Na, ich dachte schon, hier ist keiner mehr
Ähm ja, etwas Verspätung, aber hey, ich war einfach nicht mit dem Kapitel zufrieden und nun hats noch ein paar Stellen abbekommen, die selbst der Betaleser noch nicht kennt
Ihr seid also (mal wieder) priviligiert
Also, es geht los:
Ist sogar etwas mehr als sonst, aber ein Cut an der Stelle hat grad so schön gepasst
Kapitel VIII
„Meine Güte, all diese edlen Tiere!“, Sadira rieb sich verzückt die Augen, „und dieses edel verarbeitete Leder des Sattelzeugs erst. Ich glaube, nicht mal die Höchste Schwester hat ein Gewand mit so prächtig verarbeiteten Ledereinsätzen!“
„Na ja, also, ich weiß nicht. Die Pferdchen hier sehen nicht so aus, als ob sie einer ordentlichen Beladung mit Rüstung und allem standhalten würden. Die sind so zartgliedrig. Was machen sie wohl mit den Tieren, wenn Krieg ist?“, fragte Ivon verwundert, „wenn ich da an mein armes Ross denke, das gutmütige Tier, auch wenn es nicht das Beste aus unserem Stall war, mehr ausgehalten hat es trotzdem, da bin ich mir sicher!“
„Ja, genau, Ivon“, spottete Sadira, „deswegen ist das Tier ja auch, wo es so hart im Nehmen war, in eine Giftschlange getreten. Wobei wir wieder beim Thema sind, Muskeln und Stärke sind keine Lebensversicherung, auf die Intelligenz kommt es an!“
„Und Geschicklichkeit!“, fügte Skadhi hinzu, „tut mir aber Leid um dein Pferd, dass es am Gift gestorben ist... ja, das geht hier draußen wirklich sehr schnell so etwas...“
„Aber Intelligenz alleine bringt einen auch nicht weiter. Man braucht eine gute Balance zwischen Körper und Geist“, unterbrach Ivon die Schildmaid und ignorierte geflissentlich die Anspielung der Zauberin, ihm war einfach nicht nach noch einer Debatte. Schon gar nicht, weil in der Nacht im Gasthof reichlich Dattelwein geflossen war. Er, der nur den sanften Messwein aus dem Kloster kannte, war von der schweren Süße des Dattelweins getäuscht worden und nun musste er die Konsequenzen dafür tragen.
Das war einer der Momente, in denen er bedauerte, sich nicht schon für einen Klosterbereich entschieden zu haben und somit in die Geheimnisse desselben eingewiesen worden zu sein. Etwas Kräuterkunde vom alten Thierry hätte ihm jetzt sicherlich gut geholfen. Er seufzte.
„Auf jeden Fall kann ich hier kein Tier erwerben, denn wenn ich mit so einem Gerippe heimkomme, dann lässt mich Thomas, der Pförtner, erst gar nicht hinein, sondern lacht mich aus.“
„Ich fände, du sähst sogar auf einem Esel gut aus, Ivon“, zwitscherte Skadhi und blinzelte Ivon an.
„Oh, danke, Skadhi“, sagte Ivon. Selbst bei seiner dunklen Hautfarbe konnte man erkennen, dass sein Gesicht langsam rot anlief.
„Fragt sich nur, ob sich der echte Esel dann unter- oder oberhalb des Sattels befindet“, zischte Sadira leise.
Fassel konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, er hatte genau mitbekommen, was seine Herrin vor sich hingeflüstert hatte.
Skadhi legte besorgt die Stirn in Falten. Auch sie hatte die Worte der Zauberin genau vernommen und fragte sich, was sie ihr denn getan hatte. Ihr waren die feinen Spitzen und Anspielungen der Zauberin am heutigen Morgen nicht entgangen, dabei hatte sie gedacht, nachdem gemeinsamen Abend im Wirtshaus wären sämtlichen Querelen und Vorurteile beseitigt.
Und nun schlug ihr wieder diese unbegründete Feindlichkeit entgegen, wobei Skadhi doch einfach nur hoffte, sich den beiden anschließen zu können, falls sie wieder nach Norden reisten.
Auf dem Hinweg nach Lut Gholein war sie in den Sümpfen unglücklicherweise auf einen kleinen Trupp Schinder gestoßen. Allein und vereinzelt stellten diese Gegner kein Problem dar, aber in einer kleinen Gruppe konnten sie einer einsamen Reisenden einen gehörigen Schrecken einjagen. Die kleinen Einstiche ihrer Blasrohrpfeile brannten immer noch höllisch. Instinktiv rieb sich Skadhi den Arm.
Der kleine Trupp hatte sie spätabends überrascht, als sie gerade unter ihre Schlaffelle kriechen wollte, da hatten sie zugeschlagen.
Schlussendlich hatte sich Skadhi nur mit einem beherzten Sprung ins kalte Nass retten und sich so vor Schlimmeren bewahren können, denn Schinder waren im Allgemeinen recht wasserscheu.
So hatten sie sich damit begnügt, ihr Lager zu plündern, ihre besten Wurfspeere zu zerbrechen und sie herzlich auszulachen, nicht, ohne ihr nicht noch ein paar Pfeile zu verpassen. Skadhi rieb sich die schmerzende Hüfte. Die lähmende Wirkung des Pfeilgiftes hatte ihr noch tagelang zugesetzt und auch jetzt verspürte sie noch gelegentlich ein Ziehen und Reißen der Muskulatur.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Ivon fürsorglich, der den leichten Ausdruck von Schmerz in Skadhis Gesicht erkannt hatte.
„Ja, ’s geht schon, danke. Alte Kriegsverletzung, weißt du?“, erklärte Skadhi beiläufig.
„In Ordnung, aber bei Gelegenheit schau ich es mir gerne mal an, wenn du magst.“
„Ah, Ivon, unser ewiger Retter und Held“, stichelte Sadira, die sich unbeachtet fühlte, „wie soll es denn nun weitergehen? Ich muss noch etwas erledigen, wie steht es mit dir, Ivon?“ Absichtlich ließ Sadira Skadhi außen vor.
„Ach, ich muss auch noch etwas erledigen. Nur... ich weiß nicht wie, es ist irgendwie so, als ob ich die Nadel im Heuhaufen suche, verstehst du?“, erwiderte Ivon.
„Ja, das kommt mir bekannt vor“, Sadira lachte, „worum geht es denn genau, Ivon, wenn ich fragen darf?“
„Na ja, es ist keine allzu große Sache. Ich soll jemanden, beziehungsweise wohl zwei Leute finden und zu meinem Orden bringen. Die Ältesten haben wohl seltsame Geschehnisse festgestellt und haben ein paar Fragen an diese zwei edlen Recken... Ist also eigentliche keine große Sache, aber ich weiß nicht, wie ich es anpacken soll.“ Ivon kratzte sich verlegen am Kopf, „wie sieht es bei dir aus, Sadira?“
„Ich, ach... nicht so wichtig. Man hat mich ausgesandt, den Großen Übeln nachzustellen, aber... aber immer, wenn ich sie aufgespürt hatte, waren sie... sie waren einfach weg!“
„Einfach weg? Wie weg? Ich dachte, die wirklichen hohen Fürsten der Dunkelheit hinterlassen Seelensteine oder so etwas? Ich meine zumindest, dass unsere Stammesführer so etwas mal erwähnt haben, an einem dieser langen dunklen Wintertage, an dem man sich nur Geschichten erzählen kann“, mischte sich Skadhi in die Diskussion ein.
„Ja, ich sagte doch, sie waren einfach weg. Nichts war da, keine Knochen, keine Kadaver. Irgendwer muss mir immer einen Schritt voraus gewesen sein... würde mich wirklich interessieren, wer diese Person war!“, erklärte Sadira barsch, „nun ja, jetzt, wo ich nichts mehr zu tun habe, da kann ich dir auch etwas helfen Ivon, zu zweit sieht man mehr, vielleicht finden wir deine mysteriösen Personen.“
„Nach was für einem Menschenschlag hältst du Ausschau Ivon? Wie sehen sie aus?“, neugierig bestürmte Skadhi Ivon mit Fragen.
„Nun, es müssten zwei wahrlich edle Recken sein, moralisch und reinen Gemüts... anders kann ich mir ihre Leistung nur schwer erklären, denn ...“
Skadhis lauter Ausruf unterbrach Ivons Erklärungen: „Mei, was macht denn die da? Das ist doch keine Bereiter da auf dem letzten Pferd, sondern... die kenn ich!“
Verwirrt schwenkten Sadiras und Ivons Köpfe in die Richtung, die Skadhis Hand ihnen wies.
Zuerst konnten ihre Augen nur schwer erfassen was sie da sahen. War es doch einer der gleich gekleideten Bereiter dort auf diesem schwarzen Hengst? Doch ihre Sicht verschwamm ihnen vor den Augen, Ivon rieb sich schon mit beiden Händen kräftig die Lider und stellte dann überrascht fest, dass es Naeemah war, die auf dem Rücken des letzten Tieres saß.
„Wenigstens hatte sie sich ein robustes Tier herausgesucht!“, dachte er.
„Tatsächlich!“, staunte Sadira und flüsterte dann hinter vorgehaltener Hand, „schau nur, Ivon, es ist Naeemah!“
Ivon nickte: „Ja, aber was macht sie denn da?“
„Ivon, bist du blöde. Sie schleicht sich aus der Stadt. Und nun komm, lass uns mal Skadhi etwas beiseite ziehen, sonst versetzt sie hier noch alle in Aufregung.“ Ohne viel Federlesen packte Sadira Ivon und die verdutzte Skadhi am Ärmel und zog sie in eine kleine Seitengassen, nicht zu früh, wie sich herausstellte, denn die ersten Menschen schauten sich schon ganz interessiert nach ihnen um.
Naeemah erwachte früh an diesem Tag, irgendeine innere Unruhe trieb sie aus den weichen Fellen. Aber als sie dann aufgestanden war, wusste sie auch nichts mit sich anzufangen, so säuberte sie etwas lustlos das Haus. Ihre alten Waffen, die immer noch auf dem Esstisch lagen, brachte sie in den Vorratsraum, um sie dort mit viel Öl und Fleiß wieder auf Hochglanz zu polieren. Vielleicht war ja an den Klingen noch etwas zu retten, ein Versuch war es wert.
Sie wühlte sich durch die Vorratskörbe, fand schließlich das Öl in einem kleinen Krug, doch es gab keinen geeigneten Lederfetzen mehr, mit dem sie Klingen hätte polieren können. Dabei war sie sich sicher, erst gestern einen geeigneten Lappen gesehen zu haben, nur wo?
Vermutlich hatte sie aber noch einen Ersatzlappen in ihrer Tasche, so kehrte sie in den Essbereich zurück und begann, die Tasche gründlich zu durchsuchen.
Während sie tief über ihre Tasche gebeugt war, klopfte es auf einmal an der Tür.
Naeemah war verwirrt. Es war ihr noch nie passiert, dass sie die Ankunft eines Besuchers nicht schon früher bemerkt hatte und es sah ihr nicht ähnlich, über eine Beschäftigung ihre Umwelt zu vergessen.
Irritiert legte sie die Tasche so leise wie möglich auf den Boden und schlich zur Tür, als es erneut stürmisch und drängend klopfte.
Naeemah ließ sich auf alle Viere nieder und versuchte, etwas durch den Türschlitz zu erkennen. In der Tat sah sie zwei Stiefel, zwei schwarze Stiefel, die auf eine besondere Art und Weise verarbeitet waren.
Naeemah wusste nur zu gut, wem diese Stiefel gehörten und beschloss, vorerst die Tür nicht zu öffnen.
Sie sah sich nach einer brauchbaren Waffe um, aber wenn sie nicht gerade dem Tisch ein Bein abreißen oder mit Schüsseln und Tellern werfen wollte, sah es recht düster aus.
Warum hatte sie auch schon so schnell Mellilahs Klauen weggeworfen?
Ihre eigenen waren nicht einsatzfähig, sie würden beim ersten großen Druck zerspringen oder zerbröseln.
Naeemah überlegt fieberhaft, aber außer ein paar Wurfsternen und Essmesser besaß sie nichts, was sie hätte verwenden können.
Das Klopfen an der Tür wurde immer lauter und steigerte sich in ein Stakkato aus Schlägen.
„Öffnet! Ich weiß, dass ihr da seid, macht auf!“
Das Klopfen brach urplötzlich ab. Naeemah hörte, wie die Person vor der Tür einen Schritt zurückging.
„Öffnet, im Namen Ibn Sabbahs, oder ich trete die Tür ein!“
Geschwind schlich Naeemah zur Tür und umschloss den Griff mit fester Hand. Sie schloss die Augen und atmete langsam und konzentriert aus. Naeemah stand vollkommen ruhig und gelassen da, hatte auch die Atmung eingestellt.
Aus diesem Ruhepol heraus mobilisierte sie auf einmal ihre Kräfte und riss die Tür auf. Herein stolperte der Besitzer der Stiefel, besser gesagt, die Besitzerin, die wohl ihre Drohung just in diesem Moment in die Tat umsetzen wollte.
Auf Grund des fehlenden Widerstands der Tür, stürzte sie ungebremst in Naeemah Haus, stolperte und stieß mit der Stirn auf die Kante des Tisches. Dann sackte sie für ein paar Sekunden benommen zu Boden, richtete sich aber schließlich auf und rieb sich die Stirn, welche nun von einer gewaltigen Beule verziert wurde.
„Na, nicht so stürmisch!“, spottete Naeemah.
Zwei hasserfüllte braune Augen richteten sich auf sie. Naeemah starrte in ein Antlitz, welches Wut und Schmerz zu einer furchtbaren Grimasse verschmolzen hatten.
Die junge Frau war etwas kleiner als Naeemah, aber dafür auch etwas kräftiger gebaut. Ihre Figur wirkte burschikos, fast schon mannhaft, mit breitem Kreuz und schmalen Hüften. Ihre aschblonden Haare fielen ihr bis zu den Schultern, lockten sich leicht aber desolat in groben Wellen.
„Kannst du nicht vorsichtiger sein?!“, fauchte die junge Frau Naeemah an, „ich hätte mir sonst was brechen können!“
„Ach was“, lachte Naeemah, „Ihr seid doch härter im Nehmen, als Ihr immer tut. Aber in Geduld könntet Ihr euch noch etwas üben, oder hätte ich Euch im Nachtgewand die Tür öffnen sollen?“
„Mir gleich, meinetwegen kannst du in einem blutigen Fell vor mir stehen! Wo sind eigentlich deine Manieren geblieben, Kriegerin, begrüßt man so seine Vorgesetzte?“, die Laune der jungen Frau verschlechterte sich zusehends. Grob klopfte sie ihre Kleidung ab, eine Hose mit üppigen Fransenverzierungen und eine eng anliegende Bluse, beide in mattem Schwarz, obwohl der Granitboden, auf den sie gestürzt war, von Naeemah peinlichst sauber gehalten war.
„Oh meine Vorgesetzte, verzeiht meine schlechten Manieren, die Zeit in der Barbarenfestung muss meine edle Erziehung in der Gosse von Lut Gholein ruiniert haben!“, stichelte Naeemah und verbeugte sich leicht vor der angeschlagenen jungen Frau, „Euch habe ich nicht hier erwartet, ich dachte, Euch wären die faltigen Hände Ibn Sabbahs unter Eurem Rock langsam zuwider geworden und eine jüngere, noch dümmere
Sklavin unseres Herrn hätte eure Stelle eingenommen!“
„Pass auf, was du sagst, Elende!“, die junge Frau tobte vor Wut, „noch ein Wort von dir und ich...“
„Varla!“, eine weibliche Stimme durchschnitt die Drohungen, „es ist gut jetzt. Hinaus mit dir.“
Wutschnaubend verließ Varla, sich immer noch an der Stirn reibend, Naeemahs Haus.
„Darf ich eintreten, Kriegerin?“
„Nein, Màcha, ich komme zu Euch“, lehnte Naeemah ab. Dann trat sie aus dem Schatten der Tür heraus.
Draußen standen, nebst der schmollenden Varla noch drei weitere Frauen, schwer bewaffnet, und Màcha.
Màcha, eine Frau mittleren Alters, in deren braunen Haaren sich die ersten Grausträhnen zeigten, war von hoher, schlanker Statur. Im Gegensatz zu ihren Begleiterinnen war sie prächtiger gekleidet, obwohl selbst prächtig zu viel des Guten war. Der Clan legte viel Wert auf Schlichtheit, nichtsdestotrotz konnte man ranghöhere Mitglieder an den leichten Verzierungen ihrer Gewänder erkennen.
Sanfte dunkelgraue Stickmuster, fast Ton in Ton mit dem schwarzen Hemd, welches am Kragen Lederschnürungen aufwies, schlangen sich in einer fast verschwenderischen Manier über den leichten Baumwollstoff des Oberteils und auch an den Seitenteilen der Hose sowie an den Lederstiefeln waren die opulent - verschlungenen Muster zu finden. Allem voran blinkte ein silberner Ring am Daumen der Frau, ein Rangzeichen höchster Würde. Die Rubinaugen der Silberschlange, welche ihr Schwanzende selber im Maul trug und dadurch einen perfekten Ring formte, schienen im ersten Licht des Tages wie lebendig zu funkeln.
Màcha nickte Naeemah zu, ihr kurzes Haar blieb dennoch fest gebändigt unter dem schwarzen Band, welches sich um den Kopf schlang.
„Wie ich sehe, seid Ihr von eurer Reise zurück, Naeemah. Willkommen daheim. Ist alles zur Zufriedenheit des Herrn geschehen?“
Unwillig lehnte sich Naeemah gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme.
„Ba’al ist tot, falls ihr das meint.“
„Knie gefälligst nieder, wenn du mit unserer Kriegsherrin sprichst“, fauchte Varla wütend hinter dem Rücken von Màcha hervor.
„Ich denke nicht daran“, entgegnete Naeemah kühl.
Varla schrie erbost auf und wollte sich auf Naeemah stürzen.
Doch Màcha hielt sie zurück und blinzelte Naeemah angesichts von soviel Ungehorsam irritiert an.
Dann wandte sie sich an Varla: „Ich denke, in Anbetracht des Todes von Naeemahs Partnerin, können wir über diesen Fauxpas hinwegsehen.“
„Euren Spionen entgeht aber auch nichts...“, murmelte Naeemah.
Màcha lächelte Naeemah nur an. „Sagt, Naeemah, habt ihr in eurer Trauer, die sicher groß ist, nicht etwas wichtiges vergessen?“
„Nein. Ganz bestimmt nicht!“
„So? Seid Ihr euch sicher? Ihr könnt doch nicht vergessen haben, dass unser Herr, euer Herr, euer Erscheinen und die Berichterstattung wünscht, so, wie es Tradition ist.“
Màchas Worte tropften vor Süße, aber Naeemah war sich der Ironie deutlich bewusst, die hinter allem steckte.
„Nein“, antwortete Naeemah, „das mag euer Herr sein, aber nicht mehr meiner. Ich weiß, warum Ihr hier seid, aber ich werde euch nicht begleiten. Bitte verlasst mein Haus und mein Land. Ihr habt kein Recht, hier zu sein. Lasst mir meinen Frieden, ich habe mit dem Clan abgeschlossen.“
Màcha erbleichte. Naeemah erkannte sofort, wie schwer ihre Worte die Kriegsherrin getroffen hatten.
Aber schnell erlangte Màcha ihr Fassung zurück.
„Nun, äh gut, Naeemah. Ich verstehe euch...“, sagte Màcha.
Wo war die dritte Frau? Mit Varla und Màcha hatte Naeemah noch drei Kriegerinnen gezählt. Doch, während die Sonne in ihrem Rücken aufging und Naeemah zeitweise die Sicht genommen hatte, war die dritte Kriegerin verschwunden.
„... aber wollt Ihr nicht vielleicht einen kleinen Trunk mit den alten Schwestern nehmen?“, fragte Màcha.
Ein Geräusch erregte Naeemahs Aufmerksamkeit. Es kam vom Dach, sie war sich ganz sicher.
„Nein, danke,“ lehnte Naeemah schnell und geistesabwesend ab, trat einen Schritt zurück, um die Tür zu schließen, als sie einen schweren Schlag zwischen die Schulterblätter erhielt.
Naeemah taumelte aus unter dem Türsturz hervor. Auf diesen Moment hatte Màcha nur gewartet. Mit einer flinken Bewegung warf sie etwas Kleines, Rundes auf Naeemah. Im Flug entfaltete sich die kleine Kugel und mit Schrecken erkannte Naeemah ein Schocknetz. Ehe sie reagieren konnte, hatte das feine Gespinst ihren Oberkörper umfangen und sie stürzte bewusstlos zu Boden.
Als sie wieder erwachte, stand die Welt Kopf. Man hatte sie rücklings über ein Kamel geworfen und gefesselt, das Atmen fiel ihr schwer.
Das letzte, was Naeemah von ihrer Hütte sah, war wie Varla mit einem brennenden Zweig aus dem Kochfeuer aus der Hütte hervortrat, und den Ast an das Reed des Daches hielt.
Das trockene Schilf fing sofort Feuer und begann knisternd und knackend zu brennen. Innerhalb von Sekunden stand das ganze Dach der Hütte in Flammen. Wie kleine Dämonen tanzten die Flammenzungen auf dem Reed, bis das Bleiglasfenstern in tausend und abertausend Stücke zerbarst und die aus Lehm und Stroh hergestellten Ziegeln der Wände Feuer fingen.
„Nein!“, keuchte Naeemah, „nein, nein, nein!“
Die ganzen Sachen waren noch im Haus. Mellilahs Mosaiktisch, ihre Kleidung, jeder Krug und jeder Korb, welche sie in mühevoller Arbeit selber geflochten hatte, alles, Naeemahs und Mellilahs Lebenswerk ging in Rauch und Asche auf.
Naeemah drehte den Kopf, und blickte in die Richtung, in die sie sich bewegte, sie mochte den Anblick ihres Hauses nicht ertragen.
Verzweifelt nahm sie kaum etwas um sich herum wahr, bis sie die kleine Quelle erreichten, aus der Naeemah ihr Wasser schöpfte.
Das Wasser hatte sich blutrot gefärbt und auch das Moos am Rand der Quelle funkelte in einem bösartigen Rot. Schnell erkannte Naeemah die Ursache: Am Weidenbaum lehnte der schwarze Hengst, der ihr die Flucht ermöglicht hatte, von einer Lanze in der Brust durchbohrt. Regelrecht an die Weide angenagelt und die Vorderhufe noch wie im Angriff erhoben, aber mit hängendem Kopf und einem nicht versiegen wollenden Strom aus Blut, der aus der Brust schoss.
Auf den untersten Ästen des Baumes hatten sich schon die ersten Geier und Raben niedergelassen, freuten sich auf ein Festmahl.
Als Naeemah schon dachte, sie würde den Anblick nicht mehr ertragen, erschien das breite Gesicht Varlas über ihr. Naeemahs Bewusstsein wurde mit einem einzigen schweren Schlag gelöscht.