• Herzlich Willkommen!

    Nach der Schließung von inDiablo.de wurden die Inhalte und eure Accounts in dieses Forum konvertiert. Ihr könnt euch hier mit eurem alten Account weiterhin einloggen, müsst euch dafür allerdings über die "Passwort vergessen" Funktion ein neues Passwort setzen lassen.

    Solltet ihr keinen Zugriff mehr auf die mit eurem Account verknüpfte Emailadresse haben, so könnt ihr euch unter Angabe eures Accountnamens, eurer alten Emailadresse sowie eurer gewünschten neuen Emailadresse an einen Administrator wenden.

[Story] Saqqara

...und noch ein Post für die Anzeige :ww:

(erm, das klapppt hier heute irgendwie überhaupt nicht, sry Mods und Leser^^....
Das neue Kap. ist auf der vorigen Seite ;) )
 
Maysan :\ Ich fand die kleine passte perfekt hinein, hatte ehrlich gesagt gehofft dass sie die andren irgednwann aus ner Gefahr rettet, und sei es nur durch das durchkriechen durch irgendnen Schacht oder sowas :D
Ansonsten is das Kapitel wieder mal sehr gut geschrieben und wie schon mein Vorredner sagte, ich warte auch schon auf Urel und was dort passiert, aber wennich mich nich irre dann kommen noch 1-2 Kapitel über Eya, Hadan, Menrad und Ifrah...

Menrad hockte neben ihrem Lager auf einem Sitzkissen, ein winziges Buch in der Hand.
imho wäre saß angebrachter, hockte klingt so umgangssprachlich :eek2:
 
Hi Reeba!

Ein rundum gelungenes Kapitel!
Überaus schön fand ich sie Szene der paladin´schen Heilung, und seine Empfindungen dabei, die sich so gar nicht der Magierein mitgeteilt haben. Aber warum hat er nicht schon am Fluss mit dem Heilen begonnen?
Was hielt ihn [Menrad] noch hier? => ja, das hab ich mich auch gefragt. Es hat nicht zufällig etwas mit einem hübschen, dunkelhäutigen Gesicht zu tun???


Sehr intensiv: Der Zwist zwischen Nekro und Lichtkrieger. Zwei Welten prallen auf einander und zwei mögliche Anführer... oje

Übrigens, wir haben erfahren, was Menrad von Hadan hält und wir haben eine Ahnung, was er von Ifrah halten sollte. Wie steht er aber zu einer Assassine, einer Auftragskillerin? Es scheint keine Konflikte zu geben...

„Hab keine Angst“, sagte sie. „Wir werden uns bald wiedersehen. Ich möchte nie wieder lange von dir getrennt sein.“ => Na hoffentlich, ich fand die Kleine langsam richtig niedlich!


So, Reeba, nun aber husch, husch wieder hinter die Tastatur, und fleissig weiterschreiben ja?

Und ich könnte sehr gut mit einem langen Eya-Hadan-Kapitel leben und wäre gewiss nicht mit unserem schwierigen Pärchen überfordert. Du erzählst die Geschichte der beiden verlorenen Seelen sehr eindringlich, und sie rührt mich! :cry:



:hy: Insidias


edit .. hmm... die Heilung hab ich voll überlesen... aber die Ablehnung Eyas Kaste gegenüber kam mir nicht deutlich genug rüber, da Menrad da noch unter Schock stand... Aber beim Nachlesen konnte ich das doch nachvollziehen. :kiss:
 
Insidias schrieb:
Aber warum hat er nicht schon am Fluss mit dem Heilen begonnen?

Wie steht er aber zu einer Assassine, einer Auftragskillerin? Es scheint keine Konflikte zu geben...


Huhu Insidias, danke für das Lob :)
Zu den Fragen:

- aus Kap. 23: "Er hatte zuletzt eine schwache Aura unterschiedslos auf sie alle übertragen, die beruhigte und leichte Heilkraft zu besitzen schien. Das Leuchten war wieder verschwunden, doch hing die Erinnerung daran seitdem um den hageren Lichtkrieger."

Menrad wollte Eya auf keinen Fall seine Waffen zum Tragen geben und ist ja sonst auch nicht gerade herzlich zu ihr. Aus Eyas Sicht wird in Kap. 22 deutlich erwähnt, dass er sie und ihre Klasse verachtet.
 
auch ich melde mich wieder.

ich möchte dir für dieses (mal wieder viel zu kurze ;-) ) Kapitel danken.

deine beschreibungen finde ich sehr - wie sagt man? - eingänglich? .

Was ich sagen will, ist, dass ich mir sehr gut etwas unter der beschreibung vorstellen kann.

ich hoffe wir werden hier noch viele seiten in dieser hervorragenden Qualität finden.

Gruß, Helldog
 
Maysan...mein Verstand sagt mir, sie musste aus der Handlung genommen werden, doch mein Herz wird sie vermissen.
 
Ich bin mir nicht sicher, ob Maysan für den Rest der Geschichte wirklich von uns gegangen ist. Sollte die Andeutung magischer Fähigkeiten, die sich in dem Kind entwickeln, wie sie uns vor ein paar Kapiteln geschildert wurde, ganz umsonst und nur so nebenbei geschehen sein? Oder deutet sich hier dunkel an, daß dieses Kind noch eine wichtigere Rolle spielen wird?

Ein Grund mehr, auf die kommenden Updates gespannt zu sein.
 
Lanx schrieb:
Sollte die Andeutung magischer Fähigkeiten, die sich in dem Kind entwickeln, wie sie uns vor ein paar Kapiteln geschildert wurde, ganz umsonst und nur so nebenbei geschehen sein?
Glaubich nicht, bin voll deiner Meinung, irgendwas hat Reeba da noch im Busch :D
 
Huhu Reeba,

es war wirklich schön, wieder zwei weitere deiner kapitel zu lesen. Ein kleiner Fehler:

Ifrah und Maysan waren die einzigen, denen die Ruhe wirklich zu bekommen schien. Während seine Mutter sich erholte, spielte und radebrechte das Mädchen mit den Kindern des Hauses.

ansonsten spitze :)

Ich vermute mal das Mädchen wird der Truppe hinterher schleichen :) Na ja mal sehen *g*

mfg

Gandalf
 
Wb, G4nd4lf! Schön, mal wieder etwas von dir zu hören. :hy:

Zur Anmerkung: da 'das Mädchen' sächlich ist, muss das zugehörige Possessivpronomen auch sächlich sein ;)

Zu euren Vermutungen kann ich mich wie meistens nicht äußern - einfach weiterlesen!
 
Es heisst aber "sachlich" und nicht "sächlich", oder?! :D

Ich finde es schön, dass der Paladin langsam etwas "auftaut", wobei ich zugeben muss, dass diese unterschwellige Andeutung einer Verliebtheit mir als Grund dafür nicht so ganz behagen will...
 
So, die letzten drei Updates gelesen :hy: und wie versprochen melde ich mich, denn das RL fordert wieder seinen Tribut:

Es war wieder wirklich wunderbar und mitnehmend.

Erst Eya und Hadan und den zwischenzeitlich begrabenen Streit - das nennt man wohl ein Dilemma, wenn beide nicht aus ihrer Haut können und der eine auch noch Wirtskörper für ein unheimliches Wesen ist...... das ist sehr interessant. Hadan ist übrigens für mein Empfinden kein Unsympath. Er ist wie er ist und zuweilen mit etwas Vorsicht zu genießen - das gilt aber für viele. Menrad ist da auch nicht besser.

Was ich mich frage, ist, warum Maysan ihrer Mutter nicht klar genug macht, wie sehr sie sie braucht - ein erneuertes Trauma ( da habe ich sehr mitgelitten) ist so ziemlich das letzte was Maysan jetzt benötigt.
Wird Maysan was dagegen unternehmen?
Hat Maysan wirklich Angst vor ihren Fertigkeiten und der daraus erwachsenden Verantwortung oder ist es wirklich der Hass auf dieses scheinbar trennende Element? Wir werden sehen.

Wenn Hadan aber nicht führen sollte und Menrad nicht kann, weil er sich in diesem Teil der Welt so überhaupt nicht auskennt, wer soll es dann tun?
So ist es ungut. Ein weiteres Dilemma eben, welches einer Lösung oder einer Katastrophe zugeführt werden muss.

Hmja, hat großen Spaß gemacht....

:hy: nochmal @reeba und all und ich hoffe, in ein paar Wochen wieder öfters vorbeischauen zu können.

Edit: @ Saturn: :D Das mit der unterschwelligen Andeutung habe ich auch so verstanden und mich schon gefragt, ob aus der Truppe jetzt eine Studienreise für Ehepaare werden soll...die unter 18 sind schon weggeschickt.... aber ich glaube nicht wirklich dran ;) Vielleicht hilft es Menrad aber, die anderen auch als Menschen zu erkennen.


DV
 
Und weiter geht's, vielen Dank für alle Kommentare und ein herzliches Wb an Dame Venusia :)


----------------------





XXV. Pundar





Es war nicht schwer gewesen, unbemerkt aus dem schlafenden Haus herauszukommen.
Nach Stunden unerträglichen Lauschens auf die Atemzüge der anderen Kinder, ein Lager aus braunen Gliedern unter dünnen Decken, war sie vorsichtig im Mondlicht aufgestanden.
Ebenso unverschlossen wie die Fenster war das ganze Haus, atmend, großzügig, freundlich, und unter ihrem Gewicht hatten die Holzböden nicht einmal geknarrt.
Lehm des Hofes unter den Fußsohlen, hastig in der Angst vor einer überraschten Stimme von hinten, war sie zum Rand der freien Fläche gerannt. Unter den Bäumen erst hatte sie die Schuhe übergestreift.
Sonst hatte sie gar nichts bei sich gehabt, eine Weile dort stehend, vor Furcht und Aufregung ohne ein Gefühl für Wärme oder Kälte – nichts, was sie auf ihren Schlafplatz hätte legen können, neben Ananta und Suraj und Muna und wie sie alle hießen. Kein Abschiedsgeschenk, um zu sagen, dass sie traurig war und keinesfalls undankbar, aber nicht bleiben konnte.
Jetzt rannte sie in den Wald, losgerissen, mit heißem, glasklarem Kopf.
Sie musste sich beeilen, und mehr zählte zunächst nicht. Der einzige Gedanke hämmerte den Takt ihrer Schritte. Erst als ihre Brust so brannte, dass sie gezwungen etwas langsamer lief, sah sie den Urwald deutlich, so, als sei er vorher nur halb da gewesen.
Angst, nicht mehr nur Eile, scheuchte ihre Füße.
Nah konnte man im Mondlicht noch schlangenartig verwurzelte Stümpfe erkennen, darüber hinaufwachsende Stämme, das wilde Wunder immer neuer Anordnungen von Blättern – aber tiefer innen war alles schwarz. Es knackte und klapperte darin. Dicht bei sich hörte sie ihren Atem.
Wenn sie sich nur über die Richtung zum Fluss nicht irrte! An ihm würde es heller sein, er, ein leitendes Band, verlässlich wie eine Straße, musste sie doch dahin bringen, wo jetzt in der zirpenden Nacht Madji über dunkles Wasser glitt, lautlos, stellte sie sich vor. Ich muss auch lautlos sein. Vielleicht bemerkten sie weder im Wald noch am Wasser die Tiere und die Ungetüme, wenn sie klein und rasch vorbeischlüpfte.
Die Überzeugung ihrer eigenen Unwichtigkeit täuschte Maysan über die Gefahr. Sie ahnte nicht, dass ihre Schritte und ihr kindlicher Schweiß den Sinnen des Waldes schwerlich verborgen blieben.
Atemlos, nach viel längerer Zeit als gedacht, erreichte sie das Flussufer. Obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass er leer, dass das Floß zwei, drei Stunden voraus war, spähte sie dennoch danach. Nichts. Keine Menschen, keine Stimmen, keine Lichter. Sie war allein unter dem Mond in den engen Armen des Uferwaldes, eine kleine Gestalt zwischen Baumriesen.
Aber der Anflug von Hoffnungslosigkeit hielt sie nicht lange fest, und so schnell ihre Füße sie trugen, eilte sie längs des Flusses weiter.
Mut oder Unausweichlichkeit waren ihr noch keine rechten Begriffe, einzig etwas wie ein ferner Ruf zog sie vorwärts. Eigenartig begannen Dinge wie Furcht und das Gefühl für Zeit zu schwinden, je länger sie lief, mal trotzig siegessicher, weil sie es schaffen würde, mal in kalter Bestürzung, was sollte sie nur tun, wenn nicht?
Eine weite Grasebene tauchte in ihren Gedanken auf, aus ihrem Innern, und das Stehen in einer Tür, das Hinaussehen zum Horizont, den Wind im Gesicht. Es gab kaum etwas, das größer und allgegenwärtiger war als dieses eine Bild. Doch sie war es leid.
So lief sie, die Augen tränennass, ohne es zu bemerken, während die Anstrengung die Wahrnehmung abschliff, bis dem Kind die Umgebung zu einem Traum wurde, der Eindrücke zu etwas Einzigem zusammenwarf. Ab und zu wischte sie sich mit einer schmutzigen Hand Schweiß aus den Augen, band das lange Haar mit einem Stoffstreifen zurück, als es ihr feucht ins Gesicht zu hängen begann.
Schließlich konnte sie nicht mehr weiter vor Durst.
Ohne den Wald noch sicher wahrzunehmen, das Rauschen ihrer Adern im Ohr, fiel sie am Ufer zusammen und tauchte die klebrigen Hände ins Wasser. Ob es trinkbar war, wusste sie nicht. Sie dachte nicht an riesige, lange Leiber, die unter einer schwarzen, silbergefleckten Oberfläche dahintreiben mochten.
Und sie sah nicht hinter sich.
Als sie da kniete, das eigene glühende Gesicht fahl im Wasser widergespiegelt, Tropfen vom gierigen Trinken auf Kinn und Hals, überdeutlich, kühl, im Geiste schon wieder weiterrennend, weiter, knackte es leise. Ihr Instinkt flüsterte, dass es kein sich zufällig aufrichtender Zweig war. Und vielleicht hatte der seltsam trocken-modrige, schwach an Hautfett und Räuberatem erinnernde Geruch ihr Unterbewusstsein bereits früher erreicht.
Ein Grauen, das sie sich nicht erklären konnte, legte ihre Muskeln lahm, fein, beinahe gelassen, und es blieb sehr ruhig. Nur das Knacken ging weiter, von hinten, von rechts, vervielfachte sich, plötzlich untermalt von einem hohen Murmeln, oder war es ein Schnattern alter Weiber?
Die Hände noch dicht über dem Wasser, drehte Maysan langsam den Kopf.
Ein Gesicht. Hier, mitten im Wald.
Dann sah sie, das noch mehr damit nicht stimmte. Es war klein, viel zu klein, und obwohl ihre Brust fast das Ufergras berührte, auf einer Höhe mit ihren Augen.
Ein winzigkleiner Mann. Als sie im ältesten Entsetzen der Menschheit, der Gegenüberstellung mit dem Fremden, dem Falschen, Grotesken, aufkeuchte, entblößte er einen Kamm langer, spitzer Zähne zwischen den faltigen Lippen seines faustgroßen Schädels. Augenschlitze glommen im Mondlicht. Erstarrt, die nassen Hände im Gras, sah sie hinein und hörte ein Zischen, wie wenn ein Überlegender bedenklich Luft und Speichel durch die Zähne einzieht.
Ein winzigkleiner Mann. Er hatte ein Rohr und schwarzes Kopfhaar, einen Schurz und kümmerliche, entsetzliche Säuglingshände. Als er sich bewegte, hätte sie schreien mögen.
Dann stand sie, drehte sich steif zum nahen Waldrand, von wo mehr Geräusche kamen, mehr Zischlaute, Knurren, irrwitzig an Kichern Erinnerndes, und sogar etwas, das eine Sprache sein konnte. Da waren mehr von ihnen.
Maysan wagte kaum, sich ganz aufzurichten. Sie fühlte nichts mehr, nur das Ziehen des Terrors im Bauch, als sei sie unten offen, so dass ihr Inneres aus ihr herausfallen musste. Vielleicht warteten sie darauf. Sie reichten ihr nur bis zum Knie.
Aber selbst aus ihren Knien machten ihre Gedanken, als ihr Auge die blitzenden Silberstücke im Blattwerk dicht über dem Boden als Messer erkannt hatte, nur zerhackte Stümpfe. Ihre Haut kribbelte. Sie würden sie einfach in Stücke schneiden, lachend, zischend über sie herlaufen, sie überschwemmen wie Ameisen eine Springmaus.
Sie bewegten sich gar nicht. Nur das Schnalzen und zischende Schwatzen wurde lauter, tiefer im Dunkel hinter ihnen.
Schwarze Augenschlitze verfolgten ihren ersten Schritt, den zweiten, der ihr vor Zittern kaum gelang, etwas wich dem dritten aus und krächzte, aber den vierten schaffte sie, ohne den Stoß eines Messers zu fühlen. Bewegung kam in den Uferstreifen, als sie sich wimmernd umdrehte, um wenigstens zu sehen, was mit ihr geschah. Doch die Bewegung galt nicht ihr.
Die Arme an sich gepresst, stand sie und starrte, während die winzigen Männer zum Wasser gingen. Dann plötzlich rannte sie, rannte wie nie in ihrem Leben, immer damit rechnend, dass das Schnattern und Zischen ihr folgte, sie einholte, neben ihr herlief, ein treuer Alptraum für die letzten Augenblicke ihres Daseins.
Am Ufer sammelte sich das kleine Volk.
Etwas abseits von der Stelle, an der das Kind der Großen Männer getrunken hatte, weil sein Gestank sie störte, huldigten sie dem freien Nachtlicht und dem Wasser. Sie legten ihre Messer ins Gras und lachten und tanzten. Die fremden Fußtritte waren schon weit fort und bald nicht mehr zu vernehmen.





„Wartet einmal.“
Innehaltend in ihren Bemühungen wandten sich alle zu ihr. Eya hob eine Hand, um Verständnis für die Unterbrechung bittend, und drehte sich langsam in die Richtung, in welcher Schlieren und Wellen den Weg des Floßes noch anzeigten.
Die Blicke ignorierend, lauschte sie mit ganzer Seele.
Die Assassine wusste mit Sicherheit, dass ihr jede Begabung zu übernatürlichen Fähigkeiten fehlte, und schrieb daher die Fälle erspürten Nahens von Freunden oder Gegnern ihren Sinnen zu. Mehr als ein Gefühl war es nie. Auch diesmal nicht, und vielleicht hatte sie sich nur eingebildet, im Morgengrauen fernes Rufen gehört zu haben, ein Klagen über die graue, dampfende Weite des Urwalds hin.
„Ich bin mir nicht sicher“, sagte sie zu den Gefährten. „Ich dachte, etwas gehört zu haben.“
Mit reglos festgehaltenen Ästen in den Händen, von denen es tropfte, blickten sie sie an.
Nachts waren sie bereits schlecht vorangekommen, im frühesten Licht zum ersten Mal in so dichtes Schilfdickicht gefahren, dass sie feststeckten, und dies hier war der vierte Halt. Der Fluss quoll über vor Grünzeug und hineingestürzten Ästen. Oft mussten sie das Floß frei hacken.
Nur auf Hadans Wort hin, nach dem der Fluss bald dem Arivati begegnen würde, so dass sie schnellere Fahrt hätten, gaben sie das Gefährt nicht auf.
Der Nekromant machte einen langen Schritt aufs nahe Ufer und ließ sich von Ifrah ein Seil zuwerfen. „Was uns auch folgt, wird sich bald offenbaren müssen“, sagte er. „Rascher als in einer halben Stunde kommen wir hier nicht weg.“
Bis auf Ifrah, die kniend vom Floß aus mit einer Machete Schlingpflanzen entzwei hackte, sprangen alle ans Ufer, um das erleichterte Gefährt an Tauen vorwärts zu zwingen.
Dankbar blickte Eya zum Himmel, an dem eben erst schwache Sonnenstrahlen unter einer Wolkendecke entlang stäubten. Es war noch sehr früh und reichlich kühler als am Tage.
Eigenartigerweise begann sie sich wieder sicherer zu fühlen, seitdem mit Baraidha die letzte große Stadt vor dem südlichen Fuß des Kontinents hinter ihnen lag.
Hier, so hatte Hadan ihr es oft beschrieben, schloss sich eine Welt an, die nicht nur in der Übermacht des Urwalds ihre Uneinheitlichkeit widerspiegelte. Auch die Menschen waren hier von anderem Schlag, ärmer, niedriger von Kaste, aber freier, weil die höheren Kasten sich auf die Städte konzentrierten und der Pundarfürst mit noch loserer Hand herrschte, als es anderswo der Fall war.
Sie warf dem Nekromanten ein Lächeln zu, so strahlend, dass er irritiert innehielt.
In diesem Augenblick hörten sie Menrads Stimme. „Dort naht wirklich jemand.“
Hadans Blick richtete sich nach innen, und bevor sie das Ufer entlang spähte, sah Eya Unglauben und Erstaunen auf seinem Gesicht. Vorsorglich tastete sie nach ihren Klingen, vermochte aber nichts weiter zu erkennen als einen Punkt. Der Paladin musste schärfere Augen besitzen.
Der Tonfall seiner Stimme war ungewohnt, als er sich zum Floß wandte. „Ifrah“, sagte er, „das ist Eure Tochter.“
Was genau geschah zwischen dem Moment der Stille unter ihnen und dem Augenblick, da sie die kleine Gestalt unter Ifrahs Armen und Haaren verschwinden sahen, war der Assassine später nicht mehr erinnerlich. Ein Ausbruch suchte sie alle heim, der die Stunden zurückliegender Ereignisse wieder holte, da sie einen Gefährten einer Gefahr entrissen wussten, etwas Fremdes und doch Vertrautes gerettet sahen, das weiter neben ihnen schritt und das sie nicht verloren hatten.
Irgendwie kamen sie über den Uferstreifen, der Magierin hinterher, der kleinen Gestalt entgegen, die sich ihnen näherte. Es war tatsächlich Maysan. Sprachlos trugen sie das Mädchen auf das freigelegte Floß.
Maysan war völlig entkräftet, der magere Leib schweißnass und klamm vom Frühnebel. Den Kopf aber hielt sie aufrecht, und trotz eines Schattens von Angst darin leuchteten ihre Augen. Stumm sahen die Gefährten sich an, während Ifrah verklebte Haarsträhnen aus dem vor Erschöpfung grauen Gesicht sammelte.
„Maysan, was hast du getan? Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Die Magierin war keine Frau, die rasch und offen weinte, doch ihre Stimme bebte.
Der Paladin schaute den Fluss zurück, und Eya erriet, dass er so wie sie überschlug, wie weit das achtjährige Kind gelaufen sein musste – ein Floß verfolgend, völlig allein in der Nacht und dem geisterhaften Wald. Dann fuhr er sich mit der Rechten über den kurzen Bart, warf einen Blick schlecht verhohlenen Erstaunens auf die verschlungenen Körper von Mutter und Tochter und ging, um das Floß mit der Stakstange wieder in die Flussmitte zu bringen.
„Ich wollte bei euch sein“, kam es leise von Maysan. Es klang in aller nachzitternden Not beinahe triumphierend. Dann sah sie zu dem stumm dastehenden Nekromanten hoch. „Ich habe die Waldmänner gesehen, von denen du mir erzählt hast.“ Kindliches Mitteilungsbedürfnis und blanker Horror konkurrierten in ihrer Stimme.
„Pygmäen“, sagte Hadan zu Eya gewandt. „Sie haben sie nicht angerührt, Dank sei den Göttern.“ Das Mädchen war bis auf ein paar Schrammen unverletzt.
„Sie hatte unglaubliches Glück“, entgegnete die Assassine verblüfft, die sich mit einem Schaudern an wilde Fluchten vor ein Knie hohen, tödlichen Gestalten erinnerte.
Als Maysan schlief, trat die Magierin zu ihren Gefährten.
Der nachbebende Schock hatte ihr Gesicht mit schmerzlicher Anspannung versehen und um Jahre verjüngt. „Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Wiederum bringen wir euch nichts als Verdruss und Gefahr. Ich hätte sie niemals mitnehmen dürfen.“
Der Nekromant ließ seine bleichen Augen zu dem zusammengerollten kleinen Haufen unter Ifrahs Mantel gehen. „Sie ist mutig und klug, Ifrah“, antwortete er. „Wäre sie nicht noch ein Kind, so wäre sie überhaupt keine Last. Ich weiß, du hast erwogen, uns zu verlassen und mit ihr einen anderen Weg zu nehmen, aber ich bitte dich, das nicht zu tun.“ Die bernsteinfarbenen Augen der Magierin weiteten sich. „Wir brauchen dich“, schloss der Nekromant.
Wir brauchen dich.
Ohne dass sie es verhindern konnte, fühlte Eya Tränen in den Augen. Dies war dasselbe, was zu ihr gesagt worden war in den schreckerfüllten, hallenden Weiten des dunklen Sanktuariums, Diablos Heimstätte. Mit einer Faust über dem Gesicht wandte sie sich ab. Eine Hand streifte sie warm und gönnte ihr dann Ruhe.
„In Pundar wird es eine Lösung geben“, hörte sie Hadan noch zu Ifrah sagen. „Ihr werdet sehen.“





Unaufhaltsam glitt das Floß auf dem graugelben Arivati südwärts.
Den Menschen auf ihm blieb wenig zu tun, sie rasteten und schliefen in der ständigen Fortbewegung, gingen selten an Land, und die Tage wurden zu Traumtagen.
Wie der Paladin auf seiner Reise nach Kurast, so sahen sie mit oft blicklosen Augen den Urwald vorbeiziehen, und die veränderte Wahrnehmung verwob die Klangfülle und die tausend verschiedenen, aber immer verwandten Bilder zu einer Einheit.
Anhand welcher Merkmale des Landes Hadan erkannte, wo sie sich befanden, war rätselhaft.
An einem Morgen jedoch machte Maysan, die wie meist ganz vorn am Floß hockte oder stand und mit unkindlicher Geduld den vor ihnen liegenden Strom hinabspähte, die ruhenden Gefährten auf eine Veränderung aufmerksam.
„Da“, kam die dünne Mädchenstimme durch die drückende Wärme. Anders als früher hörte man sie nun oft ein- oder zweimal am Tag unaufgefordert sprechen. „Dort sind Berge.“
Durstig nach einer Abwechslung im monotonen Dahintreiben, hoben alle die Köpfe.
„Kegelberge“, sagte Eya, die mit zusammengekniffenen Augen neben das Mädchen getreten war.
Grenzenlos weit erstreckte sich die Fläche des Urwalds vor ihnen, aber nahe des Punktes, an dem das Auge vor dem ineinanderfließenden Dunst von Himmel und Erde versagte, ragten steil vom Land sich abhebende Hügel auf. Die Assassine zählte ein halbes Dutzend, doch waren es sicher mehr.
„Das sind keine Berge.“ Unbemerkt war der Nekromant zu ihnen getreten. „Das sind Tempel.“
Ungläubig löste Eya den Blick von seinem seltsam leuchtenden Gesicht und mühte sich, die Entfernung und den Dunst zu durchdringen. Waren dies Tempel, dann sah sie dort in der Ebene, zu der das Land sich schleichend absenkte, Bauten, die mehr als fünfmal so groß waren wie jene in Travincal.
Nicht nur ihr schien es die Sprache verschlagen zu haben, und schweigend, überwältigt, trieben sie in die Ebene, auf die immer größer werdenden Tempel zu, zwischen Waldufern, die sich lichteten und Häusern wichen.
Pundar.
Die Stadt hob sich aus dem verschleierten Licht wie ein wiedererstandener Mythos.
Im Nahen erkannte Eya, dass sie weniger aus Hütten denn aus Tempeln und unvorstellbar ausgedehnten Palästen bestand, auf denen nicht selten Bäume wuchsen, so dass man schwer sagen konnte, wo der Urwald endete und wo menschliche Bebauung begann, und sie spürte das Alter dieser Zivilisation. Pundar war älter als Kurast, es stimmte. Jede menschliche Seele musste dies sofort wahrnehmen.
Riesig ragte der erste Tempel auf und warf seinen Schatten auf den Arivati. Eine Tagesreise weiter südlich zerfaserte sich der Fluss in die Bänder des Pundardeltas. Dahinter kam das Meer.
Sie gingen an Land und wie im Traum hinter Hadan her durch die breiten, gepflasterten Straßen. Die Assassine sah sich um und wusste doch, dass sie nur Bruchstücke erfassen konnte.
Pundar war nicht überfüllt wie die anderen Städte des Ostens, und sie vermutete: Die Menschen verteilten sich hier auf einen einstmals für eine viel gewaltigere Bevölkerung vorgesehenen Raum. In den Fenstern sacht verfallener Prachtbauten saßen Ruhende, auf den Treppen Kinder, und allerorts fiel eher ärmliche Kleidung auf. Auch wanderte das Auge über viele halbnackte Körper, und da erst begriff sie, dass mit den langhaarigen, bärtigen, mageren Männern Angehörige niederer geistiger Kasten an ihr vorbeigingen. Vielleicht war der Alte mit den bodenlangen verfilzten Haarflechten und den hohlen Wangen dort ein Nekromant, und sie wusste es nur nicht.
An einem größeren Platz hielt Hadan an und wandte sich zu den Gefährten um.
„Ich werde uns zunächst unterbringen, so dass für alles gesorgt ist, und dann das Fürstenhaus und einige Tempel aufsuchen.“ Er sah jeden Einzelnen von ihnen halb entschuldigend, halb mit fühlbarer Ruhe an. „Die lange Reise endet hier, und ich danke euch für euer Vertrauen – auch Euch, Menrad. Hier können wir einen Teil der Vorsicht abwerfen. Bewegt euch frei in der Stadt, wie es euch beliebt. Niemand wird euch etwas zuleide tun.“
Zögerlich atmeten sie auf, als hätten die Worte nur bestätigt, was ihnen schon überall entgegenkam.
In einem großen Haus, das halb an einen ausgehöhlten kleinen Palast erinnerte, kamen sie unter. Im Erdgeschoss gab es eine Garküche, die oberen Räume waren unbewohnt.
Nachdem sie sich gewaschen und gegessen hatten, traten sie auf die Straße, fremd in sauberen, einheimischen Kleidern, zu erregt von der Ankunft, um zu ruhen, und kamen sich vor wie zu ihrer Heilung in eine seltsame Welt Verbannte.
„Maysan will sich umsehen“, sagte Ifrah, die einen Sari trug. Die verschwenderischen Kurven ihres Leibes zeichneten sich unter dem Stoff ab. Sie schaute Eya und Hadan entschuldigend an, während das Kind an ihrer Hand zog, und ein Glück, wie es die Gefährten selten gesehen hatten, malte sich auf ihren Zügen. „Könnt ihr mich entbehren?“
Sie entließen sie und standen schließlich mit Menrad zu dritt da.
„Es steht Euch frei, uns zu begleiten“, sagte Hadan steif zu dem jüngeren Mann, der, gewaschen und nur in Hemd und Hose, seltsam jugendlich und zerzaust aussah. Nur die Furchen in seinem Antlitz sprachen von der Strapaze der zurückliegenden Wochen.
Zu Eyas Überraschung nickte der Paladin, vielleicht zu müde und zu gefangen vom Atem der alten Stadt, um sich mit kleinlichen Kabbeleien aufzuhalten.
Langsam überquerten sie den Platz, immer wieder zu einem Tempel empor sehend, der ihn überragte, aus schwarzen Steinblöcken errichtet und herrlich verziert. Für eine Sekunde dankte Eya der blanken Schriftrolle ihrer geistigen Zugehörigkeit: Sie konnte mit jeder Faser Schauende sein – wie hingegen musste es dem Paladin ergehen, mitten im Herzen einer Jahrtausende alten Kultur falscher Götter. Als habe er ihre Gedanken gehört, blieb Menrad stehen.
Seinem entgeisterten Blick folgend, sahen sie Männer – Männer gemischter Hautfarbe, vor und auf den ausgetretenen Stufen eines alten Hauses. Sie sahen kaum aus wie Bürger Pundars, und der Haltung nach waren einige verwundet.
„Immerhin sind nicht alle Eure Brüder tot“, sagte Hadan und warf einen Seitenblick auf das fassungslose Gesicht Menrads. „Und es scheinen doch wenigstens Einige von Pundar gewusst zu haben.“ Dann schwand jeder Rest von Häme aus seiner Stimme. „Lasst uns zu ihnen gehen, Paladin, und hören, unter welchen Umständen sie hierher gelangt sind.“





Der von Kurast angestrengte Aufstand gegen die paladinischen Missionen hatte aus sämtlichen Städten – Kurast, Shanghar, Baraidha – die Ordensbrüder vertrieben.
Wir haben nur bewahrheitet gefunden, was sich schon erahnen ließ.
Die Assassine saß auf einem steinernen Sockel unterhalb eines kleineren Tempels.
Menrad war bei den versprengten Paladinen zurückgeblieben, denen das Fürstenhaus von Pundar Unterschlupf in der Stadt gewährte. Nur knapp fünfzig Männer waren den Verfolgungen entgangen und hatten Pundar in kleineren, wunden Gruppen erreicht. Sie waren nun Flüchtlinge.
Es ist seltsam, ging es der jungen Frau durch den Kopf, wie alle Klassen in einem einzigen Wind zerrieben werden – als ginge es nicht mehr darum, wer wir sind, sondern wie wir glauben. Sie dachte an die Witwenopfer vor Kurast, an die aufgepeitschte, verwirrte Seele des Volkes. Seit einem Jahr. Das kann kein Zufall sein. Nur hier schien die Welt noch unberührt von dieser großen, gestaltlosen Angst.
Sie sah auf, als Hadan die Stufen des Tempels herunterkam.
Etwas in seinem Gesicht forderte ihre Aufmerksamkeit – er trug sich mit schweren Gedanken, und gegen seine Art offenherzig, griff er nach ihren Händen. „Menrad wird beschäftigt sein, das Schicksal seines Ordens zusammen mit den Überlebenden zu beraten“, begann er. „Und der Fürst von Pundar empfängt mich – wofür ich dankbar sein muss – am morgigen Tag.
Es gibt aber etwas, dessentwegen ich auch hergekommen bin, Shatryindjah.“
Er ließ sich neben ihr nieder. „Eine sehr alte Bindung besteht zwischen Pundar und mir, und wäre ich im letzten Jahr nicht nach Westen gegangen, zur Baalsmission, so wäre ich wohl hier gestrandet. Vielleicht endgültig. Denn unter allen Orten ist dieser noch am meisten derjenige, der die Geschicke einer schwierigen Welt vergessen lässt.“ Ein tiefer Atemzug hob die Brust des Nekromanten. „Pakhras erster und größter Tempel steht hier.“ Er fing ihre Augen mit dem Perlmutt der seinen.
„Sie wissen seit langem, dass ich komme. Sie erwarten mich, und ich werde dem Tempel und meinem Gott einen Besuch abstatten... wobei, es ist auch eine Prüfung. Wirst du mich begleiten, Shatryindjah?“
„Sicher...“ Eya schluckte. Eine Prüfung? Was meinte er damit? „Werden sie mich denn einlassen?“
Die verfallenen, von Ruß geschwärzten Tempel Travincals waren die einzigen, die sie je betreten hatte.
„Die Tempel stehen Jedem offen.“ Plötzlich stand er vor ihr und hob ihr Kinn sacht an. „Es bedeutet mir viel, dass du mich begleitest. Du kannst jederzeit gehen – es wir dort vielleicht ungewöhnlich für dich sein. In diesem Fall warte draußen auf mich.“
Unsicher ging sie an seiner Seite durch die gelassenen Straßen, über einen Platz und schließlich die Stufen eines Tempels hinauf. Das Bauwerk erhob sich wie ein in Form gegossener Hügel. Auf den Stufen saßen vereinzelt Menschen.
Ein Mann blutete leicht und gleichmäßig aus zwei Schulterwunden, ein gebrauchtes Messer vor sich.
Ein anderer hockte in starrer Haltung und hatte die Hände gegen die Stadt ausgestreckt, murmelnd, die Augen weit nach oben in den Kopf hineingedreht.
Erschrocken eilte sich die Assassine, auf den wuchtigen Stufen nicht zurückzubleiben.
Oben öffnete sich der Tempeleingang schattig, hoch wie ein Burgtor. Der schwarze Stein war übersät mit Schriftzeichen in Pacrann. Sie blieb wie angewurzelt stehen, doch nicht des plötzlichen Begreifens wegen, in welchen Ort sie einzutreten im Begriff war, überlief sie ein Schauer.
Pakhra war hier. Selbst wenn sie ihn nur als Prinzip des Kultes kannte, dem ihr Gefährte angehörte, als Wächter über all das Unerklärliche, oft Grausame, das sie gesehen hatte, fühlte sie mit Angst gemischten Respekt. Sie stand vor dem Sanktuarium der ältesten Nekromantie auf Erden.
Und aus dem Gemäuer, war sie sich kurz sicher, atmete sie etwas an.
Ein Tempelwächter hockte mit halbgeschlossenen Augen da, reglos zwischen blassen Blüten und an ein Götzenbild erinnernd. Ohne die Eingebung zu begreifen, schnallte die Assassine ihre Waffen ab, die sie unter der Stoffkleidung trug, und legte sie vor den Hockenden hin.
„Warum tust du das?“ fragte Hadan. „Notwendig ist es nicht, falls du dies denkst.“
„Ich weiß nicht“, entgegnete sie, kurz zitternd in der Kühle, die aus dem Tempel um ihren Körper fuhr. „Es scheint mir einfach richtig.“
„Dann komm.“
Mit angehaltenem Atem betrat Eya hinter ihm das Heiligtum von Pakhra.
Es ging ohne Stufen hinein ins Dunkel, in den kühlen Atem uralten Steins, doch nach einigen Schritten hatte sich das Auge an die Lichtverhältnisse gewöhnt.
Der Tempel bestand aus einem einzigen großen Raum, niedrig für seine Ausdehnung, und es war nicht wirklich dunkel hier. Das Bauwerk öffnete sich auf allen vier Seiten zweimal durch doppelt mannsbreite Durchlässe. Tag fiel herein und entfaltete im Innern ein Halbdunkel, während man draußen auf der Plattform rings um den Tempel Menschen sitzen sah.
Zunächst hörte Eya nur ihre eigenen und Hadans Schritte, dann aber stieg aus der Luft, in die sie gingen, beim Näherkommen ein eigentümliches, monotones Singen. In schattenschwarzen Ecken blinkten Steinherde und, selten, Zierrat, und sie roch den lastenden Dunst schwelender Rauchopfer.
Halb hatte sie gefürchtet, dasselbe flüsternde Grauen hier vorzufinden wie in Nihlathaks Palast. Und ihrem sich in Furcht zusammenziehenden Selbst war es auch durchaus wiederum, als drehe eine zeitlose Macht ihr ein einziges Auge zu, doch die Empfindung war eine andere. Was in den fernen Bergen von Wahnsinn zu ihr gesprochen hatte, ruhte hier im Chaos – unübersichtlich, ohne Milde, aber auch ohne Zerstörungswut, und vielgestaltig wie die Ausformungen der Erde. Sprachlos würgte sie an ihrer Angst.
Hadan schritt groß und schweigend neben ihr. Es existieren keine Götter. Flüchtig sah sie zu ihm.
Als sie die Mitte des großen Raumes erreicht hatten, wurde aus dem Relief oder Schattengebilde, welches sie schon etwas vorher an der rückwärtigen Wand bemerkt hatte, eine feste Form. Ein Standbild. Es ragte aus flackernder Beleuchtung, rötlich und schwarz, und nahm die halbe Fläche der Wand ein. Bevor sie abgelenkt wurde, gelang Eya ein einziger Blick.
Den gehörnten Schädel gesenkt, ruhte Pakhra halb menschen-, halb tierähnlich auf einem unkenntlichen Sitz, die Arme leicht ausgebreitet, und in den Schatten um ihn konnten sich Schädel verbergen, Pflanzen, Schriftzeichen, Gliedmaßen – es war nicht zu sehen.
Dann aber kam ein Mann auf sie und Hadan zu, und Eyas Aufmerksamkeit löste sich von der bedrohlichen Statue – wenn auch nicht vollständig.
Der Entgegenkommende war klein, krumm und hochbetagt. Dem mageren, wie verdorrt aussehenden Körper, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet war, wohnte in Fleisch und Bein übertragen dasselbe ehrfurchtgebietende Alter inne wie dem schwarzen Stein ringsum. Er stützte sich murmelnd auf einen Stock und hätte einer der zahllosen Bettelpriester des Landes sein können – doch eine Aura immenser Macht und Autorität strahlte von ihm ab. Eya wusste, dies war der oberste der lebenden Nekromanten des Ostens.
Sie benötigte keinen Hinweis, sie spürte es.
Dann ging Hadan neben ihr in die Knie und neigte, was sie nie zuvor gesehen hatte, den Kopf.
Der Alte räusperte sich, machte bedenkliche Laute, blickte unter schweren Lidern auf den weißhaarigen, schwarzgekleideten Mann, der sich nicht rührte, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Welche Geste entsprach dem Respekt in ihr, und was war eine falsche Handlung?
Doch bevor sie sich versah, folgte sie beiden Männern in einen Winkel. Hier ließen sie sich nieder.
„Setz dich, Shatryindjah, doch ein wenig abseits. Und nun bitte ich dich um ein wenig Geduld.“ Farblose Augen schimmerten im Widerschein glimmender Kohlen. „Wenn du etwas siehst... oder hörst, fürchte dich nicht.“
Steif setzte sich die Assassine auf den Boden des Tempels und krampfte die Hände ineinander.
Eine Unterhaltung begann zwischen den sitzenden Männern, und ihr schien, dass sie diese noch über ein anderes Organ als das Ohr aufnahm, denn ihr Jabrah war nicht gut... nicht gut genug für diese verschwommenen, fremdartigen Worte. Betäubung legte sich auf ihren Geist, wenngleich sie keinen Ausschnitt des Geschehens verpasste, oder wenigstens so empfand.
Was geschieht mit mir? Furcht war da, doch eher das Zusammenschrecken vor dem Begreifen der Größenverhältnisse von Ich und Welt als tatsächliche Angst vor etwas Bedrohlichem. Und sie hörte oder fühlte zwei Stimmen sprechen.
Du bist zurückgekehrt, sagte eine davon zu einem lange aus dem Blick verlorenen Jünger, so, wie es angekündigt war. Ich sehe, du hast dich sehr verändert, und auch wiederum nicht. Wen hast du da bei dir? Ich meine nicht den Fremden in deinem Leib, sondern diese da, die dort sitzt.
Meine Gemahlin, antwortete die andere Stimme, und Eya zuckte in Verwunderung. Doch das Wort stimmte, und dann fühlte sie Freude als kleine warme Kugel in ihrem Leib.
Zuweilen gingen die Stimmen in ein Gemurmel über, schwer zu verstehen, einen Singsang, und sie glaubte, eingeschlafen zu sein.
Ein Stück der alten Bedrohung trägst du bei dir. Wir wissen es, Pakhra weiß es. Er wird darüber richten, wenn es das Gewicht deines Lebens nicht tut. Aber dieses Mitbringsels wegen spürst du, ob hinter dem Kindgott in Kurast einer der alten schwarzen Dämonen steckt. Von irgendwo klang leise eine kleine Schelle an, der schönste Ton, den sie je gehört hatte. Sind sie es?
Nein. Die Assassine spürte einen verwandten Geist, der Seite an Seite mit ihrem lag und der sich aus dem Pfuhl des Lebens herausstemmte, um sich zu konzentrieren. Sie sind es nicht.
Durchbohrende Augen – sah sie sie? Schauten sie Hadan an?
Nun bist du gekommen, um wieder hinauszuziehen, sprach jemand, und dann, in seltsamer Unruhe: Wenn unsere Welt, Osten wie Westen, so dicht vor ihrem vollständigen Fall steht, dem Niedergang aller Mühen in Stein und Fleisch, dann wird Er vielleicht hören, was ihm zu sagen du gekommen bist. Du hast noch gezögert bislang. Du reichst hoch hinauf, und du bist dir nicht sicher, ob du recht damit tust.
Ich bin mir nicht sicher, gab jemand anderes zu.
Sei jetzt still, die ältere Stimme peitschte, weniger mit Strenge als mit Autorität. Möge Pakhra, der Tod und das Leben, möge Kadhjal, die über den Krieg herrscht, und mögen Bijoodhi und Bisra für die Weisheit und das Licht, dir stets gewogen bleiben. Mir ist oft geraten worden, dich aufzuhalten, und ich werde nun sehen, ob ich es tun muss.
Und Eya, die atmend und wach im Diesseits und in einer zweiten Sphäre zugleich, die sie nicht begriff und die doch da war, auf dem Tempelboden saß, wurde Zeugin einer Prüfung.
Sie wusste später nie mehr zu sagen, wie es genau vor sich gegangen war.
Ein Bewusststein sprach mit einem anderen durch ein Band gemeinsamen Blutes – Hadan, oder das von ihm, was in den Winkeln zwischen Äußerlichkeit und Seele lebte, wurde ausgebreitet... wie ein Tuch, und gründlich und in gegenseitigem Einverständnis besehen, und sie schaute von ferner zu, ohne zu begreifen.
Als es vorbei und eine ungewisse Zeit vergangen war, entließ sie der höchste Nekromant des Kultes.
Benommen blinzelte die Assassine vor dem Tempel in das Tageslicht, sah dann staunend auf das mannigfaltige Gesicht der Stadt unter ihnen. Im Geist aber war ihr das Standbild aus der Dunkelheit hinter ihnen gegenwärtig – ein totes Gebilde, das einen beängstigend lebendigen Schatten warf.
Hadan wirkte angespannt, aber sie kannte seine engen Atemzüge als Vorboten allmählicher Erleichterung. Was sie eben erlebt hatte, wusste sie nicht – und er?
Ich werde dich eines Tages darüber befragen, sobald ich die Worte dafür zusammenhabe, dachte sie. Ihr Gefährte kniete noch einmal vor der dunklen Eingangsöffnung, während sie ihre Waffen wieder unter ihrer Kleidung verbarg.
Nur eines wollte sie ihn sofort fragen. „Was für eine Prüfung war das?“
„Wir nennen es Bisnan Panvattra – Blick durch den Gefestigten. Es ist eine Gewissensprüfung.“
„Und du hast sie... bestanden?“
Langsam schritten sie Seite an Seite die Stufen hinunter.
„Sonst wäre ich jetzt nicht hier bei dir, Shatryindjah.“





Nur zwei oder drei Tage vermeintlicher Ruhe blieben den Gefährten in Pundar.
Der Grund ihres Herkommens holte sie rasch wieder ein.
Nachdem es dem Nekromanten im Verlauf eines ganzen Tages gelungen war, zum alten Fürstenhaus der Stadt vorzudringen, trafen die Gefährten auf den Stufen vor ihrer Unterkunft zusammen. Es war seltsam, doch hier, im schwülen späten Nachmittag, rings um sich die behäbige Stadt, dachten sie nicht an einen Rückzug für ihre Besprechung. Fast war es, als ermutige sie die Umgebung, als sei es bereits beschlossene Sache, dass Pundar ihre Ansichten zu Kurast teilte und sie unterstützen würde.
Hadan indes eröffnete den sichtlich mit Verblüffung reagierenden Gefährten, dass dies von der Wirklichkeit nicht weit entfernt war.
„Pundar wird Kurast angreifen.“ Sie sahen in sein bleiches Gesicht, das ein ungewöhnliches Selbstvertrauen zeigte.
Menrad konnte sein Erstaunen nicht verbergen. Diesmal aber schien er zur Erleichterung Aller nicht von Widerwillen, sondern vielmehr vom Interesse eines Kämpfers getrieben, der alle Vorgänge verstehen will. Selbst ihm war die eigentümliche Wirkung der Stadt anzumerken.
„Die Sorge über Kurast hier ist nicht so neu wie unser Eintreffen“, antwortete Hadan auf die Fragen des Anderen. „Aber ein Zeugenbericht der Vorgänge in Travincal hat das alte Blut in Bewegung versetzt, wo sonst noch lange gewartet worden wäre. Ich bin vor einem Fürsten meines Landes“, setzte der große Mann ohne sichtbares Unbehagen hinzu, „ein Nichts – dennoch weiß auch ein Fürst um die Fähigkeiten meiner Kaste, um unsere besondere Bewanderung in Dingen der Zwischenwelten, und der Pundarfürst hat Kenntnis von unserer Rolle in den Kämpfen des letzten Jahres.“
Er sah in die Runde. „Wir müssen uns glücklich schätzen. Pundar wird uns unterstützen, oder vielmehr, sich selbst zum Anführer eines Krieges gegen Kurast machen.“
Helligkeit der Hoffnung zeigte sich auf den verschiedenartigen Gesichtern ringsum.
Hadan warnte allerdings vor der Annahme, dass Pundar es allein mit Kurast aufnehmen konnte, und das Licht und die Stadt ringsum ließen sie ohnehin begreifen.
Pundar war keine Krieger-, ja nicht einmal eine Handelsstadt. Zwar besaß es Garde und Kampftruppen, aber Sinn und Leben waren hier stets auf andere Dinge ausgerichtet gewesen.
„Wer wird uns noch unterstützen?“ Ifrah richtete die bernsteinfarbenen Augen auf den Nekromanten.
„Jeder Vierte, den ihr um euch seht“, gab er zurück. In das verwirrte Schweigen hinein fuhr er fort: „Angehörige aller Tempel werden kommen, sofern sie sich im Kampf brauchbar dünken. Übernimmt Kurast zuletzt auch diesen Teil des Ostens, wird für viele Schichten seiner Bevölkerung eine neue und düstere Zeit anbrechen. Sie handeln in eigenem Interesse. Sie stützen den Fürsten, und der Fürst stützt sie. Unser Kommen hat nur losgetreten, was spätestens in der Verteidigung ohnedies erfolgt wäre.“
„Werden dies genug für einen Kampf sein?“ fragte Menrad zweifelnd. Ihm schien nicht aufzufallen, dass er sich verhielt, als sei seine Beteiligung am Feldzug gegen Kurast bereits sicher.
„Weitere werden kommen“, entgegnete Hadan. Dann zählte er ihnen die abgelegenen, kaum je ernsthaft von den Großen der Welt berücksichtigten Gruppen auf, in die er seine Hoffnung setzte.
Nekromanten der Kultstätten des gesamten Südens.
Bewaffnete des Umlandes, Bauern, Bürger der zurückeroberten Städte.
Das Volk der Insel Mandjab, die vor der Ostküste gelegen war.
Die Nomaden der Sibhawüste.
„Schließlich das Fürstenhaus in Baraidha, sofern wir ihm helfen können, Kurast abzuschütteln“, schloss der Nekromant. „Sie alle werden aus denselben Gründen kommen, und in den Söhnen der Fürsten könnten wir Heerführer gewinnen, denn ich bin keiner.“
Blicke des Abwägens austauschend, standen die Gefährten beieinander.
„Das wird, wenn all diese Menschen sich tatsächlich einfinden, ein bunter Haufen“, meldete sich Menrad wieder. Doch spottete er nicht. Was mit ihm geschehen war, fiel den Anderen schwer zu erraten.
„Auf ein Wort, Paladin.“ Hadan hielt kurz inne, und die Männer betrachteten sich gegenseitig.
Ruhe war eingekehrt. Jeder konnte sehen, dass sie sich nicht mochten, aber eingesehen hatten, dass die Zeit ihnen den Weg durch den Verstand in die Zusammenarbeit wies. Inmitten der Gruppe, in ihrer Lage, würde sich zum Narren machen, wer sich jetzt wieder von Stolz übermannen ließ. „Auf ein Wort: Was wird die Einheit versprengter Paladine tun?“
„Etwa ein Drittel von ihnen sind Männer aus meiner Heimat“, antwortete Menrad. „Ihnen fehlen noch Mut und Gelegenheit, das Meer zu überqueren. Die anderen werden in ihre Städte zurückkehren, aber sie sind ohne Befehlshaber und werden ihre Zugehörigkeit verbergen müssen, um nicht getötet zu werden. Warum fragt Ihr?“
„Weil ich Euch um Eure Hilfe bitten will.“
In der darauffolgenden Stille sah auch der Nekromant selbst, der leidige Situationen streng oder schweigend hinter sich zu bringen pflegte, ein wenig überrascht aus – als habe ein meist unterdrückter Antrieb ihn über seinen eigenen Schatten springen lassen.
Menrads Gesicht zeigte Misstrauen, doch ebenso ein zögerndes Verständnis für den Ernst des Anliegens, und er straffte sich leicht. Die elende Krümmung der Verwundungen und Misshandlungen hatte ihn verlassen – jeder Zoll ein Krieger, war er wieder Vertreter seines Lichtordens. Die geliehene Kleidung und die grobe Hand wochenlanger Flucht änderten wenig daran.
„Ihr bittet mich um Hilfe?“ Er sprach es langsam aus, als könne er es nicht ganz glauben.
„Vor einigen Tagen sagtet Ihr, das Böse in diesem Land sei vielleicht eine seiner Eigenart zu Recht entsprechende Entwicklung“, bemerkte Hadan, rasch eine Hand hebend, als sein Gegenüber mit unverhohlen betretenem Gesicht zu einer Erwiderung ansetzte. „Nein, lasst uns das vergessen. Ifrah hat wahr gesprochen – die Zwistigkeiten sind da, aber hier, jetzt, unbedingt zu vernachlässigen.“ Der große Mann fixierte den Paladin, und seine Stimme hatte kurz einen seltsamen Klang, als spreche er von einer Vision. „Wir werden scheitern, wenn wir sie nicht vergessen. – Was dieses Land betrifft, so wollen die Menschen hier, die noch wach sind, kein Zeitalter finsterer Götter, das ihnen den Schrecken der Kastenkriege und weitere Benachteiligungen wiederbringt. Fragt die unteren hundert von hundertundzwanzig Kasten.
Ich bitte Euch, Menrad, als Kämpfer und als Strategen, uns allen und diesem kommenden Krieg Eure Fähigkeiten zu leihen. Die Paladine werden Euch folgen, sie und jeder Mensch, der Euch als Soldaten respektiert – auch die Krieger der Fürstenhäuser und die Bewaffneten der Städte.“
„Euch würden sie nicht folgen?“ Erstmalig ohne den Schleier der Abneigung im Blick, sah der Paladin den Anderen an, bemüht, zu begreifen.
„Ich bin Nekromant.“ Hadan lächelte dünn. „Für Krieger und Bürger bleibe ich, was ich bin – jemand von unten. Sie fürchten mich des Gottes wegen, für den ich stehe, aber sie werden keine Befehle von mir entgegennehmen.“
Die Runde verharrte ohne einen Laut. In einem Krieg würden viele Menschen dem Paladin gehorchen, ungeachtet seiner Herkunft oder seines Glaubens – ganz einfach, weil sie den Orden tolerierten und einen Soldaten in ihm sahen.
Menrad hatte den Blick nach innen gerichtet.
Dann kehrte er zurück, und die grauen Augen klärten sich.
„Ihr habt mir mit Absicht keinen Grund genannt, warum ich mich zur Hilfe entscheiden sollte“, sagte er dann. „Ich sehe ihn auch so.“ Unsicher in seiner hageren Strenge, ließ er den Blick einmal über die Runde gehen. „Der Westen ist fern, und ich zöge gern über das Meer, weil meine Heimat mir Sorgen bereitet. Männer aus Baraidha, Westmarschener wie ich, haben von einige Wochen alten Meldungen über immer neue Unruhen im Westen gesprochen. Niemand hat indes genauere Kunde. Doch wäre von drüben Hilfe zu erwarten, wüssten wir das.“ Er holte Atem. „Verlassen wir aber diesen Kontinent, so sind wir damit die letzten Paladine, die sich haben vertreiben lassen.
Ich bin... nicht mit vollem Bewusststein Missionskommandant geworden, so wahr das Licht existiert. Aber was hier vor einer Aufgabe steht, sind zwei Jahrhunderte Präsenz. Zwei Jahrhunderte harter Arbeit vieler Männer.“
Der Paladin blickte den Nekromanten an. „In Einem vertraue ich Euch sehr wohl, und das ist die Voraussage einer finsteren Zeit für diesen Teil der Welt, wenn Kurast obsiegt. Ich dachte zuweilen, lange, dies sei nicht meine Angelegenheit. Ich verstehe dieses Land weder, noch liebe ich es sonderlich. Aber ich werde den Boden für die Existenz des Ordens hier – wenn Eure angestrebte Zukunft dies garantiert – nicht kampflos preisgeben.
Rechnet also mit mir.“
Eine leise Welle gehobener, ernster Stimmung lief reihum durch die kleine Menschengruppe.
„Ich danke Euch, Menrad“, sagte Hadan, unbewegten Gesichts, doch mit merklicher Achtung in der Stimme.
„Für die Anderen kann ich nicht sprechen“, setzte der Paladin noch hinzu. „Zumindest die Söhne des Ostens unter ihnen aber werden kaum ablehnen.“





Pundar begann die Trägheit abzuschütteln.
Mit dem nahenden Feldzug gegen die jüngere, mächtige Stadt im Norden erhob sich das Fürstenhaus aus dem leichten Auf und Ab geruhsamer Jahre seiner Vergessenheit. Seine Herrschaft war seit jeher bequem gewesen, weil es den unteren Kasten näher stand als je eine Regentschaft zuvor. Dies hatte ihm andernorts den wenig schmeichelhaften Namen Bettelfürstenhaus eingetragen.
Es war nicht reich, und seine Verbündeten seltsam.
In der Abgeschiedenheit des Südens aber ließ sich lange unbemerkt ein Krieg vorbereiten. Aus dem riesigen Palast aus rotem, verwittertem Stein ergingen Befehle an die Gardisten und das einige Hundert Mann starke Heer, an die überraschten Häfen im Delta und die Menschen der umliegenden Dörfer.
Ohne Eile würde die Streitmacht zunächst nach Baraidha ziehen, um dort mit dem gegen die kurastischen Besatzer ringenden Fürstenhaus zusammenzutreffen. Vereinigt, wollte man gegen Shanghar vorgehen. Dann, nach langem Marsch, würde man Kurast umstellen, als eine Welle, der von Osten her die Stämme von Mandjab und aus der Wüste zugespült kamen.
Nachdenklich traten der Fürst und seine Berater an die Fenster, über den endlosen Wald blickend, während Tempelangehörige, Gardisten, Brüder des sonderbaren kleinen Lichtordens und immer wieder ein weißhaariger Mann, ein Jünger Pakhras, geduldig auf dem Boden des Palastes warteten.
In der Stadt spürten die Gefährten die langsame Änderung.
Wider Willen fühlten sie sich an die letzten Tage vor ihrem Aufstieg zum Gipfel der Welt erinnert, an die trügerische, weil nicht wirkliche Ruhe.
„Mir ist nicht wohl dabei, mich von euch zu trennen“, sagte Ifrah zu ihren zwei alten Gefährten.
Sie würde das Heer und damit Menrad begleiten, um mit ihrer Kenntnis der Geschehnisse in Kurast und ihren Fähigkeiten die Angriffe auf die Städte zu unterstützen. Maysan würde in Pundar zurückbleiben. Das Mädchen hatte eine erstaunliche Anpassungsgabe an die Menschen und Eigenarten der uralten Stadt zu zeigen begonnen. Sie in der Obhut eines kleinen Tempels zu lassen, befremdete Ifrah zunächst, schien aber die beste Möglichkeit und sicherer als jeder andere Winkel dieses Teils der Welt. Und diesmal hatte sie Maysan das Versprechen abgenötigt, nicht fortzulaufen.
In der ersten Woche des dritten Monats nach dem Ramayanfest würden alle, die Travincal bekämpfen wollten, vor Kurast aufeinandertreffen, so das Schicksal ihnen gewogen war.
Hadan und Eya würden Pundar vor den hier losmarschierenden Kriegsbereiten verlassen, um rasch und heimlich nach Mandjab und danach die Ostküste hinauf zur Sibhawüste zu reisen und dort die möglichen Verbündeten zu suchen. Hierzu waren kein Fürst und kein Soldat vonnöten - kamen die Menschen von dort nach Kurast, so waren es die niedrigsten, freiesten Kämpfer, die je in einen Konflikt ihres Heimatkontinents eingegriffen hatten.
Die letzten Stunden fanden die Gruppe in notwendigen Unterredungen.
„Bevor wir uns trennen“, begann die Magierin schließlich nach einer längeren Pause, „drängt es mich, etwas anzusprechen, das ich bislang umgangen habe.“ Menrad war nicht zugegen, Maysan streifte durch die Nachbarschaft.
Nach einigen Atemzügen sichtlich nicht erfolgreicher Sammlung wechselte Ifrahs Blick zwischen der Assassine und dem Nekromanten hin und her. „Wir haben die Unruhe der Welt an unseren Heimatorten, in allen Gebieten, und in Kurast als einen bedeutenden Wandel alter Umstände, erlebt... Das Ende des Steins...“ – sie stockte unter den Schatten von Schmerz, Unbehagen und Düsternis in den Augen ihrer Freunde – „liegt nun ein Jahr zurück. Ich weiß, dass sich jeder von uns mit denselben Fragen plagt. Verzeiht mir, wenn ich an altes Leid erinnere – aber ich muss für meinen Weg wissen, was ihr denkt... was ihr empfindet... darüber, was geschehen ist und was sich in der Welt ereignet.“
Was geschieht mit uns, Shatryindjah? Die Assassine sah ihren Gefährten an.
Da er nicht sofort sprach, sagte sie leise: „Was waren Tyraels Worte? Der Stein hat seit jeher eure Welt von anderen Sphären getrennt, wo Leben existiert. Was geschieht, wenn er zerstört wird, kann ich nicht vorhersagen, aber eine Scheidewand wird fallen. Sagte er nicht dies?“
„Du erinnerst dich?“ Ifrah sah sie irritiert an. „Du warst... du warst so schwer verwundet, Eya“, ihre Stimme kratzte, und ein schmerzliches Zucken durchlief die Züge Hadans, „wie konntest du seine Worte vernehmen?“
Die Assassine schluckte. „Ich weiß es nicht. Sie sind einfach da.“
„In jedem von uns, wette ich.“ Der Nekromant regte sich. „Wie ein verankertes Wissen.“ Er schweig eine Weile. „Was in Kurast den Aufstieg und die irrsinnige Sicherheit des Kindgottes begünstigt, ist keine Macht von dieser Welt.“
Stille herrschte für einen Atemzug. „Sind sie es?“ Ifrah legte eine Hand auf die Brust, als müsse sie ihr Inneres gegen eine unfassbare Unruhe besänftigen. Sie war erblasst. „Die Alten Übel?“
„Nein.“ Hadan hatte die Augen halb geschlossen. „Würden wir das nicht erkennen – oder fühlen? Mir ist die Empfindlichkeit für ihre Gegenwart wie ein Mal in die Seele gepresst, aber diese Stelle schweigt. Uns wurde versichert, dass sie nie wieder Gestalt erlangen können, ganz gleich, was den Welten geschieht.“ Er sah die Frauen an. „Doch es gibt Andere. Jede Lehre glaubt dies, alle je mit Gaben des Sehens Beschenkten rechnen fest damit. Vorige Zeitalter haben andere Gegner, andere Übel gekannt. Wir wissen zu wenig.“
„Was es auch ist, es wirkt auf die Menschen“, sagte Eya. Ihre Gefährten murmelten zustimmend.
In allen Himmelsrichtungen, ganz gleich in welchem Gebiet und unter welchem Volk, litten die Herzen unter Furcht und anderen, rastlosen Empfindungen. Den Menschen war etwas gegeben, oder doch eher etwas fortgenommen worden, etwas Altes so verborgener und umfassender Natur, dass es die begrenzte eigene Einsicht nicht einfach aufzuspüren vermochte. Sie waren abergläubischer, anfälliger, suchender nach Halt, als könne ihnen der Sockel ihrer Herkunft und auch ihr Glaube keine ausreichende Sicherheit mehr geben.
Hadan hatte zu ihr, Eya, einst kurz von der Wechselwirkung zwischen Menschen und Göttern gesprochen. Während er und Ifrah fortüberlegten, dachte sie an das Entsetzen einer von Fleischgestank durchzogenen Nacht zurück, an Maathvaa, einen Gott, den selbst ein Anhänger Pakhras sich nicht wieder stärker wünschte.
Und doch verlangten die Menschen nach ihm.
Kommt etwas aus anderen Gegenden von Himmel und Abgrund zu uns? War dies zuerst da, oder haben wir zuerst danach verlangt?
Die junge Frau spannte ihren schlanken Leib, rasch und heftig erzitternd in Angst. Aber die Angst würde weder sie noch ihre Vertrauten von einer Suche nach Ursachen oder vom Kampf abhalten.
Die Erinnerung an ein festeres Dasein ist den Menschen noch nicht ganz verlorengegangen.
Was es auch ist, das uns jetzt gegenübersteht – wenn es vorhatte, sich langsam, unbemerkt einzufügen, dann war es nicht geduldig genug.
 
viele worte werde ich hier nicht "verlieren" reeeba.

ich möchte mich wieder einmal für die von dir geleistete arbeit bedanken. deine art zu schreiben gefällt mir sehr gut und ich freue mich auf jedes neue update genau so wie ich mich bei jedem ärgere, wenn es schon wieder zu ende ist.

du bist glaube ich hier die autorin, die den größten "output" hat. dass du daas in dieser qualität schaffst, ist einfach bewundernswert. ich würde viel drum geben etwas so gut zu können wie du schreiben und zeichnen.

Gruß, Helldog

p.s.: ich konnte mir von anfang an nicht vorstellen dass maysan in der siedlung bleibt. mal schauen, was sie in dem tempel noch lernt und erlebt.

p.p.s.: du hast übrigens soeben die 11000 views überschritten mit diesem thread.
 
Verdammt, hab noch bevor ich den Post gelesen habe runtergescrollt und grad noch das mit Maysan und Temepl gesehen, jez ärgerts mich :P Nur weilich guggen wollte obich der erste bin der drauf antwortet, naja jez erstmal lesen...

EDIT: Immerhin durfte ich ne neue Seite anfangen :P

Wieder mal ein super Kapitel, aber ich hätte gerne mehr über das Prüfungsritual erfahren und auch über diese Menschen von der Insel, und auch allgemein über Pondars seltsame Verbündete :D
Achja und UREL! \0/
 
eine frage kommt dieses stück der alten bedrohung in hadan noch aus der story "gipfel der welt" oder wird das von dir noch geklärt
 
ja es kam aus dem gipfel der welt. hadan hat schwer verletzt ein ritual, mit einem toten minotauren, durchgeführt, welces sein leben gerettet hat. dabei verschmolz wohl ein teil des dämons mit hadan und lauert nun in ihm.
 
Ja, es kommt noch aus 'Der Gipfel der Welt' (wozu es auch bereits mehrere klärende Hinweise gegeben hat) - ich werde das aber nochmal aufgreifen, keine Sorge. Alle Hintergründe zur Herkunft der Protagonisten sowie zu ihrer jetzigen Verfassung werden ihren Platz finden - nur eben verteilt in der Geschichte.

@Kaminkatze: exakt. Und du warst schneller als ich ;)

@doedl: Pundars Verbündete tauchen auf, da wirst du sie auch beschrieben finden. Urel treffen wir auch wieder.
 
Zurück
Oben