@Skuhsk: Natürlich schade, das du zur Zeit nicht mehr mitliest. Hab mich schon gewundert, nichts mehr von dir zu hören
Auf gehts, es ist Samstag früh, sehr früh - aber ich wusste nicht, wann ich das heute zeitlich schaffen soll. Also könnt ihr schon beim Frühstück Geschichten lesen, das ist ja auch nicht sooo schlecht.
Kapitel VIII - Teil XI
Sie erwachte, weil irgendetwas Spitzes unangenehm zwischen ihre Rippen stach.
Zuerst versuchte sie, das Stechen und Pieken zu ignorieren, doch je krampfhafter sie versuchte, weiter zu schlafen, desto heftiger und lästiger wurde der Schmerz.
Genervt versuchte sie, sich zur Seite zu drehen, doch ihre Handgelenke ließen sich nicht voneinander trennen.
Dies ließ sie schlagartig aufwachen.
Naeemah riss abrupt die Augen auf.
Grelles Sonnenlicht stach ihr in selbige und verursachte eine Explosion in ihrem Kopf.
Naeemah stöhnte und drehte den Kopf zur Seite, in den Schatten, und fand eine weiß getünchte Wand vor sich.
Sie brauchte ein paar Minuten, bis sie sich orientieren konnte, denn es waren nicht nur ihre letzten Erinnerungen wie von einem dicken Nebel umhüllt, auch ihr Kopf schmerzte unerträglich und ihr war wieder fürchterlich übel.
Naeemah vermutete, dass dies die Nachwirkungen der Droge waren, die sie einzuatmen gezwungen worden war.
Als die Übelkeit etwas nachließ, drehte sie sich wieder von der Wand weg und schaute sich in ihrem neuen Gefängnis um.
Es war nur ein kleiner Raum, vielleicht zum Verstauen von alltäglichen Dingen gedacht, denn in der linken Ecke standen einige Besen und an der Wand vor ihr hingen ein paar Regale, auf denen sich Handtücher und Seife stapelten.
Rechts neben den Regalen befand sich die Tür; sie war aus leichtem Holz und wirkte nicht sonderlich stabil.
Bei näherer Betrachtung war sich Naeemah sicher, die kleine Kammer zu kennen. Zwar hatte sie den Raum nie selbst betreten, aber in ihrer Ausbildungszeit einige Dienstboten hineinhuschen sehen.
Unwillkürlich tauchte die Skizze des Grundrisses der Zitadelle vor ihrem geistigen Auge auf, so dass sie jetzt wusste, wo genau sie sich in dem Gebäudekomplex befand.
Licht drang durch ein kleines, vergittertes Fensterchen in der Tür hinein, aber dieser schmale Lichtstrahl war nichts im Vergleich zu der gleißenden Helligkeit, die Naeemahs Kopf zum Bersten brachte.
An der Wandseite, an der Naeemah Schutz und Dunkelheit gesucht hatte, befanden sich nur knapp unter der Decke, aber außerhalb von Naeemahs Reichweite, zwei große, ebenfalls vergitterte Fenster, die zu dem gepflasterten Innenhof zeigten mussten.
Die schneeweißen Wände des Raumes warfen das so einfallende Licht tausendfach zurück und durchfluteten somit Naeemahs neue Zelle mit hellem Licht wie am wolkenlosesten Sommertag.
Naeemah ließ ihren Blick suchend über die Bestückung der Regale gleiten; sie hoffte auf ein Messer oder etwas ähnlich Scharfes, um die Fesseln zu durchtrennen, doch am Boden liegend hatte sie keine Chance, auf die höheren Regalebenen zu schauen.
Enttäuscht lehnte sie sich zurück und wurde prompt wieder von etwas in die Seite gestochen. Fluchend rollte sie sich herum, was zwar ihre Übelkeit wieder aufbranden, sie dafür aber den Missetäter in Augenschein nehmen ließ.
Es war ein kleiner Heuhalm, der wohl durch die Fenster hereingetragen worden war und nun einsam auf dem Steinboden lag.
Ein, zwei Minuten blieb Naeemah auf dem Bauch liegen, die Arme von sich gestreckt, und sammelte ihre Kräfte.
Dann versuchte sie vorsichtig aufzustehen.
Langsam zog sie ihre Arme an den Körper, stützte sich mit den Ellenbogen ab und zog dann die Knie an, unter sich. Sie suchte kurz nach dem Gleichgewicht und stand dann ruckartig auf.
Zumindest war dies Naeemahs Plan gewesen, doch durch die langen Kerkerhaft und von den Nachwirkungen der Droge geschwächt, versagten ihre Beine den Dienst.
Naeemah stürzte, und nur, weil sie Arme und Ellenbogen unter der Körper zog, landete ihr Kopf nicht auf dem harten Steinboden.
Einen wüsten Fluch ausstoßend drehte sie sich wieder auf den Rücken und atmete tief durch. Die Anstrengung hatte sie erschöpft, vor ihren Augen drehte sich alles.
Sie musste kurz trocken würgen, unterdrückte den Reiz aber, als sie von der anderen Seite der Tür Geräusche vernahm.
Zwei Personen näherten sich dem Raum; Reena und Màcha, vermutete sie anhand des Laufrhythmus.
Die beiden Personen mussten genau vor der Tür stehen geblieben sein, denn Naeemah konnte sie deutlich sprechen hören.
„Verflucht noch mal, Reena, was ist passiert?“
Màchas Stimme klang zornig, aber auch müde, so, als hätte man sie gerade aus dem Bett geholt.
„Varla war so aufgeregt, ich habe keinen vernünftigen Satz aus ihr herausbringen können, als sie Meldung machte!“
Reena antwortete hastig: „Ich weiß nicht genau, was da passiert ist. Ich weiß nur, dass Chasim das
ganja anwandte – ich habe ihm davon abgeraten, ich war der Meinung, dass es bei ihr nicht richtig wirken würde. Aber er wollte davon nichts hören, nun, wahrscheinlich hat er ihr zu viel verabreicht. Ich weiß nicht genau...“
Reena machte eine kurze Pause und atmete hörbar ein.
„Zuerst schien alles gut zu klappen, sie ließ sich gut führen. Wir haben sie dann zu den Mädchen gebracht, um deinem Befehl nachzukommen und sie zu waschen. Was dann passiert ist, kann ich beim besten Willen nur vermuten. Die Mädchen erzählten, sie hätte sich urplötzlich und völlig grundlos Bunnii geschnappt und sie unter Wasser gedrückt. Dafinah wollte Bunnii helfen, aber Naeemah hat sie beiseite geworfen und ihr dadurch ein paar Rippen geprellt....“
„Bunnii ist tot?“, unterbrach Màcha Reenas Bericht.
Reena nickte.
„Ja, sie ist jämmerlich ertrunken.“
„Das arme Ding, den Fürsten wird das nicht gerade glücklich stimmen!“
Màcha legte besorgt die Stirn in Falten. Das hatte sie gerade noch gebraucht, königliche Nachforschungen!
„Wie ging es weiter?“, fragte Màcha interessiert, während sie überlegte, wie sie dem Fürsten den Tod des Mädchens erklären sollte.
„Tja, die anderen Mädchen sind natürlich weggerannt, du weißt ja, wie sie sind. Ein paar liefen wohl Chasim in die Arme, der wollte dann nach dem Rechten sehen. Den genauen Ablauf kann ich dir nicht sagen, aber auf jeden Fall haben die Zwei gekämpft, Naeemah hat ihn wohl angesprungen und überwältigt. Und bei den dreizehn Namen von
ilah, ich sage dir, so etwas habe ich noch nicht gesehen!“
Auf Màchas Stirn bildeten sich leichte Zornesfalten und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Als erfahrene Vorgesetzte kannte sie ihre Untergebenen und ihre gleichwertigen Schwestern in- und auswendig; Reenas seltsames Verhalten ließ sie in Sekundenbruchteilen darauf schließen, dass ihr der kommende Teil von Reenas Bericht nicht gefallen würde.
Gereizt fauchte Màcha: „Verdammt, Reena, was hast du gesehen? Raus mit der Sprache – du weißt, wie sehr ich diese Zurückhaltung hasse!“
„Màcha, sie hat Chasim erdrosselt!“
„Erdrosselt? Mit was? Hat sie sich eine Schnur verschafft? Mit ihren Händen kann sie es wohl kaum getan haben, Chasim hatte ja den reinsten Stiernacken!“
Genervt davon, dass Reena so viel Aufhebens bei ihrem Bericht machte, tippte Màcha ungehalten mit ihrer Fußspitze mehrmals auf den Boden.
„Nein, Màcha...“
Reena hielt kurz inne und wich Màchas starrem Blick aus.
„Sie hat ihn mit ihren Haaren erwürgt.“
„Bei
ilah!“, entfuhr es Màcha erschrocken.
„Gott sei Dank ist sie dann bewusstlos geworden. Wir haben ihr dann notdürftig die Hände gefesselt und sie hier in die Kammer geschlossen – Kleider hat sie aber noch keine an.“
„Ist sie schon wach?“, fragte Màcha neugierig.
„Ich weiß nicht, vor ein paar Minuten war sie es noch nicht.“
„Gut, auf jeden Fall hat sie nun genug geruht,
ajouz al gabal will sie sofort sehen. Schließ die Tür auf, Reena.“
Gehorsam löste Reena den schweren Schlüsselbund von ihrem Gürtel, öffnete Màcha die Tür und trat selber einen Schritt zurück, um der Ranghöheren den Vortritt zu lassen.
Naeemah empfing die beiden Frauen sitzend; nur mühsam hatte sie sich in diese Haltung gebracht, doch sie wollte um keinen Preis hilflos am Boden liegen, wenn ihre ehemaligen Schwestern vor ihr standen.
Wortlos packten Reena und Màcha Naeemah an den Handfesseln und zogen sie grob auf die Beine.
Reena löste die Fessel auf einer Seite, während Màcha Naeemah ein graues Bündel in die Hand drückte.
Es war das Gewand der Todgeweihten, welches nur an Mitglieder, die die schlimmsten Verfehlungen begangen hatten, ausgeteilt wurde, um unter die strafenden Augen von Ibn Sabbah zu treten.
Wortlos streifte sich Naeemah den rauen Kittel über, dessen löchriger und schmutziger Stoff bis zum Boden reichte.
In dem Moment wurde ihr klar, dass ihr Schicksal nun besiegelt war. Sie würde den Abend des heutigen Tages nicht mehr erleben.
„Vielleicht war es auch besser so“, ging Naeemah durch den Kopf, als Reena die Fessel wieder zuzog.
Dann wurde Naeemah von beiden Frauen an den Unterarmen gepackt und aus dem Raum hinaus auf den Säulengang geschoben.
Naeemah liebte diesen Teil der Zitadelle, denn gegenüber der Kammer befand sich der Durchgang zum Herzen der Anlage, den nur Eingeweihte betreten durften. Schlanke Säulen zierten den runden Garten, in dessen Mitte ein üppiger Springbrunnen plätscherte.
Vor Durst wurde Naeemahs Mund trocken wie Wüstenstaub, doch sie erlaubte sich keine begehrlichen Blicke auf das kühle Nass.
Reena und Màcha schoben sie erbarmungslos vorwärts.
Ungelenk tapste Naeemah barfuss über den Marmorboden.
Der Säulengang führte zu einem mächtigen Tor hin, vor dem zwei Wächter postiert waren.
Es waren zwei große, starke Männer, die die typische Kluft der Nomadenvölker trugen: einen schwarzen Kaftan mit kamelwollfarbenen Pluderhosen, während den Kopf ein ebenso schwarzer Turban zierte, dessen Endstück lässig über den Mund und die Nase geschlungen war.
Ihre Gürtel schmückte jeweils ein mächtiger Krummsäbel aus Damaszenerstahl, dessen blauädriges Muster im hellen Licht schimmerte.
Mit vor der Brust verschränkten Armen standen sie vor dem Tor Wache, dessen feine Schnitzereien großflächig vergoldet waren.
Erst als die drei Frauen vor ihnen standen, lösten sie sich aus ihrer grimmigen Starre.
Der rechte Wächter legte Naeemah ein Lederhalsband an und befestigte an dem halbkreisförmigen Ring an der Vorderseite des Halsbandes eine lange Metallkette, bevor er ihr die Fesseln löste.
Währenddessen hatte der Wächter auf der linken Seite die Torflügel aufgestoßen und seinem Gebieter die Ankunft der Kriegsherrin, des stellvertretenden Hauptmanns der Wache sowie ihrer Gefangenen gemeldet.
Grob wurde Naeemah von Màcha mit einem Schlag zwischen die Schulterblätter nach vorne gestoßen; sie stolperte, erlangte aber das Gleichgewicht noch rechtzeitig wieder.
Gerade, als sie aufrecht auf den Thron des Gebieters zugehen wollte, wurde sie von einem Ruck am Halsband zurückgezogen.
Brutal drückten die Türwächter Naeemah auf alle Viere und ließen sie wie ein Tier an der Leine hinter Màcha und Reena her kriechen.
Vage erkannte Naeemah, dass der Raum voll von Menschen war; anscheinend sollte an ihr ein Exempel statuiert werden. Allerdings drängten sich die dunkel gekleideten Schwestern im Dunkeln, denn die einzige Stelle, auf die in diesem Raum das Licht fiel, war der Weg der Ankömmlinge, selbst Ibn Sabbahs Thron versank im Schatten.
Naeemah schaute auf ihrem Weg nur zu Boden, betrachtete die unebenen Steine, die ihr die Knie aufrissen und ihre Hände schunden.
Der kurze Weg durch den Saal kam ihr wie eine Ewigkeit vor; sie spürte, wie Hunderte von Augenpaaren auf ihr lasteten und jede ihrer Bewegungen verfolgten.
Getuschel brandete auf, als sie auf den Knien vorbei kroch, den Wächter neben sich, der sie wie ein wildes Tier am Zaum führte.
Màcha und Reena hielten vor Ibn Sabbahs Thron an, verbeugten sich kurz aber ehrerbietig und traten dann zur Seite, um Naeemah und den Wächter in ihre Mitte zu lassen.
Naeemah musste, immer noch auf allen Vieren, zwischen den beiden Frauen anhalten, während sich der Wächter, der immer noch die Kette führte, hinter sie stellte.
Ein überraschtes Raunen ging durch den Saal, als sich Naeemah weigerte, die ehrbezeugende Geste zu vollführen, wie sie von Gefangenen verlangt wurde.
Ohne ein Zögern setzte der Wächter einen Fuß zwischen ihre Schulterblätter und drückte mit seinem ganzen Gewicht ihren Oberkörper nieder, bis ihre Stirn den Boden berührte, dann nahm er wieder seine Position hinter ihr ein, die muskulösen Arme vor der breiten Brust verschränkt.
„Du hast sie mir also gebracht, Kriegsherrin!“
Ibn Sabbahs kalte Stimme zog so schneidend durch den Raum, dass alles Geflüster verstummte.
„Ja, Herr, ich bemühe mich immer, Eure Wünsche zu erfüllen!“
Von Màchas selbstbewusstem Auftreten war im Angesicht ihres Herren nichts mehr übrig geblieben, und auch Reena sah hündisch zu Boden.
„Gut, ich bin zufrieden mit dir, Kriegsherrin“, erklärte Ibn Sabbah kurz.
„Gab es Zwischenfälle?“
„Nun, Herr, es hat sich ein unglückseliger Unfall im
haram ereignet...“
Màcha wand sich förmlich unter den strafenden Blicken des
ajouz al gabal, und ihr fiel ein, dass er wahrscheinlich schon gut über den Vorfall unterrichtet war, denn ihm entging nichts, was sich in seinem Umfeld ereignete.
„Zweifellos“, hub Ibn Sabbah zu sprechen an, „zweifellos wird Fürst Jehryn den Tod eines seiner Mädchen bedauern, aber er wird es verschmerzen können. Das Ableben meines Hofmeisters ist tragischer, aber durchaus ein lösbares Problem. Reena, kümmere dich bitte sofort darum, die Stelle neu zu besetzen.“
Reena verbeugte sich noch einmal und zog sich dann rückwärts gehend und in gebückter Haltung zurück; wie von Geisterhand schwang das große Tor auf und schloss sich dann vor ihr – die Wächter leisteten gute Arbeit.
Draußen atmete Reena erleichtert auf. Ihr war die kaltherzige Art ihres Herrn unangenehm; es flößte ihr regelrecht Angst ein, wie unbewegt er den Tod zweier Menschen, von denen zumindest einer in seinen Diensten gestanden hatte, hin nahm.
Erleichtert verdrängte sie die Gedanken daran, was sich noch im Audienzsaal abspielen mochte und dankte
ilah dafür, dass sie gehen und sich um ihre Pflichten kümmern durfte.
Um nichts in der Welt wollte sie nun in Naeemahs Haut stecken!
So, und nu will ich ein Lob bezüglich der Menge hören!