Das Paradoxon von Zenon
Vor ungefähr 2500 Jahren stellte Zenon von Elea ein
Paradoxon auf, das vielen bekannt sein wird.
Wenn der schnellfüßige Achilles in einem
Wettlauf der Schildkröte einen Vorsprung läßt,
wird er diese nie einholen können.
Mit diesem und einigen anderen Beispielen vertrat Zenon die Auffassung, dass die Erkenntnisse, die wir mit den Sinnesorganen wahrnehmen, nicht unbedingt wahr sein müssen. Das Paradoxon mit Achilles und der Schildkröte sollte ein Beleg dafür sein, dass Bewegung unmöglich ist, sind doch in der Darstellung der Situation keine Widersprüche oder logischen Denkfehler vorhanden. Wie läßt sich das Paradoxon auflösen?
Das Paradoxon
Achilles will mit einer Schildkröte ein Wettrennen machen. Da die Schildkröte langsamer ist, bekommt sie einen Vorsprung. Nun geht das Rennen los. Achilles erreicht den Punkt an dem die Schildkröte zum Startzeitpunkt ist. In der Zwischenzeit ist sie aber auch ein Stück vorangekommen. Nun erreicht Achilles diesen Punkt und die Schildkröte ist wieder ein Stück weiter. So setzt sich das Rennen fort und Achilles wird seinen Gegner nicht einholen können, da dieser, wenn Achilles den jeweils letzten Punkt des Tieres erreicht, schon wieder ein Stück vorwärts ist.
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Lösung eines Schülers
Natürlich läßt sich die Aufgabe mit einfachster Schulmathematik lösen,
wenn wir einmal die einzelnen Zeitintervalle außer Acht lassen.
Achilles mit der Geschwindigkeit v_a läßt der Schildkröte mit v_s
einen Vorsprung W. Überholt Achilles das Tier nach der Zeit T, hat
er eine Strecke S zurückgelegt, daher gilt
T = S/(v_a) = (S - W)/(v_s)
S - W = v_s /v_a S => S = W 1/(1 - v_s /v_a ) = (W v_a)/(v_a - v_s)
Achilles hat die Schildkröte also nach der Strecke (W v_a)/(v_a - v_s)
eingeholt und nach der Zeit T = W/(v_a - v_s) .
Doch damit ist aber noch garnicht das Paradoxon gelöst, wir haben
ja einfach angenommen, dass er sie einholt und die Zeit endlich ist.
Doch ist das auch so?
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Lösung mit Hilfe einer Reihe
Zenon schlussfolgert, dass Achilles die Schildkröte nie einholt.
Ein Mathematiker würde heutzutage T\textrightarrow \inf schreiben.
Zenon kommt auf diese Aussage, da es unendlich viele Zeitintervalle gibt, noch bevor es zum Überholen kommt, also können wir T schreiben als
T = sum(t_k,k=1,\inf) .
Nun wollen wir T berechnen, dazu brauchen wir die einzelnen t_k
und wollen schließlich schauen, ob die Reihe divergiert oder nicht ...
Achilles erreicht den Startpunkt der Schildkröte nach t_1 = W/v_a , während
die Schildkröte den Weg t_1 v_s = W/v_a v_s zurückgelegt hat.
Diese Entfernung überbrückt Achilles nach der Zeit t_2 = W/v_a v_s 1/v_a , während
die Schildkröte nun wiederum weiter ist, und
zwar um t_2 v_s = W/v_a v_s ^2 1/v_a .
Daher erhalten wir t_3 = W/v_a v_s ^2 1/(v_a ^2) .
Ganz analog erhalten wir die restlichen t_k , so dass wir T
schreiben können als
T = t_1 + t_2 + t_3 + ....
T = W/v_a + W/v_a v_s 1/v_a + W/v_a v_s ^2 1/(v_a ^2) + ...
T = W/v_a (1 + v_s /v_a + (v_s /v_a)^2 + ...)
T = W/v_a sum((v_s /v_a)^k,k=0,\inf) .
Nun wollen wir wissen, ob T \textrightarrow \inf oder nicht...
Einige Leser werden jetzt natürlich wissen, dass es sich hierbei
um die geometrische Reihe handelt und wir eigentlich sofort den
Grenzwert erhalten könnten, würden wir die Werte in eine Formel eingeben.
Aber wir wollen dies nicht machen, sondern schauen, wie man
darauf kommt. Vielleicht hätte es Zenon auch berechnen können ...
Setzen wir q:=v_s /v_a , da v_s < v_a ,v_s <> 0 und v_a <> 0 ist q \el ]0,1[.
Somit T = W/v_a sum(q^k,k=0,\inf) = W/v_a lim(n->\inf,sum(q^k,k=0,n)) .
Sei nun S_n:=sum(q^k,k=0,n). Daraus folgt
S_n = 1 + q + q^2 + q^3 + ..... + q^n
S_n = 1 + q(1 + q + q^2 + ... + q^(n-1))
S_n = 1 + q(S_n - q^n)
S_n - q S_n + q^(n+1) = 1
S_n = (1 - q^(n+1))/(1 - q).
Da q \el ]0,1[, erhalten wir lim(n->\inf,q^(n+1)) = 0 .
Den Beweis für lim(n->\inf,q^(n+1)) = 0 möchte ich hier nicht bringen.
Man kann es jedoch rein intuitiv schon vermuten, da
q > q^2 > q^3 > ...
und somit lim(n->\inf,S) = lim(n->\inf,(1 - q^(n+1))/(1 - q)) = 1/(1 - q).
Streng genommen gilt dies sogar für alle q \el ]-1,1[, da das
aber für unseren Fall nicht nötig ist, reicht es zu wissen, dass es
für q \el ]0,1[ gilt.
Nun wollen wir doch mal schauen, was uns diese Rechnung liefert,
und setzen ein:
T = W/v_a sum((v_s /v_a)^k,k=0,\inf)
T = W/v_a 1/(1 - v_s /v_a) = W/v_a v_a /(V_a - v_s)
T = W/(V_a - v_s) .
Es ist natürlich - wie zu erwarten war - dasselbe Ergebnis wie oben.
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Schlussbemerkung
Wie wir gesehen haben, holt Achilles die Schildkröte tatsächlich ein. Mit diesem für damalige Zeiten unauflösbarem Paradoxon wollte Zenon zeigen, dass die Welt nicht diskret ist, indem er davon ausgeht, dass sie es ist und mit Hilfe des Wettlaufes der beiden Kontrahenten zu einem Widerspruch kommt. Mit weiteren Paradoxa zeigte er, dass die Welt nicht kontinuierlich ist.
Das Unendliche, das auf diese Weise in die Analyse der Bewegung eindrang, beunruhigte die Mathematiker und Physiker bis ins 17. Jahrhundert und führte dadurch zur Differential- und Integralrechnung, die stark verbunden mit den Namen Leibniz und Newton ist, die die Kunst entwickelten, die Steigung der Tangente an eine Kurve zu bestimmen oder den Flächeninhalt eines Körpers, der von einer Kurve begrenzt wird. Seit dieser Zeit können wir die Bewegung makroskopischer Objekte sehr gut beschreiben. Doch, um es vorwegzunehmen, wissen wir noch immer nicht, ob die Welt diskret oder kontinuierlich ist. Gerade das Aufkommen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik wirft im Hinblick auf diese Frage neue Probleme, aber auch Kenntnisse auf.
Ludwig Wittgenstein, deutscher Philosoph des 20. Jahrhunderts, bemerkte einen "Fehler" in der Beweisführung des Paradoxons und weiterer mathematischer Konstruktionen. Er behauptete, dass Begriffe wie Grenzwert oder Reihe in sich widerspruchsfrei sind, aber nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Wir können ja mal spaßeshalber einen Läufer und eine Schildkröte zur Hand nehmen und beide um die Wette laufen lassen. Wenn die Zeit, die wir berechnet haben, mit der gemessenen Zeit übereinstimmt, können wir annehmen, dass wir richtig liegen. Aber ist das auch tatsächlich ein Beweis? In wie weit erklärt die Mathematik die Natur und überhaupt, ist die Mathematik Entdeckung oder Erfindung des Menschen?
Es gibt noch viele offene Fragen, die zumindest eine Überlegung wert sind.
Die alten Griechen stehen uns in Wissbegierigkeit und Interesse am Verstehen der Natur in nichts nach und viele Fragen von damals sind auch heute noch
sehr aktuell.
Meinen Artikel möchte ich beenden mit einem Zitat über Zenon von Platon:
"Zenon sprach mit einer Kunst, die den Zuhörern dieselben Dinge gleichzeitig ähnlich und unähnlich, eins und viele, unbeweglich und beweglich erscheinen ließ."
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für mich verliert dieses Paradoxon seine Daseinsberechtigung als Paradoxon, nachdem es gelöst wurde
denn was ist Paradox daran das der Läufer die Schildkröte einholt?
Man könnte rein mathematisch gesehen, viele paradoxe Theorien entwickeln, welche man aber durch physikalische Gesetzt und realistischen Menschenverstand/ Erfahrungen / Versuchsreihen aushebeln könnte.
Alles andere bleibt bis zur Lösung ein Paradoxon, so weit so gut.