte er die namenlose Pein der Vergangenheit ihn streifen, hörte sie beinahe, ein dröhnendes Hallen aus der Tiefe des Bodens und der Zeit. Mit Mühe drängte er es weg, und das raubte ihm die Kraft, zu antworten. Er hätte ohnehin nicht gewusst, was.
Das lange Schweigen auf der anderen Seite, schien ihm, nahm seinen Zustand ohne Verächtlichkeit an.
„Den meisten Bewohnern eures Dorfes geht es gut“, konnte er sich schließlich einen Anfang abringen. Seine tiefe Stimme klang ihm eigenartig in den Ohren. „Es ist jetzt ruhig überall.“
„Wie viele wurden getötet?“ Die Druidin hatte ihre Position leicht verändert, ein breiter Lichtstreifen fiel jetzt auf ein glattes, ernstes Gesicht.
„Drei...“ Er fand es unsagbar schwer, die Antwort in dieses Antlitz hineinzusprechen. Die zahllosen Erschlagenen der vergangenen Tage wagte er nicht zu erwähnen.
„Das sind drei zuviel“, kam es zurück.
Kurz zweifelte er, bedachte er auch ihren wilden Angriff, ob sie ihm ihre Ruhe nicht vorspielte oder ihr Geist verwirrt war. Ihr Gehabe aber wirkte natürlich. Sie mochte der Schlüssel zur Verständigung sein. Kurz wünschte er noch einmal, jemand Redegewandteres wäre an seiner Seite.
Dann sagte er: „Wir sind nicht gekommen, um mehr Unfrieden zu stiften. Wir wollen den Zwist um das Land beenden.“ Und den Wahnsinn.
„Und darum tötet ihr unsere Leute?“ Ihre Stimme war jetzt nicht mehr ruhig. „Die Erde soll dich verfluchen, Barbar! Das sagst du mir, auf der anderen Seite dieses Gitters und mit Blut an deinen Händen?“ Ihre Fäuste packten zwei Streben, die erzitterten. Sei froh, dass du auf der anderen Seite stehst, blitzten ihre Augen. Flüchtig meinte Urel, Tränen darin gesehen zu haben.
„Ich kann nicht für alle Männer sprechen“, antwortete er leise. „Ich führe sie nicht an. Die Toten sind unsere Last, ja.“ Riesig und bedrückt ragte er im Kerzenlicht auf. „Aber der Irrsinn ist nicht allein auf unserer Seite.“
Es mochten das Bedauern und die Angst auf seinen offenen Zügen sein, die seinem Gegenüber in aller Bitterkeit nicht entgingen. Sie verfiel in Schweigen, wartend, was er noch zu sagen hätte.
„Ich bin nach langer Zeit in das Gebiet des Kupferclans zurückgekehrt“, fuhr er fort „und ich erkenne meine Heimat kaum wieder.“ Warum er so unverblümt sprach, wusste er nicht. Es schien einfach richtig. „Die Barbaren leiden unter dem Unfrieden. Genauso wie ihr, auch wenn sie schnell töten in diesen Tagen.“ Vorsichtig suchte er eine Verbindung zu den Augen im Verschlag. Immer noch war es ein verschleiertes Ansehen voller Misstrauen. „Aber auch die Druiden greifen ohne Rücksicht an, ich habe es gesehen. Es heißt, Barbaren seien in der Nähe zu einem... Heiligen Ort attackiert worden, weil sie ihm nicht genug Respekt zeigten, und weil sie mit eurem Volk streiten, wem dieser Ort gehört.“
Kurz blieb es still im Verschlag. „Das hat man dir erzählt?“ kam es dann.
Urel regte sich unbehaglich. Er sah die Druidin sich aufrichten, so weit es ging.
„Ich will dir eine andere Lesart der Geschichte zeigen, Barbar.“ Die Schärfe der Verbitterung färbte die Frauenstimme. „Demnach wurden drei Männer, die für alle Druiden in diesen Tälern sprachen, aus einem Barbarendorf, wo sie um Gehör baten, mit Gewalt vertrieben – mit solcher Gewalt, dass einer von ihnen dem Tode nahe war, ehe sie ihre Leute wieder erreichten. Er starb bei dem Heiligtum. Die Anderen hielten Wache bei ihm. Sie warteten auf ein Zeichen seiner Seele, ob er in die Erde gesenkt oder wie alle Friedlosen auf einem Baum bestattet werden sollte.“ Die Verstrebungen des Verschlages knarrten. „Aber es kam lange kein Zeichen. Dann waren Barbaren da. Sie wollten nicht sehen, dass sie eine Seelenstunde störten. Sie lärmten um den Platz und bedrängten die Männer, zu verschwinden.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Das mag das Blutvergießen ausgelöst haben.“
Urel dachte an die roten Flecken auf dem Felsblock tief im Wald.
Es gibt keine gemeinsame Wahrheit. Ehe wir uns nicht auf Gesetze einigen, die für alle gelten, wird es sie auch nicht geben. Blut und Rache – wird das der Weg unserer Völker sein?
„Ich war nicht dabei“, sagte er gedämpft in Richtung der kauernden Gestalt. „Aber die Friedlosigkeit quält mich.“ Wie konnte er nur in Worte fassen, was er über diese Stunde dachte? „Muss das nicht allen so gehen? Diesen Wahnsinn dürfen wir nicht zulassen.“ Ohne es zu merken, straffte er sich. „Das ist nicht die Heimat, die ich kenne. Dafür habe ich nicht gekämpft.“
Er brach ab. Doch auch im Dunkel des Verschlages schien jetzt Unsicherheit zu herrschen.
„Eines der Kinder von Fiacla-Géar täuscht man nicht leicht über wahr oder unwahr“, sagte die Druidin dann. „Ich glaube dir deine Worte, Barbar. Frag mich nicht, warum. Vielleicht, weil dich wie ein Schatten umgibt, dass du gegen Dämonen gestritten hast für das Wohl unserer Welt.“
Urel stand wie erstarrt.
Bevor er aber erwägen konnte, ob die Frau hinter dem Holzgitter eine Seherin war, ein Geist, der ihn mit Fingerzeigen auf sein Gestern narren und verwunden wollte, oder eine rätselhaft verwandte Seele inmitten den Weiten eines beginnenden Krieges, endete ihre Unterhaltung abrupt.
Bostac, Malic und zwei weitere Männer betraten die Hütte. Einer der Männer war jener, der vor dem Angriff die Kämpfer aufgestachelt hatte, und Urels Gesicht verfinsterte sich. Männer wie dieser lebten für den Krieg.





Selbst bei der Begrüßung waren die Gesichter ernst, und deutlich war zu spüren, dass unter den Männern über irgendetwas Uneinigkeit herrschte.
„Wir müssen reden“, begann Bostac ohne Umschweife. Es schien ihn nicht zu stören, dass die Druidin alles Gesprochene würde mitanhören können. „Nicht alle Männer sind einverstanden mit der Lage.“ Hier kam aus der Richtung des Barbaren, dem Urel instinktiv nicht traute, ein kehliges Knurren.
Bostac wandte diesem den Kopf zu, hielt die Augen aber auf Urel gerichtet.
„Agrat hier, der für den Rotwaldclan spricht, und seine Leute sind unzufrieden. Wir haben-„
„Unzufrieden?“ Der Genannte polterte dazwischen, zu aufgebracht, um die Sitten des Wortwechsels unter gleichrangigen Kriegern zu achten. „Wir sitzen auf diesem Haufen von Wechselbälgern, zwischen ihren Hütten, wie eine schöne Beute! Das ist Irrsinn! Wenn auch nur einer entkam, werden Hunderte zurückkommen.“ Er machte eine heftige Geste der Entrüstung. „Und wozu? Nicht einmal unsere Rache haben wir gehabt! Befriedet haben wir das Gebiet nicht!“
Urel sah den Aufgebrachten prüfend an. Unbeherrscht wirkte Agrat, aber nicht nur aus bloßer Wut, sondern eher, als habe er eine Aufgabe nicht erfüllt. Eine Aufgabe von dritter Seite? Stecken die Stämme weiter westlich dahinter?
„Ich teile eure Unruhe“, antwortete Bostac „aber nicht den Rachedurst. Nicht mehr. Du und deine Männer – wollt ihr hinausgehen und alle Leute da hinschlachten?“ Unwillkürlich spannten sich alle Anwesenden und tasteten nach ihren Waffen. Generationen relativen Friedens hatten ihr Volk nicht unempfindlicher gegen hitzige Worte gemacht. „Versucht es, sage ich!“ Auch Bostacs Stimme hatte jetzt etwas offen Drohendes. „Wir werden euch daran hindern!“
Agrat rückte von den anderen Männern ab, langsam, Schritt für Schritt. Seine Augen blitzten. „Ihr nennt euch Kinder von Bul-Kathos?“ Blanker Hass zischte zwischen seinen Zähnen. „Nichts weiter als Verräter seid ihr!“
Für einen Moment sah es aus, als wolle der Faden, der alles noch zusammenhielt, reißen. Urel packte seinen Schwertgriff fester.
Dann, rascher als erwartet, war Agrat aus der Hütte hinaus und verschwand in der Nacht.
„Das ist ernst“, ließ sich als Erster Malic in seiner langsamen Art vernehmen.
Die Fäuste der Männer lösten sich von den Waffen. Wer bislang nicht hatte sehen wollen, wie nah ihr Zusammenschluss dem Zerfallen war, begriff es jetzt.
„Sollten wir ihm nicht nach?“ Der Barbar, der bislang stumm geblieben war, wies mit dem Kopf in die Nacht.
„Nein. Ihn aufhalten zu wollen, würde mit einem Kampf enden, und ehe wir nicht mehr über die Lage wissen, sollten wir das nicht wagen.“ Die Anstrengungen des Nachdenkens malten sich auf Bostacs Zügen. Um sie alle, dachte Urel, war das Schweigen und Unbehagen einer unklaren Situation. Seine Erfahrungen mit den anderen Völkern befähigten ihn, es deutlicher als die Umstehenden zu sehen. Uneinigkeit. Verbündete und Feinde, die nicht daran dachten, dies zu bleiben. Das waren Dinge, die die schwache Seite der harten Barbarenkrieger zum Vorschein brachten.
„Ihr habt diese Lage doch bewirkt.“
Die Männer drehten sich um. In ihrem Schatten waren von der eingesperrten Druidin nur die Augen und die Hände zu sehen, die um die Streben fassten.
„Du bist das Oberhaupt des Dorfes.“
Mit Bostacs Feststellung wurde Urel bewusst, dass er es seit den ersten Atemzügen ihres Kampfes gewusst hatte.
Die Druidin reckte sich im Licht, das auf sie fiel, als die Männer auseinander traten, um sie besser sehen zu können. „Ich bin seine Mitte“, erwiderte sie ruhig.
„Mich kümmert nur, ob du für sie sprechen kannst.“ Bostacs Worte kamen grob.
Unbeweglich dastehend, wach und gespannt wie zu Zeiten seiner größten Kämpfe, sandte Urel ein Stoßgebet an die Ahnen. Diese Gelegenheit durfte nicht ungenutzt verstreichen.
„Ja, Barbar“, gab die Druidin zurück. „Das kann ich.“ Auch ihr war anzuhören, dass sie sich eher mühsam von zornigen oder beleidigenden Worten zurückhielt. „Und für wen sprichst du?“
Nach einem Zögern nannte Bostac seinen Namen. „Ich spreche für das Dorf, das von Druiden überfallen wurde, und für den Zusammenschluss mit dem Kupferclan. Wir sind gekommen, um die Frage des Landes zu klären, und um Rechenschaft zu fordern.“
Etwas gleich einem Lachen, doch sehr verzerrt, sprang die Männer aus dem Verschlag an. „Rechenschaft.“ Selbst das Lachen verdirbt in diesen Tagen, dachte Urel, der die Laute der Frau hörte. „Das ist gut gesagt, Barbar. Leicht gesagt, und seltsam klingt es, wie du zugeben musst, mit all diesen Männern da draußen und uns in Fesseln.“
Die Spannung in der Luft verdichtete sich noch.
Unerwartet mischte sich Malic ein, behutsam, als sei er sich nicht sicher, ob er sprechen dürfe. „So kommen wir nicht weiter.“ Aller Augen gingen zu ihm, der jetzt die Hände ausbreitete. „Die Ahnen, heißt es, wägen ab, bevor sie über das Schicksal von Menschen entscheiden. Wir nennen uns ihre Kinder – sollten wir da nicht dasselbe tun?“
In die Stille hinein, die nun folgte, murmelte Bostac: „Unsere Freiheit ist es, zu entscheiden. Sonst gibt es wenig, auf das wir noch stolz sein können. Etwas Dunkles ist über uns allen. Darum habe ich auf Urel gehört. Ich will diese Freiheit nicht verlieren.“
Im Gesicht der Druidin sah Urel widerstrebende Bewegung.
Es stellte sich heraus, dass vom Kupferclan bereits die meisten Männer durch Streit mit ihren Gefangenen von den verschiedenen Lesarten des Vorfalls am Heiligtum der Druiden erfahren hatten. Sie wussten nicht mehr, was sie glauben sollten. Bostac hatte sie angewiesen, weiter Wache zu halten und Acht auf alles zu geben, was sie hörten – ganz gleich, von welcher Seite. Unruhe schlug immer höher, nun, da es klar war, wie es um den Zusammenschluss stand.
„Er löst sich auf. Wir müssen wachsam sein“, sagte Bostac ernst.
Hinter dem Barbaren, im Rahmen der Tür, warteten die Wachfeuer und die grenzenlose Nacht. Die Dunkelheit schien passend für die ins Stocken geratenen Schritte der Barbaren.
Die Männer des Rotwald- und viele des Keilerclans hatten sich an den Rand des Dorfes zurückgezogen, und es wurde berichtet, dass immer wieder Gruppen von ihnen verschwanden – in die Finsternis, in den Wald, niemand wusste, wohin. Auf Fragen antworteten die finster Verbleibenden, ihre Brüder zögen zurück in ihre Dörfer. Aber das war eine offensichtliche Lüge.
„So weit sind wir also“, brummte Bostac. „Männer, mit denen wir gestern noch Seite an Seite gekämpft haben, sprechen die Unwahrheit. Wer weiß, was sie planen. Aus den Verbliebenen werden wir nichts herausbekommen ohne Gewalt, und solange wir das Dorf besetzen, müssen wir ein Losschlagen verhindern.“ Die Barbaren sprachen jetzt ganz offen, niemandem stand mehr der Sinn nach umständlichen Verhandlungen. Die Fronten waren schon zerrissen, viel zu verbergen, viel zu retten gab es nicht mehr.
„Dann lasst uns doch frei!“
Obwohl energisch, hatte die Stimme der Druidin mittlerweile auch etwas Bittendes. Urel streifte die Erinnerung an den einzigen Druiden, den er gekannt hatte... damals... und wie enge Räume und Bewegungslosigkeit diesen stets nervös und beinahe wild gemacht hatten.
Kein Volk liebt die Freiheit so wie wir Barbaren, wie die Frauen von Varda – und wie die Druiden. Der Verschlag muss eine halbe Marter für sie sein.
„Nicht so voreilig.“ Bostac warf der Druidin einen ärgerlichen Blick zu. „Ich traue vielen meiner Brüder nicht, Frau, aber bedeutet noch nicht, dass ich dir und deinen Leuten traue. Du hast alles mitangehört. Der Streit um das Land bleibt bestehen. Ohne Not werden wir euch nicht weiter Gewalt antun. Aber halte mich nicht für einen Narren.“ Er wies zur Tür. „Hier geht etwas vor, das niemand ganz versteht. Ehe ich nicht mehr weiß, werde ich keine neuen Befehle geben.“
Es wirkte, als wolle sie noch etwas erwidern, aber sie blieb stumm. Mit einer Faust hieb sie gegen eine Verstrebung, dass der Verschlag erzitterte. Ihr Gesicht sprach indes eher von Besorgnis und Verwirrung. Das letzte, was Urel von ihr sah, bevor sie sich in den Schatten kauerte, war ihr langes gelocktes Haar.
Die Barbaren verließen die Hütte. Urel würde sie weiter bewachen, denn auch wenn der Kupferclan nun mit der Anführerin der Dorfdruiden besser verhandeln konnte als mit seinen ehemaligen Verbündeten, blieb Bostac vorsichtig. Was ihnen von Seiten der Druiden drohte, war unklar.
„Bleibt wachsam“, sagte Bostac zu den drei anderen. „Mögen die Ahnen geben, dass wir richtig handeln.“ Der langhaarige Barbar berührte Urels Schulter. „Ungewöhnlich wie dein Kommen war, ist, was hier vor sich geht. Aber mir ist wohler dabei als bei dem, was...“ Etwas würgte seine Stimme. Was noch gestern in den Wäldern geschah, ergänzten die Männer im Stillen.
Dann eilten die anderen fort, um die Wachen rund um das Dorf aufzusuchen und zu sehen, wie es um die Stimmung unter ihren Brüdern stand.
Urel blieb zurück. Allein, atmete er tief ein.
Die Nachtluft schmeckte nach Rauch, aber dem Geruch fehlte die Note eines verlöschenden Brandes. Eher erinnerte er an schwelende Asche, die nur vorübergehend und trügerisch ein darunter glimmendes Feuer verdeckt.
Was trieb die sich abspaltenden Stämme zum Krieg?, überlegte er, körperlich müde, doch wissend, dass er nicht würde schlafen können. Woher kam in Argats Worten einerseits der verzehrende Hass, und andererseits der Anklang einer dritten Seite, der sich die unzufriedenen Stämme vielleicht verpflichtet fühlten?
Grübelnd lehnte er an der Hüttenwand. Dann, um die Druidin im Auge behalten zu können, setzte er sich in die Türöffnung.
Eine ganze Weile lang sah er immer wieder verstohlen hin, aber nichts rührte sich im Verschlag.





Im Morgengrauen schrak der junge Barbar auf.
Gegen seinen Willen war er doch eingenickt, stellte er fest, mit einem leisen Fluch auf die Beine kommend. Etwas stimmte nicht. Vom Dorfplatz her, auf dem ebenfalls erwachende Menschen sich regten, Barbaren und Druiden gleichermaßen, kam Malic auf ihn zu. Der bärtige Hüne schritt hastig aus, sichtlich alarmiert und todernst.
Bevor Malic ihn erreichte, warf Urel einen Blick auf den Verschlag. Seine Insassin war wach und kniete nah am Gitter. Es sah aus, als hätte sie ihn soeben rufen wollen.
„Urel!“ Malic hatte ihn erreicht.
An ihm vorbei, den Schweiß eines erregten Kriegers schon in der Nase, starrte Urel einen Lidschlag lang blicklos in die Ferne, und da hörte er das ferne Geschrei wie ein aufkommendes Rauschen von Waldessäumen im Sturm.
„Sie sind zurück!“ Malic keuchte. Blankgezogen, schimmerte ein grobes Schwert matt in seiner Faust. „Es müssen die Verschwundenen sein! Sie haben Verstärkung geholt, und sie sind hierher unterwegs! Die Wächter konnten sie nicht aufhalten. Späher sind ihnen knapp entkommen, einer davon ein fremder Druide, der uns warnte.“ Übergangslos fühlte Urel seine Waffe in der Hand. „Sie werden das Dorf angreifen!“ Besorgnis ließ Malics Stimme heller erscheinen, aber darunter vernahm Urel den altvertrauten Klang seines Volkes: Kampflust und Standhaftigkeit.
Auf dem Platz hatten die Barbarenwachen jetzt ihre Waffen gezogen. Kinder weinten.
Eine neuer Tag und neue Schrecken für sie. Urel biss die Zähne aufeinander.
„Ich kann Bostac nicht finden“, drang Malics Stimme zu ihm. „Was sollen wir tun?“
Was sollen wir tun?
Die Entscheidung wurde ihnen abgenommen.
Denn in diesem Augenblick kamen sie: die zurückgekehrten Männer der anderen Clans. Wüst bemalte Gestalten quollen über eine der Strassen auf den Platz. Das Durcheinander war sofort vollkommen, und nur die Entfernung, wusste Urel, schützte sein Auge noch vor grausigen Einzelheiten. Die Angreifer zögerten nicht. Er hörte es – den dumpfen Klang aus einzelnen Lauten, aus aufeinanderprallenden Körpern, scharrenden Stiefeln, Holz und Eisen auf Knochen und Fleisch, das unter zerschlitzten Kleidern aufplatzte.
Geschrei stob empor. Bevor er sich umwandte, sah Urel noch Barbaren, die noch zögerten, die Angreifer zu attackieren, Druiden, die schreiend an ihren Fesseln rissen, einander anbrüllende, Befehle bellende Männer beider Seiten. Ein Barbar hackte Stricke entzwei, die eine Gruppe banden, die er eben noch bewacht hatte.
Jetzt muss jeder allein handeln. Urel sprang in die Hütte. Der Boden dröhnte unter seinem Gewicht. Am Ende wird man uns nach unsere Taten beurteilen.
Ohne hinsehen zu müssen, fand er die Keule, die an der Wand lehnte. Das Kurzschwert klemmte unter seinem linken Arm.
„Zurück!“ schrie er die Frau im Verschlag an.
Krachen, und Holz flog nach allen Seiten davon.
Aus dem mit einem Schlag zertrümmerten Käfig tauchte die Druidin empor. Er warf ihr die schwere Keule zu, sich schon abwendend. Die Schreie und das Rennen über stöhnende Erde ließen sie längst wissen, was geschah, ahnte er. Zuletzt bemerkte er, dass sie die Waffe auffing und schon im Fangen schwang, geübt und mit massiver, bedrohlicher Eleganz – dann war er zur Tür hinaus.
Der Dorfplatz, auf den er zustürmte, hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Im Laufen brüllte Urel allen bekannten Gesichtern zu, die noch gefesselten Druiden zu befreien.
Losgebundene Dörfler, die den übleren beider Gegner ausgemacht hatten, warfen sich zwischen wegkriechenden Kindern und nach Waffen Suchenden auf die marodierenden Clans.
Ehe er den ersten Rotwäldler erreicht hatte, hörte Urel hinter sich das dumpfe Summen der Kriegskeule, und als er über den Niedergemachten hinwegtrat, rannte eben die Druidin an ihm vorbei. Er sah sie nur flüchtig. Sie trug nicht mal eine Rüstung.
Die Druiden reagierten auf ihr Auftauchen mit einer Geschlossenheit, die er nie zuvor erlebt hatte. Als erfasse sie eine Aura, die sich ausbreitete, gingen sie rascher und geordneter auf die Angreifer los. Die junge Frau war ihre Anführerin, daran bestand kein Zweifel mehr.
Der Krieg ist da. Er hat diesen Teil der Welt gefunden.
Noch als die Hitze des verzweifelten Kampfes ihm die Sinne für alles Unnötige trübte, drang das Kreisen der Keule zu ihm, ihr entsetzliches Zuschlagen, häufig und auf eigenartige Weise im Gleichklang mit den Hieben seines Schwerts.
 
hallo reeba.

danke für dieses weitere beispiel deiner kunst.

da kann man nichts zu sagen nur den :top: :top: :top: :top: :top: zeigen.

Ich wünsche dir weiterhin so gute ideen um die story weiterzuführen. ich freu mich drauf.

Gruß, Helldog
 
Hi Reeba,

endlich :) Super Fortsetzung... Ich liebe diese Story.

Nach 2 Zeilen packt die Story mich wieder dermassen, dass ich
einfach nicht mehr aufhoeren kann.

Ich sollte mich zwingen 3 Monate nicht weiterzulesen,
um dann wieder alles in einem Stueck zu verschlingen.

Aber ich schaffe ja nichtmal einen Tag ohne hier rein zu gucken.

Ist schlimmer als Entzug. Verdammt Reeba, was machst du mit uns? :)


Schoenen Gruss,

saty
 
Ich frage mich nur, warum es äußere Gefahr ist, die (mich) den Leser offensichtlich mehr mitnimmt als innere Kämpfe und Zwiespalte.
Ist es die direkte Gefahr um das Leben eines bekannten und liebgewonnenen Gesichts?
Hat nicht auch Seelenunruhe manchmal tödliche Folgen?

Schwierig.

Leicht ist es aber Dir wieder einmal in nie ermüdender Folge ein Kompliment für dieses Stück Prosa zu machen. Deine besondere Sicht der Dinge kommt hier wieder gut zum Vorschein :)

DV
 
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