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[Story] Afterwards...

Kapitel VI - Teil IV






Keine Sekunde zu spät, denn um die leichte Biegung kam die ganze Meute der Verfolger angerannt –sie jubilierten schon, da sie wussten, dass diese Strasse eine Sackgasse war – und waren daher doppelt überrascht, nur eine Frau und einen Mann vorzufinden.
Geschockt kam die Menge zum Stehen, während Sadira auf sie einplapperte, die Diebin wäre durch den Spalt geschlüpft und ihr wäre es zu dreckig, um hinterher zu kriechen.

Während die Verfolgermeute noch ratlos vor dem viel zu kleinem Loch und der jammernden Sadira standen, rannte Naeemah über die Flachdächer der Stadt in Richtung Süden.
Sie hatte, dank der vormittäglichen Aufregung, wirklich genug von Lut Gholein und beschloss, ohne große Umschweife in ihr Haus zurückzukehren.
Wenn sie es schaffte, ein Reittier zu stehlen, würde sie noch heute Abend daheim ankommen und könnte sich, dass erste Mal seit langem, wieder einmal richtig entspannen.
Allerdings wäre es durch das stetige Treiben der Karawanserei am Nordtor zu riskant, dort ein Tier zu stehlen, mal ganz davon abgesehen, dass diese Tiere meist, wie der Kamelhengst, den sie auf der Reise geritten hatte, übelgelaunt und unwillig waren.
Dafür gab es im Süden der Stadt Stallungen des kaiserlichen Hengstdepots, die empfindlichen Tiere verbrachten den Winter in der warmen Wüstenstadt, damit sie nicht an Erkältungen erkrankten oder sich Lungenentzündungen einfingen.
Es war zwar schon etwas spät, also Frühling, aber Naeemah hoffte, dass wenigstens noch die besondern Prachtstücke in Lut Gholein geblieben waren, allesamt Spitzentiere, Rennpferde, edle Zuchtrosse, irgendetwas in der Richtung stellte sich Naeemah vor.
Sie konnte sogar bereits die Dächer der Stallungen erkennen – und ein paar Tiere. Abrupt bremste sie auf ein gemächliches Tempo herunter, kniete sich schließlich hin und schlich auf allen Vieren über die Dächer.
Als sie das vorletzte Dach vor dem Vorplatz des Gestüts betrat, schwante ihr Übles.
Das Gebälk ächzte unter ihrem Gewicht und bog sich leicht durch.
Sorgsam setzte sie Hand vor Fuß und tastete sich langsam vorwärts.
Als sie etwa die Mitte des Daches passiert hatte, ertönte ein lautes Krachen und Bersten, die Balken brachen und Naeemah fiel durch das Loch hinab in den Innenraum des Hauses.
Glücklicherweise hatte sie sich wohl über dem Schlafzimmer des Hauses befunden, denn sie landete butterweich auf einem großzügig geschnittenen, wenn auch etwas muffig riechenden Diwan.
Nur ein paar spitze Bruchstücke des Dachstuhls trübten die perfekte Landung und bohrten sich äußerst schmerzhaft in Naeemahs Rücken.
Diese pflückte die Bruchstücke unter sich hervor, warf sie erstmal auf den Boden und lehnte sich noch ein paar Sekunden zurück. Da sie keinen Schreckensschrei vernommen hatte, ging sie davon aus, dass der Besitzer des Hauses nicht daheim war.
Und ein paar ruhige Minuten auf einem weichen Bett konnte sie nach all dem Trubel am heutigen Tag wirklich gebrauchen.
Die geschärften Sinne der Kriegerin konnten auch kaum eine Präsenz in dem Haus wahrnehmen, weder hörte sie verdächtige Geräusche, noch roch sie den spezifischen Geruch von starker Magie, die ihr Blut in Wallung brachte und jede Faser von Naeemahs Sein nach Blut schreien ließ.
Entspannt betrachte sie die Umgebung, ein kleines, nicht besonders prächtig ausgestattetes Zimmer eines gewöhnlichen Unterschichthauses. Hell verputzte Lehmwände, die inzwischen aber viele graue Gebrauchsspuren aufzeigten paarten sich mit den verblassten Teppichen, die in einer zentimeterdicken Schicht den Lehmboden verbargen. Das Muster der Teppiche war typisch für die Wüstenregion, aus dicken Schaf- oder Kamelwollfäden engmaschig geknüpfte florale Muster in erdigen Rot- und Brauntönen bestimmten das Bild. Möbel fanden sich in dem Zimmer wenig, bis auf den verschlissenen Diwan, auf dem Naeemah lag, gab es noch ein paar Regale, auf denen sich Flaschen und Dosen mit undefinierbaren Inhalten stapelten.
Das Zimmer hatte ein kleines, mit einer zerrissenen Decke verhangenes Fenster und auch die Zimmertür bestand nur aus einem schlichten Ledervorhang.
Naeemah fiel ein seltsamer Geruch auf, den sie schon lange nicht mehr gerochen hatte, deshalb konnte sie ihn auch nicht gleich zuordnen.
Es war ein Geruch, so schwer wie Räucherwerk, aber doch leicht und lockend, ein angenehmer Geruch, der Naeemahs Nase kitzelte und sie von ihrem Lager lockte.
Sie kannte diesen Geruch, sie war sich sicher, ihn schon öfters gerochen zu haben und sie erinnerte sich, dass sie ihn sehr mochte und etwas äußerst Positives mit seinem Auftreten verband.
Leichtfüßig erhob sich Naeemah, dem Geruch folgend und schob den Ledervorhang zur Seite, um einen Blick in den dahinter liegenden Raum zu werfen.
Es schien eine Art Vorratsraum zu sein, denn an der Wand stapelten sich Vorratskörbe und Amphoren, die, wie eine kurze Überprüfung belegte, sicherlich Öl und Weizen enthielten. Darunter gab es noch Zwiebelknollen, etwas Trockenfleisch und getrocknete Kräuter, die Naeemah als diverse Heil-, aber auch Giftkräuter identifizierte.
Der Bewohner des Hauses musste sich einen kleinen Garten angelegt haben, denn so ohne weiteres kam man nicht an diese Art von Kräutern. Einen weiteren Raum gab es nicht, aber am Boden des Vorratsraumes wies eine Luke auf den unteren Teil des Hauses hin.
Vorsichtig trat Naeemah an die Luke heran, doch bevor sie sie öffnete, gab sie etwas Öl aus einer der Amphoren auf die Scharniere, um ein Knarren oder Quietschen derselben zu vermeiden.
Langsam zog sie die Luke nach oben und spähte die Leiter hinab.
„Ichhhh daaachhhte sssschon, du bleibsssst ewiiiig auf dem Bett liegen!“, eine ungewöhnlich zischende Stimme erklang, die sich außerdem durch eine seltsame Ruckartigkeit beim Sprechen auszeichnete.
Trotz das Naeemah niemanden innerhalb des Lukenbereiches sehen konnte, zog sie sich rasch zurück.
Im unteren Bereich des Hauses erklangen Schritte, langsam, humpelnd, wie die eines alten oder verletzten Menschens – auf jeden Fall trug derjenige einen Gehstock mit sich.
Mit welchem der Unbekannte auch gegen die Luke klopfte.
„Ichhhh weissss, dasss du da oben bissst, brauchssst dichhhh gar nichhhht zssu verssssteckken!“ Die Stimme erklang erneut, energisch, unterstrichen mit den Stockschlägen.
„Ichhhh tu dirrr sssschon nichhhtsss, willssste du eine aaalte Frau erssst eine Leiterrrr hochhhkletterrrn lasssen?“
Mit einem Ruck öffnete Naeemah die Luke und sah sich dem Bewohner des Hauses Auge in Auge gegenüber.
Die Augen waren groß, goldfarbend, mit schmalen, senkrecht stehenden Pupillen und mit einer Kapuze verhangen.
Die Augen ihres Gegenübers fixierten sie wie die Schlange ihr Opfer, aber Naeemah erwiderte den Blick ohne ein Wimpernzucken, während sie vorsichtig die Leiter hinunter stieg.
Schließlich drehte sich der Hausbesitzer von ihr weg, und ging in den nächsten Raum. Dabei war gehen eigentlich nicht das richtige Wort, es sah aus, als würde er schweben oder gleiten, dabei wurde der Gehstock polternd hinter sich hergezogen.
Naeemah sah sich flüchtig in dem neuen Raum um, ehe sie dem Hausbewohner in den Nächsten folgte. Dieser Raum war nichts besonders, Eingangsbereich von außen und gleichzeitig eine Küche mit Kochstelle.
So betrat sie gespannt den nächsten Raum.
Der Bewohner hatte sich inzwischen auf einen Polsterhaufen niedergelassen und blickte Naeemah an: „Koooomm, koooom, näherrrr! Ssssetzzz dichhh!“
Dabei wies ihr eine schuppige Hand den Weg zu einem gegenüberliegenden Polsterhaufen.
Als Naeemah Platz nahm, zischte sie ihr Gegenüber mit einer zufriedenen Stimme an: „Ichhh, ichhh hhhabe dichhh erwarrrrtet! Du kommsssst ssspät!“
„Ich wusste nicht, dass wir eine Verabredung hatten. Wer bist du überhaupt?“, fragte Naeemah ungerührt.
„Mein Name tut hierrr nichhhtssss zsssur Sssachhhe, aberrr unssserrre Verrrabrrredung issst sssso alt wie die Menssschhhheit! Lassss unsss aberrr nichhht überrr die Verrrrgangenhheit sprrechhhen, sonderrrn überrr deine Zsssukunft, Naeemahhhh“, starr fixierte sie ihren Gesprächspartner, dann wandte er, oder doch eher es?, sich ab, langte über den Tisch und griff sich einige getrocknete Kräuter, die die Kreatur in die auf dem Tischchen stehende Öllampe streute.
Die Flamme loderte kurz in einem kräftigen Grün auf und kehrte dann wieder zum üblichen Orange-Rot zurück.
Sogleich wurde der kleine Raum von einem duftig-harzigen Geruch erfüllt, den Naeemah noch aus Kindertagen kannte. Auch glich er dem Geruch, welchen sie bereits in ersten Stock wahrgenommen hatte und urplötzlich fiel ihr ein, was diesen Geruch verursachte. Nur ein Gemisch spezieller Kräuter, aus denen Naeemah ihr stärkstes Gift herstellte, erzeugte beim Verbrennen diesen Geruch.
Da habe ich also eine Wissende vor mir
Alarmiert setzte sich Naeemah so aufrecht, wie es die vielen Polster erlaubten. Sie versank förmlich in dem ungeheuren Kissenberg und fühlte sich dabei sehr unwohl. Aus den Augenwinkeln versuchte sie, Fluchtmöglichkeiten auszumachen, außerdem beschloss sie, nichts zu sich zu nehmen, was ihr angeboten wurde.
Flink taxierte sie die Wände ab, doch es gab keine Fenster, zumindest keine, die hinter den dicken Wandteppichen durchschienen. Der ganze Raum wurde nur durch ein spärliches Feuerchen in der hinteren rechten Ecke beleuchtet und der sanfte Lichtschein gab nur wenig Aufschluss über die Umgebung und die Kreatur, die ihr gegenübersaß.

Irgendetwas störte sie noch. Sie war sich sicher, die Quelle des seltsamen Geruchs ausgemacht zu haben, aber irgendetwas stimmte noch nicht. Sie nahm eine feine Nuance wahr, die nicht hierher gehörte.
 
Hallihallo Engel!


… keinen Schrecksschrei vernommen … Flüchtigkeit

… Muster der Teppich war typisch … Flüchtigkeit

… sie ich sehr mochte und … Flüchtigkeit

… den dahinterliegenden Raum … Auseinander?

Trotz das Naeemah niemanden innerhalb... Würde glaube ich obwohl sagen

Es werden ja immer weniger Dinge, die ich finde. Dann bekommst ja bald keine Post mehr von mir. :D

Das ist ja jetzt mal interessant. Was das wohl für eine Person ist. Aber wieso sagt diese Person, sie ist eine alte Frau und Naeemah spricht von einer männlichen Person? Sehr merkwürdig. Mal schauen, ob das aufgeklärt wird.

Ansonsten ist ja nicht sehr viel passiert. Mal schauen, wie es weiter geht. Ich bin gespannt.

Bis dann denn
Skuhsk
 
Wow du schaffst es aber auch immer an den spannensten Stellen aufzuhören. Wie gemein ... Nun ja es ist sehr spannend geschrieben und macht lust auf mehr. Find dieses Update extrem gut - klingt sehr harmonisch. Ich weiß nicht woran ich es fest machen könnte - einfach ein Gefühl.

lg, Gandalf
 
-G4nd4lf- schrieb:
Wow du schaffst es aber auch immer an den spannensten Stellen aufzuhören. Wie gemein ...

Ah! Danke danke! :kiss:

Danke auch wieder für die Korrekturen, die sind jetzt drin.
Fehler sind deswegen so wenige drin, weil ich auf der Arbeit echt richtig viel Zeit hatte um wirklich viel zu schreiben - und das Word auch besser korrigiert als meines daheim! ;)
 
solltest du auf der arbeit nich für die arbeit arbeiten anstatt die dortige arbeit aufgrund dieser arbeit zu verschieben? :D :D :D
 
Lordamul schrieb:
solltest du auf der arbeit nich für die arbeit arbeiten anstatt die dortige arbeit aufgrund dieser arbeit zu verschieben? :D :D :D

Äh ja. Gott sei Dank ist Arbeit bei der Praktikumsstelle recht rar gesäet :)
 
Kapitel VI - Teil V






Die Schattenverläufe an den Wänden konnten auf weitere Vorratskörbe, vermutlich mit Kräutern, Pilzen und Giften, hinweisen, außerdem ließ sich im halbdunkeln noch allerhand Tand ausmachen.
Gespenstisch thronte eine Götterstatue über der Feuerstelle und das Flackern der Flammenzungen tauchte das Götzenbild in ein schummriges Licht. Der Götze hatte, wie Naeemah es aus dieser Entfernung feststellen konnte, einen humanoiden Körper, aber spinnentierartige Beine und einen schakalartigen Kopf. In zwei der sechs Gliedmaßen hielt er Gegenstände, das in der Rechten schien eine Waffe zu sein, vermutlich ein Dolch, bei dem Inhalt der linken Hand tippte Naeemah auf ein Herz.
Grimmig starrte die Statue vor sich hin und auch Naeemahs Gegenüber fixierte sie.
„Ichhh hhhabe einen Auffftrag fffür dichhh“, zischte sich die Kreatur wieder in Naeemahs Gedanken.
Diese lachte hell auf: „Einen Auftrag? Für mich? Sehe ich aus, als ob ich von jedem Dahergelaufenen Aufträge entgegennehme? Die Zeit ist schon lange vorbei, Alte!“ Naeemah schnaubte höhnisch und wollte sich von ihrem Polsterberg erheben, doch ihr Gesprächspartner hielt sie mit einem garstigen Fauchen und Zischen zurück: „Hochmütige! Du wirst diese Aufgabe ausführen, ob du willst oder nicht, denn sie betrifft dich – und, mehr als jeden anderen, deine kleine Freundin!“
Zweifelnd blieb Naeemah stehen und schaute das Wesen überrascht an.
„Mellilah?“
„Ja, Mellilahhh und dein Leben gleichermassssen“, die Kreatur nickte zustimmend.
Naeemah lachte laut auf: „Hah, Alte, zu spät. Mellilah starb den ehrenvollen Tod des Kriegers nach Beendigung der Mission. Ihre Seele wird schon längst ins Rakuén eingezogen sein.“
Verbittert schüttelte sie den Kopf und schickte sich an, den Raum, dieses wunderliche Haus zu verlassen.
„Bissst du sssso blind oder willsssst du essss nicht ssssehen!“, das leise Zischeln der Kreatur steigerte sich zu einem lauten Fauchen, erregt hatte sie sich in sekundenschnelle von ihren Polstern erhoben und in ihrer eigentümlichen Weise vor Naeemah getreten.
Licht fiel unter die graue Kapuze des alten Umhangs und Naeemah hätte schwören können, Schuppen um die Augen zu erkennen, ein längliche Schnauze vielleicht, doch auf keinen Fall ein menschliches Gesicht. Züngelte dort eine schlanke, blassrote Zunge? Waren die Augen nicht wirklich die Augen eines Reptils?
Vieles hatte Naeemah schon auf ihren Reisen gesehen, Katzenmenschen, die auf zwei Beinen gingen, verwirrte Tempeldiener, die grausigsten Dämonen der Hölle – doch nie, niemals hatte sie ein Wesen gleich dem wahrgenommen, dass nun vor ihr stand.
Langsam schob das Wesen seinen Kopf auf Naeemahs Gesicht zu, erhob sich dabei auf eine stattliche Größe, bis sie Auge in Auge standen.
Ganz leise, fast zärtlich hauchte die Kreatur: „Die Magie ssschhhhwindet, Naeemahhhh, die Magie sssschhhhwindet. Du hassst ess dochhh auchh ssschhhon bemerkt! Vielleichhht in Ffforrrrm von versssagenden Portalrrrollen?“
Naeemah erblasste.
„Das hat gar nichts zu bedeuten. Vielleicht wurde ihre Wirkung durch die freigesetzte Energie aus Ba’als Tod verhindert oder gestört“, hielt sie standhaft dagegen.
„Hasst du auchh ssschon Bekanntssschhaft mit verdorbenen Heiltränken gemachht?
„Die sind bestimmt in der Hitze schlecht geworden. Letztendlich sind das auch nur Kräutertränke, die verderben können!“
„Ihhhrrrr, ihhhrrr verssschliessst eure ssschönen Augen fesssterrrr alsss ein Kamel im Ssssandsssturrrrm!“
Die Kreatur wandte sich ab und bewegte sich in den Küchenraum, wo helleres Licht herrschte.
Dann drehte sie sich wieder Naeemah zu: „Ihhhr brrrrauchhht nochhh einen Beweisss? Da, sssehhht, sssselbssst!“
Mit diesen Worten hob das Wesen den Rocksaum des Mantels etwas, als sich urplötzlich etwas darunter hervorschlängelte.
Naeemah keuchte entsetzt.
Ihre Sinne überschlugen sich, als sich eine wahre Druckwelle von Geruchspartikeln in ihrer Nase festsetzte – da war er, der Geruch, den sie fein und schleichend wahrgenommen hatte.
Gewaltsam überrumpelte sie die Wahrnehmung, so dass sie zurücktaumelte und völlig bar ihrer Kräfte zu Boden fiel. In letzter Sekunde konnte sie sich auf den Knien abfangen, als, wie im Rauschzustand, die Kreatur auf sie zutrat.
„Ssssiehhh, ssssiehhh, wasss ausss diessser Welt wirrrrd!“
Unter dem Mantelsaum der Kreatur hervor, schlängelte sich, langsam, gleitend, ein Etwas auf Naeemah zu. Verschwommen trat es in ihr Gesichtsfeld, zögernd hob Naeemah die Hand und tastete einen schuppigen Schwanz.
Er fühlte sich sehr seltsam an, kälter, als Naeemah es von einem wechselwarmen Tier bei der Außentemperatur erwartet hätte.
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Etwas war nicht richtig, doch ihre Sinne versagten immer noch, vor ihren Augen tanzten helle Lichtfunken wie Irrlichter im Moor, ihre Nase wurde immer noch von dem eigenartigen Geruch, den anscheinend der Reptilienschwanz verströmte, gefangen genommen und ihre Glieder wollten ihr um keinen Preis gehorchen.
Sie fühlte sich im Rausch der Sinne gefangen – alles sah und fühlte sich anders an – und nur mühsam gelang es ihr, sich, mit den Armen ziehend, wieder etwas weiter in den abgedunkelten Raum in Richtung Feuer, weg von der Kreatur zu robben.
Diese blieb stumm an ihrem Platz in der Küche stehen und beobachtete Naeemah, die inzwischen in der Mitte des anderen Raumes angekommen war.
Als die Übelkeit sie mit voller Wucht traf, brach die Kriegerin auf dem dicken Teppich zusammen.
Mühsam rollte sie sich auf den Bauch und versuchte, ihre rebellierenden Sinne und den Magen wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Doch nur die Tatsache, dass Naeemah die letzten Mahlzeiten ausgelassen hatte, bewahrten sie davor, sich einmal mehr zu übergeben.
Absolut regungslos lag Naeemah am Boden, schwer atmend, versuchend, die Umgebung wieder klar zu erkennen und die Halluzinationen zur Seite zu schieben.
Es waren sehr zwiespältige Gefühle, die Naeemah befielen. Einerseits fühlte sie sich großartig und gekräftigt, wie nach einem guten Kampf, andererseits war wohl die von ihr aufgenommene Energie einfach zu stark über sie gekommen und so hatte sie sich in einem Rauschzustand sondergleichen wieder gefunden.
Allmählich erholte sie sich, auf dem Rücken liegend, auf dem Teppich im Haus dieser Kreatur. Naeemah hoffte nur, das Wesen würde nun nicht auf dumme Gedanken kommen, so hilflos, wie sie zur Zeit war. Sie konnte noch nicht einmal ihre rechte von der linken Hand unterscheiden, geschweige denn überhaupt irgendetwas sehen.
Keuchend und stöhnend wälzte sie sich wie in Krämpfen auf den Boden, aber dann ließ die Übelkeit so schnell nach, wie sie gekommen war.
Naeemah schaffte es sich, mit den letzten mobilisierbaren Kräften, aufzurichten und zu einer Wand neben dem Feuer zu kriechen, an welche sie sich erst einmal aufrecht anlehnte.
Kleine Funken tanzten noch vor ihren Augen, aber die Dunkelheit im Raum und die Wärme des glimmenden Feuers taten ihr gut.
Als sie die Hand hob und sich ihr zerzaustes, schwarzes Haar aus dem Gesicht strich, bemerkte sie, dass sie vollkommen nass geschwitzt war.
Trotz der Hitze, die das Feuer in der Nähe ausstrahlte, begann Naeemah zu frieren, zitternd rieb sie ihre Hände an den Oberarmen.
Sie spürte, dass sich ihr Haar aus dem Knoten gelöst hatte, und nun frei in langen Strähnen über ihre Schultern und den Rücken fiel.
Die staubige Lehmschicht der Wand fand, eingeladen durch ihren Schweiß eintritt in ihr Haare und verklebte einzelne Strähnen miteinander.
Ebenso sog sich ihre Kleidung mit dem jahrhundertealten Staub der dicken Teppiche voll und blieb als dicke, starre Schicht kleben.
Naeemah strich sich mit einer schmutzigen Hand durchs Gesicht, während sie bemüht um Fassung kämpfte.
Allmählich klangen die Auswirkung der Übelkeit ab, aber erst, als sich die letzten Lichtfunken vor ihren Augen verschwunden waren und auch das damit verbundene Schwindelgefühl abklang, erhob sie sich mit zitternden Beinen langsam vom staubigen Boden. Mühsam, als wären es ihre ersten Schritte, wankte sie mit weichen Knien vorwärts, während sich vor ihren Augen schon wieder alles zu drehen begann.
Gerade noch so konnte sie sich auf den Haufen Polster fallen lassen, von dem sie noch vor kurzer Zeit aufgestanden war. Sie stöhnte, denn zu allem Überfluss setzte ein starker Kopfschmerz ein, der sich hinter ihren Augen bohrend in den Kopf fraß und schlängelte.
Als die Kreatur neben sie trat, bemerkte sie es zuerst nicht, doch das Wesen reichte ihr einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit.
„Da, nimm. Dasss wirrrd dirrr gut tun“, mit diesen Worten drückte sie Naeemah den Becher in die Hand und nahm wieder auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches platz.
Vorsichtig schnupperte Naeemah an der Flüssigkeit, konnte aber nichts Verdächtiges bemerken und trank ein paar Schlucke.
Prompt verbrannte sie sich die Zunge, doch in gewisser Weise war dies auch gut, denn das Gebräu schmeckte grässlich bitter, so dass Naeemah angeekelt ihr Gesicht verzog.
Trotzdem trank sie den Becher langsam bis zur Neige leer, denn sie spürte, dass es tatsächlich half.
Die Kreatur hatte sie die ganze Zeit beobachtet und als Naeemah den Becher auf den Tisch stellte, begann es zu sprechen:
„Ssssso, ichhh hhhoffe ihrrr ssseid nun überrzeugt… und wirrr können nun zssu den Tatsssachhen sssschrrreiten…“
„Moment, nicht so schnell!“, widersprach Naeemah, „zuerst einmal möchte ich wissen, was diese Reaktion bei mir ausgelöst hat. So geht das nicht, Ihr könnt doch nicht einfach irgendwelche Sachen behaupten und mich dann außer Gefecht setzen – noch werde ich einen feuchten Kehricht für euch erledigen“
Die Kreatur lachte hohl auf und schüttelte den Kopf so stark, dass die Kapuze des Umhangs nach hinten in den Nacken fiel.
Ein schuppiger Schlangenkopf wurde sichtbar, in einem kräftigen Smaragdgrün gefärbt und mit interessanten blassgrünen Muster übersäet.
Die goldfarbenen Augen blitzten wie Topase aus dem Schlangengesicht und gelegentlich huschte eine tiefrote Zunge zischelnd aus dem Maul hervor.
„Nun gut, wie du esss willssst. Ichhh dachhte nichhht, dassss ichhh Zsseugnisss ablegen musss. Fangen wirrr alssso vorrne an.
Wie du sssiehssst, bin ich eine Haa’win, Schlangenmenschen nennt ihr uns, ein durrchhh und durrrchh magissschhess Wesssen. Wie ichhh dirrr berrreitsss sssagte, sssstirrrbt die Magie diessserrr Welt. Und du alsss Magekillerrr rrreagierrrst bessonderrrsss ssstarrrk auf die Ausssdünsstungen verrrwessenderrr Magie…“
Naeemah lacht auf, verstummte aber sofort, denn das Lachen fügte ihr eine neue Welle von Kopfschmerzen zu.
„Ihr wollt mir allen Ernstes erzählen, sterbende Magie würde einen Geruch verströmen? Das könnt ihr den Geschwistern eures Geleges erzählen – ich bitte euch, dass ist doch lächerlich!“
Genervt fauchte die Schlange Naeemah an: „Wasss, glaubt ihrrr, wasss lässsst euch immerrrr sssso gut fühhlen, wenn ihhhrrr einesss eurrrerrr Opferrr zurr Strrrecke gebrrracht habt? Wasss fürrr einen Gerrruch, glaubt ihrrr, verrrstrrömt eine tote Magierrrin?“
Naeemah ließ diese wahnwitzige These unkommentiert im Raum stehen. Sie hatte genug von dieser Schlange, sollte sie doch reden, sobald sie fertig wäre, würde Naeemah heimgehen.
Unberührt fuhr die Schlagen fort: „Und wenn dichhh nichht ein Rausssch befallen hätte, alsss ichhh den Mantelsssaum hob, hättessst du ssssehen können, dasss derrrr unterrre Teil meinesss Körrrperrrrs langsssam verblassst und versssschwindet.“
Traurig ließ das Wesen den Kopf hängen und setzte entschuldigend dazu: „Ichhh konnte ja nichhht ahhnen, dassss ihrrr Magekillerrr sssso auf ssstarrrken Magieverrrfalll rrrreagierrrt.
Allessss, wasss diesse Welt in den Fugen hält, verrrsssschwindet und zerrrbrricht.“
„Und was geht mich das an, wenn die Magie schwindet? Ist grundsätzlich doch in meinem Interesse, dann brauche ich keine Magier mehr zu meucheln sondern kann mich zur Ruhe setzen“, erwiderte Naeemah trotzig.
„Du verrrssstehssst mich immerrrr noch nicht“, zischelte die Schlange enttäuscht und blinzelte Naeemah träge zu, „mal abgesehhhen davon, dassss viele von euch dasss Massssensssterrrben nichht überrrleben werrrden, weil ihrrr in einem Rrrrausch gefangen ssssseid, sso werrrden doch die letzssten Überrrlebenden von euch sterrrben, wenn die Magie verrrschwunden ist. Ihrrr Magekillerrrr und die Magierrr, ihrrr seid wie zssswei Sssseiten einerrr Medallie, ohne die Eine gibt esss die Anderrrre nicht.
Aberrrr dem nichht genug, alsss ich ssagte, dasss die Welt ausss den Fugen gerrät, warrr dasss keine blosssse Flossskel. Sssanktuarrrio, ssso wie du ess kennst, wirrrd zssserrfallen und zsserrrgehhen.“
Naeemah stöhnt laut auf: „Na und? Soll sich doch ganz Sanktuario zur Hölle scheren und meinetwegen auseinanderbrechen – Sanktuario ist für mich schon lange nicht mehr von Interesse. Warum soll ich immer die Retterin spielen? Gibt es nicht genug junge Müßiggänger und Abenteurer, die einmal Lust haben, für Ruhm und Ehre einen hohen Preis zu zahlen? Ich für meinen Teil bin schon weit über dem Zenit, ich mache mir keinen Finger mehr schmutzig für irgendjemandes Interessen. Lange genug bin ich Werkzeug für Ibn-Sabbah und seine Machenschaften gewesen, habe im Auftrag gemordet, verstümmelt, gefoltert und Kriege geführt und was war mein Lohn des Ganzen? Den einzigen Menschen, der mir je etwas bedeutet hat, habe ich sterben sehen. Nein, ich werde niemals mehr in Sanktuarios Interesse handeln und schon gar nicht, wenn der Auftrag zur Rettung von einer dahergelaufenen, halbverfaulten Schlange kommt!“
Naeemah schwieg. Auch der Schlangenmensch sagte kein Wort, sondern saß ganz still da und starrte sie an.
Eine ganze Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, während sie einen stummen Kampf mit den Augen ausfochten.
In Naeemah herrschte eisige Entschlossenheit, sie würde sich auf keinen Fall wieder instrumentalisieren lassen, weder von Ibn-Sabbah, selbst, obschon dies auf kurz oder lang ihren Tod bedeuten würde, noch von diesem dahergelaufenen, schlangenähnlichen Etwas. Für nichts und niemanden und schon gar nicht, wo sie so kurz vor ihrer Heimkehr stand.
Sie konnte die reine Luft und die getrockneten Kräuter ihres Häuschens fast schon riechen und von den Dächern Lut Gholeins aus hatte sie auch schon den Abgrund erblickt, an dem sie ihr Heim mit eigenen Händen aus Lehmziegeln und Reetgras erbaut hatte. Und nun, nun saß hier diese Kreatur vor ihr und wollte ihr, schon im Angesicht ihres Zieles, den letzten Weg versperren? Sie wieder zu alter Knechtschaft und Weisungsabhängigkeit zurückführen?
Niemals!
 
Tja was soll ich sagen - ich verstehe immer noch kaum mehr als letztes Wochenende. Hätte gehofft, jetzt ist irgendwie mal wieder ein Ziel vorhanden. Das ist halt ärgerlich, wenn die updates zu so einem Zeitpunkt aufhören. Nun ja kann man nichts machen. :)

Abgesehen davon. Schones Update, gewohnt guter Stil und spannend zu lesen. Weiter so - bloß mal andere Stellen zur unterbrechung suchen... :)

lg, Gandalf
 
-G4nd4lf- schrieb:
Tja was soll ich sagen - ich verstehe immer noch kaum mehr als letztes Wochenende.

Nenn mich sadistisch, aber:
Das ist auch gut so und gewollt!

Du sollst da gar nichts verstehen.
Du wirst dir dafür später irgendwann einen Ah-Ha! Effekt haben.
Hoffentlich :D
 
hallo engel...
tolles Update... man ist ungefähr ein zehntel schlauer als letztes mal... jetzt wissen wir, was die Veränderungen sind, von denen Malah spricht, nachdem man den Weltstein zerstört hat... irgendsowas wie der Verlust der Magie hab ich mir auch immer vorgestellt :eek:
Vielleichtt haben wir alle zuviel Terry Pratchett gelesen? :D
also insgesamt ein tolles update, vor allem weil es nicht immer um Kampf oder so geht, sondern auch mal interessante Dialoge stattfinden :top:

Ich hab auch noch ein paar eventuelle Fehler gefunden:
„Bissst du sssso blind und willsssst du essss nicht ssssehen!“
Vom Kontex her sollte da doch eher ein ODER hin statt einem und, oder? :D

Kleine Funken tanzten noch vor ihren Augen, aber die Dunkelheit und die Wärme des Feuers taten ihr gut.
Der Satz klingt so, als würde das Feuer die Dunkelheit verströmen... da solltest du vielleicht noch was ändern :)
 
Hallihallo Engel!


… das Flackern der Flammenzungen tauchten das … tauchte? Bin mir nicht sicher

… schon lange vorbei, Alte!wieder weiblich?

… ihr Gesprächsparnet hielt … Flüchtigkeit

Tatsssachhern ein r baut er auch nicht ein, oder?

… einen feuchten Kericht für... Flüchtigkeit

… du alsss Magekillerrr rrreagierrrst... Flüchtigkeit

… lässsst euch euch immerrrr sssso... Flüchtigkeit?

… zur Hölle schweren und... Flüchtigkeit

… die einmal Lusthaben, für... auseinander?

Einmal duzt die Kreatur Naeemah und dann siezt sie sie.

Ja, wie das wohl weiter geht. Wenn du keine Lust mehr hast, lässt du sie jetzt einfach nach Hause gehen und von jemanden dahin meucheln. :D

Aber wenn ich nicht ganz verkehrt liege, wird sie den Auftrag annehmen müssen. Hehehe Gut für uns.

Weiter so. Wird bestimmt noch hochinteressant. Auch der Zusammenhang zur Zauberin.

Bis dann denn
Skuhsk
 
So, danke für die Korrekturanregungen, korrigiert ist . :)

Zum wechseln der Anrede und des Geschlechts der Kreatur:
Also, erstens ist Naeemah verwirrt und kann ihr Gegenüber nicht wirklich eindeutig als männlich oder weiblich identifizieren. Mit "Es" läßt es sich aber schlecht ansprechen und festlegen wollte ich mich nicht. Daher wechselt das.
Ähnlich verhält es sich mit dem Siezen/Duzen. Naeemah verfällt meistens in ein Duzen, wenn sie überhaupt keinen Respekt vor dem Gegenüber hat oder einfach stocksauer ist.
Hinzu kommt noch, dass sie eben verwirrt und auf von ihrem Rauschzustand ziemlich gefangen ist, daher entsteht diese wechselnde Anrede.

Dann kann ich euch beruhigen - die Geschichte wird definitiv nicht mit der sofortigen Heimkehr enden - das fände ich etwas, hmm, unbefriedigend und Naeemahs Fähigkeiten nicht würdig.
Wenn ich das im Kopf alles recht geplant habe, passt diese Geschichte bis zum Ende in ein dickes, dickes, dickes Buch. ;)
 
Wow das wäre doch was feines :) Kannst ja dann auch mal an den ein oder anderen Verlag schicken :) Ich freue mich auf jeden fall, dass du große Pläne mit der Story hast - könnte ja mal ne lesepause einlegen und dann irgendwann mal gaaanz viel auf einmal lesen *freu*

lg, Gandalf
 
Ja, Kinners - Schande über mich - 1 Stunde und 46 Minten zu spät.

Aber jetzt kommt das Update, nur für euch kurz vorm zu Bett gehen:
 
Kapitel VI - Teil VI






Schließlich erhob sich das Schlangewesen und bewegte sich in seiner eigentümlichen Art und Weise in die kleine Küche, drehte sich zu Naeemah um und zischelte: „Nun gut, wenn du dichhh sssso sssturr ssstellsst hat esss keinen Ssssinn. Fallsss du esss dirrr anderrs überrrlegssst, du findessst mich hierrr. Und jetzssst verrrlassss bitte mein Haussss...“
Naeemah stand rasch auf und eilte fast an der Schlange vorbei. Als sie den Vorhang, der als Haustür diente, anhob, um hindurchzutreten, vernahm sie noch ein letztes Zischen: „Immerrrhin bissst du jetzssst gewarrrnt, hab Achhht, dassss dichhh die sssterrbende Magie nicht niederstrrreckt!“
Naeemah nickte der Kreatur noch einmal im Gehen zu und trat dann auf die Strasse hinaus.
Es war, als würde sie eine andere Welt betreten, denn auf der kleinen Gasse war ein reger Betrieb. Händler und Kaufleute boten rechts und links des Weges ihre Waren dar, spielende Kinder trieben Reifen über das holprige Pflaster und junge Mütter unterhielten sich rege mit ihren Freundinnen, tauschten kleine Tipps und Tricks über Stoffe, Einkauf und Männer aus.
Irritiert, dass der Lärm der Stadt nicht ins Innere des Hauses gedrungen war, drehte sich Naeemah noch einmal um, doch statt des Vorhangs bestand die Tür nun aus alten, halbverfaulten Holzlatten. Große Löcher waren in dieser provisorischen Tür zu sehen und auch die Klinke fehlte vollständig.
Vollends verwundert betrat Naeemah noch einmal das alte Gebäude, doch auch hier bot sich ihr ein vollständig anderes Bild. Der kleine Küchenraum war, bis auf ein paar zerbrochene Krüge, leer und schmutzig. Das kleine Fensterchen war mit Latten vernagelt und auch im nächsten Raum sah es nicht besser aus. Der Tisch fehlte, auch die Teppiche auf dem Boden waren nicht mehr vorhanden und die Feuerstelle sah aus, als wäre sie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden und auch der Bewohner des Hauses schien nicht mehr da zu sein. Naeemah ersparte sich die Untersuchung der oberen Räume und verließ grübelnd das Haus.
Sollte sie sich in Folge des Sturzes durch das Dach etwa so stark am Kopf verletzt haben, dass sie sich alles nur eingebildet hatte? Hatte sie an so starken Halluzinationen gelitten?
Doch schnell schob sie ihre Sorgen beiseite, denn sie kannte nur noch ein Ziel: Heim!
Sie würde weiterhin ihren alten Plan verfolgen und sich eines der Tiere aus dem fürstlichen Hengstdepot stehlen, um ihre Heimkehr zu beschleunigen, doch dafür würde sie erst einmal feststellen müssen, wo sie überhaupt war.
Außerdem war da immer noch das Kopfgeld, welches auf sie ausgesetzt war, daher sollte sie sich besser unauffällig fortbewegen.
Leider würde ihr dies in ihrer jetzigen Kleidung nur schwer gelingen, denn es gab wohl nur sehr selten Frauen, die eng anliegende, schwarze Anzüge trugen.
So schnell es ging huschte sie am Rande der Strasse entlang, bis sie auf eine noch kleinere Seitengasse stieß. Instinktiv bog sie in diese Strasse ab, ihre Augen überflogen die Umgebung. Hatte dort oben auf dem Dach des Gebäudes Wäsche in einer kleinen Brise geflattert?
Da sie dringend auf neue Kleidung angewiesen war, beschloss sie, das Risiko einzugehen. Nach alter Manier suchte sie sich eine stabil aussehende Wand und kletterte an ihr empor. Oben angekommen musste sie sich noch zwischen mehreren Gebäudedächern entlang hangeln, dafür hatte sie ihr scharfes Auge aber nicht getrübt. Tatsächlich hatte eine Bürgersfrau ihre Wäsche auf dem Dach zum Trocknen gehängt.
Über eine Mauer gelangte Naeemah auf das Dach und somit in die Nähe des Objekts ihrer Begierde. Die Kleider flatterten munter im Wind und waren auch schon fast trocken.
Naeemah wusste, sie würde sich beeilen müssen. Sie schätzte grob die Größe eines dunkelbraunen Kleides ab und hoffte, dass es ihr passen würde, und auch noch groß genug wäre, um ihre verräterischen Gürteltaschen zu verdecken.
Schnell entledigte sie sich ihrer alten Kleidung, welche sie in einer bauchigen und total verschlammten Regentonne versenkte. Dann streifte sie das gestohlen Kleid über den Kopf – es passte!
Glücklicherweise hatte sie recht kleine Füße, so dass die verräterischen schweren Kampfstiefel unter dem Rock gut verdeckt waren. Schwieriger gestaltete sich jedoch, von dem Dach wieder hinunter zu kommen, denn die kleine Seitengasse schien auf einmal mit Menschen übersäet.
Ungeduldig passte Naeemah einen günstigen Moment ab, ließ sich dann an einer Wand auf eine Markise niedergleiten und erreichte den Boden schließlich, in dem sie sich an einem der Stützposten der Markise herunter rutschte.
Flüchtig ordnete sie ihr neues Kleid und setzte ihren Weg zu dem Gestüt fort. Ständig war sie bemüht, nicht zu schnell zu laufen, um den Eindruck einer normalen Bürgersfrau nicht zu verlieren. Ihr Gesicht hielt sie stets zu Boden gerichtet, spähte aber durch die Wimpern nach oben und konnte so die gesamte Umgebung gut im Überblick behalten.
Es dauerte nicht lange und ihre neue Kleidung begann, sie schrecklich zu nerven. Nicht nur, dass die Mode anscheinend stets darum bemüht war, dem Betrachter möglichst wenige vorzuenthalten, es war einfach ziemlich ungewohnt, einen Rock zu tragen. Sie mochte einfach keine Röcke und wünschte sich sehnlichst ein paar Hosen, aber damit würde es wohl noch eine Weile dauern.
Inzwischen hatte sie auch schon wieder altbekannte Umgebungsmerkmale ausgemacht, sowie einige versteckte Assassinenzeichen, die ihr den Weg wiesen.
Eigentlich war jede Stadt, die im Einfluss der Wüstenvölker stand, mit Assassinenzeichen übersäht, doch sie waren meist so unauffällig angebracht, dass sie ein Unwissender als alltäglich hinnahm oder schlichtweg übersah.
Am leichtesten ließen sich solche Mitteilungen für ihre ehemaligen Schwestern an prächtig verzierten Häusern unterbringen, bei denen, reich an Wandmalereien und prächtigen Verzierungen, es nicht auffiel, wenn in die verschlungenen Muster der Malereien unauffällige kleine Zeichen angebracht wurden.
Die Assassinenzeichen wiesen für alle Mitglieder der Gilde den Weg, beispielsweise zum nächsten Hauptquartier, einer vertrauenswürdigen Unterkunft oder Händlern mit Qualitätsware.
Darüber hinaus gaben diese Zeichen noch Aufschluss über wohlerprobte und für die Öffentlichkeit unbekannte Fluchtwege und waren auch an Gebäuden angebracht, in denen schon einmal ein Auftrag ausgeübt worden war. Oft gaben kleine Zusatzmuster auch noch Informationen über die Art des Auftrages, die Wahl der Lösung und des Ausgangs preis, so dass eine Schwester, die in das selbe Haus gesandt worden war, zu einem anderen Mittel greifen konnte, um, zum Beispiel, den Verdacht von einem offensichtlichen Anschlag abzulenken.
Aber auch an den Häusern der ärmeren Leute war es möglich, solche Zeichen zu integrieren. Meist wurden sie in die furchigen Lehmwände eingekratzt und zwar in einer besonderen Art und Weise in die Beschaffenheit der Wand eingearbeitet, dass der ungeübte Betrachter es für simple Kratzer hielt.
Anhand dieser Zeichen navigierte sich Naeemah erfolgreich durch das Labyrinth aus Strassen und erreicht innerhalb von einer Stunde den großen, freien Platz vor dem Hengstdepot.
Allerdings musste sie mit tiefem Bedauern erkennen, dass die Sicherheitsvorkehrungen über die Jahre wohl gesteigert worden waren.
Die Stallungen waren von einer hohen Mauer umgeben und alle fünf Meter war ein Wachhabender postiert. Das große Eingangstor war offen, jedoch hatte man das Fallgitter heruntergelassen und dahinter standen ebenfalls zwei Wachen.
Naeemah würde sich etwas sehr geschicktes Einfallen lassen müssen, wenn sie unbemerkt in die Stallungen herein und auch unbemerkt wieder hinauswollte. Ärgerlich blieb sie auf dem Platz stehen und versuchte, Schwachstellen im Sicherheitssystem zu finden. Dann umrundete sie ein paar Mal gemächlich den Komplex, doch die Lage schien ausweglos. Frustriert versuchte sie, sich mit dem Gedanken abzufinden, die fünfzig Kilometer zu ihrem Häuschen zu Fuß zurücklegen zu müssen, doch ihre rebellische Natur fand sich nur schwer damit ab. Grübelnd ließ sie sich auf einer der grobschlächtigen Palmenholzbänke nieder, die ein anliegendes Gasthaus als Freisitze aufgestellt hatte.
Angestrengt betrachtete sie die wenig vorteilhafte Umgebung. Der Platz um den Stallkomplex war weitgehend frei, nur ein paar dekorative Beete mit Blumen und Palmen sowie ein einzelner großer Springbrunnen füllten den Platz, boten aber wenig Deckung.
Dabei war der Springbrunnen von besonders prächtiger Natur und Naeemah konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben, als sie das letzte Mal in Lut Gholein gewesen war. Der Brunnen war kreisrund und terrassenförmig aufgebaut. Auf der obersten Plattform befand sich eine gewaltige Statue eines prächtigen Hengstes, der, auf seine kräftigen Hinterbeine gestellt, wild den Kopf schüttelte und mit den Vorderläufen in die Luft trat.
Für die Wüstenvölker nahm das Pferd eine besondere Bedeutung ein. Zwar waren die Kamele um einiges nützlicher in der wasserarmen Region, aber die wirkliche Liebe der Wüstenvölker gehörte den Pferden. Ihnen hatten es besonders die kleineren, leichten Tiere angetan, die zwar keine so große Angriffskraft wie die schwerfälligen Bergpferde im Norden Sanktuarios hatten, aber dafür um einiges wendiger und schneller waren.
„Söhne des Windes“ nannten die Wüstenbewohner die schnellsten Hengste des Landes, die im fürstlichen Hengstdepot ihren Winter verbrachten.
Naeemah teilte die Passion ihrer Landsleute und wollte deshalb ihren Plan nur ungern aufgeben.
Ein „Grützli!“ riss Naeemah aus ihren Gedanken. Irritiert schaute Naeemah auf und sah sich einer hochgewachsenen, sehr schlanken Frau gegenüber. Ihr blondes Haar hatte sie in einem festen Zopf gebändigt, sie trug eine leichte Lederrüstung und hielt einen langen Speer in der Hand.
Erwartungsvoll strahlte die blonde Kriegerin Naeemah aus zwei saphirblauen Augen an: „Grützli, ist da neben dir noch frei?“
Bereitwillig rutschte Naeemah ein Stück zur Seite, erwiderte aber kein Wort, denn ihr stand der Sinn nicht nach einer Unterhaltung mit einer Ausländerin.
Abweisend schenkte Naeemah ihre Aufmerksamkeit wieder dem Rhythmus des Wachwechsels der Torposten, doch die junge Fremde sprach ungehindert auf Naeemah ein
„Ich bin Skadhi, Schildmaid und Wotans Braut aus den nördlichen Wäldern, aber meinen angeblichen Ehemann habe ich noch nie gesehen“, scherzte Skadhi.
„Guten Tag“, erwiderte Naeemah schließlich kurz angebunden.
„Seid ihr alle hier so ein gesprächiges Völkchen?“, fragte Skadhi belustigt.
„Jaja“, antwortete Naeemah, die nur mit halbem Ohr zugehört hatte.
„Hast du schlechte Laune?“, fragte Skadhi neugierig, plapperte aber ohne abzuwarten weiter, „weißt du, meine Mutti hat immer gesagt: Beginne den Tag mit einem Lächeln und er wird mit einem Lächeln enden!
Ich glaube ja nicht, dass es so einfach geht – iss lieber etwas Saures, denn Sauer macht Lustig, sag ich immer!“
Skadhis Redeschwall wurde nur von der nahenden Schankmaid unterbrochen, die die Bestellungen aufnahm. Skadhi ließ sie ein dunkles, importiertes Bier aus dem Barbarenhochland bringen, Naeemah bestellte nur ein Glas Wasser.
Als die Schankmaid, ein dickliches Ding, abkassiert hatte, sprudelte Skadhi wie ein Wasserfall los.
Naeemah wurde allmählich ungehalten. Nicht nur, dass sie Skadhis Anwesenheit an sich als störend empfand, nein, sie hatte auch noch so einen eigentümlichen Dialekt, dessen Sprachmuster Naeemahs Gedanken verjagten wie Falken die Spatzen. Skadhi zog bei der Aussprache der Wörter besonders Vokale sehr lang und hatte ansonsten eine sehr abgehackte Sprechweise. Die Worte prasselten auf Naeemah nieder, so dass sie sich sehnte, wieder halb bewusstlos im Haus der Schlange zu liegen.
Aber beinahe hatte sie die Probleme gelöst, ihr fehlte nur noch ein winzigkleines...ein ganz winziges Detail. Es lag ihr auf der Zunge, sie konnte es förmlich schmecken und gerade in dem Moment, als sie danach greifen wollte – sie konnte die Lösung schon sehen – stieß ihr auf einmal jemand seinen Ellenbogen kräftig in die Rippen.
Naeemah prustete los und verschluckte sich an dem Schluck Wasser und spuckte schließlich ihr Gegenüber an, selbst der Kamelhengst des Karawanenführers hätte es nicht besser gekonnt. Entschuldigend suchte sie den Verursacher des Stoßes und fand ihn schnell.
Skadhi stieß sie nämlich noch einmal kräftig an.
„Hey, ich glaube, du hast mir nicht richtig zugehört!“, protestierte sie, „ich habe dich gefragt, ob du auch so gerne Pferdli magst wie ich!“
Wütend schaute Naeemah den Störenfried an.
„ Siehst du nicht, dass du nervst?!“, fauchte sie erbost.
 
Ich glaube ich habe eine neue Lieblingsfigur
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Edit: gut, aus ein wenig zeitlicher Distanz betrachtet muß ich dann doch sagen, daß das Mädel vielleicht doch ein wenig zu, nun, derb wirkt. Mich erschüttert so leicht nichts, aber eine schweizernde Schildmaid nordischer Machart in Lut Gholein -- das ist wirklich hart an der Grenze :D
 
Hallihallo Engel!


… erhob sie das Schlangewesen … Gleich beim dritten Wort! :autsch:

… würde ihr diese in ihrer jetzigen… Flüchtigkeit

… schließlich, in dem sie sich an einem der Stützposten.… Flüchtigkeit

… umgeben, um die alle fünf Meter ein Wachhabender postiert war … hört sich komisch an

… obersten Platform befand... Flüchtigkeit

Na, das ist doch mal eine nette Person, die du uns da beschert hast. So ein sonniges Gemüt. Sie passt so richtig zu unserer Heldin. :lol:

Ging doch mal wieder nett weiter. Mal sehen wie sie nun an ein Pferdchen kommt. Ob der Sonnenschein da etwas machen kann? Wachen ablenken? Oder hat sie welche? Wieso sind die Samstage nur so weit auseinander?

Bis dann denn
Skuhsk

P.S.: Hatte nun gerade den Kommentar von DybrarH gelesen und stimme ihm ja etwas zu mit dem Dialekt, aber was solls. Ihre Familie ist halt vor langer Zeit ausgewandert und hat den Dialekt beibehalten. :D
 
Ja, ihr habt wirklich recht, so eine Schildmaid mit Dialekt in Lut Gholein passt nicht.

Vielleicht gibt der nächste Teil des Kapitels Aufschluß darüber? :confused:

Btw, ich bin sehr froh, euch ankündigen zu dürfen, dass es am 31.10 ein Extra-Update geben wird!
Warum?
Na ja, zur Feier des Reformationstages und Halloween und so :)

€: Fast vergessen:

Nicht hauen! Das ganze Kapitel habe ich praktisch in einem Rutsch geschrieben, weil es mir gut von der Hand ging!
Fehler sind korrigiert, danke sehr!
 
Kapitel VI - Teil VII






Doch Skadhi lachte nur laut auf.
„Ja, Entschuldigung, ich schwatz halt immer so viel! Schon meine Mutti hat immer gesagt: Skadhi, Skadhi, irgendwann fallen mir die Ohren ab von deinem Gerede!
Aber das ist nie passiert und daher kann ich ja eigentlich gar nicht so schlimm sein!
Und die Pferdli, ach die stört das nicht! Weißt du, ich reise hier jedes Jahr her, wenn die Pferdlis in ihre Sommerlager kommen – ich muss mir einfach die tolle Parade anschauen – daheim, da haben wir nur Kühle und Hähndel...“
„Was hast du da gerade gesagt?“, fuhr Naeemah Skadhi an.
Diese blickte Naeemah irritiert an: „Ja, ich weiß, dass ist schon komisch, dass es bei uns keine Pferdli gibt, aber weißt du...“
„Nein, nein“, unterbrach Naeemah Skadhi erregt, „du hast irgendetwas von einer Parade gesagt..?“
Überrascht, auf einmal so viel Aufmerksamkeit zu erhalten, strahlte Skadhi Naeemah freudig an. Und legt ohne Hemmungen los.
„Ja, die Parade, ach das ist so wunderschön, ich könnte es mir jeden Tag anschauen! Morgen um Zwölf Uhr Mittags werden die letzten Hengste auf die Sommerweiden geführt. Dafür wird dann jeder gesattelt, ach, das ist so prachtvoll, die reinste Augenweide! Und sobald sie aus der Stadt sind, geben sie richtig Gas und lassen die Tiere rennen! Und dann, dann sieht man nur noch dicke Staubwolken!“
Skadhis Augen leuchteten richtig vor Begeisterung und auch Naeemah war begeistert, nur nicht unbedingt aus demselben Grund wie Skadhi.
Sie war also noch gerade rechtzeitig gekommen! Sie musste nur unglaublich schnell sein und sich etwas einfallen lassen, aber das würde der Coup werden, direkt vor den Augen der Bevölkerung und mitten unter den Wächtern ein Tier zu stehlen. Manchmal sind die offensichtlichsten Lösungen die Besten!
Naeemah schaffte es, durch ein paar gezielt spendierte Barbarenbiere, Skadhi eine Menge nützlicher Informationen zu entlocken. Skadhi war aber auch sehr gut informiert und konnte ihr fast jeden Reiter und dessen Wohnung nennen und so fasste Naeemah einen Plan.
 
Kapitel VII - Teil I






„So etwas mache ich nicht noch einmal mit! Schau dir meine Schuhe an, total mit Matsch und mit Was-weiß-ich-noch-alles ruiniert!“, schimpfte Sadira aufgebracht, „nie, nie wieder renne ich wegen irgendetwas durch die Gegend! Meine schönen Schuhe, der Absatz ist total hinüber und das Wildleder – das bekomme ich doch nie wieder sauber!“ Sadira zog ein trotziges Gesicht und schaute Ivon böse an.
„Was guckst du mich so an, Sadira, ich war nicht derjenige, der dieser gesuchten Mörderin hinterher rennen wollte!“, verteidigte sich Ivon und rückte sicherheitshalber ein Stückchen von der furiosen Zauberin ab.
Die beiden hatten sich, nachdem sie sich aus der aufgebrachten Menge herausgewühlt hatten, die immer noch verzweifelt versuchten, sich durch das Löchlein zu quetschen, ein gemütliches Plätzchen in einem der zahlreichen Kaffeehäuser auf dem Marktplatz gesucht.
Sadira schlürfte genüsslich eine heiße Schokolade mit einem großzügigen Schlag Sahne aus einer Keramikbol, einer riesigen Tasse, starrte Ivon grimmig über den Tassenrand an und erklärte:
„Wir müssen einkaufen gehen. Da führt kein Weg dran vorbei!“
Sadiras Söldner, der sich inzwischen wieder bei seiner Herrin eingefunden hatte, erbleichte schlagartig und versuchte einen erfolglosen Fluchtversuch.

„Nein, in keinem Fall zahle ich fünfhundert djenpre für diese schlecht verarbeiteten Schuhe! Das sind ja fünf dukai! Völlig unmöglich!“
„Aber Sayyidha, versteht doch, ich bin ein armer Mann und muss doch auch von etwas leben!“
„Hah! Armer Mann! Das ich nicht lache! Die Markise deines Standes ist aus gut verarbeiteter Baumwolle und ohne Löcher und Flicken! Die Nummer mit der Armut könnt ihr anderen Touristen verkaufen!“
„Sayyidha, bitte, ihr ruiniert mich! Dann geht halt in Gottes Namen und macht woanders euer Geschäft!“, der Händler zeigte Sadira die kalte Schulter.
„Händler, ihr seid doch sicher ein gläubiger und gottesfürchtiger Mann?“, fragte Sadira listig.
„Nun, ja, natürlich Sayyidha!“, er stoppte, dann trat er ein Stück auf die Strasse und rief laut: „Ich kann mich rühmen, der gottesfürchtigste Händler hier zu sein! Ich spende jeden Abend einen Teil meiner Einnahmen an Notdürftige und speise einmal die Woche die Armen, die an meine Tür klopfen!“
Sadira lächelte, jetzt hatte sie denn Mann da, wo sie wollte.
Sie trat neben ihn, legte ihm den Arm um die Schulter, zeigt ihr verführerischstes Lächeln und sagte ebenso laut: „Nun, denn wollt ihr doch sicher nicht, dass sich dieser heilige Ordensmann aus dem Westen, der täglich betet und auf einer Meditationsreise ist, die Füße wund läuft. Deshalb werdet ihr uns doch dieses wunderschöne Paar Stiefel für drei dukai verkaufen! Betreten blickte der Händler Sadira an, stimmte ihr aber zu.

Sadira und Ivon schlenderten mit der neu erworbenen Fußbekleidung gemächlich über den Marktplatz, im Schlepptau Sadiras Söldner, welcher kurzerhand zum Lastenträger umfunktioniert worden war, so dass er unter der Last der Päckchen und Pakete stöhnte. Darin lagerten unzählige Kleidungsstücke, Schuhe, zartsamtene Handschuhe und Kopfbedeckungen und Kosmetika aller Art, denn Sadira konnte nur schwer an den vielen Marktständen vorbeigehen.
Ivon trug dies mit Fassung, denn er profitierte von Sadiras Verhandlungsgeschick, wenn er etwas kaufen wollte. Allerdings brachten ihn sein neues paar Stiefel doch sehr in Verlegenheit – Sadira hatte den Verkäufer schamlos angelogen, denn er war gar nicht auf einer spirituellen Meditationsreise, sondern auf einer Mission!
Der Rat der Brüder seines Ordens St. Alain hatte ihn vor Wochen losgeschickt, um das Übel in der Welt zu bekämpfen.
Kurz nachdem er seinen Ritterschlag in der kleinen Chapelle de Saint Vincent erhalten hatte – ein andächtiger Moment für jeden jungen Novizen – hatte ihn der Rat der Weisen zu einer ihrer Sitzungen ins Turmzimmer gerufen.
Das Kloster hatte seinen Sitz vor gut dreihundert Jahren in einem alten Adelsschloss gefunden, denn es war marode und verfallen und daher billig gewesen, doch die arbeitsamen Mönche, Novizen und Ritter waren dem Zerfall schnell Herr geworden, hatten nicht nur das Schloss selber wieder hergestellt, sondern auch prächtige Parks und Lustgärten angelegt.
Das Turmzimmer der Weisen befand sich, wie der Name schon vermuten lässt, im höchsten Turm der Klosteranlage. Besondererweise hatte dieser Turm einen achteckigen Grundriss, der so am Stand der Sonne ausgerichtet war, dass man anhand des Lichteinfalls in den Fenstern genau sagen konnte, welche Uhrzeit es war.
Als Ivon als frischgebackener Ritter die vielen kleinen Treppenstufen zum Turmzimmer hinaufstieg, zitterten ihm die Knie.
Der Wind pfiff eisig durch die vergitterten Schießscharten, verfing sich zwischen den Turmwänden und blies Ivon mit eiskaltem Hauch ins Gesicht.
Ivon war aufgeregt, er wusste nicht, was ihn erwartete, denn es war oft auch ein schlechtes Zeichen, wenn man ins Turmzimmer gerufen wurde.
Er hatte das Zimmer noch nie gesehen, denn außer dem Weisenrat hatte kein Ordensmitglied Zutritt.
Dann, als Ivon nach einer gefühlten Ewigkeit endlich oben an seinem Ziel angekommen war, stand er erst ein paar Minuten vor der mit Messing beschlagenen Eichenholztür und versuchte sich zu sammeln.
Seine Hand schon am Türklopfer, ein prächtiges Stück aus Gusseisen, welches einen Löwenkopf mit weit aufgerissenem Maul darstellte, lehnte er seinen Kopf an die Tür und atmete schwer.
Er konnte das uralte Eichenholz an seiner Stirn spüren, spröde und trocken bohrten sich einzelne Splitter in seine Haut. Aber lebendig fühlte es sich an und Ivon hätte schwören können, ein machtvolles Pulsieren zu verspüren, kräftig und rhythmisch wie ein Herzschlag. Er hielt den Türklopfer in der Hand, nahm war, wie sich die Kälte des Metalls mit kleinen Nadeln in die Haut stach, und versuchte angestrengt, den Mut aufzubringen, die Tür zu öffnen.
Mit einem Ruck zog er den löwenköpfigen Türklopfer hoch und ließ ihn nieder fahren.
Er konnte beinahe die Druckwelle, die der Eisenkopf auf dem Messingbeschlag auslöste, sehen, spüren konnte er sie dafür umso deutlicher.
Seine wenigen Haare, die im durch die Tonsur geblieben waren, flatterten wild hoch und glitten wieder sanft in ihre ursprüngliche Position zurück.
Ein laut hallendes Geräusch durchzog das hohe Treppenhaus des Turmes, fing sich an den alten Steinwänden und hallte wider. Dröhnend steigerte sich da Stakkato der verschiedenen Echos im Glockenklang zu einem einzigen, großen Donner, ehe alles verstummte.
Ivon fühlte sich, als hätte jemand die Glocke des Kapellchens neben seinem Ohr geläutet. Auf jeden Fall konnte er keine Einladung zum Eintreten von der anderen Seite der Tür vernehmen und als er noch überlegte, ob er einfach eintreten sollte, bog sich die geschwungene und mit feinen Ziselierungen übersehene Türklinge nach unten.
Langsam und knarrend öffnete sich die schwere Tür, die gut und gerne eine dicke von einem halben Meter hatte, schwang aber trotz ihres Ausmaßes leichtgängig auf und strafte ihr Gewicht lügen.
Das Erste, was Ivon vom Inneren des Zimmers erkannte, war eine alte runzlig - behaarte Hand in einem Ärmel aus feinem Tuche, die der Urheber der plötzlichen Türöffnung war.
 
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