Kapitel 19 – Das Bedauern böser Seelen
Der Klippenschleicher fliegt auf mich zu, und ich denke nicht, dass ich noch ausweichen kann.
Reflexartig hole ich mit meiner Faust aus, reiße sie hoch...eine dumme Handlung, schließlich bin ich aus Feuer...und schlage den kleinen Dämon mit einem mächtigen linken Haken aus der Flugbahn und hoch in die Luft.
He, da ist ja richtig Gewalt dahinter!
Natürlich. Die Magiehülle, die deinen Körper zusammen hält, hat physische Präsenz – wie du weißt, sonst hättest du das Szepter nicht aufheben können.
Aber so viel gleich...ich dachte, er würde einfach eindringen.
Sicherlich wird ein Schwerthieb es schaffen, die Barriere zu durchdringen...wie viel sie aushält, können wir ja noch testen. Hm...wenn der wieder landet, wird er uns wieder angreifen.
Ich löse die Finger meiner linken Hand auf, überlege kurz, wohin die Parabelbahn des torkelnden Springers führen wird, und schieße einen Feuerball in seinen Weg.
Ein Quieken wird schnell unterbrochen, als er in verbrannte Stücke zerrissen wird. Na, das war doch gut gezielt.
Du musstest ja auch Nichts werfen.
Blah.
Ich schreite zwischen einigen mehr oder weniger stark verbrannten Leichen hindurch; nach ein paar kleinen Anfangsschwierigkeiten habe ich festgestellt, dass es wirklich verdammt einfach ist, den Körper zu benutzen. Ich kann ihn genau wie die Wasserform völlig frei umgestalten, zu einem Feuerteppich werden, eine Flammenzunge, die sich um einen Gegner windet, aber im Gegensatz zum eher unbeeindruckendem Wasser verbrenne ich einfach Alles, das ich berühre, wenn ich das will. Dazu kommt, dass ich ziemlich unverwundbar scheine, wobei der Zweite wie üblich zur Vorsicht rät...und er hat auch Recht, schließlich hatte bisher jeder Körper seine Schwachstellen. Ich weiß nur noch keine von diesem.
Mein Ziel, das den Schwarm Springer hier versammelt hatte, ist nach deren lästiger Ablenkung nun auch erreicht. An mehrere schlanke Steinsäulen gekettet stehen zehn verdammte Seelen in loser Formation auf einem seltsamerweise gepflasterten Areal verstreut, ihr Stöhnen aus gequälten Kehlen ein ständiger Chor. Die nackte Haut von jeder ist schon unzählige Male aufgeschlitzt, verbrannt, gefressen worden, wieder narbig verwachsen, keine Gesichtszüge sind mehr zu erkennen, die ewige Folter hat sie zu völlig gleichen Hüllen geformt, welche einen Geist gefangen halten, dessen Welt nur noch Schmerz ist.
Wie kann man auch nur theoretisch darüber nachdenken, dass diese Art von Strafe, gleich für welches Verbrechen, gerechtfertigt ist?
Oh, in Gedanken ist Vieles möglich.
Ohne zu zögern steche ich eine Flammenlanze in das Herz der ersten Seele; sie zuckt fast nicht, an Pein gewohnt, wohl aber, als sie feststellt, dass dieser Schmerz der letzte sein wird; diese Wunde, das tiefe Loch in der Brust, wird sich nicht mehr schließen, und nach wenigen Sekunden sackt der Kopf nach unten, der Geist endlich frei und dem ewigen Vergessen überantwortet.
Gleich die nächste. Es hat etwas ungemein Befriedigendes, diese Sünder zu erlösen; es ist wie ein Stich ins Herz des grausamen Systems der Hölle, jedes einzelne Mal.
Siehst du, diese Gedanken finde ich zum Beispiel überaus absurd, aber mich wundert eben gar Nichts mehr bei dir.
Mich wundert eher, dass du nicht wirklich etwas dagegen zu haben scheinst.
Ich glaube nicht an dein Konzept der Gerechtigkeit. Gut und Böse sind doch nur Definitionen. Du hast völlig Recht, das System ist kompletter Unfug, aber du ziehst völlig andere Schlüsse daraus; mir ist es einfach egal, wenn diese hier für immer brennen, selbst schuld sind sie ja schon.
Du bist also völlig mitleidsfrei mit ihnen, nicht wegen ihrer Taten, sondern...
Weil ich grundsätzlich kein Mitleid zeige, genau.
...das wirft erneut die Frage auf, warum du die Kinder damals nicht getötet hast.
Hoffentlich findest du die Frage interessant, weil sie noch ein wenig länger im Raum stehen wird.
Gerade will ich nachhaken, allein schon, um ihn zu nerven, da öffnet die vierte Seele plötzlich die seltsamerweise unversehrten Augen.
„Wirst du...mich töten?“
Ich forme die Flammenspitze.
„Ich werde dich erlösen.“
„Warte!“
Mein Arm hält inne.
„Warum? Willst du nicht dieser endlosen Qual entkommen?“
„Du solltest erst wissen, warum ich hier bin...“
„...wenn es sein muss?“
Er beginnt, mir seine Geschichte zu erzählen. Nach kurzer Zeit wird mir mulmig. Ich wusste nicht, dass es Leute gibt, die solch Abscheulichkeiten begehen. Mit das Schlimmste, was man einem Kind antun kann...und nicht auf eines beschränkt. Ein Gefühl, das ich bisher immer künstlich verstärkt erfahren habe, steigt auch ohne Mephistos Einfluss in ähnlicher Intensität in mir auf: Hass. Und immer größer wird der mit jeder Sünde, die er zugibt; wäre er noch am Leben, wäre meine Versuchung, ihm meine Faust in die Kehle zu rammen und jegliche Hitzedämmung aufzugeben, enorm hoch. Vielleicht erst an eine andere Stelle...
Aber nein. So denke ich nicht. Und er ist schon tot. Gelitten für all seine Taten hat er auch schon gewaltig.
„...also, Golem, wirst du mich wirklich töten, obwohl du weißt, was ich Alles getan habe?“
„Willst du nicht von deinen Qualen befreit werden, oder was?“
„Ich kann nur nicht nachvollziehen, was einen dazu treibt, Jemanden wie mich von einer Strafe zu befreien, die er sicher verdient hat.“
„So viel Einsicht hätte ich gar nicht erwartet von dir. Nachdem du ja offenbar dein Leben lang keinerlei Gewissen oder Reue gezeigt hast.“
„Oh, ich war mir immer klar, dass mein Verhalten mich in die Hölle treiben wird. Hätte nur nicht gedacht, dass die Hölle eine derartige Hölle ist. War wohl etwas sehr dumm von mir, aber wenn Alle sich über die Konsequenzen ihres Handelns klar wären, gäbe es wohl nur noch sehr wenige wahrhaft Böse in der Welt.“
„Sehr philosophisch. Dennoch finde ich es sehr dumm von dir, das anzusprechen; du lässt mich noch einmal sehr genau darüber nachdenken, ob ich dich überhaupt erlösen will.“
„Das Vergessen...es wiegt auch schwer. Die vage Hoffnung auf Rettung besteht hier noch, wenn ich in das Dunkel falle, wird Alles ausgelöscht, was ich je war.“
Ich forme meine Finger wieder, um mir über das Kinn zu streichen.
„Also willst du gar nicht, oder was?“
„Das ist...eine schwierige Frage...“
„Das Prinzip verzweifelter Hoffnung kenne ich nur zu gut. Aber in deinem Fall wäre es schon sehr dumm, anzunehmen, dass sich deine Situation auf dieser Seite der Ewigkeit noch ändert. Jetzt entscheide dich.“
„Ist es nicht...deine Entscheidung?“
Die Frage bringt mich dazu, ein Stirnrunzeln in den Feuermustern, die mein Gesicht formen, darzustellen.
Er ist ein abscheulicher Mensch gewesen, der diese Bezeichnung nicht im Geringsten verdient hätte. Und dennoch bin ich bereit, ihm sogar noch die Wahl zu lassen, seine Seele zu erhalten, dieses schwarze, verdorbene Stück Abfall. Warum tue ich das – bessere Frage noch, warum auch noch völlig instinktiv? Wenn er nicht gefragt hätte, dann wären mir gar keine Zweifel gekommen. Es ist logisch, dass er das nicht versteht...
Jetzt bin ich verwirrt. Ich überspiele meine wirbelnden Gedanken, indem ich ihm antworte.
„Ich bin der, der die Macht über den weiteren Weg deiner Seele hat. Mich würde nur interessieren, was dir lieber wäre. Wie ich handle, ist dann letztlich meine Sache.“
„Dann...lass mich hier! Ich will nicht dem Vergessen anheim fallen, ich will ich bleiben! Egal, wie lange ich noch leiden muss, ein Ende muss da sein!“
Das lässt mich in Überraschung meine nicht-Augen aufreißen. Er...will Jahrzehnte, Jahrhunderte, womöglich Jahrtausende weiter hier hängen, jeden wachen Augenblick in unsäglicher Pein verbringend...
Aber...es ist ja wohl seine Entscheidung.
„Na schön – wie du willst. Du bist verrückt, aber letztlich bekommst du dann wirklich nur das, was du verdienst.“
Ich wende mich ab.
„Du bist ein sehr seltsamer Geselle, Golem...“
Ein paar Schritte weiter führen mich zur nächsten Seele. Diese ist still. Ich brenne ein Loch in ihre Brust. Die nächste auch. Die übernächste bemerkt, dass ich komme. Sie zuckt. In freudiger Erwartung des Endes...oder will sie auch nicht vergessen werden?
Ich zögere. Was, wenn Alle so denken?
Tja, das hast du davon, wenn du dich einmischst...
Meine Fäuste ballen sich. Die Seele...was versucht, sie mir zu sagen? Wie kann ich diese Entscheidung treffen...bin ich doch nur ein schwacher Golem, der sich viel zu wichtig ist?
Zweiteres ja. Ersteres ist Unfug. Wie ich schon sagte, wir haben die Macht.
Ich packe den Kopf der Seele. Sanft, ohne die Hitze nach draußen zu lassen. Ihr Zucken endet. Meine Stimme ist ein Flüstern.
„Willst du deinem Leid entfliehen?“
Ganz deutlich spüre ich das Nicken, alle Kraft, die in den geschundenen Muskeln des Halses liegt, steckt sie in diese Bewegung. Mit einem Schrei breche ich ihr das Genick, entfessle das Feuer und verzehre sie.
Ich kann nicht alle fragen. Entweder, ich rette sie gemeinsam...oder überlasse sie alle ihrem Schicksal.
Noch drei hängen hier, und die eine, die ich zurückließ...sie stöhnen noch immer. Das Leid ist ewig. Vergessen ist nahe.
Ich habe die Macht.
Auch der andere wird wieder leiden. Wird wieder stöhnen. Und die Hölle mag mich verschlingen, wenn er sich nicht jeden Tag denken wird, ob es nicht die falsche Entscheidung war, mich zu bitten, ihn zu verschonen.
Langsam schreite ich durch die Reihen derer, die stumm blieben, schieße Feuerbälle auf die drei letzten. Ich kann Niemand zurücklassen. Das Wissen, dass hier draußen noch irgendwo Jemand hängt, immer wieder sein Fleisch zerrissen bekommt...und das, obwohl ich es hätte verhindern können...das könnte ich nicht ertragen. Das war eigentlich von vorneherein klar. Warum zweifelte ich überhaupt? Die Zeit des Zweifelns ist doch lange vorbei.
Meine Schritte führen mich zurück.
„Ich habe es mir anders überlegt.“
„Nein! Du hast mir die Wahl gelassen!“
„Wenn ich dich in dieser grausamen Parodie eines Lebens lasse...dann erdrückt mich mein Gewissen. Vielleicht ist dies eigensüchtig. Wahrscheinlich gibt es keine richtige Antwort.“
Mein Flammenspeer formt sich. Mit weit aufgerissenen Augen schüttelt er den Kopf, so hektisch wie die Seele vorher nickte.
Und wieder halte ich inne.
„Eine Frage noch.“
„Versprich mir, dass du mich nicht tötest! Dann sage ich Alles, was du wissen willst!“
„Ich töte dich, wenn du mir die Frage nicht beantwortest. Wenn du es tust, erhöht das deine Chancen, dass ich dich doch leben lasse.“
„Frag!“
„Du sagtest, du warst dir nicht klar, wie schlimm es hier werden würde, als du deinen Sünden begingst. Würdest du dein Leben anders leben, wenn du es noch einmal von vorne beginnen könntest?“
„Ja, ja, das würde ich!“
Ich mache zwei Schritte und bringe mein Gesicht ganz nah vor seine Augen.
„Weil du diese Qual nicht erleiden willst.“
„Die Qual nicht, aber ich will auch nicht ins Vergessen geworfen werden!“
„Mhm. Du warst dir aber bewusst, dass die Hölle auf dich wartet...nur das Erleben der Strafe selbst hat dich zur Einsicht gebracht, dass du dir deine grauenhaften Taten hättest sparen sollen. Was bedeutet, dass die Strafe vollkommen sinnlos ist. Weil sie Niemanden abschreckt. Die wahre Dimension ihrer Realität kann man offenbar den Sterblichen nicht klar genug machen, damit diese aufhören, Sünden wie deine zu begehen. Stimmt das nicht?“
„...es scheint so...aber jetzt erleide ich sie ja, und verdiene es...“
Noch einen Zentimeter rückt mein Gesicht näher.
„Du bereust also, was du getan hast?“
„Selbstverständlich!“
Ich behaupte nicht von mir, ein Experte darin zu sein, Menschen zu lesen. Dafür lebe ich noch nicht lange genug. Aber die Schule von Natalya und dem Zweiten hat mich viel gelehrt. Versteckte Absichten zu erkennen hinter dem vordergründig Gesprochenem. Und Zeichen zu entziffern, wann Jemand lügt. Viele verbergen es gut, aber ich habe den unglaublichen Vorteil, dass ich mir jeden Gesichtsausdruck, jedes Zucken, jedes Weiten von Augen unzählige Male in meiner Erinnerung erneut ansehen kann. Diskrepanzen finden. Also...stimmen wir überein?
Er lügt wie gedruckt.
Exakt.
„Nein. Tust du nicht. Nicht einmal dafür ist die Strafe gut. Du bist sogar bereit, sie zu ertragen, um deiner verkommenen Seele die Chance auf Rettung zu erhalten – warum auch immer sie diese jemals erhalten sollte. Du bist Abschaum. Du wirst dich nie ändern. Damit ist das hier nicht unbedingt eine Erlösung. Es ist deine tatsächliche Strafe – und gleichzeitig die einzige Chance, die deine Seele wirklich zur Läuterung hat.“
Ich ramme die Flammenlanze in seine Brust.
Er bleibt...vollkommen still, abgesehen davon, dass er die Augen zusammenkneift. Das Loch weitet sich, aber er reagiert nicht. Kein Schrei, kein letzter Protest...da reißt er die Augen auf.
„Golem...du hast keine Ahnung, was du tust, welche ewigen Säulen der universellen Ordnung du einreißt. Die Unbiegsamkeit deiner Prinzipien wird uns Alle...vernichten...“
Mit den letzten Worten, endlich, schwillt eine Feuerbrunst aus seiner Körpermitte heran. Eine Explosion wie die der beiden Seelen zuvor, welche den Meister verbrannten...und nun völlig wirkungslos über mich hinwegfegt.
Obwohl er mich sicher nicht mehr hören kann, spreche ich in die leere Luft hinein.
„Es ist mir egal! Völlig egal! Deine universelle Ordnung...sie sei verdammt. Ich glaube nicht an eine Ordnung, die auf ein solches System gebaut ist. Und wenn ich jede einzelne Seele persönlich auslöschen muss, die in der Hölle gefangen ist, die ewige Strafe wird aufgehoben werden!“
Noch eine Weile starre ich den rußgeschwärzten Pflock an. Dann reiße ich mich zusammen. Ich wurde gerade nur in meiner Überzeugung bestätigt. Was ich tue, ist das Richtige. Es ist noch ein weiter Weg vor mir...wer weiß, wie viele Seelen hier gefangen sind? Egal. Bis ich wieder zurück zur Festung muss, um zusammen mit dem Meister aufzubrechen, werde ich Seelen von der Strafe erlösen und ins Vergessen schicken. Ob sie wollen oder nicht.
Kommt es dir nicht extrem komisch vor, dass er noch eine halbe Rede gehalten hat, nachdem du ihn eigentlich schon getötet hattest?
...nun, die Frau vorher hat das ja auch getan...
Und warum sind nur die sprechenden Seelen bisher in lichterlohe Flammen aufgegangen?
Das...
Nein, du hast Recht. Da stinkt etwas gewaltig.
Ich rufe mir die Ereignisse erneut ins Gedächtnis. War noch mehr faul?
…
Er hat mich „Golem“ genannt.
Wenn er wusste, was ein Golem ist...
Niemals. Er hat mich angesprochen, ohne den leistesten Anflug von Überraschung, dass ein Feuerwesen auf ihn zukommt, das seinen Körper verbrennen will...und viele Leute wissen jetzt wirklich nicht, dass es Golems gibt. Noch weniger Feuergolems.
Wollte nur sicher gehen, dass du dir da auch sicher bist. Ja. Das...war keine normale Seele.
Ich höre auf zu gehen, als mich die Schwere dieser Erkenntnis trifft.
Was könnte es dann gewesen sein? Und...wenn du schon die Explosionen als gemeinsamen Faktor ansprichst, auch bei der Frau?
Ich weiß es nicht.
Ich auch nicht. Aber...was hat das zu bedeuten? Mir ist, als würde ich manipuliert werden...
Wenn unser Manipulator nicht um drei Ecken gleichzeitig gedacht hat, dann hast du dem Versuch aber mühelos widerstanden. Sonst wäre er am Ende nicht so sauer gewesen.
Ja...ja! Dann hat er sich aber verraten. Er will nicht, dass wir weitermachen.
Scheint fast so.
Es gibt also nur eines zu tun.
Weißt du was? Ich bin dabei. Der Kerl hat mir viel zu dick aufgetragen. Wenn sogar du mittlerweile besser darin bist, Leute nach deiner Pfeife tanzen zu lassen, ohne dass sie es merken, ist das einfach nur peinlich für ihn. Verbrennen wir diese Seelen. Lassen wir ihn sein Scheitern spüren.
Und so ziehen wir, was in letzter Zeit häufiger vorkommt, als mir eigentlich Recht sein sollte, wieder einmal an einem Strang.
Bald stoßen wir auf eine Gruppe Ritter der Verdammnis; wie so viele Dämonen hier scheinen sie recht ziellos umher zu ziehen. Ich könnte sie umgehen, bevor sie mich sehen...aber irgendwie sollte ich ja auch den Körper testen.
Da zucken zwei von ihnen, die mir am nächsten sind, zusammen. Mir ist, als hätte ich kurz eine Aura weißen Feuers um sie herum aufblühen sehen...ja, definitiv, das habe ich.
Das Heilige Feuer wirkt auf sie! Es verbrennt Dämonen in der Nähe!
So nah sind die gar nicht...jetzt haben sie uns bemerkt. Aber he, das ist ja unglaublich nützlich...
Extrem, wenn man bedenkt, dass die feuerimmun sind. Ich dachte schon, Tyrael hätte uns Quatsch erzählt und wir müssten sie totprügeln...das macht die Sache viel leichter.
In der Tat. Sie laufen auf mich zu, alle paar Sekunden wieder von Himmelsfeuer gepeinigt, was ihnen jetzt nicht unglaublich viel Schaden zu verursachen scheint, aber definitiv schmerzt. Und als der erste in Reichweite ist, strecke ich meinen Arm aus, verlängere ihn zur Feuersäule, die den Kopf des Gegners umgibt...und drehe die Hitze voll auf.
Der Knochen splittert, als das Material sich über die Grenzen ausdehnt, und er zerfällt.
Die anderen halten sofort an...dann trifft sie wieder der heilige Brand. Egal was sie tun, sie werden mir nicht entkommen.
Ich stürze mich auf sie wie ein Buschfeuer, und vernichte sie in kürzester Zeit. Das ist...ziemlich verdammt gut.
Ich hoffe du verstehst, warum ich so auf der Form bestand; dabei hatte ich nicht einmal erwartet, dass es gegen Immune auch noch funktionieren würde...ein sehr netter Nebeneffekt.
Oh ja. He, dahinten sind noch mehr Seelen angebunden...
Mehrere Stunden streife ich so über die Äußere Steppe. Dutzende von Seelen werden in das Vergessen geschickt. Manche beginnen wieder zu reden, erzählen mir ihre Geschichten. Manche sind so abartig, dass sie mir fast körperliche Übelkeit verursachen, aber ich höre ihnen bis zum Ende zu; dann vernichte ich sie. Keine von ihnen explodiert; wer auch immer die Fallen gelegt hat, hat erkannt, dass es gegen mich sinnlos ist. Ich glaube, er will mich nunmehr mit einer anderen Taktik davon abhalten, sie zu erlösen; mit der Perspektive, dass solche abscheulichen Kreaturen es gar nicht verdient haben. Aber das funktioniert bei mir nicht. Es geht mir hier, wie ich mir ja erneut bestätigt habe, um das Prinzip, dass die Strafe völlig ungerechtfertigt und grundfalsch ist; was sie getan haben, spielt doch dafür überhaupt keine Rolle...ich glaube, mein unbekannter Antagonist versteht einfach nicht, was mich antreibt, und dass es mir überhaupt keine Probleme bereitet, auch die vermeintlich schlimmsten von ihnen von den Qualen zu befreien.
Tatsächlich erfüllt es mich mit größter Genugtuung, seine Pläne zu durchkreuzen, auch wenn ich diese gar nicht genau kenne.
Irgendwann aber ist es genug; ich könnte ewig so weitermachen, bis die Hölle gereinigt ist, aber...der Meister wird nicht ohne mich aufbrechen wollen; also verwandle ich mich in einen Glutteppich und brenne blitzschnell über den Boden, eine schnellere Reisemethode habe ich noch nicht entdeckt.
Zurück in der Festung stelle ich fest, dass ich etwas früh dran bin; Deckard hat sich gerade schlafen gelegt, wie Tenarion mir mitteilt, der an einem neu aufgestellten Tisch sitzt und die Geheime Kunst studiert. Er lädt mich ein, mitzulesen, bis der Meister aufwacht. Bald aber regt sich etwas in seinem Zelt, und noch ein paar Minuten später steht er, voll ausgerüstet, vor uns. Wir beide grüßen ihn. Tenarion setzt gleich darauf eine entschuldigende Miene auf.
„Ich habe die neuesten Stäbe, die Jamella erschaffen hat, schon überprüft. Es ist leider keiner davon brauchbar. Sie verstärken nur den Tongolemzauber respektive die Skelette schlechter, als es dein erster tut.“
„Macht Nichts, mit denen bin ich vorher zufrieden. Hat Halbu die verlangten Handschuhe fertig?“
„Sie liegen hier.“
Der Meister zieht die kettenbeschlagenen Fingerschützer um.
„Nicht übel. Ich fühle mich schon geschickter.“
„Ich konnte die beiden auch noch dazu bewegen, erhöhte Manakapazität als Verzauberung darauf zu legen. Somit solltest du in der Lage sein, deinen Golem neu zu beschwören, ohne das Szepter mitnehmen zu müssen.“
Sofort entfernt der Meister dieses von seinem Gürtel und legt es auf den Tisch, wo die Handschuhe vorher waren.
„Na hervorragend! Kommt mir auch so sehr gelegen. Golem, ich möchte nicht, dass du gleich mitkommst.“
Ich runzle die Stirn.
„Bitte wie?“
„Ich würde meine ganze Ausrüstung darauf verwetten, dass unser rot berüsteter Freund es heute wieder versucht. Am meisten Erfolg hatten wir mit dem Überraschungsmoment gegen ihn; und er weiß noch nicht, dass wir deine Form wieder gewechselt haben. Du kommst auch gut zurecht damit mittlerweile, hoffe ich?“
„Es ist sehr einfach.“
„Fein. Dann würde ich dich bitten, irgendetwas zu machen, worauf du gerade Lust hast, aber dich bereit zu halten; ich hätte dich gerne als Trumpfkarte, wenn die Sache wieder aus dem Ruder läuft. In dem Fall beschwöre ich dich im Zweifelsfall direkt in eine haarige Situation herein, also erinnert euch gegenseitig daran, euere Reflexe scharf zu halten.“
Tenarion wirft einen vorsichtigen Blick auf den Folianten.
„Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, dass er direkt neben mir oder dem Buch steht, falls du den Zauber auf eine neue Feuerquelle umlenkst. Wenn dem alten Körper der Zauber entzogen wird, haben wir hier eine Menge Energie, die ja irgendwo hinmuss...“
Ich – und der Meister, wie ich sehe – waren schon ziemlich erschrocken, als er sich den Fehler geleistet hat, den Zweiten und mich gleichzeitig vor Tenarion anzusprechen; zum Glück hat dieser das falsch gedeutet. Schnell fängt er sich wieder.
„Ja, äh, das ist ein guter Einwand...die Festung ist dann wohl nicht der richtige Aufenthaltsort...ist das schlimm?“
Könnte mir nicht besser passen.
„Ich habe ohnehin einige Dinge außerhalb vor.“
„Ist das so...na gut. Dann breche ich jetzt alleine auf und wir sehen uns hoffentlich in einer ruhigen Situation wieder, wenn ich ihn einfach mit der Armee geschlagen habe. Bis später.“
Damit ist er weg. Hätte ich ihm von dem mysteriösen Seelenredner erzählen sollen?
Die Seelen interessieren ihn eh nicht; die Entscheidung war richtig. Es bringt Nichts, wenn er sich da unnötig Sorgen macht. Das können wir ansprechen, falls es relevant für ihn wird, derweil ist das unser Problem.
Also...diesmal gehen wir nach links und grasen da Alles nach gefangenen Seelen ab.
Mal sehen, wie weit wir kommen...am liebsten wäre mir ja, wenn der Meister die Trumpfkarte gar nicht ziehen muss...aber ich habe ein sehr ungutes Gefühl.