Kapitel 83 – Der Wille zum Sieg
„Na, das hat sich ja gelohnt...“
Grinsend steht der Meister auf den Docks, Khalims Herz in der Hand haltend. Wobei ich mich frage, wie sehr er wegen des Herzens grinst, und welcher Anteil von dem gewaltigen Haufen Goldes rührt, der aus den Schatztruhen geflossen ist, als ich sie nacheinander aufgebrochen und umgekippt habe. Gut, dass wir die Skelette haben, um Ordnung zu halten, sonst wäre der Platz schnell überflutet von gierigen Leuten, die jetzt mit großen Augen um uns versammelt sind.
Aber ich freue mich natürlich auch darüber, dass wir endlich Alles zusammen haben, was wir brauchen, um die Hypnotische Kugel zu zerstören – wenn Geleb uns nicht angelogen hat, heißt das. Wobei...der Meister sollte weg von den ganzen Schätzen, er hat wieder dieses Glitzern in den Augen. Eigentlich hat er dafür auch ein wenig Strafe verdient.
„Lass doch die Skelette da und informiere Deckard über Alles, General – dann räume ich auf hier.“
„Das ist eine, hm, gute Idee. Aber schau zu, dass Nichts liegen bleibt.“
Er zwinkert mir zu. Mein inneres Grinsen wird breiter, als ich verstehe, was er meint, und mich freue, dass er nicht so gierig ist, wie er einmal war.
„Alles klar!“
Vor mich hinsummend – es ist der barbarische Schlachtgesang, den der Zweite und ich seltsamerweise beide kennen, aber das ist mir egal – schaufle ich die Münzen in unsere Truhe, mir der neidischen Blicke aus der Menge überbewusst. Als ich gut drei Viertel des Reichtums verstaut habe, stehe ich vom Boden auf.
„So, Alles verräumt. Dann können wir ja auch die Sperren abbrechen.“
Weil die Skelette offenbar nicht auf mich hören wollen, hebe ich sie einfach hoch und stelle sie in eine Ecke. Während ich sie wegräume, stürmen die Leute schon auf das liegen gebliebene Gold zu.
„He, aber bleibt fair, ja?“
Keine Chance. Die Stärksten werden sich durchsetzen...
Ich denke, die Eisenwölfe haben die Situation gut im Griff.
Tatsächlich sind einige von diesen aufgetaucht; Aschara will sicher nicht riskieren, dass hier Unruhen ausbrechen, und sehr bald nachdem sich das Gold auf den Boden ergossen hat, hat sie natürlich davon gewusst und ihre Soldaten geschickt.
Damit gehe ich zu Deckard und dem Meister, welche sich bei Ersterem getroffen haben; der Meister ist noch in einer Ausführung über die Schlacht gegen den Hohen Rat vertieft, während Deckard ausnahmsweise selbst zuhört; offenbar war es doch keine große Strafe für den Meister, dass ich ihn mit dem Weisen allein gelassen habe...sein Redetalent hat die Sache im Griff.
„...also musste ich Ismail alleine bekämpfen, mein Schild hielt harte Schläge ab, während er ohne Gnade auf mich einschlug, derweil Hydrenschüsse mich umtanzten...“
„...Letztere waren allerdings keine so große Gefahr...“
„He! Lass mich gefälligst erzählen!“
„Na schön...“
Und da dachte ich, Deckard zuzuhören, wäre schlimm.
Zehn Minuten später ist der Meister endlich fertig mit Reden...da beginnt der Horadrim-Weise.
„Was Geleb Euch über den Fall der Zakarum erzählt hat, sind unglaubliche Informationen. Niemand außer Euch hat bisher gewusst, was genau passiert ist. Er scheint auch nicht gelogen zu haben...Khalims Macht auch über den Tod hinaus ist beachtlich...“
„...was du genau wusstest, Deckard, sonst hättest du uns nicht auf Organsuche geschickt, nicht wahr? Geleb erwähnte ja etwas von einer Nachricht...“
„Ja...ja, die gab es. Ein simples Pergament, halb zerstört; darum wusste ich nicht, wo sie sich genau versteckten...es kam auf...Umwegen in meine Hände.“
Der Weise hat offenbar nicht im Sinn, seine Quellen offen zu legen, weil er sofort weiter redet; ist allerdings auch egal, wenn wir ihm nicht vertrauen können, wem dann?
Mit solchen Aussagen wäre ich mal ganz vorsichtig.
Nun komm.
Vertrauenswürdig ist nur einer: Der Meister. Alle Anderen sind potentielle Gefahren.
Aber Deckard Cain?
Schon gut, schon gut...
„Wie dem auch sei, es war von enormer Bedeutung, den Hohen Rat zu vernichten. Durch diesen Kraftakt hat Kurast eine Chance auf einen wirklichen Neuanfang erhalten, mit den alten Eliten, die ihr eigenes Volk verraten haben, aus dem Weg, kann die Stadt wieder erblühen...“
„Erst mal den Dschungel niederbrennen, nicht wahr? Und damit wir damit anfangen können, müssen wir immer noch den richten, der schuld an der ganzen Misere ist.“
„Natürlich; ich wollte nur noch einmal klar stellen, wie viel Ihr schon getan habt. Allein für diese Tat – und wenn Ihr bald die Hypnotische Kugel zerschmettern werdet – wird Kurast auf ewig in Euerer Schuld sein.“
„Das ist mir egal; ich werde die Übel vernichten, das zählt.“
Aber ich merke schon, dass ihm Deckards großes Lob schmeichelt; mir auch, ich weiß ja, dass wir das zu zweit getan haben. Wenn ich allerdings daran denke, dass das nur der Anfang war, schauert es mich schon wieder.
Gut so, werd nur nicht zu stolz.
...du kannst einem auch Alles verderben.
„Euere Hingabe ist bewundernswert. Nun, dann wollen wir doch daran gehen, das Instrument zu erschaffen, das den Weg zu Mephistos Vernichtung ebnen wird, nicht wahr?“
Er legt die drei Organe und den Kultflegel auf den Tisch; der gehört danach aber ordentlich geputzt...
Aber sie sind kein Bisschen verfault...
Wie Deckard ja angemerkt hat; was hatte dieser Khalim nur für eine Macht?
Ich frage mich, ob hier mehr am Werk ist als nur der Zufall, dass eine derart starke Persönlichkeit bei den Zakarum so viel Einfluss erringen konnte...und jetzt quasi weiterlebt in seinen Körperteilen.
Was meinst du damit?
Ich meine damit, dass ich einige Fragen habe, wenn wir eine gewisse Person wieder treffen, was unvermeidlich sein dürfte. Aber dazu kommen wir noch.
Gut, dass ich mich schon daran gewöhnt habe, dass du mir nie sagst, was du meinst...sonst müsste ich mir jetzt ernsthaft den Kopf zerbrechen, aber meist ist es ohnehin nur Unfug.
„Und nun?“
Der Meister blickt skeptisch über die grausige Tischdekoration vor ihm.
„Einzeln sind diese Gefäße von Khalims Macht sicher nicht stark genug, um Mephistos Werk zu zerstören, aber das hat Geleb ja gewusst. Wir müssen Khalims zerschmetterten Willen wieder vereinen!“
„Und wie sollen wir das machen, mit Kleber?“
„Ihr habt doch ein Artefakt bei Euch, das hervorragend dazu geeignet ist, zu vereinen, was zusammengehört.“
Er braucht kurz.
„...der Würfel?“
Deckard lächelt nur.
„Du machst Witze...aber schön.“
Der Meister öffnet den Horadrim-Würfel und kramt darin herum; nach kurzer Suche zieht er eine zweihändige Axt heraus, deren Kopf klar zu groß ist für die quadratische Öffnung von dreißig Zentimetern Kantenlänge, aber mir entgeht, wie genau es funktioniert, als er das gewaltige Ding am Stiel herauszieht, ohne Irgendetwas zu beschädigen...
Und ich kann nicht mal darauf hinweisen, dass du deine Erinnerung benutzen sollst; das wird einfach Nichts mit dem rationalen Verständnis.
„Das sah irgendwie wertvoll aus...halt mal...“
Ein Skelett nimmt ihm die Axt ab, während drei andere vorsichtig die Organe bringen. Sie legen sie behutsam in den jetzt leeren Würfel.
„Na denn...“
Der Meister greift sich den Flegel selbst und sieht ihn kurz an, mit einem Ausdruck leichten Erstaunens auf dem Gesicht; ohne zu bemerken, dass er einige Sekunden bewegungslos dasaß, legt er ihn dann zu dem Rest der Artefakte in den Würfel.
Ein letzter Blick zu Cain, der aufmunternd nickt, dann schließt sich der Deckel und er Meister schüttelt kurz.
Licht dringt zwischen den Kanten hervor. Es kann nicht heiß sein, denn der Meister packt den Würfel stattdessen fester; seine Augen werden von dem Glanz zum Glühen gebracht, ich beuge mich näher nach vorne...der Rest des Raumes ist vergessen.
Da verschwindet das Licht. Der Meister blinzelt. Dann, wortlos, aber extrem zurückhaltend, öffnet er den Deckel wieder.
Seine Hand greift hinein...findet etwas...und er zieht das Ergebnis vieler Stunden harter, schmerzhafter Arbeit hervor.
Der goldene Griff ist der gleiche, vielleicht etwas dicker, aber völlig frei von jeglichen Spuren der Benutzung; dem Kultflegel hatte man angesehen, dass er ein antikes Artefakt war, das durch unzählige Hände gegangen war, dieser hier ist völlig neu. An der Spitze aber...drei silberne Ketten verbinden drei Kugeln aus dem gleichen glänzenden Material mit dem Schaft, jede von ihnen von Stacheln überzogen, eine mächtige Waffe...aber Nichts im Vergleich zu dem, was sich wohl in den Kugeln befindet.
Der Meister schwingt den Flegel, der zur dreifachen Geißel wurde, etwas unbeholfen.
„Er ist so leicht...“
Auch Deckard kann seine Aufregung nach diesem Wunder nicht verbergen.
„Khalims Wille ist vereint, General. Mit diesem Geschenk des letzten wahren Que-Hegan könnt Ihr Mephisto in die Knie zwingen!“
Ein Grinsen tritt auf das Gesicht des Meisters.
„Ja! Erst die Kugel...und dann sein hässlicher Schädel. Und wenn Diablo und Baal ankommen, werden wir sie gebührend empfangen, auf der Leiche ihres Bruders stehend!“
„Freut mich, dass das so einfach wird.“
Zwei meiner Finger trommeln auf den Rücken der anderen Hand.
Der Meister verzieht das Gesicht.
„Spaßverderber. Dafür darfst du was für mich erledigen, ha. Die Skelette sind mir viel zu schwach im Moment, es kann nicht angehen, dass sie von jeder Gegnergruppe umgehustet werden, wenn nur ein wenig mehr als bloße Schläge rumfliegt. Ich möchte, dass du die Armee mit nach Travincal nimmst und ein wenig plündern gehst. Da bin ich mal ganz schamlos. Rüstungen, Helme, gern auch Waffen, was du findest. Nutz die Nacht, hol Ausrüstung für die komplette Truppe. Vielleicht findest du auch was für dich oder besseres Material für dich, ich bin gerne bereit, deinen Körper noch einmal voll nach deinen Wünschen zu gestalten, bevor wir uns ansehen, was unter Travincal auf uns wartet.“
„Da kann ich Euch leider nicht helfen – der Kerker des Hasses wurde sofort nach der Erbauung verschlossen und seither nie wieder betreten.“
„Hoffen wir es, sonst erwartet uns eine böse Überraschung. Wobei ich davon ausgehe, dass seit dem Fall von Kurast die Sicherheit da unten eh abysmal ist? Einfach so ungehindert werden wir sicher nicht zu Mephisto vordringen können.“
„Wenn es wie bisher ist...“
Der Meister wirft mir einen schnellen Blick zu.
„Ja...aber was sind schon ein paar Monster? Wir haben bereits zwei niedere Übel getötet!“
Ich möchte etwas einwenden, aber er hebt die Hand.
„Keine Unkenrufe, bitte. Ich will in Ruhe schlafen, und zwar jetzt. Wir warten dann auch nicht bis Sonnenaufgang – du hast ein gutes Zeitgefühl, ja?“
„Ich habe ein perfektes Zeitgefühl.“
„Oh, fein. Dann weck mich vier Stunden, nachdem die Sonne untergegangen ist. Wir kommen einfach unangemeldet, ich nehme jeden Vorteil, den ich kriegen kann. Jetzt los, Travincals Schatzkammern erwarten dich!“
„Schon gut, schon gut...“
Aber insgeheim freue ich mich sehr, dass er das Heft des Handelns derart aktiv packt. Bisher haben wir teilweise extrem improvisiert, ein konkreter Plan gibt immer Sicherheit.
Mein Meister musste seine Skelette nie mit Rüstungen ausstatten, die waren stark genug so.
Er war auch mächtig genug, dich zu einem Mördergolem der Vernichtung zu machen, solange unserer sich solcher Späßchen enthält, bin ich gewillt, gewisse Schwächen zu verzeihen.
„Freut mich, dass Ihr trotz Euerer großen Herausforderung so frohen Mutes seid, General. Wirklich, Ihr seid ein bemerkenswerter Mensch. Golem...ich wünsche dir ebenfalls viel Erfolg. Dürfte ich nur noch um einen weiteren Moment Euerer Zeit bitten, General? Es dauert nicht lange.“
Es geht um uns.
Etwas sehr offensichtlich – gut, aber nur, weil der Meister uns gesagt hat, dass Deckard Bedenken uns gegenüber hatte. Sonst denke ich nicht, dass du darauf kommen würdest.
Wer weiß – jetzt muss er halt zusehen, wie er sich hier durch lügt. Zum Glück hat er damit keine Probleme, im Gegensatz zu dir.
Seufz...
„Dann kommt mal mit, Skelette.“
Sie folgen – der Meister hat ihnen wie erwartet schon gedanklich befohlen, auf mich zu hören.
Die nächsten Stunden zeigen auf beeindruckende Weise, wie gut sich der Zweite teilweise auskennt. Er übernimmt ohne zu fragen – aber zum Glück, denn ich wäre nicht annähernd so effizient gewesen wie er – sofort die Führung und scheucht die Skelette herum, als würde es ihm riesigen Spaß bereiten, die seelenlosen, nicht zu ermüdenden Konstrukte zu quälen. Er scheint schon seit der Meister uns die Anweisung gegeben hat, einen kompletten Plan entwickelt zu haben, in welchen Tempel wir sehen, welchen wir uns sparen, wo wir suchen, und vor Allem in welcher Reihenfolge dies Alles geschieht. Mit einfachen Befehlen können die Skelette auch selbst eine Durchsuchung übernehmen, die kleinerer Räume, mit ein paar ganz amüsanten Resultaten – ein Steinschwert von einem Relief sieht zwar aus wie ein Schwert, aber man kann es halt doch nicht mitnehmen – und so ist bald ein ordentlicher Haufen Geplündertes zusammengekommen, den wir auf dem Podest in der Mitte säuberlich hinordnen lassen.
Man könnte fast meinen, du hättest sowas schon mal gemacht...
So, „könnte“ man das?
Ganz kurz schießt mir das Bild einer in Flammen stehenden Stadt in den Kopf, schreiende Bewohner werden in den Straßen niedergemetzelt, Frauen in Seitengassen gezerrt, und Soldaten in dunklen Rüstungen, unterstützt von untoten Kriegern mit nicht mehr wirklich menschlichem Körperbau tragen Wertgegenstände aus jedem Haus...
Ah, du sollst so etwas lassen!
Was lassen? Wovon redest du?
Deine Erinnerungen, mir genügt es, mir vorstellen zu können, was du getan hast!
...ich habe dir keine Erinnerung geschickt.
Du hast schon mal schlechter gelogen!
Du kannst mir natürlich auch nicht glauben, aber es ist so. Welche Erinnerung soll ich dir denn geschickt haben?
Zögerlich schicke ich das Bild zurück. Der Zweite ist kurz sprachlos.
...ja, das war ein voller Erfolg damals, aber...nein, ich wollte dir das nicht zeigen. Garantiert nicht.
Wir schweigen uns für eine Weile an.
Also, hier ist Alles ausgeräumt, wollen wir die restliche Zeit nutzen und ein wenig in Unter-Kurast nachsehen?
Ich hätte ja den Basar vorgeschlagen.
Wir streiten uns kurz darüber, aber haben wohl beide das gerade mit Gewalt ausgeklammerte Thema im Hinterkopf...
Pünktlich wecken wir den Meister, der sich ausnahmsweise nicht über diesen Umstand beschwert; er wirkt sehr konzentriert. Er weiß wohl so sehr wie wir beide, dass es gut möglich ist, dass wir das letzte Mal hier sind...die letzten beiden Übel waren nicht wirklich das, was man „einfach“ nennen kann...und jetzt steht uns ein großes solches bevor? Mich wundert, dass ihm nicht die Knie schlottern.
Tun sies dir denn?
Nein...aber ich habe auch keinen so großen Grund wie er, den Tod zu fürchten. Mich kann man jederzeit wieder erschaffen.
Ach, sind wir doch schon so weit? Na ja, abgesehen davon, dass dein „Leben“ in etwa genauso gefährdet ist wie seins stimme ich dir da zu. Halt, es ist genauso gefährdet.
Bei Licht betrachtet.
Also, hast du Angst?
Mulmig ist mir.
Bravo. Das ist logisch. Mehr wäre erbärmlich. Also, auf in den Kampf.
Der Meister hat sich angezogen; wir reden nicht viel. Still gehen wir zum Wegpunkt und teleportieren uns nach Travincal; er hat Khalims Wille fest in der Hand. Kurz nachdem wir die Wegpunktkammer verlassen haben, stoßen Feuermagier zu uns; ich hatte die Skelette zurückgelassen, aber er kann sie natürlich spüren. So gehen wir mit Beleuchtung auf den Hauptplatz. Als er sieht, was wir dort Alles vorbereitet haben, kommt ein Grinsen über ihn.
„Oh, ihr seid Goldjungen. Da muss ich natürlich sofort ein wenig mit rumspielen.“
Die Skelette gehen auf den Tempel zu...und holen in der Dunkelheit, die jetzt, mit dem Licht direkt vor mir, zum Glück fast vollständig ist, Leichen. Die Zakarumiten, die Geleb so netterweise für uns arrangiert hat...sie sehen wirklich nicht mehr gut aus nach diesen zwei Tagen.
„Wo gehobelt wird...das tut mir natürlich Leid, aber ich hätte die Armee ohnehin vervollständigen müssen...“
Somit macht sich der Meister ans Experimentieren. Er erschafft Skelett um Skelett, öfter eine kleine Pause nutzend, als ihn sein Manahaushalt dazu zwingt, um sich das Resultat seiner Bemühungen genauer anzusehen, mit der Hand eines Könners Feinheiten ausbügelnd; er formt die Knochen um, entfernt unnötige Rippen, um die Wirbelsäule zu stärken, verdickt die Arme, schmilzt die nutzlosen Hörner an den Schädeln zusammen und formt einen Spitzhelm, über den im Zweifelsfall auch ein metallischer passt. Die Wächterschilde werden kleiner, leichter, dafür macht er ihre Beine widerstandsfähiger.
„Ihr könnt mir schon mal helfen...ich sehe keine Möglichkeit, den Wächtern auch nur kurz die Schilde abzunehmen, ohne dass sie zerfallen. Wenn ihr die Rüstungen an der Seite so aufbrechen könntest, dass man sie ihnen einfach über die Schultern stülpen kann? Ihr müsstest doch stark genug sein dafür?“
„Sicher, Meister.“
Und geschickt genug auch.
Jaja, mach nur.
Wir machen uns an das Herausbrechen der Metallteile. Der Meister überlegt kurz, als wir das erste Stück Abfall zu Boden werfen.
„Hm...wenn ich...“
Danach versucht er zehn Minuten lang, die Skelette mit Metall an strategischen Punkten zu verstärken, aber danach muss er entnervt aufgeben; es kommt Nichts als Knochenstaub dabei heraus. Aber in etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang ist er endlich zufrieden und erklärt uns aufbruchsbereit.
Ich starre stur geradeaus, als wir zwischen schon deutlich verkleinerten Leichenbergen hindurchgehen.
Im Haupttempel sehe ich das erste Mal Gelebs zerfetzten Körper; der Meister hat ihn einfach liegen lassen...es ist mir überraschenderweise egal. Wenigstens hat er kein Skelett daraus gemacht.
Wäre doch lustig gewesen.
Deinen Humor möchte ich haben...nein, natürlich nicht.
Die Hypnotische Kugel leuchtet ein ominöses Rot. Die weißen Schwaden darin verzerren sich ständig. Der Meister wiegt Khalims Wille in der Hand.
„Lass uns anklopfen, Golem.“
Er tritt vor das Konstrukt, mit dem Mephisto die Zakarumiten gegen uns aufbrachte; das uns so viele Schmerzen gekostet hat, allein durch das Aquirieren der Organe...
Sein Arm hebt sich.
„Der Schleier der Lügen über Kurast lichtet sich hier und jetzt!“
Khalims Wille saust herab, und die drei Stachelkugeln mit den Organen darin treffen nahezu zeitgleich auf die perfekt glatte Oberfläche der Hypnotischen Kugel.
Nichts geschieht.
„Was...“
Der Meister zieht am Schaft in seiner Hand...und stellt fest, dass die Stacheln fest an der rot glühenden Kugel kleben.
Khalims Wille beginnt zu glühen. Ein Schrei dringt aus der Kehle seines Führers...schnell springe ich vor und reiße den Meister zurück. Diesmal ist das Licht heiß! Ich stelle den Meister hinter mich. Was passiert?
Das Licht wird immer heller, gleißendes Weiß macht die Nacht zum Tag...draußen wird durch das Loch in der Decke ein gewaltiger Lichtstrahl in den Himmel schießen, stelle ich mir vor, genau anders herum wie sonst, wenn die Sonne hereinfällt...
Da ertönt ein leises Knacken, fast unhörbar, aber es ist so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Das Licht erfüllt nun Alles, zum Glück habe ich keine Retinas, die zerstört werden könnten...ich hoffe, der Meister hält sich die Augen zu!
Da erscheint ein hässlich schwarz-roter Punkt in der reinen Weiße. Nein...gewinnt die Kugel etwa?
Das Knacken ertönt erneut, deutlich lauter...der Punkt weitet sich aus, und pflanzt sich gezackt wie ein Blitz in mehrere Richtungen fort. Heißt das...?
Mein einem Knall fliegen Kristallsplitter in alle Richtungen, aber bevor sie mich treffen, verdampfen sie. Das Licht verschwindet schlagartig, wird ersetzt durch weiß-roten Rauch, der vom Podest, auf dem die Hypnotische Kugel lag, wegdampft. Die Schwaden erfüllen den Raum, der Meister beginnt zu husten...aber ihr Einfluss ist nur von kurzer Dauer, da sie sich auflösen in der klaren Nachtluft.
Die Hypnotische Kugel ist zerstört.
Und Khalims Wille? Er ist nirgendwo zu sehen...
Da ist mir, als würde ich wie aus den Augenwinkeln – obwohl ich direkt hinsehe – eine Gestalt sehen. Ein alter Mann, gekleidet in strahlendes Weiß, die Hände demütig gefaltet...er erhebt sich...
Und schon ist meine Vision verschwunden.
Der Tempel liegt wieder still da.
„Himmel, Golem...“
„Ja. Genau das.“
„Wo...wo ist der Wille?“
„Ich glaube...Khalim brauchte alle seine Willenskraft, um die Illusion zu brechen...“
„Nein! Wir brauchen ihn gegen Mephisto!“
„Wo er jetzt ist, können wir ihn nicht zum Kämpfen einsetzen, General...“
Er schlägt eine Faust in die andere Hand.
„Verdammt...aber...wir können natürlich Nichts machen. Eher...sollten wir diesem großen Mann danken. Mit seinem letzten Akt lang nach seinem Tod hat er uns noch den Weg gewiesen...“
Der Meister deutet in die Mitte des Raumes, die ich noch gar nicht beachtet hatte, zu sehr fixiert auf die Stelle, an der Khalim endlich Erlösung gefunden hat.
Anstelle des Altares, der dort stand, führt eine Treppe direkt nach unten.
„Es ist Zeit, herauszufinden, welche Leichen die Zakarum wirklich im Keller versteckt hatten...“