Kapitel 17 – Kriegsunrat
Das Portal war tatsächlich noch offen. Ich fragte Malah, ob es in Ordnung sei, die Armee hindurch zu führen; trocken meinte sie darauf, dass wenn die Leute mich schon rumlaufen sähen, würden sie ein paar Skelette auch nicht mehr groß kümmern. So liefere ich jetzt also Skelette, Wächter, Magier und die Truhe mit dem Besitz des Meisters auf einmal ab.
Anya hat ihn offenbar schon verlassen. "Stell sie da hinten ab, Dorelem", weist mich der Meister an. Ich nicke. "Deckard richtet sich auch gerade irgendwo ein", informiere ich. "Komisch, dass er nicht das schöne Haus bekommen hat..."
Der Meister zuckt mit den Schultern.
Vielleicht darf Deckard ja bei Malah übernachten.
Was bringt dich denn darauf?
Egal.
"Jetzt ist das Portal übrigens zu", füge ich noch hinzu, während ich unser spärliches Gepäck verstaue. Der Meister prüft das Bett auf Bequemlichkeit; dass er das in voller Rüstung beurteilen kann...dennoch sehe ich in seiner Pose, zwischen die Kissen gefläzt, immer noch den viel zu jungen, viel zu naiven, aber so hoffnungsvollen Menschen, der mich damals mit größter Unsicherheit im Blick beschworen hat. Auf das surrealste zerstören die goldene Schädelmaske, die Schuppenrüstung, der Kettengurt und die Handschuhe über verbrannten Fingern das Bild. Hat er sie immer noch nicht ausgezogen? Ich frage ihn.
"Gleich, nachdem Anya gegangen ist, habe ich mich darum gekümmert. Meine Finger werden schon wieder."
"Solltest du das nicht einem Heiler überlassen?"
"Die haben hier wohl Besseres zu tun."
"Und warum lässt du uns nicht einmal einen Blick darauf werfen? Der Zweite kennt sich medizinisch ausgezeichnet aus. Hast du Angst, in weniger als voller Montur in meiner Gegenwart zu sein?"
Ich bilde mir ein, dass, wenn ich eine Chance haben will, ihn aus diesem goldenen Käfig zu befreien, ich es immer wieder versuchen muss. Er dreht sich zu mir, hat aber nur ein sardonisches Grinsen für die Frage übrig.
Da stupst der Zweite mich innerlich an, und ich hebe zwei Finger. "Was ist eigentlich mit dem letzten Teil, Meister? Spürt Ihr es nicht?", fragt er.
Das Lächeln verschwindet. "Trang-Ouls Flügel
sind in der Nähe, Zweiter. Dessen bin ich mir sicher. Aber wo genau...ich kanns nicht sagen! Als ob etwas meine Sinne trübt!"
Der Zweite streicht sich über unser Feuerkinn. "Ich wünscht, ich könnte Euch da helfen. Nach dem bisherigen Muster...Bischibosch, Endugu und Kaa waren die ursprünglichen Träger ihrer Setteile. Samora, die damit nach Kehjistan ging, hat ihres offenbar vererbt, bis Blutrabe die Rüstung erhielt. Aber Borom? Er bekam den Schrumpkopf, weil er Barbar war und unter diesen – zumindest damals – Totems nicht weiter auffallen würden. Dass Ihr die Flügel hier spürt, bedeutet, dass Borom wohl nicht mit ihnen sein Heimatland verlassen hat. Aber ob er Samoras Weg ging und sie weitergab, oder ob er wieder die anderen drei zum Dämon wurde und es in dieser Form bewacht..."
"Mir wäre Zweiteres lieber", sagt der Meister nach kurzer Überlegung. "Wir marschieren ohnehin ab morgen diesen Berg voller Monster hoch – die Chancen stehen gut, dass eines von ihnen ein dämonischer Borom samt Trang-Ouls letztem Teil ist!"
Bevor ich meine Hoffnung, dass wir es nie finden werden, ausdrücken kann, springt der Meister auf. "Ausruhen kann ich mich, wenn ich tot bin! Lass uns mit diesem Qua-Kehk reden, damit wir morgen nicht zu spät kommen, wenn diese Narren sich die Köpfe an den Dämonen einrennen."
Wir gehen zunächst die paar Schritte zurück zu Anyas Haus, vor dem sie schon geschäftig Waffen und Rüstungen verzaubert; sie scheint nicht mehr zu tun, als jedes Teil für eine Weile in die Hand zu nehmen und es dann wieder hinzulegen, aber nach jedem von ihnen steht ihr mehr Schweiß auf der Stirn als Larzuk beim Schmieden.
Ich nehme das gerade bearbeitete Schwert in die Hand, wiege es und schwinge es probeweise ein paar Mal.
"Liegt gut in der Hand! Was kann es?"
"Keine Ahnung", grinst Anya. "Was denkst du? Ich muss hier so viel wie möglich schaffen, eine richtig saubere Waffe mit ausgewählten Eigenschaften geht nicht so auf ein paar Minuten. So kann ich die Rohlinge nur irgendwie besser machen, das Resultat ist reines Glücksspiel."
"Gib mal her", befiehlt der Meister. Ich reiche ihm die Klinge, er schwingt sie auch grob hin und her – und stößt sie mir plötzlich in den Bauch. Eisige Kälte breitet sich von der Spitze her aus, verästelter Schmerz wie brennende Blitze aus Frost, und ich keuche lungenlos.
"Was sollte das denn?", protestiere ich. Anya wirkt auch leicht frappiert.
"Hast du was gespürt?", fragt der Meister. Ich zische: "Ja! Einen Mückenstich!" Aber er scheint meinen Seitenhieb auf seinen alten Spitznamen nicht zu bemerken.
"...und es ist kälteverzaubert", füge ich knurrend hinzu.
"Na also, und ich würde schätzen, dass es den Träger etwas geschickter im Umgang macht. Da haben wir die Eigenschaften! Vielleicht kann Dorelem ja..."
Bevor ich lautstark protestieren kann, winkt Anya hastig ab. "Nein...das ist schon in Ordnung, danke. Ich werde später einfach Deckard bitten, sie zu identifizieren."
Mein Feuerauge funkelt den Meister wortlos an. Mir einfach so...
Hör auf zu weinen. Das geht viel schlimmer.
"In Ordnung, wegen Waffen bin ich ohnehin nicht gekommen", sagt der Meister unbekümmert. "Deine Mutter meine, ich sollte mich mit einem gewissen Qua-Kehk unterhalten..."
Anya beißt sich auf die Unterlippe. "Oh, ob du da nicht etwas ungünstig dran bist? Der müsste gerade Kriegsrat halten..." Sie unterbricht sich und winkt jemanden hinter uns zu. "Oder auch noch nicht!"
Der weißhaarige, alt und verbraucht wirkende Mann, der zu uns schlendert, wirkt so gar nicht barbarisch. Er ist groß, hager, blass und wenig muskulös; seine Nase hat einen deutlichen Haken, sein Kinn ist spitz, die Wangenknochen klar sichtbar unter eingefallener, faltiger Haut.
...unheimlich.
Was denn? Sein freundliches Lächeln?
Du hast gerade den Meister beschrieben.
Schnell überschlage ich noch einmal die Gesichtszüge, die mir gerade besonders aufgefallen sind. Tatsächlich...
Natürlich sieht der alte Mann in vielen Details anders aus; die langen Haare im strengen Pferdeschwanz, die für hier etwas opulent wirkenden schwarzen Roben mit Fellsaum, ein Luxus, den der Meister nie zur Schau getragen hat – und natürlich das beträchtlich höhere Alter...
...Moment. Dein oder mein Meister?
"Nihlathak, darf ich Euch den General vorstellen? General, Ältester Nihlathak", sagt Anya steif.
"Ah, ein Totenbeschwörer!", ruft der Älteste mit dünner, aber nicht unangenehmer Stimme. "Ich hatte Gerüchte über einen Krieger von fern gehört, der unseren Kampf gegen Baal unterstützen wollte, aber nichts über seine Profession. Sehr erfreut." Er schüttelt dem Meister die Hand, seine eigene in Schuhen aus dünnen weißem Leder.
"Ebenfalls", antwortet der Meister freundlich. "Ich muss sagen, den Empfang hier hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Niemand scheint wirklich zu stören, dass ich den gesegneten Fluch besitze."
"Wir haben gerade wenig Zeit für Vorurteile", sagt Nihlathak, sein Lächeln verschwunden. "Apropos...gab es etwas, über das Ihr mit mir reden wolltet, werte Anya? Ich wollte mich nur kurz vorstellen, bin auf dem Weg, um mich beim Kriegsrat zu beteiligen."
"Genau darum ging es mir, Ältester – meine Mutter schlug dem General ein Treffen mit Qua-Kehk wegen morgen vor, da dachte ich, er könnte vielleicht gleich mitkommen?"
"Deine arme Mutter...", seufzt Nihlathak. Anyas Miene wird schmerzerfüllt, aber der Älteste spricht weiter. "Ich kenne ihr Leid ja aus erster Hand, und jeder kennt unsere Lage. Dennoch...ist sie wirklich verzweifelt genug, einem komplett Fremden sofort Zutritt zu einer so wichtigen Besprechung zu gewähren?"
Die Magieschmiedin versteift sich. "Das...war meine Idee."
"Ach so!" Nihlathak lächelt den Meister an. "Nichts für Ungut. Du vertraust ihm also, Anya?"
"Deckard Cain hat ihn geschickt", erklärt sie mit fester Stimme, als ob das eigentlich alles sagen würde – und das stimmt ja auch.
"Das ist natürlich ein Argument. Aber selbstverständlich, Anya..." – der Älteste legt ihr väterlich die Hand auf die Schulter – "...wäre ich deinem Wunsch ohnehin nachgekommen. Du hast durch schon zwei fehlgefasste Pläne Vater und Bruder verloren, und doch nie die Hoffnung aufgegeben – das ist bewundernswert, wirklich. Und dieser Plan, wenn ich mir den Burschen so ansehe – wer weiß? Kommt mit mir, General. Ich werde Euch Zutritt verschaffen."
"Wunderbar!", ruft der Meister, aber er legt wenig Emotion in den Ausruf. Ist er, wie ich, nur leicht verwirrt? Oder, wie Anya ins Gesicht geschrieben steht, verletzt?
Wir folgen dem alten Mann. Anya packt sofort die nächste Waffe und stürzt sich in die Arbeit.
Ja, nicht besonders taktvoll von dem Greis, seine Finger so in ihre frischen Wunden zu legen. Wird er schon senil, dass er das nicht merkt?
Ich weiß nicht...er schien es zumindest nett genug zu meinen. Und immerhin hilft er uns, also will ich mal nicht so sein...
"Wenn Ihr mir eine Frage gestattet, Ältester: Verirren sich denn ab und an Totenbeschwörer in diese doch etwas abgelegene Ecke der Welt? Ihr hattet keine Probleme, mich auf einen Blick richtig einzuordnen", beginnt der Meister auf dem Weg ein Gespräch.
"Ach, dafür genügte eigentlich ein Blick auf Euren Golem. Ein ganz wundersames Konstrukt, wie das Feuer in diese Gestalt gezwungen wird – fantastisch! Viel Gelegenheit, solche Magie mit eigenen Augen zu sehen hatte ich in der Tat allerdings noch nicht, wobei ich mir doch einbilde, als Ältester etwas weltoffener zu sein als manche hier. Aber bitte, spart Euch ruhig den Titel."
"Leider ist der meine ein Name, also kann ich den Gefallen nicht zurückgeben, Nihlathak. Auch für die Unterstützung stehe ich in Eurer Schuld."
Der ist aber freundlich.
Schadet ja wirklich nicht, sich bei einem der Mächtigen etwas einzuschmeicheln, oder? Der Rat der Ältesten hat in jeder größeren Barbarensiedlung Entscheidungshoheit über alles, was nicht direkt den Krieg betrifft – und man hört ihnen auch in diesen Dingen sehr gerne zu, war doch quasi jeder männliche und auch viele weibliche Barbaren einmal selbst Krieger.
Mich wundert nur, dass er anscheinend doch ganz leicht seine Herablassung ablegen kann. Seit er den Helm trägt, ist das fast seine übliche Haltung geworden. Warum ist er nicht einmal zu
uns freundlich?
Du hast schon ein hartes Leben. Oh warte!
Ach, fangen wir nicht wieder damit an...
"Wenn Ihr tatsächlich etwas gegen die Belagerung ausrichten könnt, wäre ich bereit, jegliche Schuld als beglichen zu betrachten, Junge", lacht Nihlathak. "Das wäre auch ein schönes Beispiel für manche unserer ungestümeren jungen Krieger. Ehre bedeutet nicht viel, wenn ein Pfeil das Ende ist! Mehr Rüstung sollten sie tragen, Ihr macht das genau richtig. Wer hat denn Euer herrliches Exemplar geschmiedet, wenn ich fragen darf?"
"Der Nekromant, dessen Erbe ich beschlossen habe, anzutreten", erklärt der Meister. Erst nach ein paar Sekunden wird Nihlathak klar, dass die Aussage endgültig war und er keine weiteren Details zu erwarten hat.
"...hoffentlich ein würdiges, General. Nun, wir sind bald in der Halle der Ältesten angekommen. Wobei wir sie umbenennen könnten", seufzt er tief.
"Wie geht Ihr mit der Bürde um, der letzte von ihnen zu sein?", fragt der Meister, was mich etwas kalt erwischt.
Zur Hölle, das kleine Detail hätte ich ja beinahe übersehen. Damit ist es ja noch viel wichtiger für den Meister, sich extrem gut mit ihm zu stellen!
Nihlathak wirft ihm einen unlesbaren Seitenblick zu. "Ihr habt davon gehört? Von Malah, nehme ich an. Nun, ich versuche, mein bestes zu geben, das bin ich den anderen schuldig. Der Berg behüte ihre Seelen. Zunächst habe ich die Halle den Kriegern zu Verfügung gestellt und ihnen mehr Mitsprache eingeräumt, weil ich mir nicht herausnehmen wollte, von nun an allein für den Rat zu entscheiden...ich hoffe, ich tue das Richtige. Aber das könnt Ihr ja gleich mit entscheiden."
Haha, natürlich tust du das Richtige...
Klingt für mich zunächst recht anständig.
Und für mich nach genau der Art von politischen Intrigen und Machtgeschachere, die du nur so liebst, also bleib weiter bewusst naiv und überlass mir das Denken. Jetzt bin ich natürlich sehr
gespannt, wie Nihlathaks Verhältnis zu den Kriegern ist...
Die Halle der Ältesten ist ein rundes Gebäude, relativ breit, aber einstöckig. An einer Seite ist das Dach eingestürzt, vermutlich durch den Einschlag eines Katapultgeschosses. Wir sind recht nahe an der Stadtmauer...
Ich bleibe ungefragt zurück, als sich der Meister und Nihlathak nähern; die Barbaren mögen überraschend tolerant sein, aber ich will ihre Gastfreundschaft nicht überstrapazieren. Der Meister allein bekommt schon genug misstrauische Blicke.
Alles hören kann ich natürlich trotzdem. Wie ein rumpelndes "Wer ist das denn?", als der Meister eintritt. Nihlathak stellt ihn ruhig vor und erklärt, dass der Älteste die Anwesenheit des Totenbeschwörers ausdrücklich erbittet.
"Wir halten hier den wohl wichtigsten Rat, den Harrogath je hatte, und Ihr ladet einen Diener der dunklen Künste dazu ein? Wir könnten gleich den Dämonengeneral Schenk selbst mithören lassen, das wäre sicherer! Seid Ihr des Wahnsinns, Nihlathak?", ruft die gleiche Stimme, heiser und kehlig voller Zorn.
"Allein aufgrund der Tatsache, dass ich noch am Leben bin, bilde ich mir ein, mich bester geistiger Gesundheit zu erfreuen, Qua-Kehk", gibt der Älteste ruhig, leise und eiskalt zurück. "Stets war ich gegen die Idee, den Schutzschild zu errichten, und als er kollabierte, war ich als einziger weise genug, nicht davon mitgerissen zu werden. Willst du also wirklich mein Urteil in Frage stellen, Kind?"
Mit den letzten Wort könnte man Äpfel vierteln.
Ja, er nutzt seine Position gnadenlos aus. Was passiert ist, wird jeder hier noch ganz genau wissen, aber ich denke, es kann nicht schaden, es den Kriegerschädeln immer wieder einzuhämmern.
Für einen Moment ist das Schweigen mit den Händen greifbar. Dann schnaubt Qua-Kehk herablassend, sagt aber nichts, und ich muss mir vorstellen, dass er vielleicht auf einen leeren Stuhl in einer Ecke deutet, oder an einen freien Stehplatz an der Wand. Möglich, dass der Meister sich scheinbar höflich verbeugt, aber er sagt auch nichts.
"Gut, dann können wir ja beginnen", erklärt Qua-Kehk. Dann wird er sofort laut, erregt und spricht mit Feuer in der dunklen Stimme. "Ich werde es euch gleich sagen, und ihr könnt das gerne an euere Männer weitergeben: ich glaube, wir müssen morgen gewinnen, weil wir keine weitere Gelegenheit dazu mehr bekommen werden. Jeder bisherige Ausfall hat uns überhaupt nichts gebracht, außer mehr und mehr Verluste. Wir haben einfach nicht mehr genug Männer, um so weiter zu machen. Eine Tatsache, der wir uns stellen müssen. Aber wir werden daran nicht verzweifeln! Das Gegenteil ist der Fall! Wir wissen, dass wir gewinnen müssen, also werden wir gewinnen. Jeder einzelne Krieger wird morgen beim ersten Sonnenlicht den Berghang erstürmen. Das Licht wird sie blenden, aber wir werden unsere Gegner klar vor uns sehen, ein Zurück gibt es nicht. So beenden wir die Belagerung, mit einem Schlag, und graben uns auf den Hochebenen ein. Wenn wir endlich eine richtige Front haben, können wir unsere Stärken ausspielen, und diese Monster von unserem heiligen Land wegfegen!"
Die anwesenden Krieger – wohl Anführer kleinerer Abteilungen, wenn ich das richtig verstanden habe – brüllen für eine Weile ihre Zustimmung heraus. Qua-Kehks Rede hat sie offenbar sofort überzeugt...mich nicht.
Na ja, welches Mehr an Taktik hast du von Barbaren erwartet?
Als die Lautstärke im Raum wieder normales Niveau angenommen hat, redet Qua-Kehk, jetzt wieder ruhiger, weiter.
"Sind euere Männer bereit und sich im Klaren darüber, welche Aufgabe ihnen morgen bevorsteht? Dass sie all ihren Zorn den Dämonen entgegenwerfen müssen, dass es keine Alternative mehr gibt?"
Eine Welle eher schwacher Zustimmung erfüllt die Halle. Dann meldet sich aber doch jemand. "Ich bin mir da nicht einmal so sicher. Es sind schon zwei von ihnen auf mich zugekommen und meinten, dass sie eigentlich keine Lust haben, Bannuks Schicksal zu teilen."
"Seinem Schicksal?", donnert Qua-Kehk. "Seinem
Vorbild sollten sie folgen! Kein ehrenvollerer Tod, als auf dem Schlachtfeld zu fallen, wie er – gegen einen übermächtigen Feind anstürmend! Wir sind nur daran gescheitert, dass wir nicht
genug waren. Jetzt sind wir in die Ecke gedrängt, und sie werden sehen, was für ein Fehler das war. Wir alle zusammen brechen aus, keine Reserven, keine Entschuldigungen!"
"Es ist trotzdem die reinste Scheiße, den Hügel hochzulaufen, über enge Brücken, und links und rechts von dir sterben deine Freunde, ohne dass sie irgendwas dagegen tun können. Es landet ein Feuerbrocken in deiner Nähe, und zwei weitere sind tot, nichts mehr von ihnen übrig, nur noch Stückchen von ihnen auf dir verteilt." Die Stimme des Sprechers klingt so ruhig, als würde er erzählen, was es vorgestern zum Abendessen gab.
"Emund, wenn dir die Sache zu viel wird...", knurrt Qua-Kehk.
"Ich bin dabei morgen. Was gibt es sonst zu tun?", sagt Emund. "Aber ich verstehe jeden, der meint, sich diesen Unfug nicht antun zu wollen. Wir wissen doch alle, dass das nur etwas schnellerer Selbstmord ist, als hier herumzuhocken. Auf die Ehre geschissen."
Ein Raunen geht durch die Menge. Eine Faust landet auf Holz. "Sowas ist das letzte, was jeder hier hören will, Emund!"
Es ist nicht Qua-Kehk, der das sagt, und viele scheinen zuzustimmen. "Wir brauchen die Truppe bei bester Moral, sonst gibt es wirklich keine Chance auf Sieg!", ruft ein anderer.
"Hier die Moral zu untergraben war nicht meine Absicht. Aber meine Meinung – und was ich für die Wahrheit halte – zu sagen ist noch erlaubt, ja?", kontert Emund.
"Ob die Wahrheit auszusprechen nicht manchmal auch schadet?", ertönt plötzlich die Stimme des Meisters. Damit scheint er für einen Moment alle zu verwirren, aber der erste, der reagiert, ist Emund selbst.
"Ich sehe, sogar der Fremde ist also der Auffassung, die Augen zu verschließen und zu hoffen, dass wir auf die Tatsachen scheißen können, nur weil wir so unglaublich überzeugt von unserer Sache sind, ist der beste Weg? Wunderbar, dann gibt es für mich hier nichts mehr zu besprechen." Ich höre einen Stuhl rücken.
"Emund...", beginnt Qua-Kehk gefährlich, aber der Ermahnte schneidet ihn ab. "Keine Sorge, ich gehe jetzt schnurstracks zu meinen Jungs und füttere ihnen Dreck. Sage, dass wir morgen früh da hoch laufen, weil wir es müssen, und weil mir auch nichts besseres einfällt. Hätte ich eh, sie müssen nicht die letzten Stunden ihres Lebens damit verbringen, sich einzupissen. Aber ihr solltet langsam alt genug sein, die Dinge beim Namen nennen zu können."
Kurz darauf kommt er aus der Tür. Er ist, wie man sich einen stolzen Krieger vorstellt: groß, muskulös, aufrechten Ganges und stolzer Haltung. Außerdem ist er nicht einmal dreißig Jahre alt – bis auf seine Augen. Die sind viel, viel älter. Und als er mich aus dem Augenwinkel sieht, fährt er zusammen, herum, sein Schwert schießt aus der Scheide; er ist, wie jeder hier, immer bewaffnet, immer bereit.
"Ich bin Diener des Totenbeschwörers", sage ich vorsichtig. "Ich bin keine Gefahr."
Nur langsam entspannen sich seine weißen Knöchel. "Hätte ich wissen sollen", murmelt er, und marschiert davon, der leere Blick in weite Ferne gerichtet.
Qua-Kehk findet nun wieder Worte: "Dann wäre das ja geklärt. Gibt es noch irgendwelche Fragen?"
"Sollten wir diesmal nicht mehr Rüstung tragen?", schlägt jemand vor.
"Es gilt morgen mehr als je, dass es sich damit zu langsam läuft, und dann sterben wir auf den ersten Metern", winkt Qua-Kehk ab.
"Und doch ist Bannuk nicht an einer Katapultkugel gestorben, sondern von Tentakeln durchbohrt worden...", meldet sich Nihlathak. Qua-Kehks Antwort ist entnervt. "Von
unten, ja. Dagegen helfen nicht viele Rüstungen."
"Und Waffen? Werden wir diesmal wenigstens wissen, welche Verzauberungen sie haben? Wenn ich gewusst hätte, dass meine Axt leichter ist, als sie sein sollte, hätte ich zwei mitgenommen!"
"Ich glaube nicht, dass Anya uns da groß helfen kann."
"Deckard Cain aber", widerspricht der Meister. "Anya meinte, dass sie mit Hilfe des Horadrim-Weisen, der mit mir angekommen ist, alle ihre Kreationen identifizieren kann."
"Du bist nicht hier zum Reinplappern, Totenbeschwörer! Verdammt!"
Qua-Kehk nimmt sich die berechtigte Kritik aber schwer zu Herzen.
Dann wird er bald noch deutlich mehr zu kauen haben, wenn der Meister ihm sagt, dass er seine Leute besser gleich zuhause lassen sollte und wir das alleine machen.
Denkst du nicht, dass die uns helfen können?
Haha.
Der Axtträger hat offenbar weniger Probleme mit den Zwischenrufen. "Wenn das so ist, dann sollte ich gleich sicherstellen, noch eine solche Wunderwaffe zu reservieren! Gibt es denn noch etwas zu besprechen?"
Der Kriegsrat ist jetzt so unruhig wie bisher noch nicht; ich tue mir etwas schwer, die einzelnen Gesprächsfetzen zu entwirren. Mein Hörvermögen ist ohnehin schon angestrengt. Aber die Anwesenden scheinen sich sehr darüber zu freuen, bald Blitzspeere, Feuerschwerter oder besonders scharfe Kriegssensen in Händen halten zu können.
"Ruhe!" Qua-Kehks Faust fährt erneut herab. "Nein, es gibt nichts mehr zu besprechen. Wir sehen uns morgen bei Tagesanbruch, und dann stürmen wir das Vorgebirge! Besorgt euch Waffen, trinkt euch meinetwegen noch Mut an, küsst eure Frauen zum Abschied und macht sie am nächsten Tag so stolz, wie sie es noch nie waren!"
Stühle werden gerückt, da zerschneidet die Stimme des Meisters die Aufbruchsstimmung. "Halt! Ist das etwa alles?"
"Ich habe genug von deinen Zwischenrufen!", donnert Qua-Kehk. "Du wirst deine Klappe halten, sonst prügle ich dich persönlich aus der Stadt!"
Verhaltene Zustimmung wird laut, aber der Meister nicht leise: "Ich bin Gast an eurem Herd, wurde in dieses Treffen geladen, in dem nicht nur Krieger anwesend sind, das macht es zu einem offenen Thing. Ihr
dürft mir nicht den Mund verbieten."
"Du wirst schon sehen, was gleich offen ist...", knurrt Qua-Kehk, und ich mache einen ersten Schritt auf die Tür der Halle der Ältesten zu.
"Halt inne, Kind, wenn dir deine Ehre lieb ist!", ruft da Nihlathak. "Der General hat völlig Recht. Es ist Tradition, und ich werde nicht zulassen, dass du sie brichst."
Was zur Hölle ist ein Thing?
Eine Versammlung, in der zum Beispiel neue Älteste bestimmt werden. Dazu muss ein männlicher Angehöriger jeder Schicht anwesend sein. Die offene Variante wird tatsächlich, wie der Meister korrekt festgestellt hat, praktiziert, wenn etwa hohe Gäste empfangen werden und vom ganzen Dorf begrüßt werden sollen. Er hat sich einfach kurzerhand als solcher definiert – auch nicht zu Unrecht – und damit stehen ihm gewisse Recht zu.
Und woher
weiß er das?
Man muss sich schon mit den Bräuchen der Primitiven auskennen, wenn man sie beherrschen will, hat mein Meister immer gesagt.
Das beantwortet meine Frage nicht!
"Also, General, was ist dein Anliegen?", sagt Nihlathak, nachdem sich die Versammlung etwas beruhigt hat. Der Meister räuspert sich. "Ich will nicht respektlos erscheinen, aber euer Schlachtplan kommt mir etwas zu grob gefasst vor. Ihr habt völlig recht, Qua-Kehk, wenn Ihr sagt, dass man mit Mut und Überzeugung so schnell wie möglich den Berg erklimmen muss, um die stete Barrage der Katapulte zu beenden. Aber das kann doch nicht alles sein. Das Vorgebirge ist sicher keine etwas geneigte Ebene. Es wird freie Stellen geben, aber auch Pässe, die die Katapulte nicht gut erreichen könne. Ich habe etwas von engen Brücken gehört – sollte man die eher vermeiden, sollte man sie bevorzugen, sollte man sie zerstören?"
"Wir kennen diesen Berg besser als uns selbst, Totenbeschwörer! Jeder einzelne Krieger weiß genau, was er tut!"
"Das schließt mich aber nicht ein. Und ich wage zu behaupten, dass dies das Bild etwas ändert."
"Ha!", höhnt Qua-Kehk. "Willst du dich wirklich auch vor die Tore Harrogaths wagen?"
"Ich werde mich bis auf den Gipfel des Arreats wagen. Dafür werde ich mir aber eine Taktik überlegen, die über 'stürmen' und 'Ehre' hinausgeht. Werdet Ihr mit mir darüber reden oder nicht?"
"Niemals wird der Arreat einen wie dich auf seinen Hängen akzeptieren!", schreit einer.
"Das lasst dir Sorge des Bergs sein, nicht euere. Ich habe fünfzehn Skelette, einen Golem und unzählige Zauber eurer Stärke hinzuzufügen, wollt ihr das wirklich abschlagen? Wie viele seid ihr denn überhaupt noch?"
Qua-Kehks Stimme trieft vor Verachtung. "Als ob wir einem Sklaven der schwarzen Kunst dies sagen würden."
"Ich schätze, etwa fünfzig Krieger sind in Kampfform", informiert Nihlathak ruhig. Ich kann die Empörung der Runde von hier draußen
spüren.
"Und wie viele wart ihr bei euerem letzten Versuch?", fragt der Meister unschuldig.
Anklagend antwortet der Älteste: "Gut das dreifache."
"Das ist
unser Berg! Wir werden die Dämonen nicht mit Dämonen bekämpfen!", wird der Rufer von vorhin wieder laut.
"Untote, bitte", ätzt der Meister.
"Schieb dir deine Untoten sonst wohin!" Ein Stuhl wird umgeworfen.
Jetzt reicht es aber. Ich eile hinein. Ein bulliger Barbar stürzt auf den Meister zu, Faust erhoben. Man bemerkt mich, mit teilweise großem Schreck, aber die sollen nur versuchen, mich aufzuhalten.
Der Meister dreht sich zu mir und hebt die Hand. "Bleib zurück, Dorelem."
Ich renne gegen eine unsichtbare Wand. Verdammt, seit wann zieht seine Kontrolle so schnell? Hilflos muss ich zusehen, wie der Wildgewordene auf ihn zurennt, zuschlägt...
Ein schwebendes Schild aus ätherischen Knochen fängt die Faust ab. Der Angreifer zuckt zurück, schüttelt seine Finger, versucht es mit einem Schwinger der Linken, scheitert auf gleiche Weise. Der Meister hat ihn nicht mehr angesehen, seit er mir den Befehl gegeben hat.
"Du verdammter...", schreit der Barbar, will es wohl erneut versuchen, da wachsen Knochen wie große Zähne aus dem Boden; ich erschauere kurz, sie sind eine Kopie des Gefängnisses, das Diablo damals einsetzte, um den Meister zu fangen.
"Bitte lass das", sagt der Meister nach hinten, den Blick auf den Barbaren gerichtet, der am Kopfende des Tischs steht, um den die Versammlung bis gerade noch gesessen ist. "Du wirst deine Fäuste morgen brauchen, ich will sie nicht verletzen."
Der, den er ansieht, muss Qua-Kehk sein. Er ist, wie alle hier, wuchtig gebaut, extrem muskulös, trägt einfaches Leder, aber zusätzlich dekorativ wirkende Pelze und Knochenteile, die seinen Status als Truppenführer betonen. Sein Gesicht ist überzogen von Narben, vermutlich Brandwunden, manche wirken sehr frisch. Der Griff eines gigantischen Breitschwerts ragt über seiner Schulter nach oben.
Es ist totenstill im Raum. Da klopft Nihlathak, der als einziger noch auf seinem Platz ist, auf das Holz vor ihm.
"Ich glaube nicht, dass Bannuk wollen würde, dass sein Nachfolger unsere Krieger in den fast sicheren Tod schickt. Und das, ohne Alternativen wenigstens in Betracht zu ziehen."
"Wenn wir die Waffen des Feindes benutzen, sind wir nicht besser als sie!", donnert Qua-Kehk.
Seltsam, ist das nicht etwas, was du sonst immer zu sagen pflegst? Wie einfach es sich manche Leute doch machen...
Nihlathak steht auf, geht langsam auf den Truppenführer zu und flüstert ihm etwas ins Ohr. Selbstverständlich kann ich jedes Wort verstehen.
"Du wirst nicht beweisen, dass du deinen Posten verdient hast, indem du auf Stolz und Ehre pochst. Du wirst das tun, indem du deine eigenen Entscheidungen triffst. Die richtigen, gegen die falschen der Vergangenheit."
Qua-Kehk beißt die Zähne zusammen. Für einen Moment hängt der Kriegsrat in der Schwebe. Dann spricht er, mit hart bemühter Ruhe. "General, du...Ihr meintet, dass der Unterschied zwischen Dämonen und Untoten wichtig ist?"
"Meine Macht hat absolut nichts mit der der Hölle zu tun. Ich muss es wissen, ich war dort", antwortet der Meister, mit echte Ruhe. Ein Raunen geht durch die Versammlung. Wobei ich die Zahl der Anwesenden etwas überschätzt habe – es sind nur noch fünf andere Barbaren außer Qua-Kehk und Nihlathak im Raum.
"Still! Was soll das heißen?", rumpelt der Truppenführer.
"Ich tötete Mephisto, um ein Portal in die Tiefen des Infernos benutzen zu können, das die Großen Übel geöffnet hatten. Unten kämpfte ich mich bis zu ihrem unheiligsten Ort vor und vernichtete Diablo."
Ungläubiges Lachen von manchen. Erhobene Augenbrauen von Nihlathak. Qua-Kehk hat sich unter Kontrolle, äußerlich zumindest. "General, bitte lasst Hoku frei."
Mit einer Geste des Meisters zerfällt das Knochengefängnis zu Staub. Er hat sich immer noch nicht umgedreht.
"Hoku, du hast unseren Gast angegriffen", fährt Qua-Kehk fort. "Verlass uns, und mach es morgen wieder gut."
Der Barbar, der den Meister angegriffen hat, war keiner von denen, die gelacht haben. Er macht keine Anstalten, zu protestieren, und geht kommentarlos.
"Ich weiß nicht, wie viel von Euren angeblichen Taten stimmen", erklärt Qua-Kehk weiter. "Aber ich bin bereit zu akzeptieren, dass Ihr die Dämonen bekämpfen wollt, könnt und solltet. Morgen bei Sonnenaufgang. Wir werden nicht auf Euch warten."
"Und wollt Ihr noch etwas eingehender Strategien mit mir besprechen?"
Der Truppenführer funkelt ihn an. "Der Kriegsrat ist endgültig beendet. Kommt uns nicht in die Quere, ich werde mich persönlich von Eueren Fähigkeiten und Einstellungen überzeugen, vielleicht überdenken ich meine Haltung dann noch. Aber nicht früher."
Alle gehen. Ich schließe mich dem Meister an, und Nihlathak gesellt sich zu uns. "Erneut danke für die Unterstützung", sagt der Meister.
"Ihr habt wirklich getan, was Ihr behauptet habt, oder?", fragt der Älteste. Seine Antwort ist ein einfaches Nicken.
"Dann weiß ich, dass Ihr diese Belagerung beenden könnt und ich das Richtige für Harrogath getan habe. Der größtmögliche Dank für mich."
Wir sind an einer Kreuzung angekommen; links geht es zu Anyas Haus, und dann weiter zu unserer Bleibe. Nihlathak bleibt stehen. "Ich wohne gleich rechts von hier, vorhin kam ich von einem Gespräch mit einer armen Witwe. Wenn wir uns bis morgen nicht mehr sehen, nehmt meinen herzlichsten Wunsch für Euren Erfolg mit, General."
Der Meister grinst schief. "Ein schönes Kompliment, dass Ihr mir kein Glück wünscht. Schlaft Euch aus, Nihlathak – wenn Ihr aufwacht, ist Harrogath sicher."
Damit trennen wir uns von dem Ältesten. Als er außer Hörweite ist, spricht der Meister mich an. "Was denkst du von ihm, Dorelem?"
Ich bin etwas überrumpelt. "Hm, er hilft uns, wo er kann, und hat uns gewaltige Probleme mit den Kriegern und besonders ihrem Anführer erspart...ich denke, er wird ein guter Verbündeter sein?"
"Zweiter?"
"Das denke ich auch, Meister. Aber ich wäre extrem vorsichtig. Er weiß ganz genau, welches Privileg seine Position bietet, und nutzt voll aus, dass er Recht hatte, und die anderen Weisen nicht. Auch Qua-Kehk hatte er gleich überzeugt, indem er ihm gesagt hat, dass Bannuk nur wegen eines hirnlosen Plans gestorben ist...ohne natürlich diese Wilden direkt zu beleidigen."
Der Meister nickt. "Ich würde auch sagen, dass den Guten nur manipuliert hat. Und sich sicher auch einbildet, uns nach seiner Pfeife tanzen zu lassen – wir retten seine Stadt, das ist, was er will, weil er in diesem Drecksloch jetzt die absolute Macht hat. Ich sage, das darf er machen, solange es uns in die Hände spielt. Bis er uns krumm kommt, sind wir seine besten Freunde."
"Himmel, seid ihr zynisch", werfe ich ein.
"Wenn du dich nicht vorzeitig verabschiedet hättest, Dorelem, dann wüsstest du, dass im Vergleich zu den Intrigen bei den Totenbeschwörern diese Überlegungen absoluter Kinderkram sind", gibt der Meister zurück.
"Wir sollten noch herausfinden, was Anya über Nihlathak denkt", schlägt der Zweite vor. "Sie ist zwar auch simpel gestrickt, aber dass er ihren toten Vater und Bruder als Waffen benutzt, um..." Er hält kurz inne. "Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, warum er es getan hat. Gerade deswegen ist sie ein guter Ansatzpunkt, um mehr über den letzten Ältesten herauszufinden."
Ein weiteres Nicken. "Aber das verschieben wir auf nach dem Angriff. Wenn wir das souverän genug hinbekommen, fressen uns die eh aus der Hand, dann erfahren wir gleich noch mehr."
"Ihr macht mich manchmal echt krank", seufze ich resigniert. Was der Meister natürlich ignoriert. "Ich will morgen etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang geweckt werden. Bekommt ihr das hin?"
"Natürlich", antwortet ihm der Zweite. "Was, warum so früh?", hake ich sofort nach.
Ich könnte schwören, dass die Augen hinter dem Goldschädel herablassend blicken. "Weil wir nicht mit diesen Narren zusammen da hoch laufen. Die Dämonen werden keinen Angriff im Dunklen erwarten, aber ich habe eine lebende Fackel und eine Rüstung, die wenig schimmert. Du ziehst ihr Feuer, die Skelette und ich sind damit sicher und die Sache ist vorbei, bevor auch nur ein Barbar sterben muss. Ein Satz, unendlich klüger als die ganze Rede über Mut und Ehre und Opfer, die man eben bringen muss, was für ein Unfug."
Ich will protestieren, aber...er hat auch Recht. Ohne großen Plan das Vorgebirge zu stürmen
ist Selbstmord, und wir haben Soldaten, die leicht zu ersetzen sind. Wenn wir Leben retten, indem wir Qua-Kehk und seine Krieger komplett ignorieren, dann muss mir das genügen.
"Ich bin dabei", sage ich deswegen.
"Natürlich bist du das."
Wir sind an Bannuks Haus angekommen. "Wirst du mich heute Nacht brauchen?", frage ich.
"Du bist frei, bis du mich weckst", antwortet der Meister. Also verabschiede ich mich.
Was hast du denn vor?
Anya und Malah werden alle Hände voll zu tun haben, die Verwundeten der letzten Schlacht zu versorgen. Du kennst dich exzellent mit Feldmedizin aus, und wir müssen nicht schlafen.
Wir werden die Nacht im Spital verbringen und so gut helfen, wie wir können. Keine Widerrede.
Warum? Das ist ein guter Plan. Zumindest Malah war noch recht misstrauisch, so gewinnen wir auch sie für unsere Seite. Kannst sie und ihre Tochter ja gleich ein wenig über Nihlathak aushorchen.
Das ist das Letzte, was ich heute tun werde...Himmel, was habe ich getan, dass ich mit diesen zwei Wahnsinnigen zusammenarbeiten muss, und warum kann ich nichts tun, um auszubrechen?