TwinYawgmoth
Champion des Hains, Storywriter of the Years
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Kapitel 14 – Rufe aus allen Richtungen
Eine Stiefelspitze trifft mich in der Seite.
Etwas in mir übernimmt die Kontrolle. Ohne eine Millisekunde an irgendwelche Gedanken zu verschwenden, reagiert mein Körper, springt auf, packt dabei den Besitzer des Schuhs und lässt ihn unsanft zu Boden krachen, wo ihm die Luft beim Aufprall aus den Lungen gepresst wird.
"Ah, verdammt! Bist du übergeschnappt?"
Ich werde mir der Situation bewusst: Der Meister, schon in voller Montur – goldene Rüstung, Helm, Gürtel und der ganze Rest – liegt vor mir. Hastig gehe ich in die Knie, um ihm hochzuhelfen. Warst du das?
Warum...sollte ich den Meister angreifen? Nein, das war...ich hab dir gesagt, wir sollten wach bleiben!
Und ich dachte auch...ich wiederhole meine Gedanken laut: "Himmel, tut mir Leid, General. Ich...hatte nicht erwartet, einzuschlafen."
Er sieht mich für einen Moment mit unlesbarem Ausdruck in den schwarzen Augenhöhlen an, dann nimmt er den Helm ab, reibt sich den Hinterkopf und seufzt. "Den Blutgolemkörper nicht mehr gewöhnt? Na ja, schwamm drüber. Besser, ein potentieller Angreifer wird so ausgeschaltet, als dass du mir eine leichte Verletzung meines Stolzes erspart. Ich denke, der hält das aus."
"Ich weiß wirklich nicht, was...", entschuldige ich mich weiter, aber er winkt ab. "Ist schon in Ordnung. Trotzdem bin ich froh über den Helm, das hätte mehr weh tun können."
Er greift sich plötzlich an die Seite, an die Stelle, die mich auch etwas schmerzt...was ihm durch Trang-Ouls Schuppen natürlich nichts bringt. "Hätte wohl auch weniger fest zutreten können."
Ich lasse das unkommentiert und beschließen, die Sache so gut, wie mir das möglich ist, zu vergessen. Wie ich eben auch vergessen hatte, dass der Blutkörper auch Schlaf benötigt, wenn auch nicht so viel wie der eines Menschen. Komisch...hatte ich letztes Mal nicht geträumt, als ich schlief? Zweiter?
Für Träume...braucht man eine Seele, dachte ich immer.
Was soll das heißen...Moment, hast du etwa...?
Ich habe gerade wirklich keine Lust, mir dein Gestammel anzuhören.
Morgenmuffel? Aber gut, ich muss ja nicht unbedingt nachbohren. Nach der hastigen Flucht aus dem Palast diese Nacht hatten wir uns wieder in Atmas Taverne zurückgezogen. Von dem zum Glück noch freien Raum im ersten Stock steigen wir jetzt die Treppe hinunter in die Schankstube, wo...Deckard Cain an einem Tisch sitzt?
"Ich grüße Euch, mein Freund", sagt er trockener, als ich es von ihm gewohnt bin. Er nimmt einen tiefen Schluck aus einem Becher, setzt ihn ruhig ab, lächelt mir wohlwollend zu, und deutet auf den Stuhl ihm gegenüber. "Bitte, bleibt kurz hier und hört mir zu."
Für einen Moment glaube ich fast, dass der Meister ablehnen möchte, aber natürlich wäre das Unfug. Er setzt sich zu seinem alten Mentor. "Das ist ja eine Überraschung, Deckard!", ruft er beinahe überzeugend.
"Leider keine freudige. Habt Ihr das vermutet, General? Man könnte fast meinen, Ihr wärt mir aus dem Weg gegangen in den letzten Monaten."
Ich glaube, der Meister versucht, zerknirscht zu blicken, aber...verdammt! Grob zwicke ich mir in den Nacken, was ihn zusammenzucken lässt, und endlich kommt er darauf, den Helm abzunehmen. So bequem kann der doch nicht sein!
"Nur, ich war ein wenig beschäftigt...und viel unterwegs", windet sich der Meister. Deckard nickt. "Das ist mir aufgefallen. Ich bin Euch seit zwei Wochen auf den Fersen."
Der Meister hebt beide Augenbrauen. "Das...tut mir Leid. Ich war nicht am zugänglichsten Ort der Welt, als du deine Suche begonnen hast."
"Und Ihr habt ihn nicht unbedingt weltoffener gemacht", seufzt der Horadrim-Weise. "Mein alter Freund Valtores war etwas kurz angebunden, was Euch angeht. Wenigstens konnte er mir helfen, Euer nächstes Ziel herauszufinden."
Verdammt, man kann über ihn sagen, was man will, aber der Alte ist gut im Beschaffen von Informationen.
Das ist in der Tat...etwas beunruhigend. Andererseits..."Ihr kennt Meister Valtores, Deckard? Würdet Ihr denn sagen, dass man ihm vertrauen kann?", werfe ich dazwischen.
Deckard Cain wirft mir einen Blick zu. "Ich wage zu behaupten, dass ich mir vorstellen kann, weswegen du fragst, Golem. Gerne unterhalte ich mich später mit dir darüber, wenn du das möchtest, aber ich bitte dich, das verschieben zu dürfen, weil mein Anliegen für deinen Meister keine Verzögerung duldet. Nur so viel: Ich nenne nur 'Freund', den ich für einen wirklich guten Menschen halte."
Ich nicke hastig. "Vielen Dank und gerne später." Einen Moment halte ich inne, dann füge ich hinzu: "Ich heiße übrigens jetzt Dorelem."
Deckards Lächeln ist voller Wärme, was mir mehr sagt, als Worte könnten – und tatsächlich spart er sich die. Es muss ihm sehr ernst sein, und mit entsprechendem Ausdruck wendet er sich wieder dem Meister zu.
"Ja, ich begab mich auf schnellsten Weg zu den Jägerinnen, nur um festzustellen, dass ich Euch wieder verpasst hatte. Und meine Fragen zu Eurem nächsten Ziel mussten unbeantwortet bleiben, zumal man nicht unbedingt gut auf Euch zu sprechen war."
Er ist immer noch sehr höflich und spricht langsam und mit wohl gewählten Worten. Aber ich kenne Deckard jetzt schon eine Weile...der alte Mann mit grauen Roben und langem Stab, aber stählernem Willen ist sauer.
Ich glaube, der Meister hat die Botschaft verstanden und sagt darauf nichts. Nach kurzer Pause fährt Deckard also fort: "Also musste ich nach Gefühl vorgehen. Zunächst begab ich mich nach Kurast, was kein verschwendeter Besuch war, aber offenbar Euere vorherige Station, nicht die nächste. Dann blieb nur noch Lut Gholein als großes Zentrum, und mein Instinkt erwies sich endlich als richtig.
Nun, meine Botschaft an Euch ist eigentlich ganz einfach: Wir wissen, wo Baal ist. Er hat vor etwa zwei Wochen die Hauptstadt der Barbaren im fernen Norden aus heiterem Himmel angegriffen und komplett dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem ich das erfahren hatte, ist der Nachrichtenstrom zunächst aus offensichtlichen Gründen abgebrochen, dennoch habe ich mich natürlich sofort auf den Weg gemacht, um Euch zu finden. Auch, weil ich eine große Befürchtung hatte, was Baals Plan angeht. Und vor fünf Tagen, als ich gerade auf der Reise zu den Sümpfen des Südens war, hat Tyrael mich kontaktiert und diese Befürchtung bestätigt: Baal will den Arreat erklimmen und den Weltstein korrumpieren."
Er lässt dies im Raum stehen, als sollte uns das gerade erschüttert haben. Als die Stille sich dehnt, opfere ich mich.
"Den...Weltstein?"
Deckard blinzelt kurz, dann schüttelt er den Kopf. "Verzeiht mir. Ich vergaß, dass zumindest in diesem Teil der Welt manche Dinge leider nicht zum Allgemeinwissen zählen. Der Weltstein ist der Nexus, um den Sanktuario erschaffen wurde, quasi der Ankerpunkt für die ganze Welt. Schon viele Kriege wurden um seine Kontrolle gefochten, seit der gigantische Kristall von Himmel und Hölle gemeinsam benutzt wurde, um die Urväter der Menschheit ins Leben zu rufen."
"Und wer kontrolliert ihn jetzt?", fragt der Meister. "Niemand", antwortet der Weise. "Obwohl die Barbaren, die Kinder Bul-Kathos', ihn im Auftrag des Himmels bewachen, war es Teil des Paktes, ihn der Menschheit selbst zu überlassen, auch oder gerade weil sie seine Macht nicht nutzen können."
"Welche Macht denn?", hakt der Meister nach. Deckard sieht ihn an als hätte er gerade die dümmste Frage der Welt gestellt. "Sind wir nicht beide Teil der Menschheit, General? Irrelevant. Baal will die Welt unterwerfen, indem er seinen Seelenstein zurück zur Quelle bringt."
"Ah, die sind aus dem Weltstein gemacht?"
"In der Tat. Die gleiche Resonanz der Steine wird ihm erlauben, die Kontrolle an sich zu reißen."
An der Geschichte stört mich etwas. "Aber hatte Marius nicht Baals Seelenstein? Und war Baal nicht auch durch das Portal in die Hölle geschritten?"
"Gut beobachtet, Dorelem", nickt Deckard. "Zunächst denke ich auch, dass der Plan der Übel ein anderer war; mit Baals Körper in der Hölle musste ihm der Verlust seines Seelensteins zunächst egal sein. Er und Diablo begannen daran zu arbeiten, ihre Armee aufzubauen. Dann stacht ihr direkt ins Herz der Hölle und vernichtetet den Herrn des Schreckens. Ohne Unterstützung durch seinen Bruder und geschwächt durch die Abwesenheit eines Teils seiner Seele muss Baal erkannt haben, dass er die Horden der Hölle nie führen würde können. Also wird er nach Sanktuario zurückgekehrt sein und seinen Seelenstein gesucht haben."
"Und ihn gefunden?", spekuliert der Meister.
"In der Tat. Vor vier Wochen brannte der Nordosttempel in Ober-Kurast zu Boden."
Ich runzle die Stirn. "Eine Woche, bevor ich bei den Docks ankam...ja, irgendjemand hat etwas in der Richtung erwähnt, aber es schien ihn nicht sonderlich zu kümmern."
"Der Tempel war zu einem Gefängnis umfunktioniert worden", erklärt Deckard. "Oder besser, einem Sanatorium. In Kurast begeht im Moment niemand Verbrechen aus Habgier oder Hass – nur aus Wahnsinn. Die dort Eingesperrten waren samt und sonders schwer geistig mitgenommen von den Ereignissen, und waren dadurch gewalttätig oder anderweitig gefährlich geworden."
"All dies habt Ihr erfahren, als Ihr kurz in Kurast wart, bevor Ihr hierher kamt?", wage ich einzuwerfen.
"Man muss nur die richtigen Fragen stellen, Dorelem. Nun, der Brand war unerwartet, aber ich werde der Bevölkerung nicht vorwerfen, dass sie mit einem gewissen Zynismus feststellte, dass es ihnen viel Arbeit und den dabei Verstorbenen wohl auch eine Menge Schmerz ersparte. Ich fürchte allerdings, dass es den Rest der Welt und ultimativ auch den Kurastern bald deutlich mehr Schmerz bringen wird."
Der Meister schnippt mit den Fingern. "Geistig mitgenommen...Marius! Er war da drin!"
Deckard nickt mit todernster Miene. "Die ganze Zeit vor meiner Nase, und ich suchte ihn nach Eurem Sieg über Diablo unermüdlich. Ich schäme mich für mein Versagen. Baal fand ihn vor mir, nahm sich den Seelenstein zurück, stampfte eine Dämonenarmee aus dem Boden und marschierte gen Norden."
Zerknirschte Blicke gehen durch den Raum. "Und jetzt?", bricht der Meister schließlich die Stille. "Auch auf nach Norden? Das wird ewig dauern."
Deckard legt die Finger zusammen. "Nun, für dieses Problem gibt es eine Lösung. Tyrael hat mich nicht nur kontaktiert, um mir die schlechten Nachrichten zu überbringen, müsst Ihr wissen."
"Aha, ich sehe schon, was jetzt kommt...", murmelt der Meister.
"Ja. Er möchte Euch gerne sobald als möglich nach Harrogath transportieren."
"Soll ich mich auf seinen Rücken setzen und mich fliegen lassen? Klingt eigentlich ganz lustig. Müsste mich nur zurückhalten, ihn während der Reise zu erwürgen."
Ein Seufzen des Weisen. "Ich bin mir sicher, er hatte etwas...Würdigeres im Sinne. Und wir haben miteinander geredet, wie versprochen. Tyrael wird Euch gerne ein weiteres Treffen mit Tenarion ermöglichen."
Der Meister trommelt einen ungeduldigen Rhythmus auf den Tisch. "Ein Anfang. Kann ich denn diesmal auf ein wenig mehr Unterstützung hoffen?"
"Das...müsstet Ihr vielleicht selbst mit ihm besprechen." Deckard steht auf. "Nun, jetzt wisst Ihr Bescheid. Werdet Ihr es auf Euch nehmen, auch das letzte Große Übel zu vernichten?"
Eleganter Themenwechsel, Deckard. Warum nur glaube ich, dass der Erzengel immer noch herzlich unkooperativ sein wird? Der Meister erhebt sich ebenfalls. "Aller guten Dinge sind drei, oder? Klingt ja auch nicht so, als ob die Barbaren gut mit dem Problem zurecht kommen würden. Selbstverständlich bringe ich die Sache zuende."
Eine gewisse Spannung, die ich so bisher gar nicht bemerkt hatte, fällt von Deckard ab. "Ich bin Euch sehr dankbar, aber nicht so dankbar, wie die ganze Welt Euch sein wird. Ihr wirkt reisefertig. Soll ich Tyrael rufen?"
"Nein. Nicht sofort. Es gibt da noch etwas zu erledigen."
Der Horadrim-Weise erbleicht etwas. "Wie...lange wird das dauern?", fragt er in neutralem Tonfall.
Zur Antwort legt der Meister ihm die Hand auf die Schulter. "Deckard, wie lange hast du nicht mehr geschlafen? Du hast in Kurast bis spät in die Nacht Informationen gesammelt und bist dann sofort hierher gekommen, oder?"
"Macht Euch bitte um mich keine Sorgen...", beginnt er, aber der Meister unterbricht ihn. "Bitte, Deckard, du hast dir eine kleine Pause verdient, und ich möchte, dass du fit genug bist um mich davon abzuhalten, Tyrael an die Gurgel zu gehen, wenn ich ihn treffe. Leg dich für ein paar Stunden hin. Ich verspreche dir, dass ich zurück bin, bevor du aufwachst."
Will er wirklich noch schnell diesen Kaa vernichten gehen?
Das werden wir ja noch hinbekommen.
Ein völlig überflüssiges Risiko – wir haben doch gerade gehört, was auf dem Spiel steht!
Er kann keine Ablenkungen durch irgendwelche gefangenen Seelen in seiner mächtigsten Waffe brauchen.
Verzeihung, die gefangene Seele in seiner mächtigsten Waffe bist immer noch du in mir. Aber ernsthaft, im hohen Norden werden ihn die Geister nicht erreichen. Die Zeit drängt!
"General...ich habe schon viel zu lange damit zugebracht, Euch zu finden. Es war nicht Euere Schuld, ein unglücklicher Zufall, dass Ihr die Nekromantenmetropole gerade zu diesem Zeitpunkt...verlassen habt. Aber ich muss Euch eindringlichst darauf hinweisen, was auf dem Spiel steht, und wie viel Boden wir bereits verloren haben. Die Zeit drängt!"
Sagte ich doch!
"Mein Problem mit Belial drängt mich auch", sagt der Meister und greift nach seinem Helm. Wie? Was hat das mit dem Jade-Tan-Do und den Geistern darin zu tun?
"General...ich wollte dieses letzte Argument eigentlich nicht benutzen, weil es mir manipulativ vorkommt. Aber Ihr solltet Euch auch aus persönlichen Gründen beeilen. Tyrael erwähnte, dass Natalya sich in Harrogath aufhält...und dass sie in großer Gefahr ist."
Der Meister wird stocksteif, Trang-Ouls Verkleidung über seinem Kopf erhoben. Sein Blick geht durch Deckard hindurch. Natalya?
"Natalya...", murmelt der Meister. Schließt die Augen. Schluckt. Dann verzieht sich sein Mund in eine Grimasse der Wut. "Und wie er versucht, mich damit zu manipulieren." Mit einem Ruck setzt er den Helm auf. "Dieser verdammte geflügelte Bastard..."
"General...", beginnt Deckard, aber der Totenbeschwörer schneidet ihm das Wort ab. "Ich nehme dir nicht übel, dass du sie erwähnt hast, wohl aber Tyrael, dass er sie benutzen will, um mich zu etwas zu bringen. Weißt du, wer der Letzte war, der das getan hat?"
Der Ausdruck des Horadrim-Weisen sagt mir, dass er sich einer Sache bewusst ist: Er hat gerade verloren. Natalya war eine Trumpfkarte, er hat auf sie gesetzt und kein Glück gehabt. Vielleicht, wenn er den Namen des Erzengels nicht erwähnt hätte...aber so...dennoch! Es geht um die Frau, die der Meister liebt! Und zumindest theoretisch ist Tyrael das genaue Gegenteil des letzten Wesens, das versucht hat, durch sie den General ins Herz zu treffen...
"Azmodan", beantwortet der Meister seine eigene Frage, als Deckard nicht antwortet. Seine Stimme ist ein Knurren. "Jetzt legt dich hin und ruh dich aus. Wenn ich zurückkomme, gehe ich nach Norden, ja. Aber nicht vorher. Natalya ist ein großes Mädchen und kann auf sich selbst aufpassen." Damit stürmt er aus dem Raum. Ich sehe Deckard etwas verzweifelt an. "So sollte er nicht mit Euch reden", entschuldige ich mich. Warum muss ich das in letzter Zeit so oft machen?
"Mein Stolz wird damit zurecht kommen, Dorelem", winkt Deckard ab. "Was seinen angeht..."
"Dorelem! Wo bleibst du?", ruft von draußen die Stimme meines Meisters. Ich kann nur hilflos die Arme heben und ihm nachlaufen.
Eine Minute später stehen wir im Tal der Magier, wo die sechs falschen und das eine wahre Grab Tal Rashas liegen, der von Baal besessen wurde und dessen Befreiung durch Diablo wir nicht verhindern konnten. Vom Wegpunkt aus sind die Felsen, die das Wüstenareal umgeben, in der Ferne sichtbar; ein Sandkessel, von außen extrem schwer zu erreichen. Das Portal in die Geheime Zuflucht ist immer noch offen.
"Wir sollten das schließen...", merke ich an, aber der General ist schon losgestapft. "Du hast den Alten gehört, Dorelem. Wir haben es eilig. Wie damals."
Schnell hole ich zu ihm auf, die mitteleportierten Skelette haben ihr Tempo auch beschleunigt. "Woher wusstest du überhaupt, dass wir hierhin müssen? Weist dir der Dolch den Weg, wie die Geister es sagten?"
"Ach ja, stimmt eigentlich...", murmelt er, zückt das Jade-Tan-Do und spricht es an. "Ich bin hier schon richtig, oder?"
Er hält kurz inne. "Ja, das habe ich mir irgendwie gedacht", nickt er dann ins Nichts und steckt die Waffe wieder ein.
Dann bemerkt er mein ungläubiges Starren. "Ist irgendwas?"
"Du...hattest den Dolch gar nicht...?"
Du bist manchmal ein wenig schwer von Begriff, oder?
"Na ja, Dorelem, nach einer gewissen Weile hört man einfach auf, an Zufälle zu glauben", stellt er fest.
"Wovon redest du?", stoße ich hervor. Sein Ausdruck ist unlesbar. "Na ja, dass ein weiteres Teil des Trang-Oul Sets an der gleichen Stelle wie der Seelenfresser versteckt ist, wundert mich einfach nicht wirklich."
Aber...woher...
Zur Hölle! Er kann spüren, wo das nächste Setteil ist!
Was? Seit wann?
Je mehr er hat, desto stärker wird seine Fähigkeit, die übrigen zu finden.
Das klingt aber nicht besonders beruhigend.
Dann ist die Suche schneller vorbei, und wir können uns auf das Wesentliche konzentrieren. Sollte dir gefallen!
"Siehst du, und auch dieser 'Zufall' wundert mich nicht."
Wir sind an einem der Gräber angekommen. Diesmal verstehe ich sogar, was er mir sagen will. "Das ist ja das, dessen Symbol Diablo verändert hat, damit wir denken, es ist das richtige!"
"Und damit ist auch klar, warum er uns ausgerechnet in dieses locken wollte...", nickt er. Wir schreiten durch das Steinportal in muffige Hallen, die vom Stil her nicht anders sind als das echte Grab. Offensichtlich ist der Grundriss aber anders, wie mir eine ins Gedächtnis gerufene Karte dessen, das wir erforscht haben, verrät.
"Etwas dunkel...", bemerkt der Meister.
"Reichen dir die Feuermagier diesmal nicht?"
"Ich bitte dich, Feuermagier als Lichtquelle sind so passé. Das geht viel heller. Nebenbei haben wir ja schon damals festgestellt, dass ein Blutgolem hier ein wenig zu wünschen übrig lässt. Du erlaubst..."
Er ballt eine Hand zur Faust und streckt den Ring nach vorne, mit dem er Feuerblitze schießen kann. Dann hält er plötzlich inne, spreizt stattdessen die Finger – und ein kopfgroßer Feuerball formt sich vor seiner Handfläche.
Wir starren beide darauf – bis er plötzlich explodiert, was den Meister aufschreien und zurückzucken lässt.
"Was war das denn?", rufe ich, während er seine verletzte Hand schüttelt. Es scheint kein ernsthafter Schaden passiert zu sein, aber die Handschuh ist kaputt. Schnell wird der Meister ihn los. "Scheint sich um einen Feuerball gehandelt zu haben", bemerkt er trocken.
"Ach ne", ätze ich zurück. "Und woher? Hat sich dein Ring spontan verbessert?"
"Nein...", murmelt er, mehr zu sich selbst. "Als ich den benutzen wollte, kam mir plötzlich, dass es eigentlich ganz einfach sein sollte, das gleiche einfach ohne Unterstützung durch einen Gegenstand zu machen. War nur etwas...größer, als erwartet."
Er hebt die andere Hand. "Um genau zu sein..."
"Spinnst du?", rufe ich, aber zu spät. Ein zweiter Feuerball entsteht...und alles wird für einen Moment schwarz, dann stehe ich direkt vor ihm. Sein breites Grinsen kann ich auch trotz des Helmes erkennen.
"Na also, kein Grund zur Sorge! Man muss nur schnell genug beschwören können."
Ich trete einen Schritt zurück und begutachte meine Flammenhände. "Du wirst schon wissen, was du tust...", murmle ich. Aber gut, es hat ja funktioniert, und wo auch immer er diese Fähigkeit jetzt auf einmal hergezogen hat, wenn er das unter Kontrolle bekommt, ist es sicher unglaublich nützlich. Ansonsten habe ich keine Lust mehr, mir Fragen zu stellen, auf die ich nur unzureichende oder gar keine Antworten bekomme. Genug Überraschungen für einen Tag. Ich bin abgestumpft.
Als unsere Fackel schreite ich voran. Die staubigen Gänge mit ihren alten Sandsteinwänden sehen alle gleich aus; manchmal öffnet sich einer in eine größere Kammer mit mehreren Ausgängen. Es wäre leicht, sich zu verlaufen – wenn der Meister nicht bei jeder Abzweigung den Weg weisen würde. Aber wenn er tatsächlich ein weiteres Setteil spürt, woher weiß er dann, welche Route durch dieses Labyrinth die kürzeste ist?
Da sehe ich, wie er leise etwas scheinbar zu sich flüstert und nickt. Jetzt konsultiert er die Geister. Zwei übernatürliche Mächte, die uns zum gleichen Ziel locken wollen...ich kann nicht sagen, dass ich das für sehr beruhigend halte.
Wovor hast du Angst? Wir haben schon Große Übel der Hölle vernichtet. Ein Seelenfresser oder was auch immer sollte kein Problem sein. Und Gürtel, Rüstung und Helm waren jetzt auch nicht die Welt zu ergattern.
Entschuldige, wenn ich nicht lache, aber zumindest Endugu wirst du als leichte Herausforderung anerkennen müssen?
"Wir sind da", haucht der Meister plötzlich. Der enge Korridor, in dem wir stehen, hat drei Steintore; das, durch das wir gerade gekommen sind, eines vor uns und eines an der Seite. Diesem wendet sich der Meister zu. Dann runzelt er die Stirn.
"Nein, ich bin mir sogar sehr sicher, dass ich hier hineingehen will", teilt er der Luft mit. "Dorelem, bitte..."
Wollten die Geister ihn in die andere Tür...heißt das, Kaa ist vor uns, aber das Teil des Trang-Oul Sets nicht? Ich betrete die Halle. Gegenüber ist kein Ausgang, rechts von uns kann keiner sein, sagt mir die geistige Karte, und links würde in den Raum führen, wo die Geister uns hinschicken wollten. Sackgasse also? Ruht hier, was der Meister will? Der Raum ist von Säulen durchzogen, eine Reihe an jeder Seite, deswegen kann ich nicht viel erkennen.
Der Meister tritt neben mich – und fixiert einen Punkt an der Wand. "Feuerball, dahin", befiehlt er mir, und gleichzeitig schwärmen die Skelette in defensiver Formation aus. Ich tue wie geheißen, werfe einen Teil meines Flammenkörpers vorwärts, und als er auf Stein trifft, zerplatzt er in hellem Leuchten.
Viele Schatten blitzen kurz an den Wänden auf. Durchbrochene Silhouetten, Schädel und Rippen, und gewaltige, vage humanoide, aber mit ganz falschen Proportionen, zu lange Extremitäten und...Klingen statt Armen?
Hinter uns fällt mit einem Donnern ein Steinblock herab, als die Grabtür sich schließt.
Mit träger Überheblichkeit tritt eine Mumie hinter einer der Säulen hervor – ganz in der Nähe der Stelle, wo ich gerade hingefeuert habe. Ihre vertrocknete Haut ist dunkelbraun, die einzige Bekleidung ein Lendenschurz aus bröckelnden Bandagen. Eine weiße Maske mit angedeuteten Haaren, die von der Stirn aus nach hinten über den Schädel fallen, verdeckt das Gesicht. Arme und Beine sind grotesk verlängert, wie auch die Maske, die eher zu einem Pferdekopf passen würde. In beiden Händen hält sie eine gebogene Klinge, nicht ungleich den Schwertern der mächtigen Balrogs, die wir in der Hölle zu hunderten töten mussten. Und an den Händen...dunkelgoldene Handschuhe.
"Kaa, der Seelenlose, nehme ich an?", spottet der Meister.
"Unter anderem", antwortet ihm eine tiefe Stimme, die mir bekannt vorkommt. Dann öffnet sich der Mund der Maske viel weiter, als möglich sein sollte, und drei Projektile gleichzeitig lösen sich daraus. Es sind Kugeln aus reiner Dunkelheit, mit Stacheln, die daraus hervordringen und pulsierend ihre Länge ändern. Sofort greife ich den Meister und schiebe ihn hinter mich. Eine der Kugeln trifft mich in der Brust, und mir wird kalt – sehr kalt. Ein Blick nach unten verrät mir, dass ich ein Loch in meinem Feuerkörper habe, wo sie eingeschlagen ist. Schnell fülle ich es auf, aber ich fühle mich schwächer als vorher...wenn mich mehrere solche treffen, kann ich das Feuer nicht mehr kontrollieren. Nicht gut, wenn der Meister hinter mir steht.
Tut er aber nicht mehr – er ist ein paar Schritte zurück gestolpert, weil die Kugel mich durchdrungen und ihn getroffen hat. Zum Glück scheint er noch in Ordnung.
Eine Horde Skelette stürmt auf uns zu, und ich sehe, dass wir neben diesen noch mit drei weiteren großen Mumien zu tun haben. Das weckt doch Erinnerungen...unsere Armee bereitet sich auf den Angriff vor. Der Meister hebt das Jade-Tan-Do. "Du bist mehr als nur ein antikes Monster, das längst zu Staub hätte zerfallen sollen. Warum hast du mich hierher gelockt?"
"Oh, die Antwort sollte dir leicht fallen, General", knurrt Kaa mit seiner Schlammlawinenstimme. "Denk doch ein wenig über deine Sünden nach."
Wo habe ich ihn schon einmal gehört...ich durchforste hektisch meine beträchtlichen Erinnerungen.
Er hat uns gerade einen Hinweis gegeben...verdammt! Natürlich!
Fast gleichzeitig mit dem Zweiten komme ich darauf, als ich daran denke, welche Seelen denn alles von dem verfluchten Dolch hierher geschickt wurden.
"General, die Hölle ist noch nicht ganz hinter us! Das ist Azmodan!"