Ich bin jetzt fertig mit der Geschichte. Könnte ich eure Wertung, Hinweise, kurz: konstruktive kritik haben. Sagt was euch nicht gefällt, das hilft mir weiter.
Mit zitternden Fingern zog er die Spritze auf und hielt sie gegen das Licht. Der Inhalt schimmerte goldgelb im Licht der untergehenden Sonne, doch die bernsteinfarbene Flüssigkeit war nur an der Oberfläche verlockend, unter dem Mantel der Schönheit lauerte ein anderes Gesicht.
Die Droge war zum ersten Mal vor zwei Jahren aufgetaucht. Sie hatte sich wie ein Lauffeuer auf dem Kontinent verbreitet und riss jedes Jahr mehr Menschen in den Abgrund.
Doch für diese Überlegungen hatte er keine Zeit. Das Zittern hatte zugenommen, der Hunger rann durch seine Venen und fraß sich in seinen Verstand. Er setzte die Spritze an und drückte langsam, dann, als ihn die Gier überwältigte, immer schneller ab.
Warmes Vergessen senkte sich auf ihn herab, ein Mantel aus Nacht umhüllte ihn und trug ihn fort.
Durch ihre Eigenschaft, Träume von unglaublicher Intensität zu erzeugen, hatte die Droge alle anderen „Harten“ verdrängt und war zum Liebling aller Süchtigen geworden. Wenn sie vom Trip zurück kamen, erzählten sie oft von wunderbaren Welten, die sie gesehen und unglaublichen Dingen, die sie getan hätten. Deshalb wurde sie von manchen auch „Das Erwachen“ genannt, da sie glaubten, eine andere, ebenso reale Welt zu sehen und zu erleben. Unter den Süchtigen ging die Legende um, dass, wer im Rausch starb, in die Welt übergehen würde in der er sich gerade befände.
Das Erwachen war wunderschön, wie jedes Mal. Er lag mit ausgebreiteten Armen auf einem grasbewachsenen Hügel, ein Windhauch strich sacht über seinen Körper. Wäre nicht das Rauschen des Windes gewesen, so hätte er gemeint taub geworden zu sein, denn es herrschte eine allumfassende Stille. Diese Stille kündete von leeren, unermessliche weiten Ebenen, die nicht von menschlichen Gebäuden geschändet oder von Abgasen verpestet worden waren, von alten Geheimnissen und ungelösten Rätseln.
Langsam öffnete er die Augen und sah sich um. Er befand sich in einer weiten, flachen Graslandschaft, die sich bis zum Horizont erstreckte. „Das Grünmeer“ murmelte er. Er schloss die Augen wieder und konzentrierte sich. Seine bisher ziellos umherwirbelnden Gedanken verdichteten sich zum Bild eines Pferdes. Er fokussierte sie, bis er jede Einzelheit erkennen konnte, von den schrundigen Hufen bis zum sanften Schimmer des Fells und dem Glanz der Augen. Als ihm der Geruch nach Pferd in die Nase stieg, öffnete er seine Augen wieder. Und da stand es, das Pferd aus seinen Gedanken. Es warf den Kopf zurück und wieherte, als es ihn wiedererkannte, denn er hatte es schon öfter herbeigerufen.
Die Süchtigen berichten, dass in der Welt, die die Droge vorgaukelt, alles möglich sei. Es käme nur auf die Willensstärke an, denn Gedanken würden Gestalt annehmen.
Er hatte lange gebraucht, bis er ein echtes Pferd herbeirufen konnte. Seine ersten Versuche hatten nur farblose, unvollständige Phantome erschaffen, denen es an Leben mangelte. Denn er hatte sich nicht genug konzentriert, sich nur rudimentäre Bilder vorgestellt und dann herbeigeholt.
Er schüttelte den Gedanken ab und holte er aus der Satteltasche einen Kompass. Dann stieg er auf und ritt nach Westen.
Drei schwarz gekleidete Gestalten hatten sich um den hektisch atmende Menschen versammelt. Eine von ihnen zertrat die auf dem Boden liegende Spritze. Der ausgemergelte Körper auf der schäbigen Matratze vor ihnen warf sich in unruhigem Schlaf umher, die seltsamen Besucher studierten ihn mit großem Interesse. Es waren jedoch keine richtigen Menschen, auch wenn sie den Eindruck zu erwecken versuchten. Auf den ersten Blick war alles da was einen Menschen äußerlich ausmachte: Nase, Mund, Ohren und Augen. Doch bei näherem Hinsehen konnte man erkennen, dass alles irgendwie verdreht, irgendwie falsch war. Die Augen übermittelten zwar Signale, doch das Gehirn schien nicht fähig sie richtig umzusetzen. Die Fremdheit die über diesen Wesen lag war fast mit Händen greifbar. Wie ein unsichtbarer Mantel, der nur vom Unterbewusstsein wahrgenommen wurde, umgab er die Gestalten und verdeckte ihr wahres Aussehen.
Eine zischende Stimme erklang: „Wir müssen seine Seele der Leere überantworten.“ Die anderen nickten. Der Sprecher zog eine Spritze aus seiner Tasche und zog sie auf. Die grünliche Flüssigkeit darin verwirbelte, smaragdgrüner Tod verharrte in Wartestellung. Der Mann, sofern dieses Wesen die Bezeichnung verdiente, ging neben dem Schlafenden in die Hocke und setze die Spritze an die Armbeuge.
Ein peitschender Knall durchschnitt die Stille mit der Schärfe eines Rasiermessers, die dunkle Gestalt wurde herumgewirbelt und gegen die Wand geschleudert. Zwei weitere Schüsse ertönten und die beiden anderen Schwarzgekleideten sackten zusammen.
Ein Mann trat aus der schattigen Dunkelheit des Zimmers und vergewisserte sich, das die Drei tot waren. Dann trat er an die Matratze heran und betrachtete den Schlafenden. „Armer Bruder, sie hätten dich fast erwischt. Nun sei frei!“
Mit diesen Worten hob er den Revolver und schoss dem Liegenden in den Kopf.
Die Welt flackerte. Als ob die Wirklichkeit von einem Erdbeben erschüttert worden war, verschob sie sich ein winziges Stück in eine Richtung, von der er nicht einmal gewusst hatte das sie existierte.
Dann war es vorbei. Die Welt kehrte wieder in ihre gewohnten Abmessungen zurück. Doch in seinem Kopf blieb ein geisterhaftes Gefühl zurück, als ob er gerade beobachtet hätte, wie die Fundamente der Welt erschüttert worden wären und sich ein winziger Riss darin gebildet hätte.
Plötzlich blitze ein blendend helles Licht auf. Als er die Augen wieder öffnete, sah er eine engelsgleiche Gestalt vor sich schweben. Weiße Gewänder aus einem unglaublich hellem und weichen Stoff umhüllten den Körper, der von zwei schimmernden Flügeln etwas 20 Zentimeter über dem Boden gehalten wurde. Ab und zu lösten sich kleine Federn aus den Flügeln und trudelten zu Boden, wo sie in winzigen Explosionen aus Licht verschwanden.
„Hab keine Angst, ich bin dein Freund!“ Eine Stimme, süß wie Honig und doch unter dieser Oberfläche hart wie Stahl, erklang und füllte seine Herz mit Freude. Er fand seine Sprache wieder. „W-Wer bist du?“
„Ich bin nur ein Bote. Das was du vorhin gespürt hast war der Tod deines Körpers. Deine Seele ist nun frei und in die wirkliche Welt zurückgekehrt.“
Die Worte des „Boten“ trafen ihn wie ein Hammerschlag. Er hatte das Gefühl als würde sein Herzschlag aussetzen und seine Gedanken würden sich auflösen, zerfasern wie Rauch im Wind. Die Stimme brachte ihn zurück in die Realität. „Hab keine Angst. DU bist jetzt frei.“
„Nein! Das glaube ich nicht! Das ist nur eine Wahnvorstellung! Dies ist nicht die Realität! Ich will wieder aufwachen! Hilf mir!“
Die Gestalt schüttelte sacht den Kopf. „Dies ist die Realität. Dies ist die Welt aus der ihr Menschen kommt.“
Die Worte verhakten sich in seinem Kopf und ließen ihn innehalten. „Was soll das heißen, ,ihr Menschen'?“
„Mein Auftrag lautet, dich auf diese Welt vorzubereiten. Also will ich dir alles erzählen. Vor Äonen, als selbst die Zeit noch jung war, seid ihr Menschen in die Welt getreten. Ihr hattet diese Welt, ein Paradies aus Glück und Freude. Niemand hatte Sorgen, es ging allen gut und jeder war erfüllt von göttlicher Liebe. Doch einige Zeit später kam es zum Eintritt einer neuen Partei in die Welt. Wir waren seit Ewigkeiten auf der Suche nach einer Heimat gewesen, und nun hatten wir sie gefunden. Einige von uns lebten mit euch zusammen, andere, die eure Präsenz nicht ertrugen, sonderten sich ab und zogen sich in unbesiedelte, unwirtliche Gegenden zurück. Bei ihnen wuchs der Hass. Denn wir erkannten, dass wir euch überlegen waren. Wir konnten Dinge Kraft unseres Willens erschaffen, während ihr dessen nicht mächtig wart. Schließlich, nach einigen Jahren, kamen die anderen aus den Wüsten und Bergen und überwältigten uns, die wir mit euch lebten.
Sie schufen ein Gefängnis, in dass sie euch verbannten. Doch sie konnten euch dort nicht halten, da ihr die Reinform dessen wart, was ihr heute eure „Seele“ nennt. Ihr wart reiner Geist, deshalb banden sie euch an das Fleisch. Diese „neue Welt“ wurde euer Gefängnis, und ihr wart euch dessen nicht einmal bewusst.
Uns, die wir gegen diesen Schritt waren, sperrten sie in einen abgelegenen Teil dieser Welt und nahmen uns den Großteil unserer Kraft.
Doch im Zuge eurer Verbannung kam es zu seltsamen Geschehnissen, die wir bis heute nicht erklären können. Ihr bekamt die Fähigkeit, während des Schlafes von eurer Gefängniswelt in diese hier zurückzukehren und, was noch viel seltsamer war, ihr hattet unsere Fertigkeiten. Ihr konntet Dinge erschaffen, indem ihr euch nur auf sie konzentriert habt. Doch ihr konntet nur flüchtige Eindrücke von hier mit zurückbringen, nämlich das, was ihr „Träume“ nennt.
Und dann gelang einem von uns die Flucht aus dem Gefängnis. Er opferte seine Existenz hier und drang in eure Welt ein, um euch zu befreien. Er verbreitete das, was euch als die Droge „Das Erwachen“ bekannt ist. Später konnten einige andere ebenfalls fliehen und druchstreifen nun diese Welt, so auch ich.
Doch in eurer Welt gibt es ebenfalls einige von der bösen Seite. Sie kontrollieren eure Welt im Verborgenen und halten sie am Leben. Und sie machen Jagd auf diejenigen, die vom „Erwachen“ gekostet haben. Sie löschen ihre Seelen aus, wenn sie gerade hier sind. Doch dein Körper starb auf natürliche Weise, als du hier weiltest, deshalb bist du unversehrt übergetreten in die wirkliche Welt.“
Er stand stumm da und ließ das Gehörte auf sich einwirken. Schließlich stellte er die eine Frage: „Was kann ich tun um die anderen Menschen zu befreien?“