Tag 25
Liebes Tagebuch,
ach hätte Kashya mich doch nie mit diesen beiden Helden losgeschickt! Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn das gesamte Weltbild dabei ist, zu Staub zu verfallen, und niemand ist da, der einem helfen kann?
Den ganzen Tag über gingen mir ihre Geschichten nicht aus dem Kopf. Wir irrten durch die Zuflucht auf der Suche nach dem Geisterbeschwörer und bei jedem Gegner, auf den wir trafen, musste ich an tote Kinder denken. Ich sah in die Gesichter der Monster und schauderte. Irgend etwas stimmte an ihnen nicht, ihre Augen schienen böse zu glühen, ganz anders als sonst. Und Fassel war eindeutig eigenartig. Seine Augen waren wie mit einem Schleier überzogen, als würde er nicht sehen, was um ihn herum geschah.
Bei der nächsten Rast sah ich mich ganz genau um. Fassel sass nur still in der Ecke, bewegte sich kaum. Sein Grinsen erschien mir plötzlich idiotisch und nicht mehr freundlich. Als ich die Helden betrachtete, viel mir etwas auf. Um den Paladin herum war etwas, nicht zu sehen, aber man konnte es spüren. Ich hatte das Gefühl, er wirkte irgendwie…edler. Und der Barbar war gar nicht so fett, ganz im Gegenteil, ein purer Berg aus Muskeln. Ich begann zu zittern, konnte das alles nicht verstehen. Plötzlich stand der Paladin vor mir und sah mir tief in die Augen. Er schüttelte den Kopf, beugte sich zu mir, sah noch einmal prüfend in meine Augen und sagte dann plötzlich, irgendwas mit meinen Augen sei anders als sonst, sie seien so klar.
Als ich wieder aufwachte stand der Barbar mit dem Paladin neben mir. Beide schienen aufgeregt. Dann bemerkten sie, dass ich die Augen geöffnet hatte. Als der Barbar mir sagte, ich sei ohnmächtig geworden, klang seine Stimme nicht weinerlich wie sonst, sondern tief und kräftig. Ich beschloss, dass die Ohnmacht besser war als wach zu sein und mir wurde wieder schwarz vor Augen. Als die Ohnmacht in Schlaf überging, begann ich zu träumen, zum ersten Mal in meinem Leben.
Diablo und Baal standen lachend an einem See aus Blut. Ihre Gesichter hatten nicht den freundlichen Ausdruck, den ich kannte, sie wirkten eher grausam. Ich hörte, wie sie miteinander sprachen. Was sie sagten, liess mich im Traum erzittern. Plötzlich verstand ich.
Alles, was ich mein Leben lang gesehen und erlebt hatte, war eine Lüge. Ein raffinierter Plan. Eine Manipulation aller Menschen. Der Schleier über ihren Augen liess sie glauben, die Monster seinen ihre Freunde. Statt sich gegen sie zu erheben halfen sie ihnen, indem sie unerfahrene Helden direkt in ihre Fänge trieben. Helden, die aus anderen Gegenden stammten, die noch nicht unter der Kontrolle von Baal standen. Von Tristram aus hatte der Schleier sich über die Menschen gelegt und kroch nun voran. Lut Golein hatte er bereits erreicht, doch vielleicht war Kurast noch nicht berührt. Ich konnte im Traum diesen Schleier sehen, der sich wie ein Leichentuch über uns legte und ich hörte das widerwärtige Gelächter Baals.
Ich begann zu schreien.
Als ich aufwachte schrie ich noch immer. Paladin und Barbar eilten zu mir, um mich zu beruhigen. Sie wollten mir gut zureden, doch ich begann wild zu erzählen. Ich sagte ihnen alles, von meinem Traum, von Kashya, von Cain und all den anderen. Ich beichtete, dass ich es war, die dem Barbaren die Heiltränke ausgetauscht hatte und warum ich das getan hatte. Ich redete mich in einem Strom von Worten, den ich nicht unterbrechen konnte, um Kopf und Kragen. Dann brach ich einfach heulend zusammen.
Als ich mich langsam wieder beruhigte, standen Barbar und Paladin immer noch wie versteinert neben mir. So ganz hatten sie das alles offensichtlich nicht verkraftet. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und griff nach meinem Bogen. Er war klein, schlecht gearbeitet und krumm und schief. Mit wackliger Stimme bat ich um einen anderen. Wie in Trance griff der Barbar in seinen Rucksack und zog einen gold schimmernden Bogen heraus. Ich strich über das Holz, es war ganz glatt, und ich wusste, dieser Bogen würde tödlich sein.
Einige Stunden später waren alle Unklarheiten besprochen. Der Paladin legte mir den Arm um die Schulter und betonte, ich sei völlig unschuldig an der ganzen Geschichte. Ich war richtig gerührt. Dann zog ich aus meinem kleinen Rucksack eine ganze Ladung Regenerationstränke. Ich hatte ja schliesslich meine Reserven.
Wir einigten uns darauf, trotz allem nach dem Geisterbeschwörer zu suchen und allen Unsinn mitzumachen, den Cain uns anbot. Würden Diablo und Baal erfahren, dass die Helden Bescheid wussten, konnte man nicht wissen, was sie sich einfallen lassen würden.
Wir brauchten eine weitere Stunde, um herauszufinden, welchen Anstoss Fassel brauchte, um klar zu werden. In Wirklichkeit sprach er unsere Sprache hervorragend und beten hielt er eigentlich für Zeitverschwendung.
Während wir am Lagerfeuer sassen, machte ich plötzlich eine verblüffende Feststellung. Als ich die beiden Helden dann nach ihren Namen fragten, begannen sie erst einmal zu lachen. Tatsächlich, wir waren eine ewige Strecke miteinander gewandert und ich kannte nicht einmal ihre Namen. Der Barbar stellte sich als Hruthgar vor und der Paladin hatte den klangvollen Namen Lancelot (kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte es beim besten Willen nicht zuordnen).
Wir sprachen bis tief in die Nacht miteinander (ich gebe zu, in der Zuflucht ist irgendwie immer Nacht). Als die anderen schon schliefen lag ich noch wach und dachte nach. Ich bin noch immer verwirrt Tagebuch, ich hoffe wirklich, ich tue das Richtige.
-------------------------------------------
Ich hoffe mal, die Wendung in der Geschichte gefällt euch ^^ (Keine Angst, ab der nächsten Folge wird es wieder lustiger
)