Orthi, was soll der Unfug denn? Ich hab genau ein Wort gesagt - Glauben - und das reicht dir, um eine Gegen"argumentation" anzufangen? Die Kirche ist dir schon ein sehr großes rotes Tuch, oder? Du konntest doch gar nicht wissen, ob ich auch nur mit einem Wort darauf eingehen würde...weil ich noch gar Nichts gesagt habe.
Eigentlich wollte ich nur ein kleines Scherzchen machen von wegen "geistlich", aber dann fangen wir doch an. Ja, ich bin gläubig ("etwas religiös", Orthi?), und mir ist relativ überbewusst, dass ich damit zumindest in den gängigen Kreisen (aka HIER) ein wenig allein dastehe. Und irgendwie stört mich das, ja. Man braucht nur einmal erwähnen, dass man an Gott glaubt, und sofort kommen zehn Stimmen "aber die Kirche ist BÖSE", "hä, ich dachte, du wärst intelligent" oder "ne, damit hab ich Nichts am Hut, sei bloß still, ich wills nicht hören".
Besonders Letzteres finde ich überaus kurzsichtig, weil ein Problem totzuschweigen exakt das Falsche ist, schon immer gewesen, das hat die Kirche schließlich auch immer so gemacht und es war kompletter Unfug. Und dass dann offenbar ein Problem vorhanden ist, ist klar, ne? Sieht man ja an gewissen Überreaktionen.
Um dann mal ein wenig konkreter zu werden, und weil das ja auch angesprochen wurde, nein, ich denke nicht, dass die Kirche in irgendeiner Art und Weise unfehlbar, unangreifbar oder sonstwas ist. Ich nehme es ihnen im Gegenteil sogar sehr übel, was sie getan haben, vor langer Zeit, vor kurzer Zeit und auch, was heute immer mal wieder von sich gegeben wird, verurteile ich scharf. Unserem Regensburger Bischof zum Beispiel könnte ich ins Gesicht treten, wenn ich nicht so ein grundfriedlicher Mensch wäre (HA!).
Dennoch glaube ich daran, dass die Kirche an sich, wofür sie stehen SOLLTE, unglaublich wichtig ist und aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken ist, weil das fatal wäre. Denn es ist nicht so, dass die Kirche der Papst IST, dass die Kirche nur aus mittelalterlichen Bischöfen besteht oder aus kinderfickenden Priestern. Die Kirche besteht zu über 90% aus sozial engagierten Menschen, die ihren Glauben LEBEN, Priestern, die wahre Seel-sorger sind, wie es sich gehört, Ehrenamtlichen, die gerne Freizeit für ihre Nächsten opfern, oder einfach nur Menschen, die wie ich der Meinung sind, dass die Grundwerte des christlichen Glaubens solche sind, die es sich lohnt zu vertreten.
Ehrlichkeit, Moral, Anstand, Nachhaltigkeit, Freundlichkeit...all jene Dinge. DAS ist das Fundament unseres Glaubens, meines Glaubens, und es ist ungemein wichtig, dass es dieses Fundament gibt.
Nun wird es sicher heißen, dass man diese Werte auch vertreten kann, ohne Christ zu sein; das stimmt. Ich traue jedem Menschen zu, ein guter Mensch sein zu können, eben weil ich an das Gute im Menschen glaube. Auch genannt "Gott" oder "heiliger Geist" oder wie man das auch immer nennen will. Dabei ist es völlig irrelevant, ob dieser Mensch Moslem, Hindu oder Atheist ist. Oder mit dem Glauben überhaupt Nichts am Hut hat.
Was ich dagegen nicht glaube, ist, dass unsere Werte wirklich völlig selbstverständlich sind. Sie haben sich über lange Zeit entwickelt, seit es die Menschheit gibt, und sie haben sich gut entwickelt. Nur, wer hat sie ursprünglich festgelegt und dafür gesorgt, dass die Menschen sich so entwickeln? Richtig, die Religionen dieser Welt. Die Bibel gibt eine schöne Entwicklungsgeschichte unserer Wertvorstellungen wieder: Das Alte Testament wird ja oft verlacht, weil so schöne Dinge wie "Auge um Auge, Zahn um Zahn" drinstehen und das natürlich so gar nicht vertretbar ist. Gibt auch genug Volldeppen, die das für bare Münze nehmen und auf die heutige Zeit anwenden, was Quatsch ist. Was dagegen stimmt, ist, dass das Alte Testament zum Erscheinungsdatum irrsinnig fortschrittlich war und mit SEINEN Werten allen anderen der damaligen Welt um Längen überlegen war.
Und als Jesus (oder, wenn man nicht an ihn als Person, sondern als Symbol glauben will, die Leute, die das geschrieben haben) uns das Neue Testament gab, wurden wieder neue Werte festgelegt, die die alten um Längen übertrafen - und, das ist das Tolle, diese Werte können nahezu völlig noch heute als gut anerkannt werden, mit wirklich nur leichten Abstrichen der Tatsache geschuldet, dass sie ZWEITAUSEND JAHRE ALT SIND.
Das ist es, was mich so fasziniert an meiner Religion. Ihre Grundlage, die frohe Botschaft, ist quasi antik, aber ich kann mich ohne zu zögern hinter sie stellen und sagen ja, ich möchte, dass das gilt. Dieser Mann, diese Schreiber, hatten RECHT. Es wurde viel Schindluder damit getrieben, viel falsch interpretiert oder eben genauso, wie es den gerade Macht habenden gepasst hat, aber die Grundessenz ist unverrückbar. Bis heute, egal, was die Kirche gemacht hat.
Im Moment steht die Kirche auf sehr verlorenem Posten da - ein einsamer Rufer in der Wüste, weil die Leute alle weglaufen aufgrund dessen, was einzelne Mitglieder gemacht haben. Viele Mitglieder, ja, und ich bin jederzeit bereit, das auch auf Unfug wie das Zölibat mit zurückzuführen. Aber es tut mir dennoch in der Seele weh, dass die Institution immer mehr zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen moralischen Fels in der Brandung BRAUCHEN - eine Einrichtung, die kompromisslos diese Werte vertritt, an die ich glaube, und die ständig die Mächtigen der Welt mahnt, sich an die zu halten. Denn da kann man der Kirche vertrauen, auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen ist, sie wird ihn nie aufgeben, weil die Kirche stur ist.
Verfällt die Kirche aber weiter, hört Niemand mehr auf sie - und wer mahnt dann? Das macht mir Angst. Wir können nicht in einer Welt ohne Moral, ohne Anstand, ohne alle anderen Werte leben. Wenn man die Kirche verteufelt, läuft man Gefahr, automatisch ihre Wert mit zu verdammen, und das KANN nicht gut gehen.
Ich hoffe, das war euch nicht zu lang, aber ihr wolltet es ja so
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Simon