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Trang-Ouls Triumph [Ich denke, also bin ich: Teil 5]

Kapitel 14 – Rufe aus allen Richtungen



Eine Stiefelspitze trifft mich in der Seite.
Etwas in mir übernimmt die Kontrolle. Ohne eine Millisekunde an irgendwelche Gedanken zu verschwenden, reagiert mein Körper, springt auf, packt dabei den Besitzer des Schuhs und lässt ihn unsanft zu Boden krachen, wo ihm die Luft beim Aufprall aus den Lungen gepresst wird.
"Ah, verdammt! Bist du übergeschnappt?"
Ich werde mir der Situation bewusst: Der Meister, schon in voller Montur – goldene Rüstung, Helm, Gürtel und der ganze Rest – liegt vor mir. Hastig gehe ich in die Knie, um ihm hochzuhelfen. Warst du das?
Warum...sollte ich den Meister angreifen? Nein, das war...ich hab dir gesagt, wir sollten wach bleiben!
Und ich dachte auch...ich wiederhole meine Gedanken laut: "Himmel, tut mir Leid, General. Ich...hatte nicht erwartet, einzuschlafen."
Er sieht mich für einen Moment mit unlesbarem Ausdruck in den schwarzen Augenhöhlen an, dann nimmt er den Helm ab, reibt sich den Hinterkopf und seufzt. "Den Blutgolemkörper nicht mehr gewöhnt? Na ja, schwamm drüber. Besser, ein potentieller Angreifer wird so ausgeschaltet, als dass du mir eine leichte Verletzung meines Stolzes erspart. Ich denke, der hält das aus."
"Ich weiß wirklich nicht, was...", entschuldige ich mich weiter, aber er winkt ab. "Ist schon in Ordnung. Trotzdem bin ich froh über den Helm, das hätte mehr weh tun können."
Er greift sich plötzlich an die Seite, an die Stelle, die mich auch etwas schmerzt...was ihm durch Trang-Ouls Schuppen natürlich nichts bringt. "Hätte wohl auch weniger fest zutreten können."
Ich lasse das unkommentiert und beschließen, die Sache so gut, wie mir das möglich ist, zu vergessen. Wie ich eben auch vergessen hatte, dass der Blutkörper auch Schlaf benötigt, wenn auch nicht so viel wie der eines Menschen. Komisch...hatte ich letztes Mal nicht geträumt, als ich schlief? Zweiter?
Für Träume...braucht man eine Seele, dachte ich immer.
Was soll das heißen...Moment, hast du etwa...?
Ich habe gerade wirklich keine Lust, mir dein Gestammel anzuhören.
Morgenmuffel? Aber gut, ich muss ja nicht unbedingt nachbohren. Nach der hastigen Flucht aus dem Palast diese Nacht hatten wir uns wieder in Atmas Taverne zurückgezogen. Von dem zum Glück noch freien Raum im ersten Stock steigen wir jetzt die Treppe hinunter in die Schankstube, wo...Deckard Cain an einem Tisch sitzt?
"Ich grüße Euch, mein Freund", sagt er trockener, als ich es von ihm gewohnt bin. Er nimmt einen tiefen Schluck aus einem Becher, setzt ihn ruhig ab, lächelt mir wohlwollend zu, und deutet auf den Stuhl ihm gegenüber. "Bitte, bleibt kurz hier und hört mir zu."
Für einen Moment glaube ich fast, dass der Meister ablehnen möchte, aber natürlich wäre das Unfug. Er setzt sich zu seinem alten Mentor. "Das ist ja eine Überraschung, Deckard!", ruft er beinahe überzeugend.
"Leider keine freudige. Habt Ihr das vermutet, General? Man könnte fast meinen, Ihr wärt mir aus dem Weg gegangen in den letzten Monaten."
Ich glaube, der Meister versucht, zerknirscht zu blicken, aber...verdammt! Grob zwicke ich mir in den Nacken, was ihn zusammenzucken lässt, und endlich kommt er darauf, den Helm abzunehmen. So bequem kann der doch nicht sein!
"Nur, ich war ein wenig beschäftigt...und viel unterwegs", windet sich der Meister. Deckard nickt. "Das ist mir aufgefallen. Ich bin Euch seit zwei Wochen auf den Fersen."
Der Meister hebt beide Augenbrauen. "Das...tut mir Leid. Ich war nicht am zugänglichsten Ort der Welt, als du deine Suche begonnen hast."
"Und Ihr habt ihn nicht unbedingt weltoffener gemacht", seufzt der Horadrim-Weise. "Mein alter Freund Valtores war etwas kurz angebunden, was Euch angeht. Wenigstens konnte er mir helfen, Euer nächstes Ziel herauszufinden."
Verdammt, man kann über ihn sagen, was man will, aber der Alte ist gut im Beschaffen von Informationen.
Das ist in der Tat...etwas beunruhigend. Andererseits..."Ihr kennt Meister Valtores, Deckard? Würdet Ihr denn sagen, dass man ihm vertrauen kann?", werfe ich dazwischen.
Deckard Cain wirft mir einen Blick zu. "Ich wage zu behaupten, dass ich mir vorstellen kann, weswegen du fragst, Golem. Gerne unterhalte ich mich später mit dir darüber, wenn du das möchtest, aber ich bitte dich, das verschieben zu dürfen, weil mein Anliegen für deinen Meister keine Verzögerung duldet. Nur so viel: Ich nenne nur 'Freund', den ich für einen wirklich guten Menschen halte."
Ich nicke hastig. "Vielen Dank und gerne später." Einen Moment halte ich inne, dann füge ich hinzu: "Ich heiße übrigens jetzt Dorelem."
Deckards Lächeln ist voller Wärme, was mir mehr sagt, als Worte könnten – und tatsächlich spart er sich die. Es muss ihm sehr ernst sein, und mit entsprechendem Ausdruck wendet er sich wieder dem Meister zu.
"Ja, ich begab mich auf schnellsten Weg zu den Jägerinnen, nur um festzustellen, dass ich Euch wieder verpasst hatte. Und meine Fragen zu Eurem nächsten Ziel mussten unbeantwortet bleiben, zumal man nicht unbedingt gut auf Euch zu sprechen war."
Er ist immer noch sehr höflich und spricht langsam und mit wohl gewählten Worten. Aber ich kenne Deckard jetzt schon eine Weile...der alte Mann mit grauen Roben und langem Stab, aber stählernem Willen ist sauer.
Ich glaube, der Meister hat die Botschaft verstanden und sagt darauf nichts. Nach kurzer Pause fährt Deckard also fort: "Also musste ich nach Gefühl vorgehen. Zunächst begab ich mich nach Kurast, was kein verschwendeter Besuch war, aber offenbar Euere vorherige Station, nicht die nächste. Dann blieb nur noch Lut Gholein als großes Zentrum, und mein Instinkt erwies sich endlich als richtig.
Nun, meine Botschaft an Euch ist eigentlich ganz einfach: Wir wissen, wo Baal ist. Er hat vor etwa zwei Wochen die Hauptstadt der Barbaren im fernen Norden aus heiterem Himmel angegriffen und komplett dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem ich das erfahren hatte, ist der Nachrichtenstrom zunächst aus offensichtlichen Gründen abgebrochen, dennoch habe ich mich natürlich sofort auf den Weg gemacht, um Euch zu finden. Auch, weil ich eine große Befürchtung hatte, was Baals Plan angeht. Und vor fünf Tagen, als ich gerade auf der Reise zu den Sümpfen des Südens war, hat Tyrael mich kontaktiert und diese Befürchtung bestätigt: Baal will den Arreat erklimmen und den Weltstein korrumpieren."
Er lässt dies im Raum stehen, als sollte uns das gerade erschüttert haben. Als die Stille sich dehnt, opfere ich mich.
"Den...Weltstein?"
Deckard blinzelt kurz, dann schüttelt er den Kopf. "Verzeiht mir. Ich vergaß, dass zumindest in diesem Teil der Welt manche Dinge leider nicht zum Allgemeinwissen zählen. Der Weltstein ist der Nexus, um den Sanktuario erschaffen wurde, quasi der Ankerpunkt für die ganze Welt. Schon viele Kriege wurden um seine Kontrolle gefochten, seit der gigantische Kristall von Himmel und Hölle gemeinsam benutzt wurde, um die Urväter der Menschheit ins Leben zu rufen."
"Und wer kontrolliert ihn jetzt?", fragt der Meister. "Niemand", antwortet der Weise. "Obwohl die Barbaren, die Kinder Bul-Kathos', ihn im Auftrag des Himmels bewachen, war es Teil des Paktes, ihn der Menschheit selbst zu überlassen, auch oder gerade weil sie seine Macht nicht nutzen können."
"Welche Macht denn?", hakt der Meister nach. Deckard sieht ihn an als hätte er gerade die dümmste Frage der Welt gestellt. "Sind wir nicht beide Teil der Menschheit, General? Irrelevant. Baal will die Welt unterwerfen, indem er seinen Seelenstein zurück zur Quelle bringt."
"Ah, die sind aus dem Weltstein gemacht?"
"In der Tat. Die gleiche Resonanz der Steine wird ihm erlauben, die Kontrolle an sich zu reißen."
An der Geschichte stört mich etwas. "Aber hatte Marius nicht Baals Seelenstein? Und war Baal nicht auch durch das Portal in die Hölle geschritten?"
"Gut beobachtet, Dorelem", nickt Deckard. "Zunächst denke ich auch, dass der Plan der Übel ein anderer war; mit Baals Körper in der Hölle musste ihm der Verlust seines Seelensteins zunächst egal sein. Er und Diablo begannen daran zu arbeiten, ihre Armee aufzubauen. Dann stacht ihr direkt ins Herz der Hölle und vernichtetet den Herrn des Schreckens. Ohne Unterstützung durch seinen Bruder und geschwächt durch die Abwesenheit eines Teils seiner Seele muss Baal erkannt haben, dass er die Horden der Hölle nie führen würde können. Also wird er nach Sanktuario zurückgekehrt sein und seinen Seelenstein gesucht haben."
"Und ihn gefunden?", spekuliert der Meister.
"In der Tat. Vor vier Wochen brannte der Nordosttempel in Ober-Kurast zu Boden."
Ich runzle die Stirn. "Eine Woche, bevor ich bei den Docks ankam...ja, irgendjemand hat etwas in der Richtung erwähnt, aber es schien ihn nicht sonderlich zu kümmern."
"Der Tempel war zu einem Gefängnis umfunktioniert worden", erklärt Deckard. "Oder besser, einem Sanatorium. In Kurast begeht im Moment niemand Verbrechen aus Habgier oder Hass – nur aus Wahnsinn. Die dort Eingesperrten waren samt und sonders schwer geistig mitgenommen von den Ereignissen, und waren dadurch gewalttätig oder anderweitig gefährlich geworden."
"All dies habt Ihr erfahren, als Ihr kurz in Kurast wart, bevor Ihr hierher kamt?", wage ich einzuwerfen.
"Man muss nur die richtigen Fragen stellen, Dorelem. Nun, der Brand war unerwartet, aber ich werde der Bevölkerung nicht vorwerfen, dass sie mit einem gewissen Zynismus feststellte, dass es ihnen viel Arbeit und den dabei Verstorbenen wohl auch eine Menge Schmerz ersparte. Ich fürchte allerdings, dass es den Rest der Welt und ultimativ auch den Kurastern bald deutlich mehr Schmerz bringen wird."
Der Meister schnippt mit den Fingern. "Geistig mitgenommen...Marius! Er war da drin!"
Deckard nickt mit todernster Miene. "Die ganze Zeit vor meiner Nase, und ich suchte ihn nach Eurem Sieg über Diablo unermüdlich. Ich schäme mich für mein Versagen. Baal fand ihn vor mir, nahm sich den Seelenstein zurück, stampfte eine Dämonenarmee aus dem Boden und marschierte gen Norden."
Zerknirschte Blicke gehen durch den Raum. "Und jetzt?", bricht der Meister schließlich die Stille. "Auch auf nach Norden? Das wird ewig dauern."
Deckard legt die Finger zusammen. "Nun, für dieses Problem gibt es eine Lösung. Tyrael hat mich nicht nur kontaktiert, um mir die schlechten Nachrichten zu überbringen, müsst Ihr wissen."
"Aha, ich sehe schon, was jetzt kommt...", murmelt der Meister.
"Ja. Er möchte Euch gerne sobald als möglich nach Harrogath transportieren."
"Soll ich mich auf seinen Rücken setzen und mich fliegen lassen? Klingt eigentlich ganz lustig. Müsste mich nur zurückhalten, ihn während der Reise zu erwürgen."
Ein Seufzen des Weisen. "Ich bin mir sicher, er hatte etwas...Würdigeres im Sinne. Und wir haben miteinander geredet, wie versprochen. Tyrael wird Euch gerne ein weiteres Treffen mit Tenarion ermöglichen."
Der Meister trommelt einen ungeduldigen Rhythmus auf den Tisch. "Ein Anfang. Kann ich denn diesmal auf ein wenig mehr Unterstützung hoffen?"
"Das...müsstet Ihr vielleicht selbst mit ihm besprechen." Deckard steht auf. "Nun, jetzt wisst Ihr Bescheid. Werdet Ihr es auf Euch nehmen, auch das letzte Große Übel zu vernichten?"
Eleganter Themenwechsel, Deckard. Warum nur glaube ich, dass der Erzengel immer noch herzlich unkooperativ sein wird? Der Meister erhebt sich ebenfalls. "Aller guten Dinge sind drei, oder? Klingt ja auch nicht so, als ob die Barbaren gut mit dem Problem zurecht kommen würden. Selbstverständlich bringe ich die Sache zuende."
Eine gewisse Spannung, die ich so bisher gar nicht bemerkt hatte, fällt von Deckard ab. "Ich bin Euch sehr dankbar, aber nicht so dankbar, wie die ganze Welt Euch sein wird. Ihr wirkt reisefertig. Soll ich Tyrael rufen?"
"Nein. Nicht sofort. Es gibt da noch etwas zu erledigen."
Der Horadrim-Weise erbleicht etwas. "Wie...lange wird das dauern?", fragt er in neutralem Tonfall.
Zur Antwort legt der Meister ihm die Hand auf die Schulter. "Deckard, wie lange hast du nicht mehr geschlafen? Du hast in Kurast bis spät in die Nacht Informationen gesammelt und bist dann sofort hierher gekommen, oder?"
"Macht Euch bitte um mich keine Sorgen...", beginnt er, aber der Meister unterbricht ihn. "Bitte, Deckard, du hast dir eine kleine Pause verdient, und ich möchte, dass du fit genug bist um mich davon abzuhalten, Tyrael an die Gurgel zu gehen, wenn ich ihn treffe. Leg dich für ein paar Stunden hin. Ich verspreche dir, dass ich zurück bin, bevor du aufwachst."
Will er wirklich noch schnell diesen Kaa vernichten gehen?
Das werden wir ja noch hinbekommen.
Ein völlig überflüssiges Risiko – wir haben doch gerade gehört, was auf dem Spiel steht!
Er kann keine Ablenkungen durch irgendwelche gefangenen Seelen in seiner mächtigsten Waffe brauchen.
Verzeihung, die gefangene Seele in seiner mächtigsten Waffe bist immer noch du in mir. Aber ernsthaft, im hohen Norden werden ihn die Geister nicht erreichen. Die Zeit drängt!
"General...ich habe schon viel zu lange damit zugebracht, Euch zu finden. Es war nicht Euere Schuld, ein unglücklicher Zufall, dass Ihr die Nekromantenmetropole gerade zu diesem Zeitpunkt...verlassen habt. Aber ich muss Euch eindringlichst darauf hinweisen, was auf dem Spiel steht, und wie viel Boden wir bereits verloren haben. Die Zeit drängt!"
Sagte ich doch!
"Mein Problem mit Belial drängt mich auch", sagt der Meister und greift nach seinem Helm. Wie? Was hat das mit dem Jade-Tan-Do und den Geistern darin zu tun?
"General...ich wollte dieses letzte Argument eigentlich nicht benutzen, weil es mir manipulativ vorkommt. Aber Ihr solltet Euch auch aus persönlichen Gründen beeilen. Tyrael erwähnte, dass Natalya sich in Harrogath aufhält...und dass sie in großer Gefahr ist."
Der Meister wird stocksteif, Trang-Ouls Verkleidung über seinem Kopf erhoben. Sein Blick geht durch Deckard hindurch. Natalya?
"Natalya...", murmelt der Meister. Schließt die Augen. Schluckt. Dann verzieht sich sein Mund in eine Grimasse der Wut. "Und wie er versucht, mich damit zu manipulieren." Mit einem Ruck setzt er den Helm auf. "Dieser verdammte geflügelte Bastard..."
"General...", beginnt Deckard, aber der Totenbeschwörer schneidet ihm das Wort ab. "Ich nehme dir nicht übel, dass du sie erwähnt hast, wohl aber Tyrael, dass er sie benutzen will, um mich zu etwas zu bringen. Weißt du, wer der Letzte war, der das getan hat?"
Der Ausdruck des Horadrim-Weisen sagt mir, dass er sich einer Sache bewusst ist: Er hat gerade verloren. Natalya war eine Trumpfkarte, er hat auf sie gesetzt und kein Glück gehabt. Vielleicht, wenn er den Namen des Erzengels nicht erwähnt hätte...aber so...dennoch! Es geht um die Frau, die der Meister liebt! Und zumindest theoretisch ist Tyrael das genaue Gegenteil des letzten Wesens, das versucht hat, durch sie den General ins Herz zu treffen...
"Azmodan", beantwortet der Meister seine eigene Frage, als Deckard nicht antwortet. Seine Stimme ist ein Knurren. "Jetzt legt dich hin und ruh dich aus. Wenn ich zurückkomme, gehe ich nach Norden, ja. Aber nicht vorher. Natalya ist ein großes Mädchen und kann auf sich selbst aufpassen." Damit stürmt er aus dem Raum. Ich sehe Deckard etwas verzweifelt an. "So sollte er nicht mit Euch reden", entschuldige ich mich. Warum muss ich das in letzter Zeit so oft machen?
"Mein Stolz wird damit zurecht kommen, Dorelem", winkt Deckard ab. "Was seinen angeht..."
"Dorelem! Wo bleibst du?", ruft von draußen die Stimme meines Meisters. Ich kann nur hilflos die Arme heben und ihm nachlaufen.

Eine Minute später stehen wir im Tal der Magier, wo die sechs falschen und das eine wahre Grab Tal Rashas liegen, der von Baal besessen wurde und dessen Befreiung durch Diablo wir nicht verhindern konnten. Vom Wegpunkt aus sind die Felsen, die das Wüstenareal umgeben, in der Ferne sichtbar; ein Sandkessel, von außen extrem schwer zu erreichen. Das Portal in die Geheime Zuflucht ist immer noch offen.
"Wir sollten das schließen...", merke ich an, aber der General ist schon losgestapft. "Du hast den Alten gehört, Dorelem. Wir haben es eilig. Wie damals."
Schnell hole ich zu ihm auf, die mitteleportierten Skelette haben ihr Tempo auch beschleunigt. "Woher wusstest du überhaupt, dass wir hierhin müssen? Weist dir der Dolch den Weg, wie die Geister es sagten?"
"Ach ja, stimmt eigentlich...", murmelt er, zückt das Jade-Tan-Do und spricht es an. "Ich bin hier schon richtig, oder?"
Er hält kurz inne. "Ja, das habe ich mir irgendwie gedacht", nickt er dann ins Nichts und steckt die Waffe wieder ein.
Dann bemerkt er mein ungläubiges Starren. "Ist irgendwas?"
"Du...hattest den Dolch gar nicht...?"
Du bist manchmal ein wenig schwer von Begriff, oder?
"Na ja, Dorelem, nach einer gewissen Weile hört man einfach auf, an Zufälle zu glauben", stellt er fest.
"Wovon redest du?", stoße ich hervor. Sein Ausdruck ist unlesbar. "Na ja, dass ein weiteres Teil des Trang-Oul Sets an der gleichen Stelle wie der Seelenfresser versteckt ist, wundert mich einfach nicht wirklich."
Aber...woher...
Zur Hölle! Er kann spüren, wo das nächste Setteil ist!
Was? Seit wann?
Je mehr er hat, desto stärker wird seine Fähigkeit, die übrigen zu finden.
Das klingt aber nicht besonders beruhigend.
Dann ist die Suche schneller vorbei, und wir können uns auf das Wesentliche konzentrieren. Sollte dir gefallen!
"Siehst du, und auch dieser 'Zufall' wundert mich nicht."
Wir sind an einem der Gräber angekommen. Diesmal verstehe ich sogar, was er mir sagen will. "Das ist ja das, dessen Symbol Diablo verändert hat, damit wir denken, es ist das richtige!"
"Und damit ist auch klar, warum er uns ausgerechnet in dieses locken wollte...", nickt er. Wir schreiten durch das Steinportal in muffige Hallen, die vom Stil her nicht anders sind als das echte Grab. Offensichtlich ist der Grundriss aber anders, wie mir eine ins Gedächtnis gerufene Karte dessen, das wir erforscht haben, verrät.
"Etwas dunkel...", bemerkt der Meister.
"Reichen dir die Feuermagier diesmal nicht?"
"Ich bitte dich, Feuermagier als Lichtquelle sind so passé. Das geht viel heller. Nebenbei haben wir ja schon damals festgestellt, dass ein Blutgolem hier ein wenig zu wünschen übrig lässt. Du erlaubst..."
Er ballt eine Hand zur Faust und streckt den Ring nach vorne, mit dem er Feuerblitze schießen kann. Dann hält er plötzlich inne, spreizt stattdessen die Finger – und ein kopfgroßer Feuerball formt sich vor seiner Handfläche.
Wir starren beide darauf – bis er plötzlich explodiert, was den Meister aufschreien und zurückzucken lässt.
"Was war das denn?", rufe ich, während er seine verletzte Hand schüttelt. Es scheint kein ernsthafter Schaden passiert zu sein, aber die Handschuh ist kaputt. Schnell wird der Meister ihn los. "Scheint sich um einen Feuerball gehandelt zu haben", bemerkt er trocken.
"Ach ne", ätze ich zurück. "Und woher? Hat sich dein Ring spontan verbessert?"
"Nein...", murmelt er, mehr zu sich selbst. "Als ich den benutzen wollte, kam mir plötzlich, dass es eigentlich ganz einfach sein sollte, das gleiche einfach ohne Unterstützung durch einen Gegenstand zu machen. War nur etwas...größer, als erwartet."
Er hebt die andere Hand. "Um genau zu sein..."
"Spinnst du?", rufe ich, aber zu spät. Ein zweiter Feuerball entsteht...und alles wird für einen Moment schwarz, dann stehe ich direkt vor ihm. Sein breites Grinsen kann ich auch trotz des Helmes erkennen.
"Na also, kein Grund zur Sorge! Man muss nur schnell genug beschwören können."
Ich trete einen Schritt zurück und begutachte meine Flammenhände. "Du wirst schon wissen, was du tust...", murmle ich. Aber gut, es hat ja funktioniert, und wo auch immer er diese Fähigkeit jetzt auf einmal hergezogen hat, wenn er das unter Kontrolle bekommt, ist es sicher unglaublich nützlich. Ansonsten habe ich keine Lust mehr, mir Fragen zu stellen, auf die ich nur unzureichende oder gar keine Antworten bekomme. Genug Überraschungen für einen Tag. Ich bin abgestumpft.
Als unsere Fackel schreite ich voran. Die staubigen Gänge mit ihren alten Sandsteinwänden sehen alle gleich aus; manchmal öffnet sich einer in eine größere Kammer mit mehreren Ausgängen. Es wäre leicht, sich zu verlaufen – wenn der Meister nicht bei jeder Abzweigung den Weg weisen würde. Aber wenn er tatsächlich ein weiteres Setteil spürt, woher weiß er dann, welche Route durch dieses Labyrinth die kürzeste ist?
Da sehe ich, wie er leise etwas scheinbar zu sich flüstert und nickt. Jetzt konsultiert er die Geister. Zwei übernatürliche Mächte, die uns zum gleichen Ziel locken wollen...ich kann nicht sagen, dass ich das für sehr beruhigend halte.
Wovor hast du Angst? Wir haben schon Große Übel der Hölle vernichtet. Ein Seelenfresser oder was auch immer sollte kein Problem sein. Und Gürtel, Rüstung und Helm waren jetzt auch nicht die Welt zu ergattern.
Entschuldige, wenn ich nicht lache, aber zumindest Endugu wirst du als leichte Herausforderung anerkennen müssen?
"Wir sind da", haucht der Meister plötzlich. Der enge Korridor, in dem wir stehen, hat drei Steintore; das, durch das wir gerade gekommen sind, eines vor uns und eines an der Seite. Diesem wendet sich der Meister zu. Dann runzelt er die Stirn.
"Nein, ich bin mir sogar sehr sicher, dass ich hier hineingehen will", teilt er der Luft mit. "Dorelem, bitte..."
Wollten die Geister ihn in die andere Tür...heißt das, Kaa ist vor uns, aber das Teil des Trang-Oul Sets nicht? Ich betrete die Halle. Gegenüber ist kein Ausgang, rechts von uns kann keiner sein, sagt mir die geistige Karte, und links würde in den Raum führen, wo die Geister uns hinschicken wollten. Sackgasse also? Ruht hier, was der Meister will? Der Raum ist von Säulen durchzogen, eine Reihe an jeder Seite, deswegen kann ich nicht viel erkennen.
Der Meister tritt neben mich – und fixiert einen Punkt an der Wand. "Feuerball, dahin", befiehlt er mir, und gleichzeitig schwärmen die Skelette in defensiver Formation aus. Ich tue wie geheißen, werfe einen Teil meines Flammenkörpers vorwärts, und als er auf Stein trifft, zerplatzt er in hellem Leuchten.
Viele Schatten blitzen kurz an den Wänden auf. Durchbrochene Silhouetten, Schädel und Rippen, und gewaltige, vage humanoide, aber mit ganz falschen Proportionen, zu lange Extremitäten und...Klingen statt Armen?
Hinter uns fällt mit einem Donnern ein Steinblock herab, als die Grabtür sich schließt.
Mit träger Überheblichkeit tritt eine Mumie hinter einer der Säulen hervor – ganz in der Nähe der Stelle, wo ich gerade hingefeuert habe. Ihre vertrocknete Haut ist dunkelbraun, die einzige Bekleidung ein Lendenschurz aus bröckelnden Bandagen. Eine weiße Maske mit angedeuteten Haaren, die von der Stirn aus nach hinten über den Schädel fallen, verdeckt das Gesicht. Arme und Beine sind grotesk verlängert, wie auch die Maske, die eher zu einem Pferdekopf passen würde. In beiden Händen hält sie eine gebogene Klinge, nicht ungleich den Schwertern der mächtigen Balrogs, die wir in der Hölle zu hunderten töten mussten. Und an den Händen...dunkelgoldene Handschuhe.
"Kaa, der Seelenlose, nehme ich an?", spottet der Meister.
"Unter anderem", antwortet ihm eine tiefe Stimme, die mir bekannt vorkommt. Dann öffnet sich der Mund der Maske viel weiter, als möglich sein sollte, und drei Projektile gleichzeitig lösen sich daraus. Es sind Kugeln aus reiner Dunkelheit, mit Stacheln, die daraus hervordringen und pulsierend ihre Länge ändern. Sofort greife ich den Meister und schiebe ihn hinter mich. Eine der Kugeln trifft mich in der Brust, und mir wird kalt – sehr kalt. Ein Blick nach unten verrät mir, dass ich ein Loch in meinem Feuerkörper habe, wo sie eingeschlagen ist. Schnell fülle ich es auf, aber ich fühle mich schwächer als vorher...wenn mich mehrere solche treffen, kann ich das Feuer nicht mehr kontrollieren. Nicht gut, wenn der Meister hinter mir steht.
Tut er aber nicht mehr – er ist ein paar Schritte zurück gestolpert, weil die Kugel mich durchdrungen und ihn getroffen hat. Zum Glück scheint er noch in Ordnung.
Eine Horde Skelette stürmt auf uns zu, und ich sehe, dass wir neben diesen noch mit drei weiteren großen Mumien zu tun haben. Das weckt doch Erinnerungen...unsere Armee bereitet sich auf den Angriff vor. Der Meister hebt das Jade-Tan-Do. "Du bist mehr als nur ein antikes Monster, das längst zu Staub hätte zerfallen sollen. Warum hast du mich hierher gelockt?"
"Oh, die Antwort sollte dir leicht fallen, General", knurrt Kaa mit seiner Schlammlawinenstimme. "Denk doch ein wenig über deine Sünden nach."
Wo habe ich ihn schon einmal gehört...ich durchforste hektisch meine beträchtlichen Erinnerungen.
Er hat uns gerade einen Hinweis gegeben...verdammt! Natürlich!
Fast gleichzeitig mit dem Zweiten komme ich darauf, als ich daran denke, welche Seelen denn alles von dem verfluchten Dolch hierher geschickt wurden.
"General, die Hölle ist noch nicht ganz hinter us! Das ist Azmodan!"
 
ist eigedlich klar, dass ein seelenfresser von einem größen übel überfordert ist und dann vieleicht auch übernommen wird. sehr schön.
 
ouuu auf den kampf freu ich mich schon :)
Bin gespannt wie sich die armee des generals gegen die horde an gegnerischen skeletten schlagen wird... ich weiß noch, wie mein beschwörer damals probleme mit vielen, durch elites verstärkte, gegnern hatte^^
Interessante wendung :top:
 
Zuletzt bearbeitet:
@ raynsan Cooles Gedicht - und vor allem: Es hat geholfen :)

@twin nice. gefällt mir wie immer sehr gut. Danke für das update
 
Huhu,
ich weiß, so ganz regelmäßig gibts keine updates mehr...aber können wir in nächster zeit mit einem rechnen?
 
Ich denk, für den Sonntag kann ich eins versprechen ;).

Kapitel 16 ist immerhin schon fertig, wobei ich nicht weiß, ob es nicht noch zwei Seiten länger wird...

Simon
 
zwei Stein länger - das klingt gut :) weiter so!

Noch besser klingt das Sonntagsversprechen.

Danke, dass du dich für uns so da reinhängst.
 
Schaut nach Sonntag aus!

Gut, dass ich mit dem so lang gewartet hab...der gute Lib hat mich informiert, dass ich den General ursprünglich gleich noch mal den Milchsack übergeben hab lassen. Das kommt davon, wenn gut ein Monat zwischen jedem Kapitel ist, was vor zweien passiert ist, hab ich doch schon wieder vergessen!

Viel Spaß mit ohne Milchsack :D.

Simon
 
Kapitel 15 – Der Herr der Sünden



Ein Lachen wie zähflüssiger Teer blubbert aus dem Mumienkörper hervor, der dafür viel zu schlank wirkt.
"Wie ich schon bei unserem letzten Treffen bemerken musste, ist dein Golem viel zu schlau. Aber Schläue wird dir diesmal nicht helfen, Wurm. Du sitzt in der Falle!"
Unsere Skelette treffen auf seine und haben wenig Probleme, Stand zu halten. Der Meister ist allerdings vorsichtig und behält die Wächter nahe bei sich – das bedeutet, dass die mit Klingen bewaffneten regulären Krieger ihre Gegner nicht allzu schnell ausschalten können. Dafür sind wir sicher vor den Magiekugeln. Ich werfe einen fragenden Blick zu Seite, aber der Meister bewegt die Handfläche parallel zum Boden auf und ab, beschwichtigt mich, abzuwarten.
"Die Tür ist zu, ja, aber ich wäre ohnehin nicht gegangen, ohne dich vorher in den Staub zu treten. Wenn du schon so eine tolle Falle geplant hast, möchtest du mir verraten, warum genau das nicht unglaublich dumm von dir war? Jetzt bin ich hier, und du weißt, wie gut ich darin bin, Leute deines Schlages zu vernichten!"
"Selbstverständlich weiß ich das, und darum bist du auch hier", spuckt Azmodan, und lässt seinen Worten Geschosse folgen. Die anderen Mumien stimmen ein, und für einen Moment ist nur eine Kakophonie aus Rauschen zu hören, als die magisch erzeugte Materie Luft verdrängt. Die Wächterschilde halten – noch.
"Denn ich werde dafür sorgen, dass du aufhörst, deine Talente zu verschwenden. Solche Macht – und du benutzt sie dafür, anderen zu helfen? Lächerlich – und auch noch verlogen. Verabscheuungswürdig. Du wehrst dich dagegen, aber bist jetzt schon unter der Fuchtel meines Bruders!"
Unwillkürlich fährt der Meister mit seinen frisch exponierten Fingern ein tief unter den Schuppen der Trang-Oul Rüstung liegendes Pentagrammmuster nach. "Red nur weiter, ist ja nicht so, als ob wir sonst etwas zu tun hätten. Und nein, das tut ihr nicht." Beim letzten Wort des Meisters zerfetzt es ein gegnerisches Skelett in tödliche Splitter, gegen die wir zum Glück immun sind. Unsere Truppe hat also ein erstes Opfer zu verbuchen – und bevor die Mumien ihren Diener wiederbeleben konnten, hat der Meister die Leiche gesprengt. Wenn Azmodan vorhat, ihn abzulenken, ist ihm das bisher nicht gelungen.
Gleichzeitig lässt sich das niedere Übel eine mögliche Niederlage in dieser Hinsicht aber auch nicht anmerken und fährt fort. "Dir sollte wirklich klar sein, dass alles, was du tust, von fürchterlicher Heuchlerei gezeichnet ist. Du begehst Sünde um Sünde – und glaub mir, damit kenne ich mich aus! – und spielst den Helden. Lächerlich! Wie soll einer wie du der Retter Sanktuarios sein? Ein Mörder kaltesten Blutes. Was mir die Seelen deines grausamen Dolches so alles verraten haben...weißt du überhaupt, wie viele es sind, oder hast du schon die Übersicht verloren?"
Für einen kurzen Moment ist der Meister still – und ich bemerke, wie ein gegnerische Skelett stürzt, eine Mumie hastig den Arm hebt und mit einem Leuchten gelber Funken der Krieger wie neu aufsteht, um unsere Reihen erneut zu bedrängen. Ja, Azmodan versucht hier definitiv, nur abzulenken. Sollten wir das Reden nicht auf später verschieben?
"Ich hatte keine Gelegenheit, zu zählen. Du hast ja jetzt die Kontrolle, also sag es mir doch", gibt der Meister schließlich trocken zurück.
"Nimm das Jade-Tan-Do in die Hand und sie werden es dir gerne mitteilen. Oder wagst du es nicht, dich deinen Sünden zu stellen? Wenn du das nicht tust, wirst du mich niemals besiegen können, denn ich werde immer in dir sein!"
"Kannst ja dann mit deinem Bruder streiten. Idealerweise so lange, bis ich euch alle wieder zurück nach unten geschickt habe", ätzt der Meister – und packt das Jade-Tan-Do. Für einen Augenblick schießen seine Augen durch den Raum. Während dieses Augenblicks wird wieder ein Skelett von den Mumien wiederbelebt statt von uns gesprengt. Lass dich doch nicht auch noch ablenken! Aber da fokussiert sich der Blick des Generals wieder, und er erwidert den von Azmodan. "Wie du siehst, bin ich mir meiner Sünden durchaus bewusst. Deswegen bin ich auch hier. Und so kann ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – ein paar von ihnen wieder gutmachen, und dich vernichten."
Beim letzten Satzteil flucht er Widerstandsschwund auf so viele Gegner, wie er kann. Langsam kenne ich ihn gut genug, deswegen bin ich schon einen Augenblick vor diesem Signal losgestürmt. Ich lasse meinen Feuerkörper zerlaufen, wabere als Flächenbrand zwischen den Beinen eines unserer Krieger hindurch und fahre als Flammensäule unter einem gegnerischen Skelett hoch. Knochen zerplatzen durch die Überhitzung, und die noch intakten zerfetzt es kurz darauf durch eine deutlich stärkere Kadaverexplosion. Die nächste Reihe von ihnen stolpert zurück, deutlich anfälliger gegen die Hitze der Detonation, und ich setze zusammen mit der Armee nach. Der Fluch wechselt zu Verstärktem Schaden, und die Schwerter unserer Recken sind auf einmal viel effektiver. Ich verliere ein wenig an Nutzen, aber bin ohnehin vor allem damit beschäftigt, Geschossen auszuweichen – wenn die treffen, tut es tatsächlich weh.
Azmodan ignoriert diese Entwicklung völlig. "Egal, was du heute vollbringen wirst, es ändert nichts an dem, was du bereits getan hast. Hör den Geistern nur gut zu, die dich umschwirren; lass dir erzählen von Kaelans Frau, die jetzt verwitwet ist und auf der Straße gelandet. Von Griez' unehelichem Sohn, den er dennoch aus ganzem Herzen liebte und unterstützte und den du zum Vollwaisen gemacht hast. Hier gibt es keine "Wiedergutmachung", du Narr. Die Welt ist nicht so gerecht. Du hast diese Menschen dazu verdammt, von Kaa versklavt zu werden, sie haben bereits mehr gelitten, als ihnen ein normaler Tod je angetan hätte. Vernichte diesen Körper, und ihr Schmerz wird sie direkt in die Hölle treiben. Und all das, wirklich alles, ist deine Schuld!"
Ein sardonisches Grinsen blüht unter Trang-Ouls dunkelgoldenen Helm auf. "Wenn sie ohnehin unten gelandet wären, kann ich ja fast froh sein, dass ich ihren Weg verzögert habe. Erzähl mir nichts von Schmerz. Kaelan und Griez haben ihren Tod verdient."
Das...finde ich jetzt nicht wirklich unterstützenswert.
Bah, der Tod ist nie ein Verdienst. Jeder Mensch stirbt irgendwann, was soll an ein paar Jahren hin oder her jetzt eine besondere Strafe oder Belohnung sein? Frag mich einmal. Ich existiere seit hunderten von Jahren, und wenn jemand nach diesem General den alten Wälzer findet, meinetwegen in tausend weiteren Jahren, werde ich wieder da sein, vielleicht immer noch mit dir und dann noch einem dritten Naivling ohne Sinn und Verstand. Wenn hier jemand den Tod verdient hätte, dann ich!
Das...ist deprimierend. Aber darauf wollte ich nicht einmal hinaus. Denk doch mal nach – wir wissen doch, dass die Seelen nur dann in Himmel oder Hölle landen, wenn sie unterbewusst glauben, es verdient zu haben? Und all jene, die speziell im Inferno gefoltert werden die sind, die es eigentlich am meisten bereuen, und meinen, diese Strafe ist genau richtig für sie?
Wenn du Azmodan hier glauben willst.
Und warum auch nicht? Dass sie so ihre besten Rekruten bekommen, nehme ich ihm sofort ab. Diese beiden armen Schweine...
"Moment, Azmodan!", werfe ich also ein. "Warum sollten sie in die Hölle kommen, wenn wir sie befreien? Du hast selbst gerade ihre Tugenden herausgestellt. Sicher haben sie auch Sünden begangen, ja. Aber meinst du nicht, sie wissen selbst sehr genau, dass ihre monatelange Gefangenschaft in Kaas Körper Strafe genug war, wie es jede Höllenfolter wäre?"
Eine direkt vom niederen Übel abgefeuerte Magiekugel trifft mich, und ich gerate für einen kurzen Moment in die unangenehme Situation, all meine Konzentration darauf verwenden zu müssen, nicht in einem Feuerball zu vergehen. Die vordrängenden Gegner, welche meine Schwäche spüren, helfen dabei natürlich nicht; ich ziehe mich für einen Moment zurück.
"Was hat Glaube damit zu tun?", donnert Azmodan. "Sünden sind Sünden! Sich etwas anderes vorzumachen, ist mehr als lächerlich! Wie sehr die Menschen doch nach Entschuldigungen suchen...sie sollten sich einfach eingestehen, wie sehr sie es lieben, einander weh zu tun. Statt Lüge auf Lüge zu schichten, um weiter ein sogenanntes reines Gewissen rechtfertigen zu können!"
Durch meinen Fehler können die Feinde etwas vordringen. Zwei unserer Diener werden zerschmettert.
"Als ob du so ehrlich wärst!", speie ich. Der Meister schnippt mit den Fingern, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. "Das ist vorerst genug. Komm wieder her."
Ich tue wie geheißen, froh über die kurze Erholungspause – es ist nicht ohne Anstrengung, meine Körperform ständig neu zu gestalten, um den übergroßen Magiekugeln zu entgehen.
"Ich bin doch nicht mein Bruder, kleiner Golem. Nichts ist ehrlicher als die Sünde, denn was zeigt mehr das wahre Wesen eines Menschen als das, was er tut, wenn er, wie es immer so verlogen heißt, die Kontrolle verliert?"
Der Meister und ich wechseln einen vielsagenden Blick, auch wenn ich ihm nicht wirklich in die Augen sehen kann.
"Du lügst also nie, Azmodan? Was ist mit Natalya?"
Während der Meister die Diskussion weiterführt, welche hoffentlich auch unseren Widersache ablenkt, flüstere ich ihm zu: "Ich wäre wieder bereit, mich vorzukämpfen." Ein knappes Nicken ist meine Antwort, und damit stürze ich mich erneut ins Getümmel. Schnell zerstöre ich ein Skelett, das sich zu weit vorgewagt hat, und sofort wird es zu unserem Diener; der Meister ist bei der Sache.
"Was soll mit deiner verstorbenen Assassinen-Gespielin sein?"
"Dass sie noch lebt, zum Einen."
Ich packe den Arm eines zuschlagenden Skeletts, zerbreche den Knochen. Die Hand hält immer noch den rostigen Säbel, den ich auf den Schädel eines anderen herunterfahren lasse. Durch den Schadensfluch des Meisters zerbirst er wie eine Vase aus dem dritten Stock. Trotz der unendlichen Möglichkeiten zur Gestaltwandlung, die ich besitze – am intuitivsten scheint es mir immer noch, in humanoider Form zu kämpfen. So gehe ich in die Knie und fege mit einem Bein einen Gegner von den Füßen, haste nach vorne und zertrümmere sein Rückgrat noch bevor er auf dem Boden landet.
Eine Feuerschlinge, um Feinde umzuwerfen, wäre dennoch effektiver.
Dann hätte ich ihn aber nicht übers Knie brechen können. Deswegen ist es so einfacher – ich muss nicht ständig auch noch nachdenken, welche Form für die aktuelle Situation am besten ist, wenn ich genug Erfahrung mit der menschlichen habe.
Dennoch...es wird höchste Zeit, die Mumien auszuschalten...
"Deine Fähigkeit zum Selbstbetrug ist wirklich erstaunlich, General", antwortet Azmondan derweil, die Stimme triefend vor Selbstzufriedenheit. "Zumindest vorwerfen kannst du ihr ihren Tod nicht. Oder? Hättest du ihr sofort folgen sollen?"
Ich strecke meine Arme auf jeweils gut zwei Meter, lasse meine Beine dafür verschwinden, weil ich mein Volumen erhalten muss. Meine Hände finden Halt in der Wand und um eine Säule, ich strecke mich und schieße nach vorne, katapultiere meinen Hauptkörper über die verdutzten Skelette hinweg. Die Mumie versucht, mich mit einer Magiekugel zu treffen, aber es ist zu spät. Der Feuerball, der ich bin, fliegt ihr gegen die Maske, und kurz darauf sinkt sie zu Boden.
"Der General weiß, wie wichtig unsere Mission ist! Er hat immer richtig gehandelt, auch wenn es schwer war!", rufe ich trotzig.
"Ach ja, die Mission", ätzt unser Widersacher. "Baal wollt ihr vernichten und seinen Seelenstein wie den der anderen beiden Großen Übel zerschmettern, sehe ich das richtig? Findest du das nicht ein wenig heuchlerisch, General?"
Was?
"Ich weiß nicht, wovon du redest", sagt der Meister ruhig. Als Betonung sprengt er ein gegnerisches Skelett, was ein weiteres vernichtet, und sogleich folgt eine zweite Detonation. Das sollte...ja, der Weg ist frei.
"Hast du nicht einst nur zu gern mit eben jenem Baal zusammengearbeitet, den du jetzt so edel zu vernichten suchst?"
Der Meister runzelt die Stirn. "Wäre mir jetzt neu."
"Augen nach vorne, Azmodan! Deine Lügen lenken im Moment dich ein wenig zu sehr ab!", ruft plötzlich der Zweite, wie schon lange in meiner Stimme – und wir schießen als Feuersäule nach oben, verschlingen die Mumie über uns, der wir uns plötzlich genähert haben, in einem Inferno.
Über ihrer schwelenden Leiche formen wir uns zurück zu einem menschlichen Körper. Faust schlägt gegen Handfläche.
"Irgendwelche letzten Worte, bevor wir dein Gesicht schmelzen?"
"Oh, nur zwei Dinge." Azmodans Stimme fließt wie vergifteter Honig hinter seiner Gesichtsmaske hervor. "Erstens: Ich lüge nie, also lenk du nicht ab, mein kleiner Feuerteufel. Zweitens: Was meinst du, warum ich euch zuerst in den anderen Raum locken wollte?"
Ich fahre herum, ein sinnloser Reflex, wo ich doch einfach mein Sichtfeld ändern könnte, sehe, das der Meister das gleiche tut...aber zu spät, denn da packen ihn zwei Mumien von hinten an jedem Arm. Die Tür, die sich vorhin hinter uns geschlossen hat, muss lautlos – oder leise genug, dass der Kampflärm es maskiert hat – aufgegangen sein. Verdammt!
Der Meister erstarrt, mit ihm die Armee; dann breitet sich ein hässliches Grinsen auf seinen Lippen aus. Oh, wie ich wünschte, dass ich jetzt seine Augen sehen könnte...
"Aus der Tatsache, dass ich kein Paar langer Messer in meinem Rücken habe, schließe ich, dass du etwas von mir willst. Was ist es diesmal, Azmodan? Immer noch Zusammenarbeit, um die Hölle zu übernehmen?"
"Siehst du, diese geradezu ekelhafte Verschlagenheit macht dich doch erst so interessant." Azmodan schnippt die Knochenfinger seiner freien Hand, was nicht schnalzt, sondern klackt, und deutet zur Seite. "Bevor wir aber zum Geschäftlichen kommen...Golem, du wirst dich jetzt an diese Wand stellen, weit weg von mir und von ihm. Ich weiß, was passiert, wenn du vernichtet wirst, also bleib nur. Aber keine Dummheiten. Wir verhandeln hier vielleicht, aber ich führe. Pass auf!" Er hebt die Hand, zweimal leuchtet es hell auf, und die Mumien, die ich gerade getötet habe, stehen beide wieder auf. Der Meister blickt von einer zur anderen, öffnet kurz den Mund und schließt ihn wieder.
Azmodan gibt sein Krummschwert an die linke weiter und reibt sich die Hände. "Also, wie du korrekt festgestellt hast, möchte ich in aller Ruhe mit dir etwas besprechen, wozu wir letztes Mal keine wirkliche Gelegenheit hatten, weil dein nerviger Diener uns rüde unterbrochen hat. Es geht prinzipiell um das Gleiche: Ich will, dass du dich mir anschließt."
"Es ist schön, begehrt zu sein", gibt der Meister sarkastisch zurück. "He, wenn du schon wie unter zivilisierten Leuten verhandeln willst, magst du denen sagen, dass sie meine Arme freigeben sollen? Es fängt an, weh zu tun."
Von meinem Standpunkt an der Wand kann Azmodan mich nicht allzu deutlich sehen, deswegen mache ich mir keine Sorgen, weil meine Augenbrauen dermaßen hoch wandern. Er hat sowas von einen Plan...aber welchen? Beinhaltet das die Freigabe seiner Arme? Wenn ja, spielt er aber ganz schön hoch.
Azmodan lacht rumpelnd. "Deine Überheblichkeit hat wirklich nur zugenommen seit dem letzten Mal, als wir uns sahen. Ist es dein Sieg über Diablo, der dir diese Arroganz gibt? Oder hat dein Stolz so sehr gelitten, als du wegen mir deine Geliebte durchbohren musstest?"
"Im Gegenteil, Geringes Übel. Ich bin sogar sehr stolz auf die Entscheidung, die ich damals getroffen habe – wurde mir doch erst vor Kurzem bestätigt, dass Natalya noch lebt. Damit habe ich bereits zweimal über dich ganz persönlich gesiegt: Zunächst über deine Versuchung zur Sünde, und gerade eben, weil du der Lüge überführt wurdest."
Azmodan wird kurz still. Dann beginnt er tonlos zu sprechen: "Wer könnte..."
Er unterbricht sich. Und redet weiter, diesmal aber mit einem Lächeln in der Stimme, das man auf seiner ausdruckslosen weißen Maske natürlich nicht erkennen kann – aber ich bilde mir ein, dass es dem des Meisters exakt gleichen würde. "Es war Tyrael, nicht wahr?" Das tiefste Lachen bisher dringt aus seiner Kehle hervor, und diesmal ruft es mir ganz deutlich das Bild seines letzten Körpers ins Gedächtnis – eines ekelhaft hellgrünen Leichenspuckers, dieser grotesk geschwollenen, auch gesichtslosen Kreatur. Für einen Augenblick ist mir, als würde sein schlanker Mumienkörper durch etwas weitaus massigeres, einen Fleischberg mit zu vielen Beinen, ersetzt werden...dann, endlich, verklingt sein fast minutenlanges Gelächter im Echo der engen Kammer. "Das ist zu köstlich. Er vertraut...ha! Für diesen Moment pursten Amusements darfst du deine Arme befreit bekommen. Kannst sie gleich nutzen, um deine Skelettarmee zu vernichten."
Als ob er dafür seine Arme brauchen würde...aber je weniger Azmodan weiß, desto besser. Als die Mumien den Meister loslassen, winkt er zuerst einen Wächter zu sich, der sich so hinkniet, dass der Meister auf dessen Schild Platz nehmen kann. Dann lässt er seine ausgestreckte Hand mit großer Geste über die vor ihm verteilten Skelette gleiten, die dramatisch entlang der Bewegung zerfallen. Währenddessen landen die Schwerter der Mumien an seinem Hals; ganz sorglos ist Azmodan offenbar nicht. Im Gegensatz dazu, wie der Meister wirkt, der die andere Hand locker auf dem Jade-Tan-Do ruhen hat und den Rücken gegen die stützende Hand des verdrehten Wächters unter ihm lehnt. Das Metall nur Zentimeter von seiner Haut entfernt ignoriert er natürlich vollkommen.
"Ausgezeichnet", bedankt er sich, immer noch mit ironieschwangerer Stimme. "So unterhält es sich doch viel besser. Meinen...Witz...bezüglich unseres geflügelten 'Freundes' ignorieren wir einfach mal, kommen wir zu wirklich wichtigen Themen: Was willst du von mir? Soll ich dafür sorgen, dass deine Seele zurück in die Hölle geht, mitkommen und dann dir helfen, dort die Macht zu übernehmen?"
"Oh, ich sehe, ich habe deine Schläue gerade fälschlich gelobt. Die Hölle ist für mich gestorben! Ganz alleine dir zu verdanken! Ich weiß nicht wie, aber dein verdammter Dolch hat mich hierher geschickt, aber meinen Bruder verschont. Jetzt ist Belial seit Wochen als einziges Übel dort unten – ich habe quasi keine Chance mehr, mich durchzusetzen. Nein, siehst du es nicht? Dass ich hier gelandet bin, ist im Gegenteil ein unglaublicher Glücksfall! Seit Jahrhunderten haben die Großen Übel daran gearbeitet, auf Sanktuario Fuß zu fassen, diese Welt zu übernehmen und von hier den Himmel zu erobern. Als sie es das letzte Mal versuchten, wurden sie hier eingesperrt und mussten lange daran arbeiten, ihre Macht zurückzugewinnen, wollten dann nur wieder zurück in die Hölle, um ihre Armeen zu sammeln. Jetzt bin ich hier, direkt aus der Hölle mit all meiner Macht intakt, diese Gräber, ja, die ganze Wüste ist voll willig dienender Untoten, von denen ich so einige in den letzten Wochen mit größter Ruhe und Genugtuung unter meine Kontrolle bringen konnte, ungestört von irgendwelchen Weltrettern oder gar Großen Übeln, die mir schon viel zu oft in die Suppe gespuckt haben. Baal kann meinetwegen irgendwelche esoterischen Pläne hegen, den Weltstein zu korrumpieren und böse Schwingungen oder was auch immer zu versenden, ich sage, in die ewige Vergessenheit mit solchen Plänen! Ich hole mir eine Horde seelenhungriger Untoter, hier und jetzt, und übernehme alles, ehe er sich versieht! Mag Belial die Hölle behalten – bis er einen Weg findet, von dort nach Sanktuario zu kommen, gehört mir längst die ganze Welt und der Himmel dazu!"
Der Meister starrt demonstrativ gelangweilt auf seine Fingernägel. "Fantastischer Plan. Und welche Rolle genau spiele ich darin?"
"Zwei Rollen. Erstens, du willst Baal töten? Herausragend. Ich auch. Er hat keinen Platz in meinem Plan. Niemand hat mehr Erfahrung darin, Große Übel zu vernichten als du. Zweitens: Ich brauche Anführer außer mir. Leute, an die ich Macht delegieren kann. Kein besserer General als der General selbst! Wie üblich mache ich dir nichts als fantastische Angebote. Du müsstest dafür nur eine Sache tun..."
"Jetzt kommts", schnaubt der Meister.
"Nimm das Jade-Tan-Do und stech es dir in die Brust. Deine Seele gehört dann mir. Das ist ein geringer Preis – wie ich dir gerade gezeigt habe, kann ich mit den Seelen, die mir durch Kaas Körper gehorchen, tun was ich will. Ich kann ihnen neue Körper geben – egal, welche. Diese Mumien sind nur ein Beispiel. Du siehst einen starken, schönen Menschen und wärst gerne er? Kein Problem! Töte ihn, ohne dass er allzuviel Schaden nimmt, und ich stecke deine Seele in seinen Körper. Du wirst nie altern! Durch die Bindung an mich kannst du gar nicht sterben – und weil ich hier bleibe, wirst du nie in die Hölle kommen, deine Seele sich nie durch die Last ihrer Sünden selbst foltern."
Was meint er mit "wie er er demonstriert hat"?
Vielleicht hat er zwei der Seelen aus dem Kris, die ja nur der Meister sehen kann, in die Mumien gepackt?
Das gäbe natürlich Sinn.
"Selbstmord ist eine Sünde, mein Gutester", witzelt der Meister. Dann wird er plötzlich eiskalt. "Gegenvorschlag. Du nennst mir einen wirklich guten Grund, warum ich das Jade-Tan-Do nicht hier und jetzt zu einem Eisengolem machen soll, sofort wieder vernichten und deine Seele damit wer-weiß-wohin schicken soll."
Ah, das ist also der Plan.
...leider kein besonders guter.
Bevor ich den Zweiten fragen kann, warum, hat Azmodan schon geantwortet. "Und welchen Grund hast du, das nicht schon längst getan zu haben, General? Du hattest genug Gelegenheit dazu, noch bevor du zwei Schwerter an den Hals bekamst."
Der Meister zuckt mit den Schultern. "Ich mag die Waffe. Also?"
Wieder dieses Lachen, das so gar nicht zu der Mumie passt. "Ein Glück, dass du es so siehst – was mich nicht überrascht! Genießt du es nicht auch, wenn deinen Opfern das Fleisch bei lebendigem Leib von den Knochen schmilzt? Kaa hier hat mir genug Beispiele aus der Zeit gezeigt, als der Kris noch ihm gehörte...eine wahrhaft wunderbare Waffe. Du darfst sie sogar behalten. Aber du wolltest einen Grund hören, warum es eine gute Idee war, erst zu drohen, dann zu handeln? Ganz einfach – erstens wäre Kaa dir sicher sehr böse, wenn du seine seelenlose Existenz so beenden würdest. Du kennst dich da sicher besser aus, als ich – aber meine Theorie ist, dass die Vernichtung des Dolches den Seelenstein in ihr nutzlos machen würde. Das gleiche gälte dann für seinen Zwilling in Kaas Brust, welcher ihn gefangen hält, und damit würde er restlos verschwinden. Persönlichkeit gelöscht, Seele weg."
"Und das interessiert mich weswegen genau...?", fragt der Meister. Azmodan winkt ab. "Dass dir das egal ist, habe ich mir fast gedacht. Wäre nur eine wunderbare letzte Sünde, der Verrat an einem deiner treusten Diener. Weißt du, dass Kaa dich immer noch vergöttert, trotz allem, was du ihm angetan hast? Was für eine Verschwendung von Treue...aber ich scheife ab. Nein, der eigentliche Grund, warum es dumm wäre, den Dolch zu zerstören ist, dass es mir überhaupt nichts ausmachen würde. Ich habe diesen Körper übernommen, wie es Diablo mit dem des Helden getan hat. Das Schicksal von Kaas Seele ist mir völlig egal. Im Gegenteil, du würdest mir wohl sogar einen Gefallen tun, wenn du ihn loswirst. Nur...ich könnte dich dann nicht mehr mit absoluter Sicherheit an mich binden. Das Risiko wäre zu groß, dich am Leben zu lassen, auch wenn du mir noch so die Treue schwören solltest, also müsste ich dich töten. Und aus reiner Verachtung für deine Idiotie möglichst langsam. Noch eine gute Idee von deiner Seite, oder soll ich dir ein Ultimatum stellen, bis wann die Klinge endlich in deinem Herzen zu landen hat, bevor meine Diener anfangen, dir Körperteile abzuschneiden? Ich habe zwar keine besondere Eile, aber die doch eher entspannte Atmosphäre hier beginnt, mir auf die Nerven zu gehen."
"Mir auch", stellt der Meister fest. Dann reißt er plötzlich beide Arme hoch, streckt die Handflächen nach außen, und aus jeder von ihr explodiert ein Feuerball mitten in die Brust der ihn flankierenden Mumien. Er flucht, krallt seine verbrannten Hände zusammen, aber hat die Geistesgegenwart, beide Leichen schleunigst zu neuen Skeletten zu machen. Mit steifen Fingern versucht er, das Jade-Tan-Do wieder zu greifen.
"Du verdammter...", brüllt Azmodan und renkt dann den Kiefer seiner Maske aus, um sein Tripel an Magiekugeln zu spucken. Ich stürze nach vorne, rufe: "Weg da!", der Meister muss aufhören, sich auf den Dolch zu konzentrieren...aber schon lösen sich die tödlichen Stachelkugeln aus dem Schlund der Mumie...
Zwei bandagierte Hände blocken je eines der Geschosse. Das dritte saust knapp am Kopf des Meisters vorbei. Ein Krummschwert klappert zu Boden; die Mumie, die das von Azmodan bekommen hat, hat es fallen gelassen. Beide wieder erweckten stehen jetzt bewegungslos da, nachdem sie die Magiekugeln aufgehalten haben.
"Ihr wagt es...", schreit ihr nur scheinbarer Gebieter, da erreicht mich die Stimme des Meisters.
"Die Handschuhe, Dorelem!"
Ich war ohnehin in Bewegung, das ändert nur ganz leicht die Richtung. Mein Arm streckt sich zur Seite, ich packe das Schwert vom Boden, reiße es hoch und mit etwas Unterstützung vom Zweiten, der in solchen Angelegenheit immer noch besser ist als ich, schlage ich mit einem Streich beide Hände der großen Mumie ab, in derem Körper Azmodan haust.
Er schreit auf, beugt sich nach vorne und speit eine Säurewolke, aber ich bin schon weg, fließe in einer Feuerpfütze über den Boden nach hinten, arbeite derweil mit zwei darin geformten Händen daran, die Mumienfinger aus den dunkelgoldenen Kettenhandschuhen zu entfernen. Der Zweite tut das gleiche an einem anderen Teil meines Körpers.
Als wir beim Meister sind, sind die Handschuhe frei. Er streckt mir die Hände entgegen; sie sehen fürchterlich aus, die Haut ist schwer gerötet, da, wo sie sich nicht schon zurück geschält hat.
"Zieh sie mir an!", ruft er.
"Was? Aber deine...", werfe ich ein, aber er gestikuliert noch dringlicher, und widersprechen kann ich ohnehin nicht. Widerwillig versuche ich zumindest vorsichtig zu sein, aber er rammt seine Finger einfach hinein, ohne einen Laut; einzig seine krampfhaft zusammengepressten Zähne und die gespannten Muskeln an seinem Hals verraten die Schmerzen, unter denen er stehen muss.
Doch da glättet sich sein Ausdruck. Er hebt den Blick; ich folge ihm.
Azmodan hat mit seinen Armstümpfen die beiden rebellischen Mumien zur Seite gestoßen und ragt drohend auf. "Ich hätte dir nie ein großzügiges Angebot machen sollen! Du wertloser Wurm wirst dir noch lange wünschen, dich mir angeschlossen zu haben!"
"Ach, Azmodan, ich bin einfach zu gierig. Du hast mir den kleinen Finger hingestreckt, ich habe mir die ganze Hand genommen. Grüß deinen Bruder schön von mir."
Was hat er...
Der Meister hält beide Händflächen nach vorne...oder versucht es zumindest; seine zitternden Finger werden nicht ganz gerade. Azmodan öffnet den Mund, um seine tödlichen Magiekugeln zu spucken...was machen die Wächter?
Plötzlich schießt eine Wand aus Feuer vom Boden unter Azmodan hoch, den ganzen Raum durchstreckend. Völlig geschockt stolpere ich zurück. Von einem gellenden Schrei begleitet, der das ganze Grab zu erschüttern scheint, geht die trockene Mumie lichterloh in Flammen auf.
Ich spüre, wie der Zweite etwas aufhebt; vor lauter Überraschung habe ich gar nicht gemerkt, dass er die Kontrolle übernommen hat. Aber ich kann nicht wirklich protestieren. Unsere Hand schließt sich um die des Meisters; er zuckt nicht zurück. Da sehe ich, wie sich aus der brennenden Mumie ein Phantom erhebt. Es ist ein fürchterlich dürrer Mann mit tief eingefallenen Augen, schütterem, zerrauften Haar und fast konkaver Brust; die Hände sind knorrig wie die eines Greises, das Gesicht ist von Pockennarben übersät...aber der Ausdruck darauf einer purster Verzückung.
Die rasch zu Asche zerfallenden Binden um die Brust der Mumie lösen sich, und zwischen ihren durch dämonische Magie verzerrten Rippen leuchtet ein Juwel auf, leicht zur Seite versetzt...
Das Phantom spricht mit heiserer, aber hingebungsvoller Stimme. "Ich danke Euch, Meister..."
Da erlischt das Glühen des Juwels und der Geist zerplatzt. In meiner Hand wird es kurz warm; und da erst merke ich, dass der Zweite das Jade-Tan-Do gegen unsere und die des Meisters gepresst hat.
Ruhe in Frieden, Kaa. Du beneidenswerter Bastard.
Was redest du da, Zweiter?
...was meinst du? Ich habe mich gerade gefragt, ob der Seelenstein im Dolch die Vernichtung seines Zwillings überlebt hat. Vielleicht kann er immer noch Seelen stehlen!
Und was ist mit...ach, vergiss es! Ich habe ganz andere Fragen!
"Was zur Hölle hast du gerade getan?", bringe ich hervor. Der Meister lässt sich Zeit mit der Antwort, senkt erst langsam die Hände und blickt die Kettenschützer darüber mit unlesbarem Ausdruck an. Endlich fängt er sich.
"Ich schätze, das war eine Feuerwand."
"Ja, das hätte ich mir auch zusammenreimen können!"
Er grinst spöttisch. "Lass dich doch ein wenig aufziehen. War eigentlich wie mit den Feuerbällen auch – ich dachte mir he, das müsste eigentlich funktionieren. Und es hat funktioniert. Sogar ohne, dass ich mich dabei halb selbst in die Luft gehen lasse. Oh, wo wir schon dabei sind...das tut verdammt weh, wenn ich es recht bedenke..."
Er fummelt etwas hilflos an seinem Gürtel herum. Etwas entnerft schubse ich seine Hand weg, pule einen Heiltrank hervor, entstöpsle die Flasche und gebe sie ihm.
"Vielleicht solltest du nächstes Mal die Handschuhe ausziehen für sowas", rüge ich ihn, während er trinkt.
Immer noch mit ihnen an den Fingern wischt er sich den Mund. Und schweigt. Mit unlesbarem Ausdruck starrt er auf sein viertes Setteil, dreht sie hin und her im Licht, das ich darauf scheine.
"Hm, das ist nicht so gut", murmelt er. Ich runzle besorgt die Stirn. "Was ist los?"
"Ich glaube, die Haut ist etwas zu vernarbt. Ich kann die Finger nicht mehr ganz ausstrecken. Alles ein wenig steif."
Das schockt mich, als hätte es meine eigenen Hände erwischt. "Himmel, das ist schrecklich!"
Er zuckt mit den Schultern. "Ach, als ob ich die so oft brauchen würde. Lass mal kurz los..."
Der Zweite gibt ihm das Jade-Tan-Do; der Griff des Meisters schließt sich darum.
"Na also. Alles kein Problem."
"Aber..."
"Es sind meine Hände, oder? Mach dir keinen Kopf, Dorelem.Wir haben jetzt auch noch ein paar andere Dinge zu besprechen. Ihr beide...warum habt ihr mich gerettet?"
Er sieht die beiden Mumien an, welche Azmodan vorher wiederbelebt hat und die ihn dennoch verraten haben. Sie stehen jetzt zu uns gewandt und nicht mehr steif, aber passiv da.
"Kaelan und Griez, nicht wahr?", flüstert der Zweite. Sie haben ihn wohl trotzdem gehört und nicken.
"Verstehe ich nicht ganz", sagt der Meister. "Ich meine, ich habe euch umgebracht!"
Die Untoten reagieren nicht. Ich lege ihrem Mörder eine Hand auf die Schulter. "Ich wage zu behaupten, dass Freiheit von Kaa und Azmodan schwerer wiegt als Hass auf dich. Und vielleicht auch die Freiheit der ganzen Welt vor dem Joch der Hölle, hm?"
Jetzt nicken sie, wirken ein wenig erleichtert, dass ich in Worte fassen konnte, was sie mit ihrem verfaulten Körper nicht konnten.
Unter der Schädelmaske verzieht der Meister den Mund. "Na, soll mir Recht sein. Und jetzt?"
Kaelan und Griez sehen einander an, scheinen stille Unterhaltung zu führen, deren Inhalt uns verschlossen bleibt. Ich versuche es erneut.
"Ihr wollt ganz frei sein, oder? Denkt ihr, es würde helfen, wenn wir eure untoten Körper vernichten?"
Zögerliches Nicken von einer von ihnen, wer der beiden es auch immer ist.
Ein Grinsen vom Meister. "Gut! Dann eben noch einmal, was beim ersten Mal offenbar nicht ganz gezogen hat. Sagte ich doch, ihr habt den Tod verdient!"
"General!", rufe ich entrüstet. "Sie haben dir das Leben gerettet!"
Der Blick leerer Augenhöhlen landet auf mir, und ich spüre Verachtung. Unwillkürlich zucke ich zurück.
"Ich hätte es auch ohne sie geschafft. Haltet still, das ist eine gute Übung."
Wieder blüht die Feuerwand auf, wieder verbrennen Mumien. Ich halte das Jade-Tan-Do nicht mehr, also kann ich nicht sehen, was mit ihren Seelen geschieht...sind sie froh, ihrem Gefängnis entkommen zu sein? Nehmen sie dem Meister seine letzte Bemerkung so übel wie ich das tue? Sie haben mehr als gebüßt...
"Ruht in Frieden, Griez und Kaelan", flüstere ich, und erst danach merke ich, dass ich das gleiche gesagt habe wie der Zweite zu Kaa.
Eine gute Erinnerung. Bevor er eine Bemerkung zu meinem Abschiedswunsch machen kann, sehe ich ihm fest in die Augen. "General, was Azmodan gesagt hat, macht mir Sorgen. Und Kaa hat es auch noch bestätigt. Was hat das zu bedeuten? Du bist Kaas Meister?"
"Ist das nicht offensichtlich, Dorelem?", fragt er. "Zweiter, Kaa war ein Diener des alten Generals, nicht wahr?"
"Ja", antwortet der Angesprochene. "Er war der erste, an dem mein alter Meister seine Technologie zur Seelenspeicherung getestet hat. Der Plan war, zwei verbundene Seelensteine als Rückversicherung gegen den Tod zu nutzen: Einer im Dolch, einer im Herzen Kaas. Sollte Kaa sterben, war die Theorie, würde seine Seele in den Dolch wandern; wenn dann die Waffe irgendwann dazu benutzt würde, ein Leben zu nehmen, könnte Kaas Seele den Körper des Ermordeten übernehmen und ihn so wiederauferstehen lassen."
"Aber dabei ist etwas schief gegangen", vermutet der Meister.
"Genau. Kaas Seele wurde vom Seelenstein in seiner Brust verschluckt und er dadurch zur leeren Hülle. Zum...relativen...Glück für ihn wirkte der Dolch nun in die umgekehrte Richtung und konnte die Seelen der damit Getöteten an Kaa weitergeben. So war es ihm möglich, eine halbwegs normale Existenz zu führen, indem er tötete und die gestohlene Seele mit seiner Persönlichkeit füllte. Dies war aber nie perfekt, und über kurz oder lang brannte er die fremden Seelen buchstäblich aus. So musste er wieder töten, was ihn keine Reue kostete, denn er hatte ja keine Seele..."
"Himmel...", hauche ich. Der Meister nickt. "Das erklärt Einiges. Also hat er statt Zwillingssteinen einen anderen Plan verfolgt..."
"Exakt. Dass ein so kleiner Stein dennoch eine ganze menschliche Seele restlos aufsaugen kann, hat ihr wahres Potential verraten. Viele von ihnen sollten die Seele so verteilen können, dass sie nicht für immer in einem von ihnen verschwindet...und so war es dann auch."
Der Meister reibt die Ornamente an den Knöcheln von Trang-Ouls Handschuhen; es ist klar, was sich unter ihnen befindet. "Das hat aber eine ganze Menge Seelensteine verlangt. Woher bekam er die? Hat es etwa mit gewissen...Verbindungen zu tun?"
"Worauf wollt Ihr hinaus, Meister?", will der Zweite unschuldig wissen.
"Stell dich nicht blöd!", donnert der Meister plötzlich. "Azmodan hat mich, sicherlich auch von Kaa beeinflusst, angesprochen als wäre ich der alte General. Und der hat angeblich Baal gedient. Also?"
"Es tut mir Leid, Meister. Ja, das ist richtig. Mein alter Meister hat sich offen Baal angeschlossen und für seine Unterstützung des Großen Übels so viele Seelensteine erhalten, wie er für das Trang-Ouls Set benötigt hat."
"Und das ist dir bisher als nicht erwähnenswert erschienen?", schreie ich den Zweiten an.
"Niemand hat mich gefragt, was wie eine lahme Entschuldigung klingt – aber ich erinnere mich ziemlich gut daran, dass sowohl du, Erster, als auch Ihr, Meister, des Öfteren bei Erwähnung der Untaten meines alten Meisters meintet, gar nicht mehr erfahren zu wollen. Gerne kann ich Euch mehr darlegen, wenn Ihr dies wünscht. Ich werde selbstverständlich jegliche Frage offen beantworten."
"Du verdammte Ratte...", beginne ich, aber der Meister schneidet mich ab.
"Es ist gut, Dorelem. Den Zweiten trifft keine Schuld, und woran auch? Das Wissen, dass mein Vorgänger in Diensten der Hölle stand überrascht mich nicht im Geringsten, dich etwa?"
"...nicht wirklich", muss ich kleinlaut zugeben.
"Na also, dann gibt es hier doch gar keinen Diskussionsbedarf mehr. Und hier sind wir auch fertig, die Gräber sind ruhig, der Seelenfresser ist tot, meine Schulden sind beglichen. Azmodan ist wieder in der Hölle und kann sich da mit Belial streiten, was mir hervorragend in den Kram passt. Alles in Allem ein mehr als erfolgreicher halber Tag Verzögerung...Deckard und sein Gehetze immer."
Während seiner Aufzählung reibt er sich weiter die nun immer ein wenig verkrümmten Hände, was überdeutlich den Teil unserer fragwürdigen Errungenschaften betont, den er nicht erwähnt.
Bald darauf sind wir zurück in Lut Gholein. Der General marschiert in Atmas Taverne ein, wo die Besitzerin ihm sofort mit besorgtem Gesichtsausdruck entgegenläuft.
"General! Ist alles in Ordnung?"
"Alles bestens, Atma, danke der Nachfrage. Wo ist Deckard?"
"Er schläft. Ich soll ihn sofort aufwecken, wenn du ankommst..."
Der Meister nickt. "Dann tu das. Ich habe erledigt, was zu erledigen war."
"Das ist schön", sagt sie mit warmen Lächeln. Dann wird ihr Ausdruck ernster. "Aber du scheinst etwas zu vergessen."
Er legt den Kopf schief...und ich klopfe ihm kurz auf den Helm. Sie lächelt mir aufmunternd zu.
"Oh", brummt der Meister und setzt Trang-Ouls Verkleidung ab. "Na gut."
"Die Handschuhe auch, General! Behalt meinetwegen die Rüstung. Ich komme gleich wieder."
Sie eilt los. Der General starrt eine Weile auf seine Hände, ohne Anstalten zu machen, sie von dem goldenen Kettenschutz zu befreien. Stattdessen legt er sie auf den Helm und blickt für einen Moment in die leeren Augenhöhen.
"Weißt du, Dorelem? Du hattest von Anfang an Recht", sagt er plötzlich, in einer Stimme, die in Traurigkeit ertrinkt.
Eine eisige Faust umklammert mein Herz. Nach einer kurzen Pause spricht er weiter, ganz leise.
"Dieses Set...es macht mir Angst. Je mehr Teile davon ich trage, desto schwieriger wird es, eines von ihnen auszuziehen."
"...du trägst die Handschuhe noch, General", flüstere ich zurück.
"Die anderen müssen jetzt kein Drama wegen meiner Hände anfangen", sagt er schnell. Ich trete ihm gegenüber und sehe ihm in die endlich sichtbaren Augen. "Bist du dir sicher, dass das der Grund ist...oder willst du sie nur nicht ablegen?"
"Himmel, ich weiß es nicht, Dorelem. Manchmal kommt es mir in letzter Zeit vor, als wäre ich nicht mehr komplett Herr meiner Sinne. Merkt man etwas davon?"
Ich presse meine Hände in verzweifeltem Stoßgebet zusammen. Himmel, es ist ihm aufgefallen! Mit großen Augen nicke ich schwer.
"Scheiße."
Er packt den verfluchten Helm mit beiden Händen. "Ich hätte das wirklich nie tun sollen."
"Wie bist du überhaupt auf diese Idee gekommen?", stoße ich hervor.
Schritte nähern sich aus dem oberen Stockwerk. Langsam, viel zu langsam für den kurzen Moment, den wir noch alleine haben, sieht er mich an. "Die Antwort liegt in dir, Dorelem."
Du...du hast ihn...
Er wollte es wissen. Ich habe ihn nur in die richtige Richtung gewiesen.
Wegen dir...verdammt!
"General...du musst dieses verfluchte Seelengefängnis aufgeben!"
Sein Blick ist unendlich traurig, und schon bevor er zu sprechen beginnt, weiß ich, was er sagen wird.
"Ich fürchte, dafür ist es etwas zu spät. Es tut mir Leid. Adieu, Dorelem."
Er setzt sich den Helm auf. Etwas an seiner Pose ändert sich.
Er hat seine Unsicherheit verloren. Seine Zweifel verloren.
Wir haben...ihn verloren.
 
ich hab mir von anfang an gedacht, wenn der alte gereral das set fast immer getragen hat, das dann etwas von ihm darin zurück bleibt. wie es scheint sind 4 teile breits genug für eine ausreichende übernahme. vieleicht ist die wirkung des sets auch nicht am leben zu bleiben wenn man stribt, sondern den nächsten zu übernehmen der es mehr oder weniger vollständig anzieht.
 
Woaa, geht es nur mir so, oder habt ihr am ende auch im Hintergrund dramatisches Streichkonzert gehört..."wir haben ihn verloren"...

Super Kapitel und wunderbar lang, dafür gibts gleich zwei daumen :top::top:
 
"Neeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiinnnnnn.........."

Sehr gutes Kapitel, hohes Schreibniveau!

Aber ein riesen Cliffhanger...dass du uns sowas antun kannst, ehrlich, Dorelem zu vernichten :motz:! Da die Story jedoch immer in der ersten Person von Dorelem geschrieben ist sollte klar sein, dass er wiederbeschworen wird...bin gespannt was bis dahin alles passiert sein wird.
 
Ja.. Schade um den guten Dorelem, aber die Story könnte ja nicht weitergehen ohne ihn :)
Bin auch scho gespannt auf sein Comeback! Geniales Kapitel!!



Was für eine Verschwendung von Treue...aber ich schweife ab.
*bitteschön* ;)
 
Hm? Wo steht das Dorelem vernichtet wurde? Ich glaube das "Wir haben ihn verloren" bezieht sich auf den General oder?

Aber wieder mal ein gutes Kapitel. Ich lese schon seit einer gefühlten Ewigkeit hier mit, meist allerdings als "stiller" Leser ;)
 
Hm? Wo steht das Dorelem vernichtet wurde? Ich glaube das "Wir haben ihn verloren" bezieht sich auf den General oder?
Aber natürlich, ich hab mich jetzt echt kurz gewundert Ô.o. Gleich sagen wollt ich nix...

Habt ihr zwei echt gedacht, ich lasse den Erzähler verschwinden, ohne auch nur ein "und er hebt seine Hand und ich sehe nur noch Schwärze" oder so zu schreiben :p?

Aber wieder mal ein gutes Kapitel. Ich lese schon seit einer gefühlten Ewigkeit hier mit, meist allerdings als "stiller" Leser ;)
Freut mich, dass du dich meldest!

Simon
 
Ich dachte, wir haben ihn verloren bezieht sich auf den General, und das "Adieu Dorelem" sagt er und vernichtet ihn danach! Ist etwas komisch geschrieben, wenn ich das mal so sagen darf ;)

Aber das ist auch das naheliegendste wenn der junge General jetzt dem alten Platz machen muss..nicht? :)
 
Nun, der Zweite meinte ja, der alte General hätte erst garkeine gelegenheit gehabt, sein Plan mit dem Set zu ende zu führen. Also steht dcoh noch garnicht fest, dass unser General vom alten übernommen wird, oder? Jedes teil des Sets enthält einen oder mehrere kleine seelensteine welche alle jeweils einen kleinen teil der seele des trägers aufsaugen. Ich vermute eher, dass General's Seele gerade "zerissen" wird und er einen Teil seiner oder gar die ganze Persönlichkeit verliert ---> Verwandlung in Ghul.
Des Weiteren hieß es immer wieder, General würde seit er den Helm trägt kälter und entschlossener wirken (ich glaub auch hier war wieder der Zweite der sprecher), nicht aber komplett anderst (also andere Persönlichkeit...Vergleich Tönerne Taufe: Dorelem hat aussetzer in denen immer kurz der Zweite übernimmt und sich das Verhalten des Golemkörper grundsätzlich ändert).

Allerdings macht das schon irgendwie Sinn, also von der story her, dass der alte general durch das set den unseren übernimmt....ABER, ich vermute ja noch immer, das beide Versionen des Generals, ein und die selbe Seele darstellen...die ähnlichkeit, Talente, golem...Die müssen irgendwie in Verbindung stehen was über eine normale Blutlinie hinausgeht...und wenn sich Simon das ähnlich denken sollte (er wird es nicht verraten^^), würde eine "übernahme" also keinen Sinn machen...so..genug fantasiert, ich will ein Update :D
 
Und wir warten und warten und warten...

Wie siehts mit Update und so aus? Das letzte ist schon drei Wochen her..:angel:
 
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