Also.... da, ihr Raubtiere
Kapitel V - Teil II
Mit zwiespältigen Gefühlen verlies Ivon rasch die Unterkunft, hielt aber noch bei dem angepflockten Mann an.
Sorgfältig zupfte der das Tuch, welches dem Mann als Sonnensegel diente, zurecht und öffnete dann seine Wasserflasche.
Einerseits freute er sich über den kleinen Sieg, den er errungen hatte, aber andererseits hatte er einen dumpfen Kloß im Bauch. Zu allererst war er noch von den anfänglichen Eindrücken beim Verarzten verwirrt. Es störte ihn, dass er so auf eine Frau reagiert hatte und das ein Blick von ihr reichte um ihn völlig aus dem Konzept zu bringen. Er war jetzt noch ganz durch den Wind und kippte dem erschöpften Gefangenen das Wasser mehr ins Gesicht als in den Mund.
„Konzentrier dich! Reiß dich zusammen! Kaum begegnest du einer Frau und schon sind alle Meditationen und Gebete vergessen. Unglaublich! Du führst dich auf wie ein junger Novize!“, leise murmelte er Ermahnungen vor sich hin. Am besten sollte er die Nacht auf Knien betend verbringen. Wenn sich dann die Erleuchtung nicht einstellen wollte, würde er sich geißeln müssen. Verdient hatte er es allemal.
Seufzend goss er den letzten Rest Wasser seiner Flasche in die durstige Kehle des Mannes. Seine Lippen waren auch schon ganz trocken und aufgesprungen und die Wangen eingefallen. Irgendetwas schien an dem Mann zu zehren, so, als hätte er etwas Schlechtes gegessen. Ivon schüttelte verwundert den Kopf, er konnte keine Vergiftungserscheinungen erkennen und doch war es ihm, als ob irgendetwas den Mann von innen auffraß. Auf jeden Fall brauchte er Nahrung und Ivon würde sie ihm jetzt besorgen. Schnell stand er auf und stürmte in Richtung Karawanenführer, denn dort würde sich bestimmt etwas zu Essen auftreiben lassen.
Naeemah stopfte die letzen Dinge in ihr Gürteltäschchen. Neben einem prächtigen Dolch verstaute sie auch das kostbarste, was sie besaß, in dem Täschchen. Es war eine Ansammlung von kleinen Fläschchen und Phiolen, die keinerlei Beschriftung aufwiesen, sondern nur mit verschiedenen Verschlussarten auseinander gehalten werden konnten.
Naeemah kannte jeden dieser Verschlüsse wie im Traum, selbst im Dunkeln hätte sie die Fläschchen auseinander halten können und das war auch gut so. Denn ein Griff zur falschen Flüssigkeit bedeutete auf jeden Fall den Tod, er unterschied sich nur in der Art und Schrecklichkeit, mit der er eintrat. Naeemah besaß Gift, das so schnell und leise tötete, dass das Opfer nicht einmal mehr zu einem letzten Atemzug kam. Dann gab es wieder Flüssigkeiten, deren Wirkung Tage, Wochen und in der entsprechenden Dosierung auch Monate anhielt. Dieses Gift war meist schrecklich schmerzhaft und simulierte so anderen Menschen den klammen Griff einer tödlichen Krankheit. Die Opfer siechten dahin, entweder bluteten ihre Organe innerlich aus oder täglich platzten immer mehr Lungenbläschen und führten so zu einem Erstickungstod, dann gab es Krämpfe auslösendes Gift, bei dem es sich anfühlte, als würde sich ein ausgewachsener Ni’jhat durch die Därme schlingen.
Der Ni’jhat war ein langer Aalfisch, der mit seinen stachligen Hautausstülpungen starke Blitze abfeuern und damit sogar Kühe töten konnte. Fünf Meter konnte diese Bestie lang werden und hatte an der dicksten Stelle einen Durchmesser von zehn Zentimetern, die Haut war rau, mit Stacheln und Stoppeln übersät, die mit kleinen Widerhaken besetzt waren.
Desweiteren führte sie noch harmlosere Gifte mit sich, solche, die für eine bestimmte Zeitdauer betäubten, lähmten und dem Opfer schöne und zugleich schreckliche Dinge vorgaukelten. Falsch angewendet konnte es auch vorkommen, dass das Opfer für immer in den Drogenträumen hängen blieb und sie nie wieder verlassen konnte. Schreckensphantasien peinigten diese Unglücklichen, waren sie noch dazu in der Lage, brachten sich diese Menschen meistens selber um.
Zärtlich strich Naeemah über die kostbare Sammlung der verschiedensten Gifte, ehe sie sie in der Tasche verschwinden lies.
Nach der Tasche greifend verließ sie das Zelt, um ihren Kamelhengst zu satteln. Sie wollte sie ein gutes Stückchen vom Lager der Karawane entfernen, um ihrer Tätigkeit in Ruhe und ungestört von naiven Jugendlichen nachgehen zu können.
Schnell hatte sie ihr Reittier anhand seiner imposanten Größe erkannt und es aus der Herde von Kamelen sortiert. Ungewohnt friedlich und brav lief das Tier mit zu ihrem Zelt zurück, ließ sich genauso brav satteln und den Gefangenen auf den Rücken werfen, ehe es dann niederkniete, damit Naeemah auch Platz nehmen konnte.
Sie dirigierte ihr Reittier gen Sonnenuntergang und hatte schon fast das Lager verlassen, als der Emir-al-haddsch in ihren Weg trat und sie ansprach „Sajidah, wollt Ihr noch einmal hinaus reiten? Die Sonne ist schon fast untergegangen und zu dieser Zeit ist es in der Wüste sehr gefährlich!“, der Karawanenführer klang ehrlich besorgt, „wisst Ihr, Sajidah, um diesen Knilch hinter euch ist es nicht schade, aber ich sähe es äußerst ungern, wenn Ihr uns aufgrund eines unglücklichen Zwischenfalls, nun, verlassen würdet.“
Er schenkte Naeemah ein breites, zahnloses Lächeln, als er in die Zügel des Kamelhengstes griff. Unwillig schüttelte dieser den Kopf, ließ ein tiefes Brummen hören und rollte mit den Augen. Auch dem Tier schien sein eigentlicher Herr unsympathisch zu sein.
Naeemah zog die Zügel leicht an und befreite sie so aus dem unerwünschten Griff.
Kalt erwiderte sie: „Ehrenwerter Emir-al-haddsch, wie sich am letzten Tag gezeigt hat, kann ich mich vor Skorpionen und Spinnen leicht schützen und auch größeren Gegnern erwehre ich mich standhaft – und mit einiges mehr Effektivität als Ihr. Genau das brachte mir ja diesen „Knilch“ und euch schmerzhafte Wunden ein.“
Gekränkt funkelte der Mann sie, in seiner Ehre verletzt, an. Ihm war nicht entgangen, dass die junge Frau das Lager um einiges besser vor den Angreifern geschützt hatte, als er und seine Männer und dies wurmte ihn schon an sich. Dass sie es ihm aber auch noch ins Gesicht schleudern musste, traf ihn wie reine Säure.
Tief beleidigt murmelte er: „Seht euch wenigstens etwas vor, wenn meinem Kamel etwas passiert, wird es teuer werden. Außerdem haben meine Männer nicht weit von hier Spuren von
ahbad ad aksi entdeckt und, Respekt vor euren Künsten, Sajidah, aber mit einem von ihnen werdet ihr nicht alleine fertig. Hier, nehmt wenigstens meine Fackel, das Licht schreckt sie etwas – und passt auf meinen Kamelhengst auf!“
Mit diesen Worten reichte er ihr eine stark rauchende Fackel hoch und als Naeemah sie abnahm, drehte sich der Karawanenführer um und stapfte zurück in die Zeltstadt.
Naeemah war es nur recht, eine Fackel konnte nicht schaden, wenn sich wirklich
ahbad ad aksi hier draußen befanden.
Ahbad ad aksi waren fast kamelgroße Kreaturen, Fleischfresser und immer hungrig. Ihr Körper war länglich, fast schlangenartig, aber statt Schuppen mit spitzen Hornfortsätzen ihrer chitinartigen Panzerplatten versehen. Den lange, biegsame Körper wurde von sechs kräftigen und gelenkigen Beinen getragen, wobei die zwei Vorderen in starken Klauen endeten, mit denen sie nach ihrer Beute schlugen, wenn sie sich aufrichteten. Mit den restlichen vier Beinen bewegten sie sich, trotz, dass die Beine insektenartig in einer einzigen Chitinspitze endeten, mit einer unglaublichen Geschwindigkeit fort. Sie besaßen die Fähigkeit, ihre Beine schneller aus dem Sand zu ziehen, als sie durch das große Gewicht der Kreatur einsanken. So entstand für den Betrachter der Eindruck, die
ahbad ad aksi flögen förmlich über den Sand. Doch nicht nur ihre Schnelligkeit und Gelenkigkeit machten diese Tiere zu gefährlichen Gegnern, sondern auch ihre rasiermesserscharfen Zähne und kraftvolle Kiefer, die mühelos Sehnen, Fleisch und Knochen durchtrennten. Ein besonders schmaler Wuchs ihres Kopfes verstärkte die Kraft ihres Bisses noch um einiges.
Kleine, boshafte Facettenaugen befanden sich in einem schmalen Streifen angeordnet quer über der Vorderseite des Kopfes. Darüber zog sich eine gewaltige, mit Stacheln gespickte Stirnwulst, die die empfindlichen Facettenaugen vor Licht und Staub schützte. Ohren und Nase hatten sie nicht, sie orteten Geräusche über den Boden übertragene Schallwellen, Öffnungen, um Sauerstoff aufzunehmen, befanden sich über den ganzen Körper verteilt zwischen den Stachelschuppen. Dadurch gelangte beim Atmen kein Staub in die Lunge und bei aufreibenden Verfolgungsjagden mussten die
ahbad ad aksi nicht nach Luft schnappen. Wurde mehr Sauerstoff benötigt, erweiterten sich die Atemöffnungen und die Schuppen stellten sich auf. Diese Jäger waren einfach perfekt auf ihren trockenen und sandigen Lebensraum angepasst.
Je weiter Naeemah sich von den schützenden Feuern der Zeltstadt entfernte, die die Männer des Führers gerade entzündeten, desto fester umschloss sie die lebensspendende Fackel mit eisernem Griff. Sie ließ ihr Kamel zügig durch den Sand traben, bis das Licht der Feuer hinter den Dünen verschwand und sie von Dunkelheit umfangen wurde. Das schwache Licht der Fackel hatte der Finsternis nur wenig entgegenzusetzen und warf so nur einen fahlen Lichtkreis um Reiter und Tier.
Hinter Naeemah zog sich eine Spur aus Motten und lichtliebenden Insekten her, als sie das Kamel halten ließ und seine Fracht unsanft auf den sandigen Boden beförderte.
„Bleib in der Nähe“, ermahnte sie das Kamel, steckte die Fackel fest in den Sand und nahm eine große Wasserflasche aus den Satteltaschen. Dann drehte sie sich zu ihrem Gefangenen um, der noch recht benommen auf dem Boden lag. Kurzerhand öffnete sie den Verschluss der Flasche und goss dem Mann verschwenderisch das Wasser ins Gesicht.
„Wach auf!“, knurrte sie ihn an, „Zeit, dass du deine Bestimmung erfüllst.“
Gierig versuchte der Mann, etwas von dem kühlen Nass zu erwischen, welches ihm über das Gesicht lief. Durst und Hunger plagten ihn, denn kaum einer hat ihm irgendetwas zu trinken oder Nahrung gegeben und die Hitze hatte ihm, genauso wie der komische Trank, der ihm verabreicht wurde, stark zugesetzt.
Vorsichtig und erwartungsvoll setzte sich der Mann auf, denn seine Glieder schmerzten und auch sein Hinterteil hatte sich noch nicht von der feurigen Behandlung erholt. Den Geruch von verbranntem Fleisch konnte man fast noch bedeutungsschwanger in der Luft schweben sehen.
Naeemah stellte sich mit in die Hüften gestützten Händen direkt vor den Mann und fixierte ihn mit einem raubbtierartigen Blick.
„Sag mir deinen Namen!“, forderte sie.
„Ahmed der Flinke, werde ich genannt.“
„Nun, Ahmed der Flinke, warum haben du und deine Kumpanen die Karawane angegriffen? So verhungert und verzweifelt habt ihr nicht ausgesehen, als ob ihr das bisschen Wasser und Essen gebraucht hättet, also was habt ihr gesucht?“, drohend trat sie einen Schritt näher an den Mann heran.
Dieser schüttelte ängstlich und zaghaft den Kopf: „Nein, das kann ich nicht tun...“
Er wich Naeemahs Blick aus und sah zu Boden.
Naeemah zögerte nicht und versetzte Ahmed eine schallende Ohrfeige.
„Kannst du nicht, oder willst du nicht? Mir scheint, du hast keine allzu innige Beziehungen zu gewissen Körperteilen...!“
Die Drohung und der Schlag färbten Ahmeds Wange knallrot und deutlich zeichnete sich ein zierlicher Handabdruck ab. Durch die Wucht des Schlages begann seine Nase zu bluten, das Blut zog in einen hellroten Streifen über sein Gesicht, tropfte vom Kinn auf die Brust und färbte sein Gewand mit roten Flecken.
„Nein... ich...“, Ahmed schluchzte, „selbst wenn ich wollte, ich kann es Euch nicht sagen... Er, er würde mich finden.“
Er erbleichte und flüsterte: „Und was Er mit Verrätern tut, ist so schrecklich, dass ich es nicht einmal aussprechen kann...“
Ausdruckslos sah Naeemah das wimmernde Etwas zu ihren Füßen an. Dann drehte sie sich betont langsam zur Seite und zog ihn einer ausladenden Bewegung ihren Dolch aus dem Gürtel. Entspannt begann sie, sich die Nägel mit der funkelnden Spitze der Waffe zu reinigen.
Beiläufig, als spräche sie mit sich selbst, sagte Naeemah: „Er? Er? Weißt du, ich kenne auch so einige Methoden um, nun, sagen wir mal, dich etwas gesprächiger zu machen...“
Die Drohung schwang unheilsvoll durch die Luft und beschwerte die Atmosphäre mehr als der darin befindliche Sand.
Ängstlich krabbelte Ahmed von Naeemah weg, aber wegen seiner gefesselten Beine kam er nicht allzu weit.
„Ihr, Ihr wollt mich foltern?“, keuchte Ahmed erschreckt, fasste sich aber rasch, „Ganz gleich, was Ihr mir antut, ich werde nichts, gar nichts erzählen.“
Naeemah lachte hell auf: „Ich? Ich dich foltern? Nein, bestimmt nicht, an so einem wimmernden Etwas wie dir mache ich mir nicht die Finger schmutzig.“
Kopfschüttelnd drehte sie ihrem Gefangenen den Rücken zu und trat ein paar Schritte aus dem Lichtkegel der kleinen Fackel hinaus in die Dämmerung.
„Nein, Ahmed, es gibt Schlimmeres, als unter meinen Folterkünsten zu leiden. Kannst du es nicht riechen? Diesen Schimmer von Aasgeruch in der Luft, der sich heimlich durch deine Nase hinaufstiehlt, um deine Gedanken zu verpesten?“, bedeutungsvoll hob sie ihren Kopf und sog geräuschvoll die staubige Luft durch ihre Nase ein.
In der Tat ließ sich eine schwache Note von Kadavergeruch ausmachen, doch Ahmed war es in seiner Aufregung nicht aufgefallen. Als Sohn der Wüste wusste er aber sofort, was dieser Geruch zu bedeuten hatte: scharfe Fänge, lange Klauen und den sicheren Tod.
Verschreckt flüsterte er: „Bei
Ada ad Adala, Kriegerin, wir müssen hier weg, wenn Euch zumindest etwas an Eurem Leben liegt!“
„Wir bleiben.“, erwiderte Naeemah kurz, „und zwar solange, bis du mir sagst, was ich wissen will.“
Sie lächelte eisern: „Bedenke, ich kann schnell auf mein Kamel springen und dich hier zurücklassen – gefesselt bist du leichte Beute.“
Das Lächeln wurde zu einem breiten, hämischen Grinsen, als sich Naeemah zu dem Mann herunterbeugte und ihm ins Ohr flüsterte: „und glaub mir, ich werde jeden deiner Schmerzenschreie genießen, wenn Sie dich unter sich aufteilen, sich in dein Fleisch wühlen, deine Knochen knacken...:“
Sie richtete sich auf, streckte sich genüsslich und wanderte im immer kleiner werdenden Lichtschein ein paar Mal im Kreis. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Ahmeds Reaktionen.
Er zitterte am ganzen Körper und schien gedanklich abzuwägen, welcher Tod der Schlimmere wäre.
Naeemah, ganz darin bemüht, ihn in seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen, fügte beiläufig hinzu: „Weißt du, ein Mensch kann mehr Schmerzen erleiden, bevor er in Bewusstlosigkeit fällt, als man glaubt. Du wirst jeden Zahn, jeden Dorn und jede Klaue spüren. Sie werden dich bei lebendigem Leib fressen und ich garantiere dir, dass Sie bei den Beinen anfangen und sich nur langsam auf lebenswichtige Organe vorarbeiten, denn sie werden deine Schreie genauso genießen, wie ich es tun werde...“
Als Ahmed in Tränen ausbrach, wusste Naeemah, dass sie ihn nun soweit hatte, wie sie wollte.
Langsam ließ sie sich zu ihm nieder und nahm beinahe zärtlich sein Gesicht in ihre rechte Hand, während sie ihm mit der Linken über das sandige Haar strich.
Fast schon freundlich lächelte sie ihm ins Gesicht und hauchte zuckersüß: „Ich glaube, du hast mir etwas zu sagen, Ahmed.“
Ahmed schluchzte auf, Tränen liefen über sein Gesicht, mischten sich mit seinem Blut, ehe sie sein Hemd tränkten.
„Ach, ich... ich kann nicht... bitte, Ihr müsst mich verstehen... wenn ich den Eid breche, geschieht Schrecklicheres als der Tod. Ich...,“ er rang mit sich, „Ich kann euch nur soviel sagen: Sucht Lut Gholein auf, schaut Euch dort einmal aufmerksam um und... und Ihr werdet erkennen!“
Ahmed begann, haltlos zu schluchzen und bemerkte nicht, wie Naeemah aufstand, die nur noch schwach glimmende Fackel aus dem Boden zog und auf ihr Kamel zuging. Erst, als sie bereits auf dessen Rücken saß, wurde Ahmed aufmerksam.
„Wohin geht Ihr? Wollt Ihr mich hier zurücklassen? Nein, bitte nicht, ich... ich kann euch einfach nicht mehr sagen – Er löscht sonst meine ganze Familie aus... und meine Kinder sind doch noch so klein.“
Er weinte bitterlich und hob flehentlich seine gefesselten Hände zu Naeemah empor.
„Ihr könnt mich doch nicht hier zurücklassen. Bitte, Sie werden mich finden und... und...“, der Rest ging in Schluchzern unter.
Eiskalt betrachtete Naeemah den Mann von oben herab und ein Teil ihrer Seele schrie erfreut über die sich am Boden windende Kreatur auf, weidete sich an der Angst und dem Leid des gebrochenen Mannes, genoss die Macht über Leben und Tod. Naeemah regte keine Miene, als sie das Kamel wortlos wendete und es antrieb. Sie sah nicht zurück, aber sie konnte die Schreie und das Wimmern des Mannes nicht ausblenden.
Sie trieb das Kamel zur Eile an und behielt misstrauisch die Dunkelheit im Auge, schemenhafte Umrisse zeichneten hier und da durch Bewegungen ab und alle kannten nur ein Ziel: Ahmed.
Wenig später steigerten sich die Schreie um Gnade zu hysterischem Kreischen und Schmerzenschreien. Dann erklang ein Geräusch. Es war ein Reißen und Knacken zu hören, als ob man Fleisch durchtrennt und Knochen aus den Gelenken hebelt.
Das war das Letzte, was Naeemah von Ahmed hörte.