Meine allerbeste, allerliebste und einzigartige Freundin hat mir am Wochenende eröffnet, dass sie in zwei Wochen nach Potsdam zieht, weil sie da für mindestens zwei Jahre eine Ausbildung macht. Klingt jetzt nicht so tragisch, aber es ist irgendwie... ich kenne sie schon seit der zweiten Klasse. Ich hab sie damals vor ihren Klassenkameraden beschützt (sie war eine Klasse niedriger). Sie wurde immer sehr gehänselt, weil sie die alten Sachen von ihrer Stiefschwester tragen musste, einen Kurzhaarschnitt und eine echt fiese Stiefmutter hatte. Die Jungs in ihrer Klasse gingen da auch echt zu weit - mal abgesehen davon, dass man sie zum weinen gebracht hat mit einigen fiesen Bemerkungen wurden die auch handgreiflich.
Egal, auf jedenfall... das ist wirklich so eine einzigartige Freundschaft, wie man sie nur alle hundert Jahre findet. Wir haben uns jahrelang jeden Tag gesehen; wir sind praktisch miteinander aufgewachsen. Sie ist wie eine Schwester für mich und so ein besonderer Mensch... wenn sie lacht, dann geht die Sonne auf.
Sie ist für mich auch ein richtiger Engel, wir haben einiges zusammen durchgemacht, uns Kraft gegeben (klar, wir haben uns auch gestritten) - aber alles zusammen war das wirklich eine einzigartige Zeit. Wir haben einander so viel gegeben. Und jetzt ist das praktisch zu Ende. Und dann auch noch so plötzlich, es ist wirklich bitter.
Andererseits... ich freue mich auch für sie, denn im Leben hat sie es nicht sehr leicht gehabt. Die Stiefmutter ist streng katholisch und hat ihre eigenen Tochter immer vorgezogen. Jahrelang war sie der Sündenbock der gesamten Familie, dass war auch zum Heulen. Inzwischen hat es sich gebessert, aber selbst jetzt noch meckert ihre Stiefmutter, wenn sie mit 22 Jahren nach 12 nach Hause kommt. Einen Mann mit nach Hause bringen wäre unvorstellbar.
Aber die Möglichkeit, jemanden kennen zu lernen, hat sie sowieso nicht gehabt. Sie ist damals von der Hauptschule auf die Realschule gewechselt, hat da ihren Abschluß gemacht und wollte danach aufs Gymnasium (echt eine super Leistung, meiner Meinung nach!). Das hat anfangs auch sehr gut geklappt, sie ist ein sehr fleißiger Mensch (kein Wunder, mit 5 Pferden ist man es gewohnt, viel zu arbeiten). Es hat kein halbes Jahr gedauert, da war sie ständig krank. Zwei Wochen krank, eine Woche gesund, so in dem Dreh. Es stellte sich heraus, dass sie einen Pilz in den Nebenhöhlen hatte, der das auslöste. Verschlimmert wurde das ganze noch dadurch, dass ihre Stiefmutter sie ihre Krankheit nie hat ausliegen lassen. Ihr Vater restauriert Klaviere und sobald das Fieber weg war, musste sie da mit anpacken. Oder im Hausbau helfen (das Haus ist sehr alt und muss alle naselang irgendwo repariert werden). Auf jeden Fall war damit das Abi erstmal vom Tisch. Sie hat etwa ein dreiviertel Jahr gebraucht, bis sie wieder gesund war.
Sie hat denn mit Fernabitur angefangen (und war auch recht gut), hat ihre Pferde gemacht und eben daheim mitgearbeitet.
So ging das jahrelang bis vor kurzem. Wenn sie nicht mit uns am Wochenende fortgegangen ist, ist sie bis aufs reiten nicht aus dem Haus gekommen. Seit letztem Jahr hat sie ein Praktikum nach dem anderen gemacht. In einer IT-Firma, in einem Bürojob, bei der Polizei - irgendwie hat nichts so gepasst, bzw. sie war sich nicht sicher, ob sie das den Rest ihres Lebens überhaupt machen möchte. Im Frühjahr 09 hätte sie dann ihr Abi gemacht.
Tja und nun (jetzt kommt's), dass ist so typisch für sie - sie hat sich bei den Stellenanzeigen umgeguckt, und wohl festgestellt, dass sie ganz gerne in die Touristik- / Hotelbranche möchte. Dabei stieß sie auf eine Anzeige einer Privatschule in Potsdam, die 10 Plätze "verlost" hat. Man sollte in 500 Wörtern beschreiben, warum die Schule einen nehmen sollte. Zwei Tage vor Einsendeschluß hat sie sich entschieden, ihren Text wegzuschicken. hat sich wohl beim Schreiben nicht so viel Mühe gegeben, da sie erstens sowieso nicht damit gerechnet hat, genommen zu werden und zweitens auch lieber erst nächstes Jahr, also nach dem Abi damit angefangen hätte. Tjo, aber der Schule hats wohl gefallen, auf jeden Fall hat sie jetzt einen Ausbildungsplatz (Realschulabschluß vorausgesetzt) für zwei Jahre für "Touristikmanagement" im Wert von ein paar tausend Euro gewonnen. Sie bekommt das Schulgeld + Essen komplett spendiert. Ist natürlich super und da sagt man auch nicht nein bei so einer Chance. Die Schule vermittelt einen dann sogar an Arbeitgeber, man braucht sich praktisch kaum zu kümmern, man muss nur sagen, wo man hin will (und sie will auf ein Kreuzfahrtschiff - ich werd sie nie nie wieder sehen
). Nach der Ausbildung kann sie noch in Dortmund Touristikmanagement studieren. Es ist also wirklich ein Glücksfall und wenn das jemand verdient hat, dann sie. Ich gönne ihr das und bin froh, dass sie aus ihrem Elternhaus herauskommt, etwas von der Welt sieht und endlich die Chance hat, sich gesellschaftliche zu positionieren. Wird in der neuen Schule keine zwei Wochen dauern und sämtlich Jungs liegen ihr zu Füßen
Und ich denke, seit ich das weiß, nur daran, wie ich ihr einen hübschen Abschied bereiten kann. Ich möchte ihr auch nicht sagen, wie es mir geht. Ihr fällt der Abschied sicherlich schon schwer genug, sie muss ja schließlich ihre geliebten Pferde zurücklassen und alles.
Hab gestern nacht dann nur noch Fotos herausgesucht, bearbeitet etc... denn es muss ja schnell gehen, sie fährt schon am 1.11.
Na ja, wenigstens ist sie über meinen Geburtstag noch da und hat mir versprochen, dass wir nochmal zusammen ausreiten gehen. Das wird echt todtraurig. Langsam geht mir der Oktober als Monat wirklich auf den Sack. Immer kommen die unschönen Nachrichten im Oktober. Mein Mann, der arme Kerl, ist an meinem Geburtstag auch (mal wieder) nicht da, bzw. kommt spät. Ist jedes Jahr derselbe Scheiß (ist es wirklich, kann mich gar nicht erinnern, das wir einmal meinen Geburtstag komplett miteinander verbracht hätten) und nun auch noch das mit meiner Freundin (und vor zwei Jahren der Tod meines Katers im Oktober!) -.- Obwohl das ja wie gesagt für sie total super ist und ich echt glücklich bin, dass sie mal anfangen kann, ihr Leben zu leben (und ich mir keine Sorgen mehr machen muss, wie das mit ihr weitergeht) - es ist trotzdem traurig!