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[Story] Saqqara

... und schon wieder habe ich das Up zu schnell verschlungen und muss nun bis zum nächsten darben... :cry:
Ich sollte mir wirklich angewöhnen, jeden Abend nur zwei Word-Seiten davon zu lesen, dann hab ich jeden Tag was davon!

Wieder einmal wundervoll, Reeba!
Mir ist noch nicht ganz klar, warum Du Maysan zunächst im Dschungel gelassen hast, wenn sie doch hinterherkommt, aber es wird wohl nur um die Entwicklung ihres Charakters gegangen sein...

Von Hadans Prüfung hätte ich auch gern noch mehr erfahren, aber vielleicht fragt Eya ihn nochmal deswegen aus, wer weiß?
Schön übrigens, dass Hadan seine Eya so kurz nach dem doch ziehmlich ernsten Streit als Gemahlin vorstellt. Hat mich zwar überrascht, aber auch ein kleines warmes Feuerchen in meinem Magen angezündet... *schnief*

:hy: Insidias
 
Originally posted by Insidias Schön übrigens, dass Hadan seine Eya so kurz nach dem doch ziehmlich ernsten Streit als Gemahlin vorstellt.

naja der streit wurde ja beigelegt und zwar so dass beide zufrieden waren, weil beide verstanden haben was im andren vorging, von dem her hat es mich nicht überrascht.
Evt will er ihr damit auch zeigen dass er sich (vielleichzt sogar wegen der klärenden Ausprache nach dem Streit) jetzt wirklich bzw noch mehr mit ihr verbunden fühlt?
 
Ich finde diese Story ist mit eine der allerbesten, die ich bis jetzt gelesen habe. Leider sind die Updates immer so kurz (wobei 13 Seiten nicht wirklich wenig sind)

Ich hoffe, diese Geschichte geht noch lange so schön weiter, so dass wir bis zu dem Ende noch viele Momente mit den Akteuren erleben können.
 
Habe mich leider schon länger ein bisschen rar gemacht mit schreiben. Dies muss aber ein Ende haben, nach so einem Update. Jetzt wo sich Eya und Hadan von den anderen trennen, giebt es noch viel mehr zu schreiben, da nun noch mehr Handlungsstränge vorhanden sind.
Maysan wächst mir mit jedem Kapitel mehr ans Herz. Ich kann mir richtig das Kind vorstellen, wie es durch den Dschungel hetzt mit einem einzigen Ziel. Das Erreichen seiner Mutter. Vielen Dank für die Stunden bester Unterhaltung beim lesen.

mfg holy
 
Schön, dass Maysan zurück ist.
Die Beschreibung Pundars und seiner Kultur ist recht plastisch gelungen. :top:
 
Das Update war absolut großartig.

Maysans Flucht, ihre Begegnung mit den Pygmäen, ihre Angst, sehr sehr gut und plastisch beschrieben.
Der Einzug in Pundar - wunderbar. Die Stimmung des Ortes hast Du lebendig gemacht. So muss es in sehr alten Städten mit einer gelassenen Bevölkerung sein. Ich habe mir auch Sonne und Schatten ( die Steine) sehr plastisch vorgestellt.

Die Prüfung Hadans und Eya's Handlungen dabei - ohne Worte. Auch diese Stelle war von der Handlung und vom Ort her, eben atmosphärisch, vom Allerfeinsten.

Überraschend, aber folgerichtig, ist die baldige Entwicklung hin zum Kriegszug.
Dass Maysan zurückbleibt an diesem Ort, wird ihr vermutlich nicht schaden.
(Hätte so schnell kein Update erwartet.)

:hy:

DV
 
ich bin ja leider schon "etwas älter" und Gedächtnismässig nicht mehr so auf der Höhe, aber trotzdem die Frage: Wo kommt dieses Pundar plötzlich her? Und warum zieht das einfach mal so holterdipolter in nen Krieg? Oder hab ich ein Update verpasst? :cry:

Wenn das wirklich nur eine Gedächtnislücke von mir ist, betrachtet obiges als nicht vorhanden :D

PS: Is ja klar, dass du dich nicht mehr bei Ep4 sehen lässt wenn du hier Updates am Laufband produzierst, liebe Reeba ;)
 
Saturn schrieb:
ich bin ja leider schon "etwas älter" und Gedächtnismässig nicht mehr so auf der Höhe, aber trotzdem die Frage: Wo kommt dieses Pundar plötzlich her? Und warum zieht das einfach mal so holterdipolter in nen Krieg? Oder hab ich ein Update verpasst? :cry:
nachdem sie aus kurast raus waren, hat hadan gesagt er könnte sie nach pundar führen, eine andre stadt im süden des kontinents wo der einfluss von kurast nix gilt :D
und da kamen sie dann hin, naja der pala hat zuerst an pundar gezweifelt aber das siehst du ja jez selber (:
 
@Saturn: doedl hat es schon richtig beantwortet. Aber die Geschichte ist mittlerweile wirklich lang, wenn dem ein oder anderen Leser da mal was unter den Tisch fällt, wundert mich das garnicht. Plötzlich aus dem Ärmel gezauberte Sachen gibt's bei 'Saqqara' aber nicht.
Pundar wurde bereits viel weiter vorne und mehrmals erwähnt.
@alle: danke und huhu :)
 
nach langer abwesenheit poste ich auch mal wieder was

tja normaler weise soll man ja irgendwas kritisoiieren oder vorschläge machen damit son post ncih nur nen up is ,aber mir fällt beim besten willen nix ein was ich jetz noch auszusetzen haben könnte.
ah doch ein punkt habe ich:
du schreibst hier kapitel um kapitel und ich sitze immer ncoh an meinem2ten kapitel ,dass ncoh ncihtmal halb solang ist wie diese prachtexemplare hier
so jetz heist es langweilen bis zum nächsten kap.

MetalDragoon
 
also ich weiß ja dass spam sich nicht gehört aber ich kann nict mit ansehen wie eine so gute story auf seite zwei verschwindet also von mir ein kleines up.

Gruß, Helldog
 
So, hat ein wenig gedauert wg. RL.
Weiter geht's.










XXVI. Blitz und Hammer






Zwischen Frauen mit Körben und hageren Asketen stieg Ifrah die ersten, gewaltigen Stufen des Tempels hinauf. Sie waren so hoch und breit, dass man mit ausgestreckten Beinen und angelehnt auf ihnen sitzen konnte.
Nicht weit über dem Boden gab es eine Art erster Plattform. Zwei riesige, reichverzierte Stelen wiesen das Bauwerk als Tempel von Kadhjal aus, der Göttin des Krieges.
Die Magiern warf indes keinen Blick auf die verdrehten, tanzenden Figuren der Reliefs. Mit der Linken stützte sie sich am rauen Stein der einen Stele ab, hob die andere Hand über die Augen und spähte in ihrem Schatten die Straße hinunter.
Das prachtvolle Pflaster war aufgesprungen, wie vielerorts. Füße Aberhunderter wirbelten vom darunter liegenden Lehmboden Staub auf. Ockerfarben, dunstig verhangen, durchstach die Straße den Kern der Stadt, um irgendwo außerhalb, im Urwald, ins Nichts zu münden.
Sie konnte die beiden Gestalten gerade noch erkennen.
Selbst aus dieser Entfernung hob sich die pechschwarze Ganzkörperrüstung der Assassine vom Strom der anderen Farben dieser Stadt ab, und das lange Haar des Mannes neben ihr fing die Sonne wie Schnee. Als habe sie den Abschiedsblick der älteren Gefährtin gespürt, drehte sich Eya plötzlich um. Ifrah sah sie winken. Erst glaubte sie an einen letzten Gruß auf gut Glück. Doch ihre hellgelbe Kleidung und ihr hüftlanges Haar machten sie vielleicht auch von weitem unverwechselbar, und die Jüngere hatte gute Augen.
Gebt auf euch Acht. Der Abschied zerrte mit unvermuteter Kraft an ihr. Sacht hob die Magierin die Hand und winkte zurück.
Dann waren die Gestalten Eyas und Hadans verschwunden, untergetaucht in Karren und Menschen, aufgelöst im gelben Staub des trägen Mittags.
Lieber ginge ich mit euch als mit dem Verband des ersten Gegenschlags zurück in die Städte. Einige Gedankenketten lang stand Ifrah noch auf dem Fußsockel des Tempels, ein Stück über der Stadt. Dass ihr ein letzter Blick auf die nach Mandjab reisenden Gefährten vom Heiligtum einer Kriegsgöttin aus gewährt worden war, schien auf düstere Art und Weise passend.
Dann riss sie sich zusammen und stieg die wuchtigen Stufen hinunter, eiliger jetzt, da sich ihre Pflichten ihr wieder in Erinnerung riefen. Sie würde einen gemischten Kriegszug aus Pundarsoldaten, bewaffneten Zivilisten und Paladinen begleiten. Nicht nur diese Zusammensetzung war eigenartig. Sie würde zudem die einzige Frau sein. Krieg, und auch die Nekromantie, ist hier Sache der Männer. Es ist eine Welt von Männern. Kurz ging ihr die Frage durch den Sinn, warum Hadan, der aus dieser Welt stammte, Frauen als Kämpferinnen so uneingeschränkt akzeptierte.
Das Schwerste, der Abschied von Maysan, lag hinter ihr. Sie würde ihre Schritte nicht wieder auch nur in die Nähe des Bisratempels lenken, wo großzügig entlohnte und vertrauenswürdig wirkende Tempelbewohner das Mädchen in ihre Obhut genommen hatten. Maysan noch einmal zu sehen, würde all ihre Entschlusskraft zunichte machen.
Ifrah ging langsamer, die Kehle zum Ersticken eng. Das letzte Bild war das weicher gewordene, braune und doch immer etwas blasse Gesicht, ein magerer Kinderkörper in einem darum gewickelten Tuch, vor dem Hintergrund bilderüberwucherter Steinwände in einem blühenden Hof. So wollte sie ihre Tochter in Erinnerung behalten.
Ifrah legte das Bild behutsam beiseite und richtete die Augen wieder auf die Straße.
In wenigen Stunden, beim Aufbruch des Kriegszuges, würde sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen der Fürsten dieses Kontinents sehen und sich den Männern vorstellen, die großenteils vermutlich nicht von ihr wussten.
Viel Zeit hatte sie nicht mehr.
Nicht wenige Menschen blickten der stämmigen, eindrucksvollen Erscheinung nach, die mit jetzt funkelnden Augen und wieder rascher durch die Menge eilte.
Ihre Habseligkeiten waren rasch zusammengepackt, und bevor sie ihre Unterkunft verließ, legte sie die Rüstung an.
Als die Magiern, den mattgoldenen Stab in der Rechten, wieder ins Freie trat, schien die ganze Straße sie anzustarren. Sie versuchten es zu verbergen, gewiss. Vor allem aber die älteren Frauen machten große Augen und berührten oftmals Anhänger oder Stirnpunkte ihrer Gotteszugehörigkeit.
Das Metall der Rüstung umschloss Ifrahs Glieder wie ein Panzer aus getriebenem Gold, hart, starr, doch altvertraute Sicherheit abgebend. Es war eigentlich zu warm dafür. Und so bald würde sie noch in kein Gefecht geraten. Doch als sie die Straße entlang schritt, half ihr die Rüstung, die Mutter und Freundin in sich wieder mit einer Kriegerin zu vertauschen.
Vor einem kleineren Palast, dem Sammelpunkt, hatte sich eine schon von fern sichtbare Menge eingefunden.
Näherkommend, erkannte Ifrah augenblicklich die Pundarkrieger. Große, dunkle Männer in eisenverstärkten Lederharnischen und orangefarbenen Pluderhosen standen beisammen, an den Seiten die längsten Säbel, die sie je gesehen hatte, und gestützt auf riesige Lanzen. Sie wirkten ungeordnet, wild und streng.
Daneben hielten sich die bewaffneten Städter mit Macheten und derben Kurzbogen. Man hatte sichtlich versucht, sie einheitlich einzukleiden, so trugen die meisten Grün und Weiß, dazu eng gewickelte Turbane. Lange Schnurrbärte waren hier im Süden keine Seltenheit.
Halbnackte, hager, ohne eine andere Gemeinsamkeit als ihre bloßen, ausgezehrten Leiber, sprenkelten das Gemisch. Nekromanten?
Menrad und seine Paladine warteten etwas abseits, in ihrem verschlissenen Weiß und Blau ebenso ein Farbtupfer wie Ifrah selbst, der nun viele, mal misstrauische, mal ernst prüfende Blicke begegneten. Fremd und verschliffen klangen die Stimmen des Heers, dessen Größe sie auf etwa vierhundert Männer schätzte, in der Schwüle.
Menrad nickte ihr erkennend zu. Bevor sie aber ihre Schritte zu ihm lenken konnte, kam Bewegung in die Menge.
Wer gesessen hatte, stand auf, und alle Stehenden strafften sich.
Durch einen Menschenkorridor wurde eine kleine Gruppe sichtbar. Schwer bewaffnete Krieger eskortierten zwei Männer.
Einer von ihnen, hochgewachsen und hager, zog alle Blicke auf sich. Aus einem scharfgeschnittenen Antlitz sehr dunkler Tönung stachen harte, intelligente Augen vom selben Pechschwarz wie das lange, mit Öl zurückgestrichene Haar. Ifrah stutzte – so ähnlich sah der Mann Hadan, ins Dunkle verkehrt.
Der Pundarfürst.
Ehe sie zur Besinnung kam, hatte sich die Gruppe ihr genähert, und die scharfen Augen richteten sich unmissverständlich auf sie, die blass golden gepanzerte Frau unter einem Heer einheimischer Krieger.
Ohne nachzudenken, ließ sie sich auf ein Knie nieder und neigte den Kopf.
Rasch aber sah sie wieder auf – sie wollte keine Demut zeigen, wenngleich die Erscheinung des Fürsten, die Aura einer alten Hoheit um seine Gestalt, beinahe dazu zwang, sondern Achtung, die sich nicht selber erniedrigt. Und Dankbarkeit.
Der Begleiter des Fürsten gebot ihr, sich wieder zu erheben.
Nur schwer verständliches Jabrah ergoss sich über sie. Ein Mann in ihrer Nähe, der bemerkte, dass sie kaum folgen konnte, zischte ihr in holprigem Sandhaîn zu: „Ihr sollt Euch erheben, Ihr braucht nicht zu knien. Ihr seid Gast im Heer und sollt sagen, ob Ihr etwas braucht zu Eurem Schutz. Der Fürst sagt, Ihr seid eine seltsame Erscheinung und erinnert ihn an die Standbilder von Kadhjal, und er sagt, vielleicht seid Ihr eine Gesandte aus kommenden Zeiten, in denen sich Vieles verändert.“
„Ich benötige keinen Schutz, Hoheit“, entgegnete Ifrah in Richtung der fürstlichen Gruppe. Fieberhaft suchte sie nach den passenden Worten alten, höflichen Jabrahs, die Hadan sie auf ihr Drängen einst gelehrt hatte. „Aber ich möchte meine unendliche Dankbarkeit für den Schutz in Eurer Stadt und für die Freundlichkeit Eures Hauses zum Ausdruck bringen.“
Offenbar zufrieden, wandte der Fürst sich ab.
Die Menge redete wieder lauter.
Noch einmal, jetzt erst wieder frei atmend, warf Ifrah einen Blick auf die hochgewachsene Gestalt, die sich den Kriegern widmete. Trotz der unzweifelhaften Verehrung der Männer umgab den Fürsten wenig Unnahbarkeit. Er geht mitten unter die Soldaten. Die Menge schloss sich wieder um den Fürsten. Gebe das Element, dass er sich als Kriegsfürst so bewährt, wie es dieser Anfang verspricht.
Nachdenklich stand sie noch, als der Zug sich in Bewegung zu setzen begann. Gemächlich, aber stetig, ging es über den Vorplatz des Palastes, und das ruhige Pundar sah zu.
Ifrah fand sich neben den Paladinen im hinteren Drittel des Heeres wieder.
Graue Augen wechselten einen Blick mit ihr, aber sie sprachen kein Wort. Sie beobachtete Menrad einige Atemzüge lang. Er hatte den Bart abgelegt und ging mit umwölkter Stirn zwischen seinen Brüdern, Brüdern aus verschiedenen Winkeln der Welt, voran.
Er müsste doch Erleichterung verspüren, Pundar zu verlassen, dachte sie vage, und sich wieder in seiner Ansicht nach zivilisiertere Gegenden zu begeben. Vielleicht geht es ihm aber auch wie mir, und er hat inzwischen zu viel Neues und Widersprüchliches gesehen, um sich über die alte innere Weltkarte, die jeder von uns in eigener Ausführung in sich trägt, noch sicher zu sein.
Dann, um der Furcht zu entgehen, die mit diesen Gedanken kam, verbot sich die Magierin energisch weiteres Grübeln und verwendete ihre Energie darauf, im Staub des Heerzuges nicht zu ersticken.





Baraidha, das sie nach nur zehn Tagen erreichten, ging ohne nennenswerte Kampfhandlungen wieder in die Herrschaft seines eigenen Fürstenhauses über.
Die kurastischen Besatzer zogen sich nach einem halbherzigen Gefecht in die Weite des Urwalds zurück. Nur ein Mann wurde getötet.
Sich gedankenvoll Schweiß von der Stirn wischend, ließ Menrad die Augen über den Platz gehen, an dem sich das Pundarheer wieder versammelte.
Sie waren den Besatzern um das Doppelte überlegen gewesen, und schön und frei stand der Palast von Baraidha wieder ohne das Rot und die Bronze der Kuraster da. Zur Erleichterung hatten sie jedoch wenig Anlass. Der rasche Rückzug der Feinde war keine bereitwillige Freigabe.
Vielleicht haben sie mit dem Widerstand aus Pundar nicht gerechnet, dachte der Paladin, durstig, matt in der Hitze, so, wie es dem Plan des Nekromanten entsprach. Doch der Rückzug wirkte voll und ganz so, als ziehe Kurast seine Macht noch einmal zusammen, um dann endgültig über den Osten auszuschwärmen.
Nein, nicht ‚schwärmen’. Es sind zu wenige, dank sei dem Himmel. Dank sei dem Licht, dass die Menschen offenbar fast überall gegen Kurast stehen. Der Paladin blickte irritiert auf seine schweißnasse Hand. Er begann zu denken, als sei es sein eigener Heimatboden, um den es ging.
Er schaute auf die umstehenden, abenteuerlichen Gestalten, ihre aschbraune Haut, roch ihre Ausdünstungen. Freunde? Nein, er würde hier immer ein Fremder bleiben, misstrauisch den Menschen gegenüber, ihren Sitten, ihrem Essen, abgestoßen von der Ergebenheit und Inbrunst, mit welcher sie an ihren falschen Göttern hingen.
Die Unklarheit, warum er freiwillig für diesen Teil der Welt focht und endlos marschierte, behinderte ihn jedoch kaum mehr.
Einzig, dass er von einem Tag auf den anderen lebte, seitdem er zu einem Vertriebenen verdammt worden war, fraß an ihm. So sollte ein Paladin nicht leben. Weder zu seiner Heimat noch zu seinem alten Leben in Shanghar gab es eine Brücke. An seinen Glauben dachte er, war er allein, so wenig wie möglich, auch wenn es schmerzte und ihn noch mehr zum Vertriebenen machte.
In Pundar, oder Menschen wie dem Nekromanten gegenüber, da setzte sich ihm alles klar und hell zusammen.
Der intelligente Mann hinter seiner Brust aber, die nicht viel weniger ehrfürchtige, leidenschaftliche und demütige Muskeln des Glaubens ausgebildet hatte als es bei seinen Brüdern der Fall war, sagte ihm: nur in der Gegenüberstellung mit den Anderen, den Ungläubigen, Falschgläubigen, war er sich seines Glaubens noch so sicher.
In der Einsamkeit meines Denkens aber... Menrad hob den Blick zum Himmel, dem Sitz des Lichtes.
Zum wievielten Mal jetzt schon störte ihn dieses leise Nagen, und wie stechend war es von Verzweiflung begleitet.
Er hätte es niemandem gestanden. Nur ganz tief innen konnte er dem Riss nicht mehr ausweichen, dem Riss, der manchmal kühl und Anlass zum Denken war – was er heimlich schätzte, du denkst zuviel, Vic – und dann wieder ein Schmerz, oder schlimmer noch, eine Leere.
Ich zweifle.
Helle Flecken tanzten vor seinen Augen, als er sie wieder auf die Umgebung richtete.
Kurz schien ihm alles nur eine überraschend alte Ahnung, die sich endlich festigte. Dann aber hieb Schreck wie ein Schlag purer Energie nach ihm, und zusammenzuckend löschte er seine Gedanken, die gehorsam in Starre und Schuld versickerten.
Um etwas zu tun, drehte er eine Runde durch die Gruppe der Paladine.
Mit jedem, der düster drein sah, wechselte er ein paar Worte. Die konvertierten Männer aus den Städten des Ostens waren geistig in besserem Zustand als die Westmarschener. Erstere konnten unter den Sohlen immer noch den Boden ihres Landes fühlen. Die Männer seiner, Menrads, Heimat aber waren ausgestoßen, verunsichert durch den Niedergang des Ordens auf diesem Kontinent, und die Sorge um die Heimat lastete auf ihnen.
Und von drüben kommt niemand, um uns zu helfen.
„Paladin.“
Sein Kopf ruckte hoch.
Unbemerkt war er etwas abseits von dem Ort, an dem seine Brüder rasteten, beinahe in einen Mann hineingelaufen. Mit einer Entschuldigung trat er zurück, eigenartig von einem Geruch fremder, schwitzender Haut und schweren Dünsten umgeben, Dünsten wie Weihrauch.
Das Gesicht, in das er blickte, war kantig und lang unter für den Süden typischer, graubrauner Haut. Augen stachen unangenehm scharf daraus hervor, Kohlestücke, in das Antlitz einer Erzstatue eingelassen.
Menrad erkannte den Mann und straffte sich automatisch.
„Verzeiht“, hörte er sich die Entschuldigung wiederholen. „Ich achtete nicht darauf, wohin ich ging.“
„Ihr seid mit dem halben Herzen im Westen.“ Der Pundarfürst sah ihn an, ohne zu blinzeln. Eine Hand lud den Lichtkrieger ein, die adeligen Schritte ein Stück weit zu begleiten.
„Das... ist richtig.“ Verwundert forschte Menrad rasch nach möglicher Begleitung des Mannes. Doch dieser war allein. Vielleicht musste er in dem Kriegszug niemanden fürchten. Und der Paladin dachte auch, dass viel Mut oder Wahnsinn dazu nötig waren, die nahezu lähmende Aura von Hoheit um den Fürsten zu durchbrechen. Die verschlafene Weltfremdheit Pundars umgab ihn, doch ebenso die Gespanntheit alter Kriegergeschlechter, und man sah ihn nie ohne Waffen – einen langen Säbel und zwei überkreuz im Gürtel steckende Macheten.
Erst jetzt registrierte er, dass der Fürst Sandhaîn sprach – mit überstarkem Akzent, aber fehlerfrei.
„Ich bin nie auf der anderen Seite des Meeres gewesen“, fuhr dieser fort. „Eine fremde Welt, aus der Ihr stammt, Bruder des Lichtordens. Fremd und voller Uneinigkeit.“ Die schwarzen Augen sahen geradeaus.
Menrad stutzte. Einzig die Hoheit seines Gesprächspartners hinderte ihn daran, offen erstaunt zu reagieren. „Wollt Ihr mir sagen, was Ihr meint... Eminenz?“ hakte er nach, vorsichtige Worte wählend.
Die ganze Eigentümlichkeit des umgebenden Kontinents, seine kaum gebändigte Natur, die Unordnung seiner Städte, das Labyrinth seiner Kasten, standen dem Paladin vor Augen. Wie konnte der weite Himmel des Westens, wie konnte sein geregeltes Land unter dem vorteilhaften Einfluss von Fadraîs, dagegen uneins genannt werden?
„Gibt es einen anderen Teil der Welt, in dem so viele Völker leben?“ Das denkbar dünnste Lächeln zog die Lippen des Fürsten auseinander. „Die Insel der Frauen, Varda – von ihr berichten die Reisenden. Die wilden Völker in Eurem Norden, Barbaren, Druiden. Und die Weisen der Magiezirkel, die Wüstenzivilisation des Juwels Lut Gholein. Von diesen spreche ich, Paladin.“
Menrad fühlte es still in sich werden. Uneinigkeit, blieb ein Klang zurück, und mit gerunzelter Stirn sah er zu Boden, das unangenehm abgekühlte Herz desjenigen in der Brust, der an sehr lange nicht mehr bedachte, unbequeme Tatsachen erinnert worden ist.
„Eure Brüder“, fuhr der Fürst nach einer Weile fort, „haben Nachricht von Unruhen in Eurer Heimat, sagt man.“ Der Tonfall ähnelte einer Frage.
„Es wird von Unfrieden berichtet.“ Der Paladin mühte sich, die steigende Rastlosigkeit zurückzudrängen, die mit dem Gespräch erneut – und fast täglich jetzt – wiederkehrte. Aus großer Ferne riss das Meer an ihm. Ich muss hinüber. Er atmete zitternd ein. Etwas ist drüben im Gange. „Es soll Erhebungen im Süden und Norden geben, derer die alte Königsstadt sich angenommen hat – scheinbar seit Längerem schon. Genaueres weiß niemand.“
„Kadhjal tanzt.“ Halb singend hatte der hochgewachsene Mann an Menrads Seite es ausgesprochen. „Die Götter sind unruhig.“ Er blinzelte abwesend ins Nirgendwo. „Wir wurden richtig unterrichtet. Der Wandel der Welt hat sich vollzogen.“ Eine kleine Pause. „Ihr sollt alles erhalten, was Ihr nach der Niederwerfung Kurasts für eine Rückkehr in Eure Heimat benötigt, Paladin, als Dank für Eure Hilfe hier.“
Damit, davongehend mit raschen Schritten, ohne von der Höhe seiner rätselhaften Person und Stellung noch einmal herunterzusehen, ließ der Pundarfürst den Paladin stehen.
Menrad sah das schwarze Haupt in einem Pulk von Männern verschwinden.
Eine Weile verhielt er irritiert, überschwemmt von all dem, was ihm seit jenem schicksalhaften Tag der Unterrichtung von Cedrics Ermordung widerfahren war. Mit wachsender Unsicherheit sah er sich noch nicht zusammengefügten Teilen ausgesetzt.
Er verstand es nicht. Noch nicht.
Aber jeder Bauer musste spätestens jetzt erkennen, dass mit der Welt etwas geschah. Und eine leise Stimme sagte dem ehemaligen Kommandanten einer kleinen Mission, dass es nicht nur Krieg war, der am Horizont heraufzog.





Wo wenige Reisende stets auf der Hut sein mussten, bahnte sich der Kriegszug eine Schneise durch den Urwald. Sie zogen nordwärts im Dunst der Tage und entzündeten nachts Wachfeuer unter den Uferbäumen des Arivati, ohne sich vor den Geschöpfen des grünen Dickichts ringsum fürchten zu müssen.
Stetig, mit der Langsamkeit eines Fußheers, doch unaufhaltsam, überwanden sie die Wildnis hinter Baraidha und näherten sich Shanghar. Die Antwort auf die kurastischen Aktivitäten hatte die Mitte des Kontinents erreicht.
Bei Shanghar endete ihr ungehindertes Vorwärtskommen.
“Saja, saja, saja!“
Unter den rauen Rufen der Führer des Zuges, die soviel wie Vorwärts, vorwärts bedeuteten, duckte Menrad sich unwillkürlich und sah sich rasch und geschult um.
Hinter einige hundert Schritte entfernten Bäumen ließen sich die ersten Hütten der Vorstadt erahnen. Menschen waren ängstlich vor ihrem auftauchenden Heer verschwunden, verfolgt von Kriegern, die ihnen befahlen, die Besatzer nicht zu warnen und sich in Sicherheit zu bringen.
Der fast vierhundertundfünfzig Mann starke Zug kam in Bewegung, zog sich auseinander, als die Männer schneller liefen.
Sie würden die Stadt stürmen.
Schlicht und nicht übermäßig vorsichtig war der Schlachtplan des Pundarfürsten. Keine Erkundungen – man wusste von Verbündeten in der Stadt über die ungefähre Zahl der Gegner Bescheid, und dass sie vornehmlich das Zentrum und dort öffentliche Gebäude besetzten - , keine Ruhe vor dem Sturm, kein langsames Einkesseln.
Menrad war angehalten, die achtundvierzig Paladine zu befehligen. Versprengte Pundarkrieger würden ihm ebenso gehorchen wie ihren Hauptleuten, war ihm zugesichert worden.
Die Luft des späten Morgens stand schwer in der ersten Straße. Lärm kam über die Häuser, der Lärm des Heeres, das in die Stadt spülte. Bewohner sahen zu, dass sie ihm aus dem Weg gingen, rannten, warfen Türen hinter sich zu. Geschrei stob auf.
Mit dem klaren Kopf der Tat winkte Menrad seinen Männern und eilte ihnen voraus. Im Takt der Schritte sah er kurz, eindringlich, das Grün und fleckige Silber der Kleidung und Waffen der Zivilisten Pundars – das leuchtende Orange der Pundarkrieger – hörte das Hecheln der rennenden Männer, die derben Rufe angreifender Menschen des Ostens, begierig auf ein Ende des nervenaufreibenden Weges durch den Urwald - - - dann lag plötzlich der Kampfhammer schwer in seiner Rechten, und weder das Gewicht seines Schildes noch der beißende Brodem erregter Körper fanden noch als Störung zu ihm.
Ein ungewöhnlicher Blickfang in der Menge der Laufenden zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Blassgolden, ihrer gewöhnlichen Reisekleidung ledig, das Haar, das sonst wie ein schwarzer, schimmernder Vorhang über ihren Rücken fiel, straff in einen Zopf gebunden, stach die Magierin unter den Kämpfern heraus – ein mattes Funkeln in der Sonne.
Ihr Alter und ihre Statur sprachen dagegen, doch hielt sie trotz ihrer Rüstung mühelos mit der Schar der Männer mit. Menrad hatte nicht viel mit ihr gesprochen, in seinen jüngsten, verstörenden Heimsuchungen von Zweifel wenig erpicht auf die Gesellschaft einer Klasse, der er ablehnend gegenüberstand.
Jetzt aber hing sein Blick im Laufen an der älteren Frau.
Dann starrte er mit einem Mal, atemlos – denn sie war verschwunden.
Wie aus einer anderen Wirklichkeit tauchte sie Dutzende Meter entfernt wieder auf – verschwand wieder – stand erneut da, aber diesmal zur Rechten der Rennenden.
Teleportation. Bass erstaunt, vergaß der Paladin im ersten Erblicken dieser schier unvorstellbaren Macht, Feindseligkeit zu empfinden, und nicht Frevel war das Wort, das diesen Anblick in ihm begleitete, sondern Wunder. Die Teleportation war nicht notwendig, verstand ein Teil seines Bewusststeins – ein magiebegabtes Wesen testete seine Fähigkeit, ausbrechend, fast spielerisch, atemberaubend.
In einem letzten Schimmern war sie fort. Er hatte sie aus den Augen verloren.
Doch nun blieb ihm auch keine Zeit mehr, sich umzusehen, denn der erste größere Platz nahte, und unter schreiend davonlaufender Bevölkerung und durchgehenden Lasttieren traf der Kriegszug auf seine Gegner.
Rot und erzen warteten die Kuraster.
Im Geschrei der aufeinander losstürmenden, sich ineinanderschiebenden Verbände hörte Menrad Victorin Callist, an der Schwelle zum ersten Krieg seines Lebens, die Stimme des Pundarfürsten im Gemenge, selber Kommandos brüllend, und entließ seine Männer – halbfremde Brüder, die letzten Paladine auf östlichem Boden – in die Schlacht.
Licht, verlass mich nicht in dieser Stunde und leite mich. Vergib mir meine Schwächen und lass mich für die richtige Seite streiten.
Kurz durchzuckte ihn Unsicherheit, die Erwartung, dass dieses Mal endlich, durch all die Jahre hindurch immer wieder aufs Neue gefürchtet, das Licht nicht käme. Dann befreite sich sein Fleisch von einem großen Teil seiner Schwere, während er hingegeben und schuldbewusst das innere Leuchten empfing, und wer ihm nahe war, spürte eine Aura der Antriebskraft um den hageren Lichtkrieger.
Äußerlich gab es keine Zweifel, er war mit ihnen allein.
Das beginnende Gefecht wusch weg, was er dachte.
Durch die Korridore des Getümmels gelangte er bis dicht an eine Horde der Kuraster. Böse grinsend wandte sich ihm vier von ihnen zu. Ringsum wütete der Kampf, eine Bestie mit ungezählten Köpfen und zuckender Leibesoberfläche, die mit Säbeln sang und hässlich schrie.
Ich kenne diese Männer. In demselben Rot hatten sie seine Truppe in Kurast abgefangen und niedergemacht, und heiß kochte lang verschütteter Schmerz in ihm hoch, als ihn Bruchstücke der Erinnerung wiederfanden.
Chana. Das Gefängnis. Brennende Wachhäuser. Cedric.
Sie sahen einander so ähnlich, fast zwillingsgleich. Er sah sie mit tödlicher Gewandtheit auf die Pundareinheit losgehen, menschliche Waffen, die mit Lust töteten.
Der Kampfhammer vibrierte in seiner Rechten. Mit blitzenden Tulwaren hatten sich die Kuraster fast auf Schrittweite genähert. Wir, schoss es ihm durch den Kopf, und es gab kein Zögern, in dieses Wir die seltsamen Gestalten seiner Befreier und ungewollten Gefährten einzubeziehen, wir haben uns über euch getäuscht. Ja, selbst den Söhnen dieses Kontinents ist euer Aufstieg entgangen.
Aber vielleicht täuscht ihr euch auch über uns.

Mitten in den Halbkreis der überraschten Kontrahenten tretend, schwang der Paladin den Hammer, der dumpf die Luft durchschnitt, und in einer einzigen, fließenden Bewegungsabfolge, das grelle Kreischen niederhackender Säbel auf seinem Schild, riss er die schwere Waffe durch das Spalier der gegnerischen Körper. Der erste Gegner prallte gegen den Schild, und er hinterließ einen blutigen Abdruck seines Kiefers auf der Oberfläche, als ihn die schiere Wucht des vorwärtstretenden Lichtkriegers von den Füßen schlug.
Dem zweiten zerschmetterte der Hammerkopf in seiner ersten Abwärtsbahn Schlüsselbeine und Brustplatte. Gefällt, schlug er im Sand des Platzes auf.
Der Hammer beschreib einen Bogen gegen die zwei verbliebenen Kuraster. Wutentbrannt waren sie auf eine Deckungslücke losgesprungen. Doch ihre waffenstarrenden Arme und flinkeren Bewegungen halfen ihnen nicht. Wie morsche Bretter zertrümmerte es ihnen die erhobenen Unterarme, die abknickten. Durch die schlecht gerüsteten Nacken, Schultern und Wirbel der Krieger, die stets auf ihre überragenden Fechtkünste vertraut hatten, fraß sich der Hammer, alles zermalmend und aufreißend, was ihm nicht aus dem Weg ging, und schleuderte sie von den Füßen.
Der erste Kontrahent, der mit blutigem Gesicht aufspringen wollte, hatte eben noch Zeit, in den Himmel zu starren – dann kam der Paladin aus seiner halben Drehung zum Stehen, den Schild bis zum Mund erhoben, die Knie leicht gebeugt, und ließ die Waffe herabstürzen. Er brauchte sie nur zu lenken, ihr Gewicht tat seine Dienste.
Auf das leise Krachen folgte Stille, Stille in einer Blase inmitten des Gefechtslärms.
Mit einem Ruck hebelte Menrad den Hammerkopf aus der Brust des Getöteten.
Vier weniger.
Aus dem Augenwinkel sah er plötzlich die hohe Gestalt des Fürsten unter den Kämpfenden. Der große Mann wütete fürchterlich unter seinen Gegnern, kaum gedeckt von eigenen Männern. Anders als das Baraidha-Fürstenhaus, das nur Soldaten, aber keinen Vertreter seiner Familie geschickt hatte, war dieser Mann wahrer Mittelpunkt des Aufstandes.
Mit widerwilligem Respekt wandte sich Menrad seinen nächsten Gegnern zu. Der Boden des Platzes war zerstampft, und wo nicht Blut den Staub zusammenbuk, stieg er auf und den Kämpfern in Nase und Augen.
Er war froh, keinen Helm zu tragen.
Ohne ein einziges Mal in tödliche Bedrängnis zu geraten, immer ein halbes Auge auf den anderen Paladinen, die sich neben den Pundarkriegern behaupteten, durchbrach er die Dichte der Schlacht, Gegner um Gegner. Die Blicke der Kämpfer aus Pundar, die ihn mit Anerkennung und Entsetzen zugleich trafen, entgingen ihm.
Man kannte weit unten im Süden die Lichtkrieger aus dem Westen kaum. Von ihren kleinen Gebetshäusern weiter nördlich hatte man vielleicht einmal gehört, sich gewundert, warum Kurast sie mit solcher Inbrunst vertrieb, und die Flüchtlinge in Pundar bedauert, das durchaus. Aber dass sie sich als solche Kämpfer entpuppten – damit hatte niemand gerechnet.





Vom Platz der ersten Konfrontation aus spaltete sich der Kriegszug in zwei Gruppen. Ihre zahlenmäßige Überlegenheit hatte den Pundarkriegern zur Beseitigung der vordersten Gegnergruppe verholfen. Wer von den Kurastern nicht geflohen war, um im Stadtinneren wieder auf seine Leute zu stoßen, lag tot im Staub – ein Haufen rotgewandeter Körper wie verstreutes Scharlach, gesprenkelt mit Orange und Weißgrün.
Nun setzten Krieger aller drei Zugehörigkeiten – Pundarkrieger, Zivilisten und Paladine – den Fliehenden nach, während der Großteil des Zuges wieder zu einer Einheit zusammenschmolz und weiter ins Stadtinnere vordrang.
Menrad fand sich unter ihnen. Etwa zwanzig Paladine waren noch in seiner Nähe, die anderen jagten Kuraster zwischen den Häusern und trieben die Bewohner in ihre Hütten, dass niemand verletzt würde.
Die Menschen schienen den Aufständischen aus dem Süden jedoch weit eher gewogen als den Besatzern aus Kurast.
Der Nekromant hatte Recht. Die Meisten haben bei einer Alleinherrschaft Kurasts offenbar etwas zu fürchten, und diese Furcht muss stärker sein als alle Begeisterung für wiedererstarkte alte Glaubensmacht. Menrad wischte sich behelfsmäßig mit dem Ärmelstück, das nicht unter pundarischem Kettenhemd verborgen war, Schweiß und Staub aus den Augen.
Im Kampf blieb kaum Zeit für Gedanken.
Aber gerade Shanghar, dessen Gebäude und Straßen ihm bekannt waren, erinnerte ihn an etwas.
Parallelen. Er begann sie zu sehen.
Sie fielen ihm auf, wo seine Abneigung dem Osten gegenüber ihm dies lange verwehrt hatte. Unruhig wie die Paladine, die ihre Ausbilder attackierten und sich gepeinigt im alten Bett des Glaubens wälzten, waren auch die Menschen hier. Er sah es. Ließ man außer Acht, was man nicht begriff, was die Völker unterschied, wurden die Gemeinsamkeiten bloßgelegt.
Ob nun ein Mensch des Ostens die düsteren und leidenschaftlichen Versprechungen alter Kulte in einer rastlosen Zeit verlockend fand, und deren Vertreter darum gediehen – oder ob ein Lichtkrieger des Westens sich plötzlich schwer tat mit dem langen Atem, den die Herausforderungen des Glaubens verlangten... War dies etwas so Grundverschiedenes? Konnte nicht derselbe Mensch hinter beiden Personen Opfer der gleichen Angst sein?
In der Menge voranstürmender Männer gewahrte der Paladin plötzlich die Magierin neben sich.
Haarsträhnen hatten sich aus ihrem armdicken Zopf gelöst. Eine kleine Wunde prangte auf ihrer linken Wange, und seltsam, wie eine Bemalung, war ein einzelner dicker Blutstropfen bis zum feinen Schwung ihrer Lippen heruntergelaufen. Ihr Gesicht war schweißüberströmt, doch der Blick, der ihn traf, wach und konzentriert. Ein Kokon spannungsgeladener Luft umgab sie.
Nur Augenblicke liefen sie nebeneinander her.
Dann schwemmte seine eigene Vorwärtsbewegung den Kriegszug auf den Hauptplatz der Stadt. Auf den Stufen eines Tempels warteten Kuraster, doch nicht sehr viele, etwa siebzig an der Zahl.
Hier stimmt etwas nicht.
Mit der Trägheit einer großen Menge stoppte der Zug in mit einem Mal nahezu geisterhafter Stille.
Eine Hand riss an Menrads Schulter, und er sah mit sich aufstellenden Nackenhaaren in Ifrahs Augen. Die Intensität ihres Blicks fing ihn trotz aller Ablenkung zwingend ein, und er musste ihm folgen. An dem Haus, zu dem ihr Blick seine Augen leitete, fiel ihm zunächst nichts auf.
Halb zugeschobene Läden, dahinter der Schatten einer Behausung. Flüchtig leuchtete ein rotgewandeter Arm auf.
Das Blut gefror ihm in den Adern.
„Sie sind überall“, zischte die Magierin, jetzt wieder starr geradeaus sehend. In den Häusern, formten ihre Lippen. Das Holz ihres Stabes knirschte unter ihrem Zugriff.
Mit einem Schlag brach der Hinterhalt über den Kriegszug herein.
Türen und Tore flogen auf, um eine Heerschar von Kurastern zu gebären. Im alles übertönenden Gebrüll von Freund und Feind fielen sie über den auf dem Platz und in der davor liegenden Straße gefangenen Zug her. Das Herz konnte erahnen, dass in den Häusern tote Bewohner zurückblieben.
Innerhalb von Sekunden herrschte Krieg im Zentrum Shanghars und Bestürzung unter den Pundarleuten. Der Feind schloss sich wie eine Zange um sie, ihnen jetzt überlegen – um wie viel? Das Doppelte? Das Dreifache?
Menrad holte einen wild angreifenden Kuraster mit einem Hieb von den Füßen. Neben ihm hielt die Magierin ihren Stab mit beiden Händen. Verzweifelt ob der schieren Menge heranstürmender Widersacher, die die Zivilisten mühelos überwanden und sich in die Pundarkrieger verbissen, sah der Paladin sie den Stab über den Kopf hochreißen.
Sie würden beide hier enden. Die Falle würde ihren Zweck erfüllen.
„Was macht Ihr denn?“ schrie er ihr verbittert zu, entsetzt bemerkend, dass ein halbes Dutzend Rotgewandeter die ungewöhnliche Erscheinung anvisierten, und dass aus dem Tempel Küster hervorkamen.
In letzter Sekunde wandte die Magierin ihm die Augen zu.
„Obacht, Paladin.“
Er wollte noch den Hammer gegen die Nahenden hochreißen. Verständnislos starrte er, wie sie mit erhobenem Stab die Augen schloss - dachte sie, mit einem ihrer Blitze dieser Übermacht ringsum ernsthaft zu schaden? – und schmeckte ein winziges Knistern in der Luft.
Im Schatten hinter seinen Augen entstand aus dem Nirgendwo eine blendende Lichtsäule, und in dieser zauderte die stämmige Gestalt.
Mit einem Einatmen zerrte sie an sich, was ringsum an Energie war.
Grundgütiger! Er fühlte einen Schock ungeheurer Gewalt ihn durchzucken, ihn zerreißen, fuhr zusammen, vornüber gebeugt über seine Organe, die ihm aus dem Leib gerissen wurden. Doch es gab keinen Schmerz, und da war nichts, nur sein eigenes Aufkeuchen aus einem erbebenden Körper, über den er kurz die Beherrschung verloren hatte.
Dann brach aus der goldenen Gestalt neben ihm ein weißes Toben, und Menrad vergaß nie wieder, was er in dieser Straße sah.
Aus seinem menschlichen Zentrum sprang ein rasend sich erweiterndes Netz baumstammdicker, dann wieder fadenfeiner Blitze, ein krachender, scharfzackiger Springbrunnen, knisternd im Zerrbild einer Krone aus blendendem Wetterleuchten. Der Sand wurde mit jedem Korn, die Menschen mit jedem Haar erleuchtet, atemlos aufschreiend und stürzend. Er ließ den Hammer fallen und presste gegen das böse Rasen und Donnern beide Hände auf die Ohren, geduckt unter den Schild. Das Herz wollte ihm aus dem Hals. Diese Lichthölle musste ihn und alles Lebendige hier in die Luft reißen und verbrennen bis auf die geschwärzten Knochen.
Und immer noch sah er sie aus tränenden Augen. Ihr Mund war zu einem Schrei geöffnet, den er nicht hörte.
Hinter ihr, auf allen Seiten, schlugen die aberhundert Ströme tödlichen Lichts Menschen zu Boden, wölbten sich knisternd in den Himmel, fegten hinter Türen, die gemeinsam mit Rotgewandeten niederstürzten. Ein Regen aus Sand und Holzstücken ging auf die Straße herab.
Plötzlich war es vorbei.
Langsam, zitternd, in der Atmosphäre, die nach Blitzen und anderem, Verkohltem stank, hob der Paladin den Hammer auf, ohne hinzusehen. Ifrah senkte den Stab.
Es war sehr still ringsum. Ein paar langgezogene Klagelaute schwebten über der Stille.
Die Empfindung fremder Spannung verließ seinen Leib, rann wie warmes, dann eiskaltes Wasser aus seiner Haut, an ihr hinab, und verschwand.
Auf der Straße stand nur noch Orange, Weißgrün, dazwischen Menschen der Bevölkerung, und mit aufgerissenen Augen und Mündern knieten einige oder stemmten sich hoch, wo sie sich hingeworfen hatten, doch alle schüttelten sich und sahen mit teils noch erhobenen Waffen umher.
In einem Umkreis von hundert Fuß blieben die Kuraster liegen.
Freundlich begegneten die bernsteinfarbenen Augen Menrads Fassungslosigkeit. Nur ganz flüchtig zog ein Schatten der Schwäche kurz über das Gesicht der Magierin, aber der Eindruck, dass sie für eine Sekunde zu stürzen drohte, konnte auch täuschen.
Wie nebenbei bemerkte er, dass das Blut auf ihrer Wange sich schwarz verfärbt hatte.
Irgendwo sagte jemand leise: „Kadhjal.“
Der ungeheure Ausbruch magischer Kraft hatte ihre Gegner stark dezimiert, und nach überwundenem Schrecken eilten alle, die dem Ereignis beigewohnt hatten, dem restlichen Heer zur Hilfe. Der Kriegszug leerte den Tempel und breitete sich weiter durch die Straßen der Stadt aus.
Benommen, mechanisch kämpfend, ließ Menrad sich mitreißen. Er vermochte unmöglich zu sagen, was das Gesehene in ihm auslöste.
Musste er nicht voller Zorn gegen eine Anhängerin der Elementarkräfte sein und mit dem grimmigen Wunsch nach sofort verfügbarer, westlicher Gerichtsbarkeit und mit Abscheu auf ihre freie Machtdemonstration blicken?
Dann erinnerte er sich an die unvorstellbaren Gefahren, Wege, finsterer wohl als alles, was er jemals sehen würde, die diese Frau überwunden hatte, sie, einer der wenigen Menschen mit dem Wissen um den Wahnsinn einer Begegnung mit leibhaftigen Dämonen im Kopf, in der verwundbaren Seele.
Ein Mensch mit solcher Macht war gefährlicher als jeder Gesetzlose. Vertrieben oder verehrt wurden Menschen wie diese Frau in verschiedenen Winkeln der Welt. In der Westmarsch sperrte man sie weg, wenn man ihrer habhaft werden konnte, entfernte sie, weil sie eine Gefahr für sich und andere darstellten und einen Frevel gegen die klar zugewiesenen Kräfte des Lichts. Doch nicht ein Unschuldiger auf der Straße Shanghars war verletzt, nicht ein falsches Haar gekrümmt.
Ein Geist, der alle, alle Menschen in einem solchen Umkreis so weit in sich aufgenommen hatte, dass seine Macht zwischen ihnen unterscheiden konnte – was bewerkstelligte so etwas? Wahnsinn? Größe?
Ihr seid nur eine Frau, hatte er zu der Attentäterin gesagt. Warum fiel ihm das jetzt wieder ein? Auch Ifrah war nur eine Frau.
Menrad war einer der Letzten, zu dem die Nachricht im Laufe des Mittags durchdrang.
Einer der östlichen Paladine, selber ein Sohn der Stadt, eilte staub- und blutbedeckt, aber mit strahlendem Gesicht auf ihn zu. Shanghar war befreit. Die wenigen überlebenden Gegner wurden zusammengetrieben, viele sofort hingerichtet, mitten auf den Straßen, ehe der Fürst die willkürlichen Exekutionen untersagte. Aus den Tempeln zerrten die Pundarkrieger die kurastischen Küster, die sich plötzlich den Tempeldienern Pundars gegenübersahen, Vertretern eines längst völlig entfremdeten, unteren Endes ihrer eigenen geistigen Sammelkaste.
Sie waren einander nicht mehr ähnlich, die buntgewandeten Entsandten der Zakarumitenstadt und die verwitterten Asketen des tiefen Südens. Mit brennenden Augen sahen sie sich an. Bewaffnete mussten verhindern, dass die Pundarpriester sich an den vergangenen Küstern vergriffen.
Wer es vorher nicht vorstellbar gefunden hatte, konnte hier sehen, dass die vergangenen Kastenkriege tiefverwurzelte Geschichte des Ostens waren.
Erschöpft streiften die Kämpfer, die noch keine Aufgabe hatten, durch die Straßen der befreiten Stadt. Der Pundarfürst hatte verkünden lassen, dass alle Garküchen großzügig entlohnt werden sollten, um jetzt die Versorgung des hungrigen Heeres zu sichern.





Müde schnallte sie die Segmente ihrer Armschienen los.
Das Leder der Halteriemen war schweißgetränkt. Nachdenklichkeit überkam sie kurz, als das silbergeströmte, matte Gold in einem Lichtfleck aufschimmerte, doch sie unterdrückte alles mit den vergangenen Stunden Verbundene und verstaute die letzten Rüstungsteile in ihrem Reisesack. Dann hob sie mit schmerzenden Armen das schwere, gelöste Haar und warf es sich über den Rücken.
In die nicht einmal unangenehmen Nachwirkungen des Kampfes mischte sich leise ein anderer Ton, begleitet von einer Traurigkeit, die nur kaum fühlbar schmerzte. Ich werde alt.
„Scher dich weg!“ sagte draußen jemand barsch zu einer zweiten Person. Ifrah schrak aus ihren Gedanken. Vor der offenen Tür des kleinen, dunklen Raumes, in dem sie sich umzog, scharrten Füße, und der Zurechtgewiesene brummte.
„Willst sie wohl mal ohne Rüstung sehen, was?“ setzte die erste Stimme in sehr derbem Jabrah hinzu.
„Die Götter sollen dich zertreten“, entgegnete jemand anderes ärgerlich, aber auch belustigt und gutmütig.
Ifrah trat aus der Ecke, in der sie sich verborgen hatte, und in die Tür.
Das bärtige Gesicht eines Mannes, der in den letzten Tagen, scheinbar auf Geheiß des Pundarfürsten, in ihrer Nähe geblieben war, wandte sich ihr neben dem Türrahmen zu. Ein zweiter Mann, der Kleidung nach ein Pundarkrieger, drückte sich grinsend fort. Das Kupfer seiner Rückenpanzerung blitzte auf, dann wurde er im Weggehen vom Graublau des Abends überschattet.
„Der wollte sich an die Tür heranstehlen“, ihr Bewacher spuckte höflich in eine andere Richtung aus. Er war ein alter, rüstiger Kämpe, vielleicht ein Veteran der Fürstengarde. Sein Jabrah war weniger derb, da er nun mit ihr sprach, doch immer noch breit und auf eine erfrischende Art unelegant. „Dürft den Männern nicht böse sein, Magierin. Sie sind ja nur unter ihresgleichen, und Ihr seid eine hübsche Frau, mit Verlaub.“
„Ich danke Euch, Parindra.“ Gegen ihren Willen musste Ifrah lachen.
Die langsam sich abkühlende Luft einatmend, ließ sie einen Blick über die Straße gehen, an der das kleine Haus lag, in dem einige Kämpfer des Kriegszuges untergekommen waren. Es war bereits dunkel und die Stadt in das anheimelnde Gelb nächtlicher Beleuchtung getaucht.
Ein Mann, der von rechts die Straße entlang kam, schien ihr vertraut. Erstaunt erkannte sie Menrad.
Mit ein paar Worten versicherte sie sich, dass Parindra in ihrer Abwesenheit ein Auge auf ihr Gepäck werfen würde, und trat dann auf den bei ihrem Anblick stehen gebliebenen Paladin zu. Er trug nur seinen Gürtel, das Kurzschwert, seine Zweitwaffe, und das fadenscheinige, westenartige Brusttuch mit dem Lichtsymbol als einzige Zeichen eines Kämpfers.
Er erwiderte ihren Gruß ruhig, sogar höflich und ohne die Härte seiner sonstigen Ablehnung.
„Ihr geht spazieren?“ fragte sie ihn, und ohne sich darüber geeinigt zu haben, setzten sie sich in Bewegung.
„Ich habe die Mission aufgesucht“, entgegnete der Paladin und blickte im Gehen auf den Weg vor seinen Füßen.
Schreck durchzuckte Ifrah, die über die der Befreiung folgenden Unruhe das Schicksal der paladinischen Mission vergessen hatte. „Und... was fandet Ihr?“
Das hagere Gesicht wandte sich ihr nicht zu, als könne er es selbst im halben Schutz der Dunkelheit nur schlecht ertragen, über etwas zu sprechen, was seine Beherrschung vielleicht überstieg. „Das Gebäude steht noch, aber es ist vollkommen ausgebrannt“, kam es rau und leise. „Befragte Nachbarn konnten mir nur über den Verbleib zweier Männer, die selbst aus Shanghar stammen, etwas sagen. Sie sind mit viel Glück untergetaucht. Mein Unterkommandant und viele weitere wurden getötet, von anderen fehlt jede Spur.“
Seine Schritte waren zuletzt immer langsamer geworden, bis er nun stehen blieb. Immer noch mied er Ifrahs Blick und starrte stattdessen in die Lebendigkeit einer nahen Garküche. Er mochte sich in seinem Leid mit der unsinnigen Frage quälen, was im Land dieser harmlos palavernden, fremden Menschen so tödlich gegen ihn und seine Brüder ausgeholt hatte.
Von unten her, da sie ihm nur knapp bis zur Schulter reichte, sah sie zu ihm auf. Schwierig hatte sich die bisherige Zeit mit ihm gestaltet, verächtlich, kaum bereit zum Einlenken und stolz, wie er war. Aber das Leid in seinen Augen las sie hier als Trauer über den simplen Verlust von Vertrauten, nicht als Bedauern eines hochmütigen Lichtkriegers, dem sie jetzt mit böser Häme hätte begegnen können, weil ihm widerfuhr, was sein Orden anderswo anderen Menschen ebenso angetan hatte.
Vorsichtig legte sie ihm die Hand auf die Schulter.
Mit einem undeutbaren Ausdruck sah er sie an. „Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Für Euch und Eure Brüder.“ Er blickte auf ihre Hand, als sei diese etwas ganz und gar Fremdes, doch schüttelte er sie zumindest nicht ab, und nach einem Atemzug nahm Ifrah sie fort.
Obwohl seine Züge unbewegt blieben, überraschte er sie mit dem Vorschlag: „Lasst uns tatsächlich etwas spazieren gehen. Vielleicht bringt dies den Schlaf, den ich noch nicht sehen kann.“
Nebeneinander her gingen sie durch die noch belebten Straßen.
Halbe Ruhe war wieder in Shanghar eingekehrt. Die fremden Kämpfer auf den Plätzen zeigten indes die Nähe des Krieges.
Auf einem Platz, nahe eines Tempels, hatte man Feuer entzündet. Umrundet von einer Menschenmenge lieferten sich dort Pundarkrieger Schaukämpfe – Scheingefechte rein artistischer Natur, wie sie seit Jahrhunderten in den Heerlagern zu sehen gewesen waren. Menschen der Stadt und des Kriegszuges sahen zu, applaudierend, einem Geschichtenerzähler lauschend, sichtlich froh um die Ablenkung. Musik hob sich über die Dächer.
Ifrah und Menrad traten näher, ein unsicheres Lächeln tauschend, und selbst der Lichtkrieger wies den Wein nicht zurück, den ihnen ein Ausschenkender aufdrängte.
Die Männer in ihren orangefarbenen Hosen fochten lachend, um das Feuer herumspringend, übermäßig gestikulierend und grimassierend und mit nackten Oberkörpern.
Über den Rand ihres Bechers hinweg beobachtete die Magierin den Paladin. Sich sicher vor Blicken fühlend, löste er sich ein wenig. Ein kurzer Bart war ihm wieder gewachsen, und die Farben der nächtlichen Stadt zeigten ihr einen vielleicht dreißig Jahre zählenden Mann, jünger als sie, drahtig und ansprechend von Äußerem.
Der Wein rann ihr vom Magen aus direkt ins Blut. Am Boden des Bechers angelangt, werde ich betrunken sein, dachte sie, und übergangslos war ihr ganzes Herz bei Maysan. Tränen fanden rascher einen Weg, als sie es verhindern konnte. Blinzelnd wandte sie den Blick von ihrem Begleiter ab.
„Wie kommt Ihr zu den Narben an Euren Augen?“ holte seine Stimme sie unerwartet zurück.
Auf ihr Zögern hin wirkte der Paladin betreten, und das Wechselspiel wiederkehrender Distanz und fragwürdiger Annäherung zog seine Brauen zusammen. Etwas hieß ihn offenbar weitersprechen: „Was Ihr heute... vollbracht habt, habe ich nie zuvor gesehen. Gewiss verdanken Euch viele unserer Verbündeten ihr Leben.“ Er hielt inne. „Und gewiss seid Ihr... was man unter Euresgleichen eine Meisterin nennt. Wie konnte es da geschehen, dass Ihr diese Narben erhieltet?“
Die umgebende Lebendigkeit der Stadt, der Menschen im flammengeströmten Dunkel, machte es seltsam einfach, zu antworten. „Eine Narbe erhielt ich während meiner Ausbildung. Ihr tragt solche Narben sicherlich auch am Körper.“ Ihre Stimme klang bereits schwerer. „Die andere...“ Entschlossen nahm sie noch einen Schluck.
„Einer unserer... großen Gegner verwendete meine Magie gegen mich. Der Blitz hätte mich fast geblendet. Wir wurden alle verwundet, ich und meine Gefährten – es war der Preis für unser Wagnis.“ Eya. Hadan. Wie ich euch vermisse. „Ihr seht es ihnen vielleicht nicht an“, sagte sie auf den ernsten, fragenden Blick ihres Gegenübers, „aber keiner von ihnen ist unversehrt geblieben.“
Ohne ein Zeichen der Befremdung hörte Menrad ihr zu, gewahrte sie mit schwerfälligem Erstaunen. Etwas musste mit ihm vorgegangen sein, das das angestrengte Meiden ihrer Person und der Personen ihrer Gefährten gegen ein ruhiges, duldendes Interesse ausgetauscht hatte.
Er entgegnete nichts.
Von kommenden und gehenden Menschen von ihrem Standplatz vertrieben, wechselten sie unter einen Baum unweit des Feuers und der ausgelassenen Vergnügungen. Die Magierin lauschte auf die Stille zwischen ihnen, von der nur selten ein Hinsehen zur Umgebung sie ablenkte, und die sich mit einem Mal mit einer seltsamen Spannung sättigte.
„Es wäre schade um diese Augen gewesen“, mit dem Satz aus dem Schweigen neben ihr, mit seiner plötzlich viel gegenwärtigeren Gestalt und mit dem stockenden Finger, der ihr über die kleine Wunde am linken Wangenknochen strich und der fragte, anstatt zu fliehen, begriff Ifrah. Sie begriff in aller Schwere des Weins und der zauberischen Nacht dieses Platzes, an dessen Rand ein wenig Heimlichkeit lockte.
Mit angehaltenem Atem sah sie Menrad an. Der Strom des Begehrens war plötzlich so stark, dass sie sich über ihren eigenen, langen Blick hinauf zu dem jüngeren Mann, der leicht vor sie getreten war, nicht wunderte.
Es lag zum Greifen nahe, fast opferfertig, vor ihnen. Das Aussprechen eines Namens, der Nähe versprach, Trost im bloßen Erfahren von Wärme und im Ertasten von festem Fleisch und von Knochen darunter, die ein Gerüst bauen konnten, wo Wege und Missionen einsam blieben. Die Nacht um sie und ihrer beider Verlorenheit in diesem Heer von ebenfalls Heimatlosen waren wie geschaffen dafür.
Doch mit einer Festigkeit, die, sie erriet nicht woher, aus der Mitte ihres klopfenden Herzens und dem lauschenden Zittern ihrer Wange gegen seine Hand kam, wusste sie, dass sie beide genarrt wurden.
Sie waren allein, einsam. Und ringsum war Krieg.
Die Erregung des Kampfes und darin die Nähe von Tod und Leben, lag noch nicht lange zurück.
Mit der Rechten umschloss sie das Handgelenk des Paladins und führte seine Hand zurück, mit den Augen anstatt mit Worten sprechend, und sein Blick klärte sich schleichend, verstehend, wie es schien.
Du liebst mich nicht.
Genauso wenig liebe ich dich. Der Morgen würde nur Verachtung bringen.

„Ich danke Euch.“ Ihre Stimme klang belegt.
Jeder Atemzug brachte Ernüchterung zurück. Aber das im Feuerschein flüchtig erkennbare Gesicht Menrads blieb Ifrah lange erinnerlich: beinahe vollkommen seiner Strenge und Verkniffenheit ledig, ein freies Zugeständnis an das Verlangen und die Verlorenheit, die ihn ebenso heimgesucht hatten wie sie.
Als sie im Gehen in helleres Licht traten, war davon nicht mehr viel übrig. Nur der nachdenkliche Ernst in seinen ausweichenden Augen bewies die ungewöhnliche Begegnung.
Sie wechselten nur noch wenige Worte.
Erst vor dem Haus, in dem sie übernachten würde, bei ihrer Trennung, fing sie einen schmalen Blick auf, der sie nach den zurückliegenden Schritten in Schweigen und Trunkenheit von dem Verdacht erlöste, sich alles nur eingebildet zu haben.
Nein. Ihr Körper streckte sich in der schmerzhaften Einsamkeit, die unerfüllter Erregung folgte. Einer der Begleiter des Wahnsinns, den der Krieg bringt, ist auch solcher, kleinerer Wahnsinn.
Über die Schulter sah sie dem hochgewachsenen Mann nach, der nach einer höflichen Verabschiedung die Straße entlang davonging.





Bereits am folgenden Morgen brach der Kriegszug wieder auf.
Sie ließen Shanghar befreit zurück und mussten darauf vertrauen, dass die Stadt sich ihren vorigen Obersten, die hier aus wohlhabenden Kaufmannsschichten bestanden, wieder anpassen würde. Der Pundarfürst erhob entgegen der Erwartung Vieler zunächst keine Ansprüche auf Shanghar. Man konnte es sich nicht leisten, Männer zur Bewachung in der Stadt zu lassen, und verstärkt durch einige Dutzend Freiwilliger, bohrte sich der Kriegszug erneut in das endlose Grün des Urwalds.
Der Arivati würde sie innerhalb nur weniger Wochen nach Kurast führen.
Niemand zweifelte daran, am Ende des Gewaltmarsches eine bis an die Zähne bewaffnete Stadt vorzufinden. Man hatte nicht verhindern können, dass Fliehende aus Shanghar Kurast lange vor ihnen erreichen würden – genug Zeit, um die Große Stadt der Zakarum auf einen Angriff vorzubereiten.
Finster, drohend blickte der Pundarfürst nach Norden, ohne Angst. Der Kriegszug war ein Ereignis, das Kurast selbst bei einem Scheitern des Aufstandes nicht mehr ungeschehen machen konnte, ein Fingerzeig für alle Menschen des Ostens. Schicksalsergeben, kaum an den bloßen Gedanken gewohnt, sich zu wehren, gehemmt durch ihre Niedrigkeit und Machtlosigkeit, waren diese Menschen, doch nicht ohne tatkräftigere und intelligente unter ihnen.
Ebenso wichtig wie sein Erfolg war die Wirkung des Zuges.
Menrad und Ifrah fanden sich unweit voneinander wieder, als die fast fünfhundertköpfige Menge der Krieger aus der Stadt in den Urwald zog, ein zweiter Fluss, ein Menschenstrom neben dem Arivati. Das Schweigen der Betretenheit überschattete ihre Begegnung an diesem Morgen. Dem Paladin war der Kampf mit der Einsicht eigener Schwächen deutlich anzusehen, aber die Magierin gewahrte, dass zwischen ihnen keine Verachtung fühlbar war.
Da er zwischen seinen Männern ging und durch seine Aufgabe als Kommandant in Anspruch genommen war, wandte sich die ältere Frau nach einem Blick ehrlichen Respekts ab und bahnte sich einen Weg durch die Pundarzivilisten weiter nach vorne.
Kurast war nicht mehr fern.
Sie konnten nur hoffen, ohne Zwischenfälle und Verluste dort einzutreffen und den Verbündeten rechtzeitig zu begegnen, bevor der Zorn der Alten Stadt ihr Wagnis zu Staub zerrieb.
 
Juhuh, :santa: hat mir ein Update gebracht!!

Sehr einnehmend und ehrlich war die Begegnung von Menrad und Ifrah, und irgendwie traurig! *seufz*

Den Fürsten hast Du übrigens gut hinbekommen, geachtet, + stolz, aber freundlich. Merke ich hier wieder mal ein wenig Indien? Kann ihn mir gut vorstelen, nur dass er an vorderster Front mitkämpft fand ich ein wenig seltsam. Kämpfen ja, aber ganz vorne? Hmm erscheint mir unlogisch, da zu gefährlich.

Die Schlacht selber: gigantisch, besonders Ifrahs Super-Blitz :D, ach ja: was heisst "Kadhjal" ?

So, ich lese das Kapitel jetzt nochmal und editiere, falls mir noch was einfällt!

:hy: Insidias

edit: Kadhjal - ohja danke, hab ich glatt überlesen... so viele Namen :D
Ich wollte die Begegnung zwischen Ifrah und Menrad auch gar net kriteln, ich glaube auch, dass es zur Zeit keine andere Möglichkeit gab. Trotzdem *seufz*
nochmal edit: Was macht denn Urel?
 
'Zwei riesige, reichverzierte Stelen wiesen das Bauwerk als Tempel von Kadhjal aus, der Göttin des Krieges.'

'Der Fürst sagt, Ihr seid eine seltsame Erscheinung und erinnert ihn an die Standbilder von Kadhjal, ...'

;)

Die Entwicklung zwischen Menrad und Ifrah ist für mich wirklich die einzig logische. Dass es vorübergehend weitere Einsamkeit für beide bedeutet, ließ sich nicht vermeiden, und ich wollte es auch nicht vermeiden.
 
So, Kapitel ganz verschl ... ähm ... durchgelesen. Einmal mehr wurde mir bewußt, warum ich damals meinen Kettenblitzhexenguide geschrieben habe.

Erstaunlicherweise ist der Kriegszug ja bis jetzt ungewöhnlich mühelos vonstatten gegangen. Eingedenk der Macht, die hinter den Vorgängen in Kurast steckt, mehr als seltsam. Da das nächste Ziel schon Kurast heißt, dürfen wir uns wohl auf viel Ungemach einstellen. Aber wohl nicht im Update; ich wage die Prognose, daß Reeba uns zappeln läßt und erst mal zu Hadan oder gar zu den Barbaren umschaltet. :WD

Was mich ein wenig wundert, ist die Tatsache, daß Maysan sich so einfach unterstellen läßt. Wenn man ihre mutige Tat im Dschungel bedenkt, die auch das Verhältnis der Grupppe zu ihr verändert hat, ist das schon verdächtig einfach. Von ihr dürften wir nicht das letzte Mal gehört haben. Vielleicht entdecken die Bisra-Preister (welcher Gott war das noch gleich?) ihre magischen Fertigkeiten und sorgen für ihre Ausbildung. Dann kann sie als Retter in höchster Not später Gruppe stoßen. ;)
 
:tree: *weihnachtssmiley unbedingt verwenden will :WD*
Ich fand die Wandlung, die Gedankengänge von Medran während des Kampfes gut, auch immer das Umschalten zwischen Töten (auf einmal) und danach nachzudenken wieso er das machte...
Wieder ein gelungenes Kapitel (was haben wir anders erwartet?)
Da das nächste Ziel schon Kurast heißt, dürfen wir uns wohl auf viel Ungemach einstellen. Aber wohl nicht im Update; ich wage die Prognose, daß Reeba uns zappeln läßt und erst mal zu Hadan oder gar zu den Barbaren umschaltet.
Wieso nur erwarte ich das Selbe?
 
da meine vorredner schon viel geschrieben haben, will ich nicht meh viele worte machen.

deshalb einfach nur DANKE FÜR DIESES GRANDIOSE UPDATE UND ICH FREUE MICH SCHON HEUTE AUFS NÄCHSTE!!!

Gruß, Helldog
 
Hallo Reeba,

danke fürs tolle Up, ist wieder ein Meisterstück geworden! :top:

Sehr plastische Beschreibung des Kampfes, vor allem der Macht der Zauberin.

Die Stelle ist heftig:

"Mit einem Ruck hebelte Menrad den Hammerkopf aus der Brust des Getöteten."

Keine Kritik, ein Kampfhammer ist eben kein Wattebausch. :D

Achso, was ich noch loswerden wollte. Muss denn die Beziehung zwischen Menrad und Ifrah unbedingt die eines Liebespaares werden? Wir haben ja schon 2 Paare, wenn die beiden jetzt auch noch zusammen kommen, haben wir hier Verhältnisse wie in einer Soap. ;)

Ich weiss, die Entwicklung zeichnet sich bereits seit einigen Teilen ab und ich hätte mich früher melden können, aber ich dachte, vielleicht überlegst Du es Dir ja doch noch anders und lässt die beiden einfach Freunde werden oder so.

Ist aber nur meine Meinung. Und da ich sowieso als "unromantischer Klotz" (O-Ton meine Frau ;)) bekannt bin, brauchst Du auf die keine Rücksicht zu nehmen...

Gruss

Enjaxx
 
@Ifrah-Menrad: das letzte Kapitel spricht da für sich, oder sollte es eigentlich. ;)
Nirgendwo steht ja etwas von Liebe. Das war und ist, soviel verrate ich euch schon, auch nicht meine Absicht.
Ich hasse Soaps, wollte lediglich, dass Liebe ein Bestandteil der Geschichte ist (was die beiden bestehenden Paare mehr als abdecken), und ob ich gar so romantisch veranlagt bin, wird die Weiterentwicklung der Story zeigen.
 
Endlich ein Kapitel, dass sich hauptsächlich mit Ifrah beschäftogt. :)
Die Qualität ist wie üblich top.
Das Verhältnis zwischen Ifrah und Menrad ist so genau richtig, so sehr ich mit ihr leide.
 
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