Kapitel 81 – Schritte ins Dunkel
Der Meister sieht mich böse an. Ich brauche einen Augenblick, um mich zurecht zu finden; wir scheinen in einem Haus zu sein, ein kleines Zimmer, eine Tür führt hinter dem Meister in einen weiteren Raum, zwei Skelette bewachen sie. Er selbst sitzt auf einem Holzstuhl, der schon bessere Tage gesehen hat.
Ich glaube, der Tag, an dem ich deinen Irrsinn verstehe, ist der, an dem die Welt untergeht.
„Also, Golem?“
Was ist passiert...oh.
„Ah, General...Geleb hat die Wahrheit erzählt über seine Feuerverzauberung, nicht? Das war wohl zu viel für mich auf die kurze Distanz...“
„Ja, und deswegen habe ich dich gerade neu erschaffen. Irgendwie logisch. Was hingegen nicht logisch ist, ist, warum du es überhaupt getan hast. Kannst du mir vielleicht erklären, was da durch deinen Kopf ging?“
Das, wenn ich genau wüsste...er hebt eine Hand.
„Beziehungsweise, warst es überhaupt du selbst oder hast du den Zweiten dafür rangelassen? Sei ehrlich.“
Der direkte Befehl wäre gar nicht nötig...ich werde versuchen, mich so gut als möglich zu erklären. Wenn ich mich nicht in meinen Gedanken verlieren, die ständig am Rasen sind, seit ich meinen Beschluss gefasst habe. Ich fühle mich vage schmutzig, mein Kopf ist leicht, und schnell beginne ich zu reden, bevor ich genauer darüber nachdenken kann, was gerade passiert ist.
„Nein, ich war das selbst. Und ich dachte, ich hätte das klar genug gesagt: Wenn sich Jemand schuldig macht, dann ich.“
Er kneift die Augen zusammen und schüttelt den Kopf.
„Das ist überhaupt nicht klar, Golem. Was hat das denn mit Schuld zu tun? Ich weiß ja, du siehst gewisse Dinge etwas enger, aber das hier war doch überhaupt nicht vergleichbar mit den vielen unschuldigen Zakarumiten. Er hat selbst zugegeben, was er getan hat, denkst du nicht, dass er es auch irgendwie verdient hat?“
„Vielleicht, aber es ist doch nicht an uns, ihn zu richten!“
„Er wollte, dass wir ihn richten, Golem. Es war sein letzter Wunsch, und eigentlich eine Gnade. Wie damals, als ich Griez den Gnadenstoß verpasst habe. Damit hattest du doch auch keine Probleme, oder?“
„...er wäre ohnehin gestorben. Das hier war anders, er war hilflos, und wir hätten sicher noch einen Weg finden können...aber du hast gar nicht darüber nachdenken wollen...wie bei Kaelan...“
Er hebt einen Finger.
„Fang mir nicht damit an. Das war ein Fehler und es tut mir Leid, aber ich werde auch nicht davon abrücken, dass der Bastard es verdient hatte.“
„Ja, aber das ist doch genau die Argumentation, die du hier auch bringst! Wenn du dich ein wenig anstrengst, findest du immer einen Grund, warum Jemand den Tod verdient haben könnte...“
Sein Gesicht entgleist.
„Glaubst du wirklich, ich wäre diese Art von Mensch?“
Sofort trifft mich Scham, weil ich mir solche Sorgen mache...ich sollte ihm doch vertrauen? Aber...
„Nein. Aber ich will nicht, dass du ein solcher wirst!“
„Golem, meinst du nicht, dass du Deckards Worte ein wenig zu ernst nimmst?“
„Vielleicht – aber du nimmst sie zu leicht.“
Er seufzt, dann steht er auf und legt mir die Hand auf die Schulter.
„Golem, es ist in Ordnung, dass du dir Sorgen um mich machst. Unsere Reise ist nicht leicht, und wir laufen ständig Gefahr, nicht nur physisch, sondern auch psychisch in Abgründe zu fallen, aus denen wir nicht mehr entkommen können. Aber ich finde, dass du hier übertreibst, so sehr, dass ich mir Sorgen um dich machen muss. Ich meine, war es leicht, Geleb zu töten?“
Da muss ich tatsächlich kurz überlegen...was mir ein mulmiges Gefühl verursacht.
Es war in etwa so leicht wie ein Schulterzucken...im Grunde war es eines, nicht?
Du hilfst nicht wirklich.
Ach ne? Am meisten würde es helfen, wenn du die Klappe halten würdest, brav nicken, dich dafür entschuldigen, dass du ihm die Mühe bereitet hast, dich neu zu erschaffen, und wir einfach weiter machen könnten!
„Es selbst...war einfach. Mich dazu zu bringen...weniger.“
„Gut. Und du denkst, für mich wäre es anders gewesen?“
Ich hebe meine Augenbrauen fragend.
„Natürlich ist es nicht schön, einen Gefangenen zu töten, der sich nicht wehren kann, wobei, in diesem Fall eher nicht wollte. Ich musste mir auch einen ziemlichen Ruck geben, um meinen Skeletten den geistigen Befehl zu geben; ich hatte es schon getan, falls du fragst, du bist mir nur zuvor gekommen. Aber du weißt, dass ich es tun musste, so blöd bist du nicht. Er wäre in fünf Sekunden auf uns losgegangen, was hätten wir tun sollen? Du hättest ihn vielleicht bewusstlos schlagen können, dann hätten wir ihn in die Docks zerren können...und dann? Er wäre immer noch schrecklich deformiert gewesen, ein gefühlloses Monster, und er wusste das. Jegliche Rettungsversuche wären völlig sinnlos gewesen.“
„Ja, ja, ja! Rational mag das ja Alles stimmen, aber...es war nicht richtig! Man darf doch nicht wehrlose Leute töten...du darfst das nicht! Verstehst du mich da nicht...es gab keine andere logische Wahl, aber wie beim Kampf gegen die Zakarumiten gab es keine richtige Wahl hier, wir hätten ihn uns natürlich töten lassen können, aber das wäre einfach nur dumm gewesen. Aber du musst doch einsehen, dass es besser ist, wenn ich diese Schuld auf mich lade, die Wahl dir abnehme, als wenn du das tust?“
Er atmet tief durch.
„Ich glaube, ich kapiere langsam, was du meinst. Und damit wird mir auch dein Problem etwas klarer. Denkst du nicht, dass du die Dinge etwas zu absolut siehst? Du warst bisher doch kein solcher Prinzipienreiter.“
Ich lege meine Finger aufeinander und sehe zu Boden.
„Ich wäre gern einer. Ich hasse es, meine Prinzipien zu verletzen. Als ich dich anlügen musste in Natalyas Interesse...es hat mir weh getan. Und du weißt das.“
Er presst die Augen fest zusammen, als ich den Namen erwähne; ich erschrecke kurz, das hätte ich nicht sagen sollen...so wenig er davon zeigt, ist er doch sicher noch nicht über seinen Verlust hinweg...aber bevor ich mich entschuldigen kann, tut er es.
„Oh, Golem, ich wollte dich nicht beleidigen...“
„Schon gut.“
„Nein, pass auf, es ist gut. Es ist gut, dass du starke Überzeugungen hast. Aber, Golem, du musst etwas lernen: Mit Absolutem kommt man in dieser Welt nicht weit. Es mag bisher gut funktioniert haben, aber wir treten einen Gegner an, der exakt darauf bedacht ist, unsere Prinzipien und Überzeugungen zu zerstören. Und da können wir nicht wie ein Fels in der Brandung dagegen anstehen; weil das ist keine Brandung, das ist ein Hammerschlag. Wir würden zerspringen. Was wir tun müssen, ist weich werden. Flexibel. Das Ziel vor Augen, aber der Weg dahin...der gehört improvisiert.“
Meine Hände verkrampfen sich.
„Du willst mir sagen, dass für dich eben doch der Zweck die Mittel heiligt?“
„Hör auf, so absolut zu denken, Golem!“
Er stößt mich in einem kurzen Anflug von Wut vor die Brust.
„Das ist überhaupt nicht, was ich gesagt habe. Ich stelle nur fest, dass du dir selbst eine irrsinnige Menge an Mitteln ausschließt durch deine absoluten Überzeugungen. Und das kann nicht funktionieren, weil es eben immer wieder zu Situationen führt, in denen dir kein Ausweg bleibt, außer eben doch ein Mittel zu nutzen, das nicht in deinem Katalog akzeptabler Handlungsweisen ist. Dann überreagierst du, und das kann dir nicht Recht sein!“
„Aber General...wenn ich anfange, ständig Entschuldigungen zu machen, meine Prinzipien immer mehr schwäche...wo soll es enden? Ich habe bereits begonnen, zu lügen, das war ein großes Opfer, aber es tut mir fast nicht mehr Leid, wenn ich es tun muss, jetzt habe ich morden müssen...es...es hört einfach nicht auf! Ich muss dem einen Riegel vorschieben, und wenn, dann setze ich die Grenze ganz oben!“
„Das geht nicht, Golem. Keiner von uns ist ein Heiliger, und in deiner Rolle bist du besonders unqualifiziert, so Leid es mir tut. Denk mal darüber nach, was du in Travincal getan hast – du hast Geleb getötet, weil du Angst um meine Prinzipien hattest, obwohl du wusstest, dass sie nicht so hart sind wie deine. Du warst hin- und hergerissen zwischen der Freundschaft zu mir und deiner Unwilligkeit zu töten, und hast Letztere über Bord geworfen, um mir eine Wahl abzunehmen, von der du eigentlich wusstest, dass ich sie schon getroffen hatte.
Du warst unter ziemlichen Druck in dieser Situation, und du hast innerhalb von Sekunden eine Entscheidung treffen müssen – und was war das für eine?“
„Eine für dich...“
„Nein, Golem. Und das ist es eben, was mir daran am wenigsten gefällt. Du hast eines deiner wichtigsten Prinzipien gebrochen. Ich hätte es absolut verstanden, wenn du gesagt hättest, du machst damit nicht mit, und Geleb zu betäuben versucht hättest, vielleicht sogar die Skelette daran gehindert, ihn zu töten...es wäre sehr dumm gewesen, aber es wäre edel gewesen, und ich hätte es dir verziehen, wenn er mich danach nicht getötet hätte. Das Ende wäre ja das Gleiche gewesen, er hätte die Kontrolle verloren und wir hätten ihn ausschalten müssen. Nur, du wärst dir treu geblieben, und das hätte ich respektieren können.
Stattdessen hast du ihn getötet...das passt nicht, Golem. Das ist etwas, das du nicht hättest tun sollen, um deiner Willen! Du musst hier auch etwas egoistischer denken, gerade, wenn du das Prinzip Freundschaft so hoch stellst...ich hasse es, wenn du etwas tun musst, dass du nicht willst. Jetzt hast du es selbst getan, es war falsch, und das nur, weil du deine Prinzipien aus Stein gebaut hast, der aber das völlig falsche Material für diese Situation ist.“
Ich halte die Hände vor den Mund. War das wirklich...oh Himmel, ich habe ihn kaltblütig umgebracht. Und das nur, weil ich Angst hatte, dass der Meister dadurch etwas böser würde...obwohl er Ähnliches schon mal gemacht hat...
Reiß dich zusammen!
Ich...
Du kannst deinen Fehler nicht mehr gut machen, jetzt lebe damit! Ich verlange noch nicht mal, dass du begreifst, dass es gar kein großer Fehler war, fang jetzt nur nicht wieder mit dem Geheule an!
Zusammenbrechen werde ich nicht...aber es schmerzt...
Ganz was Neues. Wenn es dir wirklich so weh tun würde, wie du immer jammerst, dann könntest du gar nicht mehr reden vor Pein.
„General, es tut mir so Leid...“
„Ich weiß. Wenn es nicht so wäre, dann wäre die ganze Sache ja auch gar kein Problem, ne? Oder...ein weit größeres Problem. Ich möchte, dass wir beide daraus lernen. Das ist nur fair. Du solltest erkennen, dass du etwas lockerer werden musst, weil dich die Härte des Lebens sonst zerbricht. Ich dagegen werde versuchen, etwas mehr darauf zu achten, was ich eigentlich tue und mich immer wieder fragen, ob meine Methoden noch gerechtfertigt sind. Ist das in Ordnung?“
„...ja...“
„Dann vergessen wir die Sache jetzt, es war ja – sage ich zumindest – nicht so schlimm. Eigentlich bin ich ja sogar sehr geschmeichelt, dass du dich spontan für mein Wohlergehen entscheidest über deines, aber gleichzeitig beschämt mich das und darum war ich gerade etwas sauer. Tut mir Leid. Ich weiß ja, dass wir nur das Beste füreinander wollen...wir sind ja Freunde. Alles gut dann?“
Wortlos umarme ich ihn.
Gah.
Nach kurzer Zeit löst er sich von mir.
„In Ordnung, dann kümmern wir uns um den nächsten Teil unserer Reise. Wir sind im Basar; ich war mir ziemlich sicher, in der Nähe einen Eingang in die Kanalisation gesehen zu haben, zumindest ein hübsches Loch im Boden, das dürfte es sein. Ich hatte auch Recht, es ist gleich draußen. Du bist erschaffen aus ein paar Rüstungsteilen, die ich in Travincal gefunden habe...meine Tränke sind auch schon aufgefüllt. Die Armee ist vollzählig, du wirst mir verzeihen, wenn ich die Leichenhaufen dafür verwendet habe, wir brauchen sie einfach und tot ist tot...die Ratsmitglieder habe ich von den Jungs auf das Hauptpodest in der Mitte legen lassen, der Tempel soll nicht noch mehr verschmutzt werden, da faulen sie gut. Übrigens wusste ich nicht, welche Waffen ich dir geben soll; sind zwei Schwerter in Ordnung, wenn ja, welche? Ich hab etwas Auswahl da.“
Skelette kommen von hinter mir heran und präsentieren mir eine kleine Auswahl an Mordinstrumenten.
„Oh, das ist aber...ich dachte, du wärst sauer auf mich gewesen?“
„Das schon, aber wir sind immer noch Freunde, nicht? Wenn du schon töten musst, dann wenigstens mit einem scharfen Schwert, geht schneller.“
Vollste Zustimmung! Wir nehmen die beiden!
...in Ordnung, nehme ich an. Ich deute auf die vom Zweiten angezeigten; es sind zweischneidige. Etwas besser als die Krummsäbel, stimmt schon, zumal ich keine Möglichkeit habe, mich damit selbst zu verletzen.
„Die sind in Ordnung dafür. Vielen Dank.“
„Keine Sache. Ach, Zweiter, wie gehts dir eigentlich?“
„Den Umständen entsprechend.“
„Die Sache im Tempel...?“
„Der Erste ist ein weinendes Mädchen, immerhin hatte er das Rückgrat, Geleb zu töten, und jetzt liegt er mir ständig damit in den Ohren, wie schlimm es doch war...“
„Du fühlst dich also immer noch genervt? Sehr schön. Na denn, sehen wir doch mal, ob die Kuraster gute Entsorgungstechniken hatten...“
Drei Minuten später sind wir eine enge Treppe herabgestiegen, unsere Magierlampen schwärmen etwas aus...und wir müssen feststellen, dass Kurast die Abfallentsorgung offenbar ziemlich gut im Griff hatte.
Eine Großstadt benötigt eine riesige Kanalisation. Und darum sehen wir in beide Richtungen vom Fuß der Stufen wohl nur exakt das Gleiche, Säulen, die die niedrige Decke stützen, ad nauseam bis an den Rand unseres Sichtfelds aufgestellt, eine gewaltige Reihe ohne Unterbrechungen. Neben den breiten kreuzförmigen Steingebilden führen enge Wege vorbei, dazwischen fließt der Kanal selbst. Der Inhalt liegt in Schatten...gut so. Der Meister ist kurz davor, sich zu übergeben, er ist natürlich auch schon Einiges gewohnt, aber ich kann mir vorstellen, dass es hier noch deutlich unangenehmer riecht als in Lut Gholeins Kanalisation...die deutlich kleiner war. Und weniger feucht.
„Ja, äh...“
„Das ist jetzt nicht so ideal. Wo sollen wir denn zuerst hingehen?“
„Irgendwie war zu erwarten, dass es hier unten sehr...extensiv wird, oder?“
„Das hilft uns auch nicht weiter. Wir könnten Tage hier unten verbringen und kein Organ finden. Verdammt, Geleb, hättest du das nicht irgendwie zugänglicher verstecken können?“
„Zu blöd, dass du unseren Führer getötet hast...“
Der Blick des Meister fährt zu mir herum; ich mache mich kleiner.
„War doch nur ein Scherz...“
„Sehr witzig. Was jetzt?“
„Wenn ich mich mal sinnvoll an der Diskussion beteiligen darf...Geleb wollte uns ja helfen, also hat er sicher nicht aus reiner Bösartigkeit verschwiegen, wo genau hier unten das Herz liegt. Was sagt uns dass? Dass er gar nicht daran gedacht hat, dass es ein Problem sein könnte, es zu finden. Das wiederum bedeutet, dass es an einem eher offensichtlichen Ort ist, also beispielsweise an der Mündung aller Kanäle oder einer ähnlichen Stelle.“
Der Meister und ich denken kurz nach. Er spricht zuerst.
„Gut gedacht, Zweiter. Jetzt müssten wir nur noch herausfinden, wo diese Quelle ist...“
„Das war nur ein Beispiel für einen solchen Ort; ich weiß nicht, ob es hier wirklich eine bestimmte Quelle gibt oder mehrere parallele Ströme...die Organisation dieses Ortes ist mir ohnehin nicht klar. Ein wenig Erforschung sollte das allerdings beheben, dann kann ich mir ein Bild machen.“
Ein Bild...eine Karte der Kanalisation quasi?
Natürlich.
Hm. Moment, das hier ist doch sicher nicht der einzige Eingang, oder?
Garantiert nicht.
Wenn das Herz an einem der Eingänge versteckt ist? Wäre ja recht offensichtlich.
Aber kein Versteck.
Dennoch krame ich in meinem Gedächtnis nach Abgängen wie dem, durch den wir gerade gekommen sind...
„Lust, mich an euerer Konversation Teil haben zu lassen?“
„Entschuldigung...“
Ich fasse unsere Ideen murmelnd zusammen, während ich in meinem perfekten Gedächtnis krame...da, von dem einen Aussichtspunkt des Nachts, ein zweiter Eingang in die Kanalisation im Basar! Sonst sehe ich keinen auf den Erinnerungsbildern dieses Stadtviertels...in Ober-Kurast vielleicht...? Nein? Unter-Kurast?
Doch, in Ober-Kurast ist einer. Um diese Ecke haben wir ihn gesehen.
Er zeigt mir ein Bild; tatsächlich. Danke.
Die kleinen Säulen an den Ecken haben es wirklich klar gemacht; deine Beobachtungsgabe ist immer noch grauenhaft.
Hmja vielleicht...
Oh, das ist aber interessant.
Hm?
Sieh dir diese Karte an.
Er zeigt mir ein geistiges Bild vom Basar und Ober-Kurast; die drei Abgänge, die wir bisher gesehen haben, sind darauf markiert.
Sie sind an den Ecken eines Rechtecks?
Genau. Wenn in der Richtung in Ober-Kurast, wo wir nicht waren, noch ein vierter Abgang ist, dann wäre das bestätigt.
Wir könnten das nachprüfen...
Ich gebe die Idee an den Meister weiter. Er verschränkt die Arme.
„Das klingt nach einem Ansatz, der zumindest nicht mehr Zeit kosten wird als hier sinnlos herumzustolpern. Versuchen wir es...zum Wegpunkt und nach Ober-Kurast dann.“
Einen kurzen Marsch später finden wir einen Eingang in die Kanalisation an genau der vorhergesagten Stelle. Ich klatsche meine Faust in die Fläche der anderen Hand.
„Ja! Genau regelmäßig!“
Der Meister sieht mich schief an.
„In Ordnung, zehn zu eins, dass was wir suchen am Kreuzungspunkt der Diagonalen ist.“
„Die Wette halte ich.“
Wieder unten brauchen wir kurz, um uns zu orientieren; dann deute ich in die etwaige Richtung, in der die vermutete Mitte der Kanalisation sich befindet.
„Irgendwie hier lang.“
„Sehr hilfreich. Ich sage, wir gehen einfach voraus, und ich sage ihm, wo es hingeht, hm?“
„Macht ihr nur, solange ich hier so bald als möglich wieder draußen bin...“
Der Zweite weist mir also den Weg. Nach wenigen Minuten muss ich feststellen, dass ich die Kanalisation hasse. Die immergleichen Säulen verengen den Weg so, dass man nur einzeln hintereinander gehen kann; wir gehen am Kanal entlang, aber weil auch zwischen Säulen und Wand etwas Platz ist, könnte der Himmel weiß was neben uns lauern. Wenigstens ist die Decke so niedrig, dass Nichts außerhalb des Sichtfeldes liegt, das das Licht der Magierfeuerkugeln definiert; gleichzeitig bedeutet es, dass das Gewicht der ganzen Stadt über mir ständig spürbar ist. Die Säulen und Wände wirken zwar bombenfest, aber ihre raue, graue Gleichförmigkeit deprimiert mich. Das ständige Geräusch tropfenden Wassers macht mich wahnsinnig; wenn jetzt noch andere seltsame Geräusche aus dem Dunkeln dazukommen...
Hm, mir macht es einfach zu viel Spaß, dich zu beunruhigen. Filter mal die Schritte aller Skelette aus deinem Höreindruck, deine eigenen auch.
Eine...gute Übung, nehme ich an? Schnell identifiziere ich die einzelnen Fußtritte unserer Armee und eliminiere sie. Dann meine eigenen, und...es sind immer noch Skelettschritte zu hören?
Haha.
Ach, du verdammte...
„General, halte bitte kurz die Armee an.“
Er tut es.
„Ja?“
„Hörst du es?“
„Was denn, Golem?“
Sie sind noch zu hören...aber ich nehme an, seine Ohren sind einfach zu schwach. Ich versuche, die Richtung auszumachen, aber es hallt hier unten wie irre.
„Schritte...ich weiß aber nicht, woher.“
„Oh, großartig. Hätte schon gedacht, das hier würde irgendwie einfach werden, wenngleich extrem eklig. Nun, was gibts zu tun außer weiterzugehen? Halt die Ohren gespitzt oder so, vielleicht vermeiden wir so eine böse Überraschung.“
Ich sehe ihn an.
„Ja, ich glaube auch nicht wirklich daran, Golem...“
Wir gehen weiter, die Schritte folgen uns, hören auf...ich sehe mich hektisch um, aber nur die tanzenden Schatten der Magierlampen sind zu sehen...gah, wenn die Kugeln mal stillhalten würden! So denke ich ständig, das etwas angreift. Aber es ist Nichts...da gehen die Schritte weiter. Sie klingen näher. Ach, verdammt.
„Ist was?“
„Nichts...“
Ich weiß, dass das den Meister sicher auch nicht weniger nervös macht, aber...ach, verdammt, sie sind wieder still!
Wir erreichen eine kleine Brücke ohne Geländer über den einen Meter breiten Abwasserstrom. Ich konsultiere den Zweiten, der eine Sekunde lang überlegen muss.
Wir müssen nicht nach rechts, wir müssen geradeaus, aber da ist keine Brücke...
Wenn sich in der Richtung eine finden lässt?
Natürlich könnten wir auch einfach über den Fluss springen.
Die Skelette auch?
...ach, verdammt. Versuchen wir, eine Brücke hier zu finden, ja.
Ohne nach außen merkliches Zögern betrete ich das Steingebilde. Auf der anderen Seite des Stroms sieht es nicht anders aus, nur eine Säule fehlt direkt neben dem Übergang, was eine kleine Plattform eröffnet. Ich horche wieder angestrengt, während der Meister übersetzt; kommen sie...von hinter uns? Oder doch...von links?
Sobald du dir sicher bist, ist es gefährlich; wenn sie noch weit genug weg sind, um so diffus zu sein, sind wir sicher.
Und wenn die gegnerischen Skelette nicht Alles sind?
Dann haben wir ein Problem? Aber was willst du dagegen machen?
...hier lang also?
Ist zumindest nicht völlig falsch...
Drei Brücken und ein immer unsicherer werdender Zweiter später bin ich davon überzeugt, dass wir uns komplett verlaufen haben.
Nein...wenn wir bei der zweiten Brücke abgebogen wären, hätte uns das eher in die richtige Richtung geführt, ich habs doch gesagt!
Du meintest, es sei ohnehin egal.
Mit einer leichten Präferenz nach links!
Kann ich deine Gedanken lesen, oder was?
Ja, eigentlich schon!
Du...he, sag mal, hörst du was?
Nein.
Wie lange schon?
…
exakt drei Minuten und fünfundfünfzig Sekunden.
Sie haben bisher noch nie so lange Pause gemacht...
...nicht gut.
„General, ich denke, wir sollten umkehren und die zweite Brücke sein lassen, stattdessen nach rechts gehen. Ich habe ein ungutes Gefühl in der Richtung.“
„Und unser Orientierungsgenie?“
„Stimmt zu.“
Wir kehren um, und es dauert nur eine halbe Minute, bis die Schritte wieder hörbar werden. Aus einer eindeutigen Richtung: Von hinter uns.
Ich balle die Fäuste. Hätte nie gedacht, dass ich das mal denken würde, aber ein ehrlicher Kampf wäre mir weit lieber als ständig Angst vor Schatten haben zu müssen!
He, du fängst an, eine gewisse Logik zu entwickeln.