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[Story] Saqqara

Und weiter geht's :)








XXXII. Helle Gestade





Einen lichteren, strahlenderen Sommer hatte der mittlere Westen nicht gesehen, so lange die Erinnerung der Alten zurückreichte.
Im vorigen, unglückseligen Jahr noch heimgesucht von Schrecken, die aus dem Unerklärlichen das Land überfluteten, lagen die weiten Marschen und Grasebenen, die Felder und geregelten Siedlungen nach einem Frühling wiedereingekehrter Ruhe bereit für die Blüte und die Ernte. In den langen Nächten des Winters hatten die Menschen Zeit gehabt, das Überstandene zu bereden, und im Frühling waren sie zuversichtlich auf ihre Felder und über ihre Straßen gegangen.
Der Unruhe weit Herumkommender und Empfindsamerer hatten sie nicht viel Bedeutung zugemessen. Es gab immer Wolken am Horizont, Gerüchte aus unbefestigteren Gebieten.
Doch mit den wärmeren Monaten, mit dem Wind aus der fernen Wüste, der über die Ebenen strich, kam die Besorgnis auch zu den Festesten und Unverzagtesten. Kunde, die alte Königsstadt habe Einheiten in den hohen Norden entsenden müssen, erreichte die Dörfer. Im Süden zogen Männer des heiligen Lichtordens gegen aufbegehrende Gruppen, Magier, wie man sich flüsternd erzählte. Herolde aus den Ordensstädten bestätigten dies, wenn sie Rast bei den Weilern machten, und beruhigten die Bauern. Dennoch liefen viele Leute in die Gebetshäuser, rastlos plötzlich, ohne mehr zu finden als Empfehlungen zu leidenschaftlichem Glauben. Antworten hatte niemand.
Und als am Horizont vieler Gegenden, meist der südlichen und nördlichen Randgebiete, langsame Staubwolken wie von Stürmen aufzogen und nicht wieder vergingen, und erste Flüchtlinge das Land überquerten, wussten die Menschen, dass die zögerliche Unruhe nur ein Vorbote gewesen war.
Nicht lange, nachdem sie wieder begonnen hatten, alte Geschichten und Gerüchte über die Völker außerhalb des Ordensbereiches zu erinnern – die unbezähmbaren, hartgesichtigen Barbaren aus den tiefen Wäldern des Hochlandes, das schamanische Volk, das sich uneinsichtig der Eingemeindung in die fadraîsche Ordnung widersetzte, die frevlerischen Magierkulte aus den ungangbaren Sandmeeren – zogen die ersten Truppen über die Ebenen. Stark gerüstete Männer, Lichtkrieger und Söldner waren es. Man jubelte ihnen auf den Straßen zu oder schaute, beruhigt vorerst, auf ihre Einheiten. Gern gewährten die Weiler den rastenden Paladinen, was sie an Nahrung und Diensten geben konnten. Schließlich aber wurden es mehr, zu viele, und sie zogen rascher vorbei.
Den einfachen Leuten versicherten sie, die Grenzen des mittleren Westens gegen jede Bedrohung zu sichern. Sie sollten indes getrost weiterarbeiten, sich nicht sorgen, aber dies wurde schwierig, weil die ersten männlichen Burschen eingezogen wurden. Dann schickte man auch nach den Familienvätern, noch nicht oft, doch oft genug, dass ein Raunen im Land anhob: es ist Krieg.
Und viel zu bald überschwemmten Kämpfe die äußeren Dörfer. Die Menschen flohen, andere harrten aus, solange sie konnten. Denn sich die wenigen Habseligkeiten auf den Rücken zu packen und mit weinenden Kindern und lahmen Alten ins Ungewisse zu ziehen, mochte kaum besser sein, als Haus und Hof zu verteidigen.
Die riesigen Staubwolken erreichten die dichter besiedelten Gebiete. Mit ihnen kamen Schreckgestalten, heruntergekommene Paladine, deren Ziel nicht mehr sicher schien, oder Reiter mit barschen Befehlen. Söldner, die den Höfen abforderten, was sie noch besaßen, und Hand an die Frauen legten. Und dann nahten auch riesige, wild aussehende Männer, Hünen im gelben Schatten der aufgewirbelten Erde.
Angstvoll, verzweifelt verbargen sich die Menschen in ihren von Heeren umspülten Höfen. Das Beben des Bodens unter stampfenden Füßen riss kaum noch ab. Mutige warfen sich auf ihre Klepper und suchten in nahen Städten oder Ordensposten nach Hilfe, doch selbst wenn man sie anhörte, scheuchte man sie wieder fort. An den Ufern des großen Mittleren Meeres irrten Flüchtlinge umher. Es verbreitete sich die Schreckensbotschaft, der hohe Norden fahre mit viehischem Hass gegen die Westmarsch, um zu morden und zu brandschatzen, und wo immer die Menschen der hünenhaften Männer aus dieser fernen Gegend ansichtig wurden, rannten sie um ihr Leben.
Alles Beten schien nicht zu helfen. Es hieß in den elenden Flüchtlingslagern, in den überrannten Küstendörfern, fürchterliche Kriegsherren seien unter den kommenden Barbaren, halbe Dämonen einer älteren, verdrängten Zeit. Sie beherrschten nachts die Angstträume der Kinder, hatten keine Namen, so dass die Menschen ihnen welche gaben, besonders einem, von dem die verwehten Truppen sprachen. Den Schlächter nannte man ihn, oder auch andere, niemand wusste Genaueres.
An den Küsten starrten die Leute auf das Meer, doch auch von dort war keine Hilfe zu erwarten.
Über das Meer kamen nur einzelne Schiffe.




Mitten auf der spiegelnden Fläche des Meeres steuerte das Schiff in gerader Linie nach Westen. Aufgefrischter Ostwind hielt seit Tagen an, und es machte gute Fahrt.
Die Männer oben in der Takellage oder im Ausguck vermuteten Land in der Nähe nur noch einer Woche, doch noch war die See eine grenzenlose Weite silbrigen Hellblaus, die sich am Horizont leicht wölbte.
Den Mitfahrenden blieb nicht viel zu tun, als sich die Zeit mit Vorbereitungen für die Landung, Unterhaltungen, Würfelspiel und Musik zu vertreiben. Im Schiffsbauch gab es neben den Lagerräumen nur wenige Schlafplätze, und so lebte und ruhte die Mehrzahl der Menschen an Deck. In Gruppen zusammenhockend, lauschten sie den Erzählungen weit Herumgereister oder den Klängen der Musikinstrumente, den Trommeln, der Dshudra, einem Saiteninstrument aus der westlichen Wüste, und den überall verbreiteten Sackpfeifen. Andere hielten sich große Teile des Tages oder auch der Nacht, wenn das Meer unter Tausenden heller Sterne einem leise bewegten, endlosen schwarzen Tuch glich, an der Reling auf. Die, die im Osten verwundet worden waren, kauerten geduldig an Masten und in schattigen Winkeln und harrten ihrer Genesung.
Ein Besatzungsmitglied verdrängte sie mürrisch von ihrem Platz, und Eya wich dem Mann aus, um sich einen anderen Ort an der Reling zu suchen. Ein Stück weiter, in der hinteren Mitte der Schiffsseite – nicht vorne, wo der Bug gegen den Westen und die ungewissen folgenden Zeiten vorstieß, und auch nicht am Heck, wo das zurückfallende Meer noch zu deutlich einen Bogen nach Kurast spannte – lehnte sich die Assassine wieder an das sonnenwarme Holz.
Man konnte Stunden um Stunden in die klare Weite starren, dieses helle, zweigeteilte Bild, nur Himmel und Wasser, bis es einem tief in die Sinne drang. In der Enge des Schiffes war ihr diese Klarheit und Grenzenlosigkeit ringsum eine Erleichterung.
Unzählige Male war sie unter der Besatzung herumgegangen, hatte nach verborgenen Waffen gespäht, den Äußerungen der Männer gelauscht, doch es schien niemand Verdächtiges darunter. Sie konnte ihr geschultes Misstrauen nicht ablegen. Zumindest aber durfte sie hier, für die Dauer dieser Tage, vielleicht rasten.
Der Wind fuhr ihr durch das Haar, das sie mit einem Messer wieder auf Halbfingerlänge gestutzt hatte, es nur im Nacken etwas länger lassend. Unbewusst, streifte es sie warm. Hadan pflegte hineinzugreifen, am Tage oder auch, wenn sie sich liebten, fest, als wolle er immer wieder sichergehen, dass sie Wirklichkeit war.
Mit lichten Flecken vom langen Hinausstarren in das ewige Silber und Blau vor den Augen, sah sie auf ihre Hände. Schmal und feingliedrig lagen sie auf der Reling. Die Kämpfe hatten sie muskulös gemacht. Ein Ringfinger, einst gebrochen, war ein wenig krumm, und die Knöchel zeigten hellere Haut von den ständigen Stößen gegen die Griffe und Verstrebungen ihrer Großkrallen.
Hier auf dem Schiff ging sie mittlerweile ohne Waffen, bis auf zwei Messer, die so eng an ihre Hüfte und an einen Schenkel gebunden waren, dass man sie unter den groben, weiten Hosen nicht sah.
Aufblickend bemerkte sie Hadan, der durch den Gang zwischen Reling und Schiffsaufbau auf sie zukam. Auch seine Rüstung, die schweren, düsteren Panzer, lag unter Deck in einer fest verschlossenen Truhe, wie fast alle Dinge der Gefährten. Das offene Kurzschwert an seiner Seite fiel unter den Menschen an Bord des Schiffes nicht weiter auf. Viele trugen irgendetwas, Dolche, Säbel, die üblichen, wenig bedrohlichen Waffen Reisender.
Sie wusste, dass er die stickigen, feuchtwarmen Tiefen des Urwalds freieren Landschaften vorzog, dass er zu offenes, zu helles Licht nicht mochte, aber es stand ihm gut. Als er neben sie trat, wollte sie sagen, lass uns die schwarzen Rüstungen ablegen, das ganze sperrige Gewicht der Waffen und Amulette. Lass uns nicht mehr kämpfen, irgendwohin gehen, nur so, wie wir sind. Doch der Tag, an dem sie auf dies hoffen konnte und in der schwachen, zärtlichen, verzweifelten Hoffnung solche Worte wagen, war fern und vielleicht für sie beide nicht mehr zu erreichen.
„Gibt es Neuigkeiten über den Zeitpunkt unserer Ankunft?“ fragte sie stattdessen, ein paar Trockenfrüchte annehmend, die er ihr reichte.
„Wenn das Schiff weiterhin so gute Fahrt macht, vermuten sie, in fünf Tagen Land zu sehen“, antwortete er. „Bis dahin sollten wir jede Gelegenheit nutzen, um uns auszuruhen, denn ich glaube nicht, dass uns der Westen allzu freundlich empfangen wird.“
Schweigend bedachte Eya, dass sie selbst die Westmarsch einst nur in großer Hast und gewohnter Heimlichkeit durchquert hatte, dann weit südlich, fast schon in der Wüste, nach einem Auftrag dort gestrandet war, um wenig später von der Bedrängnis Lut Gholeins zu hören und von einer Schar Abenteurer, die sich angeblich auf die Verfolgung der Quellen des Übels im Land begeben hatte. Sie selbst kannte nirgendwo viel mehr als Vorsicht und Misstrauen, doch für die Anderen mochte der Westen ein Weltteil sein, in dem sie offener als anderswo angefeindet wurden.
Wie sich die damaligen Mitglieder der Gruppe in der Westmarsch gefunden hatten, wusste sie nicht. Sie war erst mitten in der Wüste zu ihnen gestoßen.
Ohne dass sie es wollte, brachte das Zurückdenken die Erinnerung an vertraute, schon verblasste Gesichter wieder, längst zu Staub geworden im Sog der Zeit.
Hadan spürte ihre plötzliche Bedrückung wohl, denn er legte eine Hand auf ihre Rechte und fragte: „Was bekümmert dich, Shatryindjah?“
„Die Vielen, die wir schon verloren haben“, gab sie heiser zurück. Dann sah sie zu ihm auf. „Nach unserem Abschied... warst du nicht betraut damit, ihre Heimatorte aufzusuchen, um ihren Hinterbliebenen von ihrem Tod zu berichten?“
Er schwieg eine Weile. „Willst du, dass ich dir davon erzähle?“
Vor all der Übermacht an Befürchtungen und Unwägbarkeiten geriet jedes Ausweichen auf andere Dinge zu seltsamer, weil doch vergeblicher Ablenkung, doch für diesen Augenblick ließen die fernen Gefallenen Eya nicht los. Sie wollte nicht über das sprechen, was vor ihnen allen lag, ihm für eine Weile entrinnen.
Weiter hinten auf dem Schiff, unter anderen Reisenden, doch weit genug von ihnen entfernt, setzten sie sich zu Füßen einiger fest aufgebockter Kisten.
Hadan erzählte ihr von Malenas Heimatort, Malena, der Amazone, die weit mit der Gruppe mitgereist und vor den Toren des belagerten Harrogath gefallen war.
Auf der anderen Seite des westlichen Kontinents, weit im Süden, lag die Insel Varda, von der sie gestammt hatte.
Nach der Reise zu den Menschen im Hochland und zu dem Dorf in der äußeren Wüste, wo er die Vertrauten zweier weiterer Verstorbener mit Mühe gefunden hatte, war Hadan mit einem der Boote nach Varda übergesetzt, die zwischen dem Amazoneneiland und der Küste verkehrten.
Die Überfahrt war gut verlaufen, auch wenn die Fischer, die Besitzer des Bootes, sich lange geweigert hatten, den seltsamen, düsteren Mann mitzunehmen, der im Bug des Nachens gestanden hatte, für die Dauer der ganzen Fahrt, und sich selber gefühlt hatte wie ein Todesbote, schwarz im lichtdurchfluteten Glast des Meeres und der weiten, felsigen Küsten.
Doch kaum an Land, hatte er gewusst, dass er beobachtet wurde. Die Menschen in dem kleinen, ärmlichen Küstendorf hatten ihm den Weg ins Innere der Insel gewiesen, dann die Türen vor ihm verschlossen. Zwei Tage lang war er durch steiniges, fast baumloses Gebiet gewandert, in flirrender Hitze, ohne mehr zu sehen als von weißen Steinmauern umzogene Felder und ohne mehr zu hören als den leisen Gesang des trockenen, glühenden Landes und nachts das Zirpen zahlloser Zikaden. Und dennoch waren sie da gewesen, unsichtbar. Ihre Anwesenheit hatte ihn begleitet, eine Ahnung scharfer Augen nur, endlich dann Schatten auf einem Hügelkamm, als er an einer Quelle zum Trinken niedergekniet war.
„Ich glaube, es verging kein Augenblick seit ich den Fuß auf ihre Erde gesetzt hatte, in dem nicht Pfeilspitzen auf mich gerichtet waren“, sagte der Nekromant. „Bis zu einer Ansammlung von Dörfern ließen sie mich vor, um mich dann einzukreisen. Ohne den Armreif, den ich ihnen zeigte, hätten sie mich getötet, und selbst als sie das Schmuckstück wiedererkannten, glaubten sie offenbar zuerst, ich hätte Malena umgebracht.“
„Aber warum hättest du sie dann aufsuchen sollen?“ fragte Eya überrascht.
„Das ging ihnen glücklicherweise auch bald auf.“ Hadan blickte auf das Deck. „Aber sie waren fast wild vor Kummer. Du hättest sie sehen sollen. Nie zuvor und nie wieder habe ich unnahbare Frauen so bitterlich klagen hören. Malena war nie redselig gewesen, und wir hatten angenommen, dass man sie verstoßen oder dass es andere missliche Gründe gegeben hatte, aus denen heraus sie ganz allein in die vom Übel bedrohten Gebiete aufgebrochen war. Doch hier schien es eher, dass man sie hoch geehrt hatte und schon lange schmerzlich vermisste.“
Vor Eyas innerem Auge erstand noch einmal das Bild der nicht mehr jungen, sehnigen, flachsblonden Kriegerin. Durch Hadans Erzählung gesellte sich nun das ferne Varda hinzu, in seinen Worten aus dem Meer tauchend. Sie konnte das felsige Eiland beinahe vor sich sehen, das sie nie erblickt hatte, seine ausgebleichten, erdigen Farben, und fast den Duft von Korkeichen und Kräutern riechen.
Wiederum sprengte das Sehnen nach einem anderen Leben ihr nahezu die Brust, der Wunsch, weithin durch die Welt zu wandern, sich mit Nächten unter freiem Himmel zuzudecken, ohne Angst vor Verfolgung, ohne die Hast eines Auftrags.
Sie sah auf, als sich Ifrah zu ihr und Hadan gesellte.
Nach der Schlacht um Kurast zunächst ohne sichtbare schwerere Anzeichen von Erschöpfung, war die Magierin nach dem Betreten des Seglers regelrecht zusammengebrochen. Fast immer schweigend, müde, war sie unruhig auf Deck herumgestrichen, um dann für einige Tage in einen Dauerschlaf zu versinken, einem Dahindämmern, das nur die Anderen besorgt und still überwacht hatten.
Eya ahnte, dass Ifrahs Verfassung nichts mit einer Auszehrung durch ihre Magie zu tun hatte, sondern mit ihrer Zerrissenheit zwischen ihrer selbstgewählten Verpflichtung und dem Süden des Kontinents, den sie verließen. Das Schicksal ihrer Tochter lag jetzt wiederum in den Händen anderer Menschen. Erst allmählich hatte sie begonnen, wieder munterer zu werden, und suchte die Nähe der Gefährten.
Hadan reichte ihr eine Hand zur Hilfe, als sie sich niedersetzte, und die Magierin wehrte es nicht ab.
Unsere Berührungen sind selbstverständlicher geworden, ging es Eya durch den Kopf. Vor einem Jahr noch beinahe Fremde, sind wir uns jetzt vertraut. Sie war unendlich dankbar dafür.
Ifrah dankte dem Nekromanten ihrerseits und sagte seufzend: „Alle Rast dieser Welt bringt mir meine Jugend nicht wieder zurück, das muss ich wohl einsehen.“
„Kennst du das Jahr deiner Geburt genau?“ erkundigte sich der Nekromant.
„Ich zähle diesen Sommer als meinen einundvierzigsten“, entgegnete Ifrah mit einem Ausdruck, der das Bedauern zeigte, das sich selbst nicht ganz ernst nimmt.
Die Assassine blickte zu ihrem Gefährten, der ein nachrechnendes Gesicht machte. Seitdem sie zusammen waren, hatte er mehrmals versucht, den ungefähren Zeitpunkt seiner Geburt wenigstens bezüglich des Jahres herauszufinden.
„Vierundvierzig“, sagte er dann, als habe er ein Spiel gewonnen, und sein Lächeln galt Ifrah, oder auch beiden Frauen, und war dem dünnen Verziehen der Lippen aus früheren Tagen sehr unähnlich.
„Damit hast du mich wohl ausgestochen, alter Mann!“ gab Ifrah zurück. Es war der erste Scherz seit langer Zeit, den sie von ihr hörten. Sie lachten.
Haben wir damals je gelacht? Ich kann mich nicht erinnern. Eya schmiegte sich an ihren Gefährten und atmete den Seewind ein, der sich mit seinem Geruch vermengte.
Unvermeidlich kamen sie, da sie nun auf einem Fleck saßen, noch einmal auf die Ursache der Unruhen im Osten zu sprechen und auf ihre Vermutungen über den Krieg in jenem Weltteil, dem sie sich jetzt näherten.
Selbst Menrad hatte vor Tagen den Verdacht auf rätselhafte Gemeinsamkeiten geäußert, auch wenn er sich weiterhin stolz anzunehmen weigerte, dass die Westmarsch von einem ähnlichen Verfall der Ordnung und des festen Glaubens heimgesucht war wie der östliche Kontinent. Doch die Unruhe der Menschen ließ sich nicht länger als bloße Überspanntheit abtun.
Die drei Gefährten sammelten noch einmal, was sie wussten oder zu wissen meinten. Travincal konnten sie dabei nicht meiden, und nach einigem Zögern sagte auch Eya ein paar Worte über ihre Wahrnehmung innerhalb des Tempels.
„Eine Macht hat den Kult des Kindgottes unterstützt und war auch mit dem Orden der Assassinen verbunden, vielleicht, um die Landbrücke zu kontrollieren“, äußerte der Nekromant finster. „In Anbetracht unserer Empfindungen, die sich, wenn auch unterschiedlich in ihrer Stärke, in Bezug auf etwas Bedrohliches gleichen, drängt sich der Fall des Weltensteins wieder in den Vordergrund. Wenn es nicht das alte Übel ist, und darauf gibt es keinen Hinweis, ist es etwas Neues, womöglich ebenso Schlimmes... oder Schlimmeres.“
„Was ist mit -„, Ifrah sah den großen Mann an, vorsichtig, brach dann im Satz ab und blickte bedeutsam auf seine Brust, ihre eigene mit der Rechten berührend.
„Nein“, sagte er. „Das nicht.“ Er versteifte sich kurz, als müsse er sich unbehaglich um eine in ihm wuchernde Masse schließen. „Dort hat sich nicht mehr gerührt als sonst auch.“ Er wich den Augen Eyas aus, die von unten her in sein Gesicht blickte, hielt aber ihre Hand, die nach ihm griff, fest. „Die Herren des Mondes waren eine Streitmacht alter Dämonen, Baal untertan und mit ihm untrennbar verbunden. Sollte seine Essenz mir je wieder begegnen, wovor Pakrah mich bewahren möge, werde ich es wissen.“
„Wenn sich mit der Zerstörung des Steins Grenzen geöffnet haben zu Ebenen, die einen solchen Schatten vorauszuwerfen imstande sind“, fasste Ifrah zusammen und drückte ihre rechte, braune Faust mit der linken, „dann Gnade uns das Schicksal.“
Schweigen senkte sich über ihre kleine Gruppe.
Benommen gingen ihre Blicke zu den ringsum außer Hörweite sitzenden, redenden, dösenden Passagieren, ihren fremden, so menschlichen Gesichtern, ihren Kleidern, die sich im leichten Wind bauschten und vertraute Gerüche von Schweiß, Rauchwerk und Lebensmitteln ausströmten.
Nach einer Weile, als wolle die Gesellschaft der Menschen sie aus ihren bedrückten Gedanken erlösen, erklang vom mittleren Teil des Schiffes her Musik, lauter als das fast nie gänzlich verstummende Tönen kleinerer Instrumente überall. Einige der Reisenden standen auf und gingen gutgelaunt nach vorne, um zu sehen, welche Gruppe das Schiff unterhielt.
Die Gefährten sahen auf. Ifrah rang sich ein Lächeln ab. „Das sind Trommeln aus dem nördlichen Osten, wenn mich nicht alles täuscht“, sagte sie und erhob sich. „Lasst uns hingehen und zuhören.“
„Du hast Recht“, Hadan stand ebenfalls auf und reckte die breiten Schultern.
Gemeinsam mit den zwei Anderen näherte sich Eya dem großen, freien Raum auf der Schiffsmitte. Allerhand Mitreisende drängten sich hier schon in einem weiten Kreis um mehrere dunkelgesichtige Männer, die auf dem Boden sitzend ein wahres Feuer ineinandergreifender Rhythmen spielten. Doch spielten sie sich erst warm, erriet die Assassine, die den Klang aus Hadans Heimat kannte.
Selbst die Besatzung störte den Kreis nicht durch ihr übliches, halb notwendiges, halb willkürliches Herumkommandieren. Das ganze Schiff, abgesehen von Steuermännern und Vereinzelten, die lieber für sich blieben, sah und hörte zu, froh um jede Unterbrechung der eintönigen Fahrt.
Die vielfältigen, noch wild umherlaufenden Einzelrhythmen verschmolzen nach wenigen Augenblicken zu einer einzigen Klangspur, eingängig und treibend.
Neben den Gefährten löste sich eine der wenigen Frauen, die noch unter den Passagieren waren, mit einem leichten Zögern aus den Umstehenden. Ihr Tonfall verriet, dass sie wie Ifrah aus der westlichen Wüste stammte, als sie ihren Begleitern, Männern in hellem Burnus und mit Kopftüchern, zurief: „Ich tanze!“ Sie breitete beide Arme aus und lachte.
Die hellen, seltsamen Augen Ifrahs trafen Eya, die vor Hadan stand, der beide Hände auf ihren Schultern ruhen ließ. Ein Funke lief über das Gesicht der Älteren.
Dann zwinkerte sie.
Was soll es, schien das Zwinkern zu bedeuten.
Ein Lächeln fasste ohne ihr eigenes Zutun nach Eyas Gesicht. Mit einer warmen, lebendigen Regung im Innern sah sie die fremde Frau unter dem Raunen einiger Zuschauer in die Mitte des Kreises gehen. Keiner der Trommler unterbrach sein Spiel, im Gegenteil, sie bleckten sogar freudig die Zähne.
Mitten auf dem Schiff, unter den knatternden Segeln, begann die Frau aus der Wüste zu tanzen.
Es hätte Ifrah sein können, dachte Eya. Die Magierin stand neben ihr und hielt den bernsteinfarbenen Blick auf die Tänzerin gerichtet, und ein Wechselspiel aus begleitender Freude und Traurigkeit lief über ihre schönen Züge.
Auch die andere dort mochte nicht leichten Herzens tanzen. Vielleicht hatte auch sie Menschen verlassen müssen, die jetzt fern waren, und eine Heimat, von der sie nicht wusste, ob sie noch zu den friedlichen Gegenden der Welt gehörte oder schon zu jenen, über die die Unruhe der Zeit hinwegfuhr. Vielleicht tanzte sie nicht aus Freude allein, tat es eher, um sich den Kummer von der Seele zu treiben.
Und doch konnte man nicht anders, als ihr hingerissen zusehen.
Eine Hand umfasste Eyas Leib und zog sie sacht nach hinten, und sie lehnte sich an Hadan.
Ja, was soll es. Dann tanzen wir eben, lachen und leben weiter, kämpfen für unser Leben. Tanzen, so lange es geht.





Die Musik lockte auch Menrad auf das mittlere Deck.
Langsam, halb widerstrebend, weil ihm der Sinn wenig nach Gesellschaft stand, ging er entlang der Reling nach vorne. Seine Rastlosigkeit hatte beständig zugenommen, seit das Schiff ausgelaufen war.
Noch außer Sicht zum Ort des Geschehens, blickte der Paladin auf das Meer hinaus.
Der Segler war ein schweres, bauchiges Gefährt, tief im Wasser liegend und nahezu überladen, so dass man um die ruhige See froh sein konnte. Mit jeder vergangenen Stunde schätzte er sich glücklich über die reibungslos verlaufende Überfahrt und wünschte dennoch, sich den friedlosen Küsten seiner Heimat nicht nur in einem besseren Frachtkahn zu nähern.
Gib mir eine Flotte und fünfhundert gut gerüstete Krieger, mit denen ich über das Meer komme. Lass mich, Himmel, in mein Land nicht zurückkehren wie ein halb vergessener Bettler.
Gegen seinen Willen ging ihm die fremdartige Musik, wiewohl ihm die Klänge seiner Heimat, die Zimbel, die Laute, das Horn, lieber gewesen wären, nun doch ein. Dann erreichte er das offene Deck, sah die umherstehenden Menschen und in ihrer Mitte eine Frauengestalt, die sich zu den Trommeln bewegte, als habe sie ihr Leben lang nichts anderes getan.
Es war eine Frau, die Ifrah sehr ähnlich sah, so ähnlich, dass sie eine jüngere Schwester hätte sein können.
Verwundert verhielt er.
Der große Mann hatte beide Arme um den schlanken Leib der vor ihm stehenden Frau gelegt, eng und mit einer offenen Leidenschaftlichkeit, die sich seltsam von seinem sonstigen strengen, fast herrischen Auftreten abhob.
Ifrah stand daneben, hatte ihr langes schwarzes Haar gelöst, mit dem der Seewind sein Spiel aufnahm.
Nicht wissend, ob es die Musik war, die ungebetene Erinnerung an eine zurückliegende Nacht in einer befreiten Stadt oder der Anblick der Tanzenden und des Paares, das aus seinem gegenseitigen Begehren in dieser Situation kein Hehl machte, spürte Menrad plötzlich die Schwere seines Fleisches, durch das sein Blut quälend drängte.
Kurz stand er reglos, ohne sich der Szenerie entziehen zu können, bevor er sich mit einem Ruck abwandte und einige Schritte zurücktat. Beschämt, zornig, war er sich seines Neides für einen unbehaglichen Moment lang bewusst. Die Keuschheit eines familienlosen Ordensbruders hatte er im Osten selten als schwere Bürde empfunden, hatte das gelegentlich aufkommende Verlangen im Gebet, in Aufgaben oder in körperlicher Ertüchtigung niederzwingen können.
Abrupt drehte er der Menge den Rücken und ging zum Heck zurück. Hier hinten hielt sich fast niemand mehr auf, nur ein Besatzungsmitglied, ein magerer, ältlicher Kerl, kauerte über frisch gedrehten Seilen und bestrich sie mit einer zähen Masse.
Menrad ließ einen der Bottiche, die an der Reling hingen, in das schäumende Heckwasser hinab und holte ihn gefüllt wieder herauf. Süßwasser wurde zum Waschen nicht mehr ausgegeben, so wuschen sich die meisten Passagiere überhaupt nicht oder beliehen höchstens, so wie er jetzt, das Meer.
Der Paladin zog das ausgebleichte, halb zerrissene Ordenshemd über den Kopf und leerte den Bottich über Gesicht und Oberkörper. Das Wasser lief ihm kühl den Leib hinunter. Das Gefäß abstellend, stemmte er beide Hände geschlossenen Auges auf die Reling, atmend in der willkommenen Erfrischung, während es von seinem Haupt zu Boden tropfte.
Schritte, dann ein Plätschern, ließen ihn die Augen öffnen und zur Seite wenden.
Hadan holte den Bottich ein und trat in den Schatten des Schiffsaufbaus.
Stumm verfolgte Menrad, wie der Andere ebenfalls sein Hemd ablegte und das Meerwasser über sich ausleerte, abgewandt, als wolle er der gnadenlosen Sonne und dem unerschütterlichen Blick des Himmels etwas nicht zumuten.
Aber Menrad sah es doch – ein halb von langem Haar verdecktes Geflecht zusammengezogener Haut, das die Muskeln des fremden Schulterblattes unterbrach, als sei ein gewaltiger Hieb dort hineingefahren. Wir wurden alle verwundet, ich und meine Gefährten. Ihr seht es ihnen vielleicht nicht an, aber keiner von uns ist unversehrt geblieben. Dann drehte der Nekromant sich um, nachlässig, sich das nasse Haar über den Kopf zurückstreichend, und das Licht offenbarte seine Vorderseite.
Menrad stockte der Atem. Die Brust des anderen Mannes war auf einer Seite verunstaltet von der schlimmsten Verletzung, die er je gesehen hatte. Verheilt war sie, doch seltsam unvollständig und ohne sich der schneeweißen Haut farblich wieder angeglichen zu haben. Kein Irrtum war möglich, obwohl ihr Besitzer doch vor ihm stand, lebte und atmete – er blickte auf die Verheerungen eines tödlichen Schlages.
Du solltest dreimal tot sein. Erst als der Paladin sich seines starren Blickes bewusst wurde, zuckten seine Augen fort. Nicht die oft fühlbare Aura fremder Macht und auch nicht die entsetzlichen Auswirkungen seiner Fähigkeiten, sondern diese Narben bewiesen, dass man es bei dem Anderen nicht mit einem gewöhnlichen Mann zu tun hatte.
Das Schweigen zwischen ihnen konnte das Offenbarte nicht mehr überdecken. Darum, versteift, sich nur langsam und ohne hinunterzusehen nach seinem eigenen Kleidungsstück bückend, hörte Menrad sich fragen: „Wie... konntet Ihr diese Verletzung überleben?“
Sein Gegenüber blickte ihn ausdruckslos an. „Durch eine Entscheidung, die mich viel gekostet hat. Das Fleisch, das Ihr seht, ist nicht das meine.“
Ohne noch den Stoff in seiner Hand zu fühlen oder die sachte Bewegung des Schiffes und den Wind, sagte Menrad: „Dann habt Ihr Euch versündigt. Der Himmel sei Eurer Seele gnädig.“ Übergraust, tiefernst und bar jeder Feindseligkeit sprach er es aus.
Die Augen des Nekromanten verdunkelten sich, bis ihr Blick kaum mehr an das geisterhafte Weiß erinnerte, das ihnen sonst zu Eigen war, und kurz rechnete Menrad fest damit, der Andere werde sich vergessen.
„Das Meiste dessen, was ich getan habe und an das ich glaube, würde Eurer Orden als Sünde oder als Frevel verurteilen, Paladin“, entgegnete er dann mit sichtlicher Beherrschung.
Die Männer schwiegen. Über ihnen knarrten die Taue.
Dann, ruhig plötzlich, setzte der Nekromant hinzu: „Aber Ihr habt Recht. Was uns unterschiedet, Euch und mich, ist nicht von Belang.“ Lauernd, spürte Menrad, hing zwischen ihnen die Fremdheit getrennter Menschenpfade, unüberbrückbar, älter als sie beide, doch er spürte auch, dass der Andere es müde war. „Ihr könnt gewiss sein, dass ich dafür bezahle, auch in der Beurteilung meiner eigenen Kaste.“
Stumm warteten sie, bis der Seewind sie getrocknet hatte, und kleideten sich dann wieder an.
Plötzlich streifte Menrad leises Bedauern. War es nicht so, dass er selbst erlebte, wie eine Übermacht an Prüfungen, an Kämpfen, die sich dem eigenen Einfluss entzogen, vorher fest gesetzte und gewahrte Grenzen einriss?
Selbst und gerade in der ärgsten Bedrängnis soll euer Glaube nicht wanken. Einer der lichten Fäden der Ordenslehre durchzog seinen Geist, aber er nahm ihn jetzt wie ein zerbrechliches Kind anderer, friedlicherer Zeiten, in denen kein Mann an seinen Idealen härter geprüft wurde als durch die Befestigung seines Landes und das vernünftige Ausfüllen seiner schicksalsgegebenen Stellung.
Um das Schweigen zu beenden, sagte er ablenkend: „Ich bete dafür, dass sich der Grund für alle Unruhen bald offenbart und die Befähigten sie zu beenden wissen, so der Himmel will.“
„Betet lieber für Euer und mein Seelenheil“, gab sein Gegenüber zurück. „Und ich bete derweil dafür, dass Ihr wiederfindet, was Ihr verloren glaubt, Paladin.“
Du Bastard, durchfuhr es Menrad. Aber Groll ließ sich nicht in ihm finden. Du siehst ebenso in mich hinein wie ich in dich.
Sich abwendend, stützte er sich wieder auf die Reling.
Möwen umkreisten die Masten des Seglers. Erst jetzt bemerkte er sie und hörte ihre Schreie. Er hob die Augen zu ihren schwerelos im Wind hängenden weißen Leibern, die gelegentlich in blitzschnellen Stürzen durch das freieste aller Elemente tauchten. Vögel – untrügliches Zeichen dafür, dass Land nahte.
So blieb er stehen, ging nicht auf das mittlere Deck zurück, wartete auf die Dämmerung, die einen weiteren Tag von der Zeit des Ausharrens abtrennen würde, und dachte an seine Rüstung und seine Waffen, die unter Deck verschlossen lagen.






Die Stadt, die das Schiff bei seinem Einlaufen vorfand, war völlig überlaufen und platzte aus allen Nähten.
Am Morgen des achtzehnten Tages nach seinem Aufbruch aus dem Osten näherte sich der Segler, schwerfällig im seichteren Gewässer, dem weiten, flachen Ufer des Westens. Grauhelle überstrich den wolkenlosen Himmel. Sich aufrappelnd, Befehle schreiend, auf der Suche nach ihren Habseligkeiten, bevölkerten die Passagiere das Deck und schauten auf die Küstenlinie und das Gewirr flacher Häuser, das sich zur Rechten erstreckte. Der Hafen von Santére stockte vor Booten aller Art und Größe, ärmlichen Nachen und Kähnen zumeist.
Da es sich absehen ließ, dass der große Segler lange auf einen Anlegeplatz würde warten müssen, befahl der Eigner und Kapitän des Schiffes schließlich verdrossen, man möge am unbefestigten Ufer unweit der Stadt auf Grund laufen lassen und dort notgedrungen aussteigen und abladen. Die Mühe schien ihm offenbar gering im Vergleich zu der misslichen Wartezeit, die er für einen günstigeren Landeplatz in Kauf nehmen musste. Fluchend trieb die Besatzung den Segler, den sie später nur unter großem Aufwand wieder vom Sand des Ufers herunterbekommen würde, in die Landung.
Eine breite Laufplanke fiel ins Flachwasser, über die die Händler ihre Waren herunterschaffen ließen. Alle Passagiere, die ihre Dinge auf dem Rücken tragen konnten und es wagten, sprangen vom Deck hinab, sechs oder sieben Fuß hinunter in die kaum bewegte Brandung.
Die Gefährten sammelten sich auf dem grauen Sand.
Mit dem Schiff und seiner menschlichen Fracht verband sie nichts mehr, und so, froh, wieder festen Boden unter den Stiefeln zu haben, schlugen sie den kurzen Weg längs der Küste zur Ortschaft ein.
Ifrah, die unter ihrer Reisekleidung Teile ihrer Rüstung wieder angelegt hatte, blickte zu Menrad.
Er stand eine Weile lang reglos da, den Rücken zum Meer, das die Welten trennte, und sah landeinwärts, wo der Uferstreifen in flaches Grasland überging. Bis auf die Geräusche des Schiffes, das abgeladen wurde, und das noch ferne Klanggewebe aus der Küstenstadt war es seltsam still.
Die hochaufgerichtete Gestalt des Paladins in ihren mitgenommenen Gewändern, in halber Rüstung, schien im Lauschen erstarrt. Schließlich schloss er zu den Gefährten auf, die schon einige Schritte getan hatten.
Beim Näherkommen verstärkte sich der Eindruck, dass in Santére kein gewöhnlicher Betrieb herrschte, und wurde zur Gewissheit.
Zelte und Windschutze lagen um die Stadt wie die Lager eines rastenden Heeres. Überall waren Menschen, duckten sich unter Planen hindurch, sammelten sich in Gruppen, saßen am Ufer. Weder Gemeinsamkeit noch Ordnung waren zu erkennen.
Versprengte Söldner, sagte Ifrahs Gefühl ihr, Flüchtlinge. Vereinzelt gingen schwer Bewaffnete umher.
Vor den ersten Häusern, in den Straßen, die auf den überfüllten Hafen blickten, wurde das Gedränge dichter. Kaum merklich verstärkte die Gruppe ihre Wachsamkeit. Eya zog sich die Kapuze ihres Oberteils tiefer in die Stirn. Menrad und Hadan legten leise die Hände auf ihre Waffen.
Zwei oder drei Leute mussten sie vorsichtig ansprechen, bis ein Standbesitzer ihnen Auskunft über die Lage in Santére zu erteilen bereit war. Hastig ließ der Mann das dicke Kupferstück in den Falten seines Umhangs verschwinden, bevor er Menrad gegenüber eine knappe Verbeugung andeutete.
„Nein, von der alten Königsstadt erfahren wir hier wenig, Ordenskrieger“, murrte er. „Seht selbst, was für ein Durcheinander hier ist. Wenig tiefer im Landesinneren gab es eine Schlacht zwischen Euren Brüdern und den Hochlandmännern, die Pest soll sie holen.“ Er spuckte aus.
„Was ist mit dem Durchkommen nach Fadraîs oder nach Sevarh?“ erkundigte sich der Paladin ernst.
„Versucht es“, zuckte der Händler die Schultern. Ein unfreundlicher Blick streifte Ifrah und die beiden Anderen. „Aber seid auf der Hut. Komisches Volk habt Ihr da bei Euch.“ Er dämpfte seine Stimme kaum.
„Meine Begleiter sind meine Angelegenheit“, entgegnete Menrad.
Ifrah konnte eine Regung der Genugtuung nicht unterdrücken. Absichtlich deutlich funkelte sie den Händler an, der sich unter der Zurechtweisung des Paladins duckte, und warf ihr langes Haar zurück.
„Welche Kunde habt Ihr von den Unruhen in der Umgebung oder weiter im Westen?“ bohrte Menrad weiter, doch der Mann winkte ab.
„Kunde? Schlechte Kunde, wie zu jeder Zeit in diesen Tagen.“ Der Befragte knurrte missgelaunt. „Heere aus der Königsstadt, Mordbuben aus den wilden Randgebieten, wer kann das schon sagen? Niemand weiß Genaueres. Ihr seht ja das elende Pack überall in unserer Stadt. Wo sind die wohl alle hergekommen? Aus eben den Gebieten, in die Ihr wollt.“
Der Paladin wandte sich ab, schließlich offenbar überzeugt, dass aus dem Mann wenig mehr herauszubringen war. Mit umwölkter Stirn gesellte er sich zu den wartenden Gefährten, während Ifrah beobachtete, wie Hadan an den Stand trat.
Der Händler schrak sichtlich vor dem großen, bleichen Mann zurück, blickte dann aber mit widerwilligem Interesse auf den schweren Silberanhänger, den der Nekromant ihm auf den Ladentisch warf. „Was ist das für ein frevlerischer Tand?“ erkundigte er sich misstrauisch. „Das kann ich nicht weiterverkaufen.“
„Ihr könnt es einschmelzen lassen“, hörte Ifrah Hadans Stimme, der soeben, wie sie mit Bestürzung bemerkte, eines seiner Amulette weggab. „Was gebt Ihr mir dafür?“
Die Hand des Händlers griff nach einem Zögern zu und wog das Schmuckstück. „Das ist massive Arbeit“, äußerte er eher begehrlich als anerkennend. Als er aufblickte, zuckte er unter den starren Augen des wartenden Mannes regelrecht zusammen. „Drei Silberunzen und einen Kleinbeutel Kupfer“, beeilte er sich.
Die Magierin sah Hadan nicken, obwohl das Schmuckstück damit weit unter Wert verkauft war. Doch die Gefährten benötigten Zahlungsmittel. Aus Kurast waren sie ohne Lohn fortgegangen, nur mit ihren Habseligkeiten, und die Schiffspassage hatte ihre Barschaft erheblich verringert.
Betreten verfolgte die Magierin, wie der Händler rasch im Dunkel seines Standes verschwand. Hadan stand reglos und blickte auf den Ladentisch, dann aber wandte er ihr das Gesicht zu, eben als der Händler murmelnd wiederkehrte, und hob eine Braue.
Die knappe Bewegung ließ sie kurz stutzen, erneut überrascht über bislang unbekannte Seiten ihres alten Weggefährten, dann hob sich ihre Stimmung, und sie blickte mit einem kleinen Auflachen rasch zu Boden, damit der Händler ihre erheiterte Miene nicht sah.
Die Gefährten sammelten sich hiernach, um zu beraten, was sie als Nächstes tun sollten.
Menrad war der Einzige, den es drängte, geraden Weges nach Fadraîs zu gehen, doch als die drei Anderen an die Berichte von den Kämpfen im Landesinneren gemahnten, die einen vorsichtigen Aufbruch in die Westmarsch nahe legten, stimmte er nach einigem Wanken einem anderen Plan zu.
Sevarh, das etwas weiter südlich gelegen und ein Knotenpunkt der bekannten Überlandwege war, erschien ihnen als ein gutes Ziel.
„Sollten wir dort halbwegs sicher eintreffen, könnt Ihr immer noch rasch nach Fadraîs gelangen“, sagte Ifrah ernst, als sie die schlecht unterdrückte Unruhe des Paladins erneut bemerkte. Endlich an den Gestaden seiner Heimat angelangt, mit den unseligen Erfahrungen seiner Mission auf dem Herzen, musste es den Lichtkrieger mit Macht in die Hauptstadt seines Ordens ziehen.
Hier ist er nun derjenige, der die meisten Fragen hat, Fragen an seine eigene Gemeinschaft. Vielleicht ist seine Sorge auch mit Verbitterung gemischt. Was immer auch im Westen vor sich geht – die Vernachlässigung der Missionen muss für ihre überlebenden Männer wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Sie erinnerte sich, dass ein alter Freund des Paladins, dem Anschein nach etwas wie ein väterlicher Vertrauter, im Osten gefallen war.
Verstohlen betrachtete sie sein schmales, angespanntes Antlitz, in dem die blasse Sonne Schatten und neue, harte Linien offenbarte.
„Lasst uns rasch aufbrechen“, beendete er die Unterredung, über den Hafenbetrieb blickend und ohne sein Drängen noch einmal zu erwähnen.
Ins Stadtinnere gehend, aufmerksam, statteten sie sich noch mit unverzichtbaren Dingen aus. So erstand Menrad einen schmucklosen, aber massiven Schild. Auch Wasserschläuche und Vorräte gingen in den Besitz der Gruppe über.
Mit sichtlichem Unbehagen, doch ohne Widerworte, nahm der Lichtkrieger hin, dass der Nekromant und Ifrah für alles Notwendige aufkamen, denn seine fadenscheinige Rüstung, seine Waffen und das graue Kettenhemd aus Pundar waren alles, was er noch besaß.
Hadan schwieg zu der stolzen Versicherung des anderen Mannes, ihnen das Aufgewendete zurückzuzahlen, sobald er seine Barschaft, die in Fadraîs lagerte, erreichen konnte. „Ihr seid ein Krieger, der uns mit seinen Fähigkeiten Dienste erwiesen hat, die sich nicht mit Geld aufwiegen lassen“, äußerte er schließlich, ohne den Paladin dabei lange anzusehen. „Im Landesinneren wird uns wenig Erfreuliches erwarten. Wir sind auf Eure Waffen und Eure Erfahrung angewiesen.“
Der kurze Wortwechsel verlief nüchtern und steif, und es schwang immer noch darin mit, dass besonders die beiden Männer sich immer aufs Neue zu akzeptieren lernen mussten. Freunde würden sie kaum jemals werden, aber Einer hatte gegen alle Widrigkeiten des Anderen Wert erkannt.
Die Bedrängnis führt uns zusammen, dachte Ifrah. Sie ging hinter den drei Anderen her, die Augen forschend auf das bunte Volk ringsum gerichtet. Fahrigkeit, Unsicherheit hing den Menschen an. Immer, wenn wir bedroht werden, ist es so. Und sie bewegte behutsam die Hoffnung im Inneren, dass eine bessere Zeit keine Unmöglichkeit war, in der die wenigen Gemeinsamkeiten wichtigere Bedeutung erlangten als alle Unterschiede.
Vor solchen Gedanken stand es sich närrisch und unbeholfen angesichts der Geschichte der Menschheit, der in so viele Richtungen verlaufenden Wege, die nie wieder zu einem engeren Pfad zusammenlaufen würden. Dennoch, im Kleinen hatte sie schon erlebt, was möglich war.
Die Uneinigkeit der Welt war ihr eigener größter Fluch und zugleich ihre größte Stärke.
Als die Mitte der Handelsstadt in flachere Bebauung, durchmischt mit weiteren Feldlagern, überzugehen begann und hinter den Häusern bereits die gewellte, gelblich-grüne Marsch sichtbar wurde, verlangsamte die Gruppe ihren Schritt.
Es hatte sie alle seltsam gedrängt, das Meeresufer rasch hinter sich zu lassen, doch nun schauten sie nachdenklich auf das weite Land, das ihnen seine Ausdehnung entgegenwarf.
Aus länger zurückliegenden Tagen, da sie noch zuvorderst Karawaneneignerin und keine Kampfmagierin gewesen war, wusste Ifrah, dass man zu Fuß von hier nach Sevarh wenigstens zehn Tage unterwegs war. Zehn Tage in ruhigen Zeiten.
Menrad schien ähnliche Gedanken zu haben, denn er verhielt und wandte sich zu den Anderen um. „Zu Fuß sind wir langsamer, als wir sein dürfen, und gegen Berittene, wenn wir ihnen begegnen und sie sich als Gegner herausstellen sollten, gefährlich unterlegen.“
„Das ist richtig“, meldete sich die Assassine zu Wort. „Wir brauchen Pferde.“
Linker Hand fand sich ein Haufen Zelte mit behelfsmäßigen Gattern, in denen Zugtiere, meist Ochsen einfacher Bauern, aber auch Pferde untergebracht waren.
Nachdem sie ihre Barschaft noch einmal gezählt hatten, übernahm der Paladin die Führung und steuerte auf eine Gruppe von Männern zu. Viele, die hier in Santére gestrandet waren, wussten nicht weiter und boten zum Verkauf, was sie nicht unbedingt behalten mussten. Die Angebote an Waren zeigten dies, unter denen man von mittelmäßigen Waffen über Hausrat bis zu persönlichen Dingen, die ihre Besitzer in der Not weggaben, um weitere Tage in den Lagern ausharren zu können, alles fand. Auch Tiere wurden verkauft, und zahlungskräftigen Abenteurern würde man gegen bare Münze sicherlich Pferde überlassen.
 
Wie, ich bin die erste? Das up ist doch schon seit Stunden da...
ok, wo soll ich anfangen?

Malenas Heimat... Bei Thor war das gut! *seufz* Ich habe dieses Eiland ebenso vor meinem geistigen Auge gesehen, wie du es Eya hast sehen lassen. Und obgleich diese Geschichte nur viel zu wenige Sätze umfasste, hat sich mir fast die ganze Reise Hadans erschlossen. Du kannst ja mal bei Gelegenheit ein Sequel über diese Episode Hadans schreiben... So 120 Seiten lang... :D
Aber glaub ja nicht, dass ich Kilian vergesse... :autsch:

Der Segler war ein schweres, bauchiges Gefährt, tief im Wasser liegend und halb überladen, so dass man um die ruhige See froh sein konnte.
Halb überladen? Nahezu überladen?



„Wir brauchen Pferde.“ => JUHUH! :lol: :kiss:

Im letzten Absatz: "Verscherbelten"? Hmm.. na immerhin nicht "vercheckten"...


Sehr schön fand ich diese melancholische Grundstimmung, die m.E. in dem Tanz Ifrahs gipfelte. Was soll es! Prächtig gelungen, ich neige mein Haupt!


:hy: Insidias
 
ich habe dein update gefunden. da ich zur zeit keine zeit zum lesen habe werde ich das nachholen. ich editiere dann hier meine meinung rein.

Gruß, Helldog

edit:
so nachdem ich nun sowohl das up als auch die restlichen postings dazu gelesen habe, fällt mir nur ein kommentar zu diesem kapitel ein:

Autsch! Das hat weh getan, als meine kinnlade auf der schreibtischplatte eingeschlagen hat. (ich hoffe ich habe dem Autor dieses Satzes - ich weis nicht mehr genau wer es war - nicht auf den schlips getreten)

ich hoffe dass du noch weiter so grandios an der geschichte weiter feilst. davon gehe ich aber aus, da du mir ja schon geschreben hast, dass dein fokus zur zeit neben deinem rl klar auf dieser geschichte liegt. dann ist mir auch egal, wenn es noch ein weilchen dauert bis wir urel wieder "sehen" .

Und dass du etwas übers knie gebrochen hättest, glaube ich nie bemerkt zu haben. daher gehe ich davon aus, dass du so etwas nicht tust. bleib bitte dabei.

Gruß, Helldog
 
tja da bin ich wohl auch mal wieder einer der ersten Poster hier..........*grinz*

schönes Up wie IMMER aber das hab ich glaub ich schonmal sonn paar Posts vorher erwähnt hrhr...........................................
Najo hoffe mal wir kommen jetzt von der bedrückenden Stimmung ein wenig weg und haben wieder nen handfesten Fight mit unserm kleinen Barb.............................................weil langsam wirds zu Gefühlslastig wenn da noch nen kapitel kommt wo einfachh alle nur noch zermürbt und fertig mit den Nerven/ ihrer Welt/ etc sind dann schlaf ich beim Update lesen ein.........................................das is jetzt nicht gegen dich nur du hast das inzwischen FÜR MEINEN GESCHMACK ein wenig zu weit ausgereizt.........................bzw.......überreizt.......................

So und jetzt mal wieder schnell dransetzten weil will weiterlesen.....................................*smile*


Mfg Chaos
 
Hallo Reeba,

nach einer längeren Pause melde ich mich auch mal wieder. Habe natürlich fleissig mitgelesen, leider nur keine Zeit für Feedback gehabt. Wird jetzt nachgeholt. :D

Ich fange mal mit dem Kampf in Kurast an. Sehr schöne Beschreibung der Szenerie, war mir aber, im Gegensatz zu anderen Lesern vielleicht, nicht ausführlich genug. Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Riesenschlachten, einzelne "Machtdemonstrationen" von Ifrah oder Hadan finde ich persönlich wesentlich interessanter. Das Problem war, wie ich es empfunden habe, dass zuviel passiert ist, um es ausführlich genug beschreiben zu können. Da habe ich einfach die gewohnte Tiefe Deiner Erzählung vermisst. Aber das ist meine persönliche Empfindung und keine direkte Kritik an der Erzählung.

Der Abstecher in den Tempel des Kindgottes war ebenfalls zu kurz, wobei ich Eyas und Ifrahs Kampf gegen die "Ordensschwestern" für sehr gelungen halte. Das Problem war hier vielleicht, dass man nicht genau wusste, wo sich die verschiedenen Figuren aufhalten. Und es fehlte vielleicht ein kleiner Höhepunkt, eine Belohnung, sowohl für den Leser wie auch für die Protagonisten für den langen Kampf. Vielleicht wäre es hier besser, etwas mehr Information über die geheimnissvolle Macht zu enthüllen, immerhin hat man ja ihre Geschicke im Osten durchkreuzt.

Das letzte Kapitel war hervorragend. Keine Meckelei. :D Du schaffst es sehr gut, die Stimmung der Darsteller zu beschreiben, dadurch bildet sich bei mir als Leser ein sehr deutliches Bild des Geschehens. Auch wenn andere Leser diese "ruhigen" Kapitel als lästige Pflicht sehen, die nicht kurz genug sein können, lass Dich bitte nicht davon abbringen, diese zu schreiben. Ich empfinde sie als sehr notwendig um einfach die Welt lebendiger werden zu lassen und nicht einfach als Kriegsschauplatz anzusehen, wo man nur von einer Schlacht zur nächsten springt.

Wie gesagt, das oben Geschriebene ist meine persönliche Empfindung. Vielleicht hilft es Dir, noch besser zu werden, aber sieh es bitte nicht als direkte Aufforderung an, etwas an Deinem Schreibstil zu ändern, der ist nämlich auch so schon hevorragend und ich fände es schade, wenn er unter dem Versuch leiden würde, es jedem Recht machen zu wollen. ;)

Achso, hier das obligatorische "Wo bleibt das Up???" :D

Gruss

Enjaxx
 
Wie man an den letzten Wortmeldungen sieht, bevorzugen die Leser ganz verschiedene Sachen an der Geschichte. Das ist insofern schön, als es mir offenbar gelingt, verschiedene Geschmäcker anzusprechen.
Allerdings ist es - wie immer - so, dass man es nicht allen recht machen kann.
Weitet man den Kampf in Kurast aus, meckern die einen. Unterlässt man es, meckern die anderen. Ich hab euch lieb 8]
Ich werde alle Anmerkungen versuchen, zu berücksichtigen, soweit es mir möglich ist, aber die Story steht sowohl vom Kapitelaufbau als auch von der beabsichtigten Stimmung her komplett bis zu ihrem Ende. Viel ändern will und werde ich da kaum.
Wir sind hier doch nicht beim Wunschkonzert :D
(Das Obige bezieht sich nicht (z.B.) auf enjaxx' Anmerkungen zur Art und Weise, wie die Schlacht umgesetzt wurde.)


@enjaxx: dass über die Macht in Kurast nicht mehr herauskam, ist vollste Absicht. Der weitere Verlauf der Geschichte wird das hoffentlich als nachvollziehbaren Kniff untermauern ;)
@Insidias, meine Adleraugenaufpasserin: beides Angemerkte wird geändert. Schön, dass dir der kurze 'Ausflug' nach Varda gefallen hat. Eine winzige Hommage an Griechenland.
@ChaostheRogue: bist du sicher, dass weniger Gefühle angesichts dessen, was unsere Protagonisten erlebt haben, glaubhaft wären? Spaßige Kämpfe gab es bei mir nie und wird es - in Saqqara - auch nicht geben. Und wenn du dich noch einmal genauer an die Kapitel mit Urel zurückerinnerst, auch da war die Stimmung alles andere als heiter, im Gegenteil. Es ehrt den Charakter, dass du Urel so sehr vermisst - wiederum: ich werde trotzdem kein Kapitel übers Knie brechen, um schneller zu ihm zu kommen.
Und wie es dann mit ihm und den Kämpfen weitergeht, werdet ihr sehen....

Vielen Dank für eure Kommentare :hy:
 
So gravierend hatte ich das alles auch nicht gesehen!
Doch muss ich nach meinem persöhnlichen Lesegeschmack her sagen das mir die Stimmung insgesamt zu düster ist bzw wir uns schon verdammt lange auf dem gleichen düsteren Gefühlslevel bewegen, sprich es wirkt langsam ein wenig eintönig!
Ja, außerdem ist mir auch ganz klar bewusst das die Stimmung bei Urel nicht grundverschiedenen zu der unserer anderen Helden ist dennoch muss ich sagen das es insgesamt flüssiger und abwechslungsreicher rüberkam als die letzten Kapitel.........................................................
Achja von übers Knie brechen kann ihr in keinster Weise die Rede sein ich vermisse nur igrnedwie einwenig nen Storyysprung innen Subtext da die Haupthandlung ja nun doch schon sehr vorrangetrieben wurde.................
Deswegen mecker ich hier auch schon seit dem 31 und 32 Kapitel so halb rum*g*..............................................
So dann noch mal das alseits bekannte: Wo bleibt das Up?!?
Und dann bin ich auch schon wieder wech bei beim Ifurita and Pistmistress Story am lesen------Hab ich erst gestern gesehen*smile*

Mfg Chaos
 
Anmerkung zum letzten Kapitel: Die Tanzszene auf dem Schiff wurde leicht abgeändert.
 
hab leider keine kleinliche kritik zu aeussern weil ichs voll gut find :)
aber ich fands besser als ifrah selbst getanzt hat.. jetzt merkt man irgendwie dass da nachtraeglich was geaendert wurde und es klingt ein wenig holprig find ich....

glg tigerle :kiss:
 
Geht mir auch so, es wirkt nicht mehr so aus einem Guss wie vorhin... Du wirst deine Gründe haben, aber die andere Version gefiel mir besser... :)
 
Na ja da hier noch kein Up is werd ich einfach mal die Story im oberen Bereich des FAS Forums halten*grinz*!
Achja ich werd die umgeworfene Tanzszene nicht lesen, versteh zwar nich warum dus geändert hast wirst wohl deine Gründe haben trotzdem war die Szene gut in die Story integriert also: ICH NIX LESEN ZUN ÜBERARBEITETE VERSION^^


Mfg Chaos

Ps: Nen Update wäre nice also wart ich schon mal ne Runde in den anderen StoryPosts wenn sich hier was tut dann sagt mir einfach mal bescheid*zwinker*!
 
Up kommt ja schon.. *schnauf*









XXXIII. Zwischen den Fronten





Um die Mittagszeit verließen unter vielen anderen Kommenden und Gehenden vier Menschen Santére, die Hafenstadt, die zu einem unruhigen Flüchtlingslager geworden war.
Sie führten ihre Reittiere durch die Menge zwischen den Zelten des Stadtrandes, ein Stück hinaus in das Grasland.
Ifrah nutzte die letzten Augenblicke nahe der Siedlung für einige Blicke auf die Gestalten der hier Gestrandeten, um sich das Bild der bemitleidenswerten Auswirkungen des Krieges fest einzuprägen. Es waren vor allem die Kinder, die teils unbeaufsichtigt am Wegrand standen, Schmutz in den viel zu blassen Gesichtern, die sie dauerten. Sie würden am wenigsten verstehen, warum sie hier unter hilflosen, verzweifelten, wütenden Großen warten mussten.
Der Umgang mit ihrer eigenen Tochter hatte sie gelehrt, Kinder nicht zu unterschätzen. Sie erduldeten viel, wenn es Not tat. Aber gerade aus ihrer Sicht trat die Unseligkeit friedloser Zeiten deutlich hervor.
Neben einem kümmerlichen Zelt umstanden Leute einen Mann in Wegkleidung, der ihnen zuredete. Er war kein Lichtkrieger, eher wohl ein einfacher Tatkräftiger, vielleicht ein Dorfschulze, und schien im Durcheinander der Lager so etwas wie eine aufklärende und vermittelnde Aufgabe übernommen zu haben.
Nebenan hockten zwei Alte mummelnd auf einer Truhe und starrten ins Nirgendwo. Sie waren ärmlich gekleidet und noch mit sicherlich hastig zusammengesuchten Habseligkeiten behangen.
Die Magierin wandte den Blick ab.
Fest fasste sie ihre Gefährten ins Auge, die soeben Tragtaschen an den billigen Sätteln festschnürten.
Die Pferde, die sie einer Gruppe von Männern aus dem recht weit entfernten Gebiet nahe der westlichen Hügelketten abgekauft hatten, ließen alles geduldig mit sich geschehen.
Es waren einfache Tiere, abgearbeitet, eher Gäule für einen Pflug denn für eine gefahrvolle Reise. Aber bessere hatten sich nicht finden lassen, und immerhin konnte man hoffen, dass sie möglichen Strapazen und Gefahren Ausdauer und stumpfe Standhaftigkeit entgegensetzen würden.
Menrad war bereits aufgesessen. Eya schwang sich mit einer geübten Leichtigkeit in den Sattel, die verriet, dass die Assassine mit Pferden umzugehen wusste. Ifrah selbst hatte langjährige Erfahrung mit Kamelen und Packpferden und traute sich zu, alles zu reiten, was vier Beine besaß und ein Halfter duldete.
Dann fiel ihr Blick auf Hadan. Er hatte sich gegen die Beschaffung von Pferden nicht gesträubt, doch die Unsicherheit, mit der er sein Tier bestieg und, wenn auch richtig, die Zügel aufnahm, fiel sofort ins Auge. Der riesige braune Wallach, der ihm zugeteilt worden war, stand nachsichtig und ungerührt da, bis der Nekromant aufgesessen war. Dann aber begann das Tier, vermutlich ein Ackergaul, auch wenn es eher die Ausmaße eines Schlachtrosses besaß, mit der feinen Witterung für einen ungeübten Reiter loszugehen und kam erst wieder neben Ifrah durch ein energisches Ziehen an den Zügeln zum Stehen.
Die Magierin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Sitz einfach still, er wird unseren Pferden schon hinterherlaufen“, bemerkte sie, während auch die Anderen sich im Sattel umdrehten. Hadan warf ihr einen nicht ganz ernst gemeinten, vernichtenden Blick zu.
Im Osten waren Pferde fast unbekannt, weil sie sich nicht für den sumpfigen Boden des feuchten, heißen Kontinents eigneten. Dort arbeitete und reiste man meistens mit den weißen Rindern, die man überall sah, oder auf den zahllosen Wasserwegen. Berittene Heere gab es kaum, und selbst lange Strecken wurden oft zu Fuß zurückgelegt.
Unter einem hellen, sonnigen Himmel brachen sie auf.
Fahrrinnen durchzogen das Grasland, die darauf hindeuteten, wie viele Wagen hier durchgekommen waren. Nach einem langen, sanften Anstieg öffnete sich hinter flachen Hängen das Land und erstreckte sich gleich einer fahlgrünen Decke, so weit das Auge reichte. Die Westmarsch lag vor ihnen.
Einige Stunden lang ritten die Gefährten in leichtem Trab. Kein Mensch begegnete ihnen, kein Haus oder Baum unterbrach die Ebene. Sie sprachen kaum. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ifrah fühlte den warmen Südwind auf den Wangen, den Stab quer über den Rücken gebunden, das Haar in einen Zopf gefasst.
Die Wüste ist nah, und so nah doch wieder nicht. Maysan war in dieser Landschaft aufgewachsen, und der Anblick der Ebenen holte das Bild ihrer Tochter zurück und unterband alle Versuche, es zu verdrängen.
Kleiner Stern, wenn wir dies überstehen, kehren wir zusammen zurück. Dann werde ich versuchen, dir etwas von deiner Kindheit, die keine rechte war, wiederzugeben. Das verspreche ich dir. Du sollst wissen, dass ich nichts auf der Welt so liebe wie dich.
Sie sah auch ein anderes Gesicht vor sich, an dem uralter Schmerz hing und von dem Maysan ihre hellere Hautfarbe und ihre klaren, grünlichen Augen hatte. Die Gestalten ihrer schweigend dahinreitenden Gefährten verblassten vor Ifrahs Augen. Basim. Unser Glück liegt schon so lange zurück, dass es mir scheint, eine ganz andere Frau habe mir vertraulich davon erzählt und mir vergangene Bilder eingegeben, entliehene Erinnerungen und Empfindungen.
Auf ihren Sattelknauf blickend, bewegte sie stumm die Lippen mit dem Klang seines Namens. Dann legte sie ihn ein weiteres Mal beiseite, zu anderen Dingen, die sich nicht zurückerlangen ließen.
Der schmale Rücken der Assassine war nah, die sich im Takt der Schritte ihres Pferdes mitbewegte, ab und zu sich in den Steigbügeln aufrichtend, um einen Blick über das Land zu werfen. Hatte sie, Ifrah, der Jüngeren nicht immer geraten, nicht in das Gestern zu blicken, wenn dessen Last das eigene Leben in Tagen der Verzweiflung noch zusätzlich beschwerte?
So raten wir Einer dem Anderen, dankbar und nachsichtig, weil der gute Wille die Täuschung des Vergessens auf kurze Dauer nebensächlich macht.
Ein Ruf des Paladins ließ sie vollends aufsehen.
Vor ihnen hatte sich die Landschaft verändert. Die Grasnarbe war zerstampft. Der Boden begann sich mit dunkleren Stellen zu übersäen.
„Ho!“ Menrad zügelte sein Pferd, das unruhiger geworden war und sich weigerte, gemächlich weiterzugehen.
Rechter Hand, hinter einem Hügelkamm, tauchte etwas auf, hochragend in die seltsam veränderte Luft.
Ifrahs Blick darauf wurde zu Hadan abgelenkt. Die Unruhe der anderen Pferde hatte sich auf sein Tier übertragen, und bevor sein Reiter es verhindern konnte, drehte es ab, verließ den halben Pfad, auf dem sie dahinritten, und scherte auf einen Abhang aus. Hadan versuchte sichtlich, es mit den Zügeln und einer auf den feisten Hals gelegten Hand zu beruhigen. Es gab keine unmittelbaren Schrecken, nichts Flatterndes oder Lautes, was es ablenken konnte. Das Pferd sah dies offensichtlich anders.
Die Gefährten warteten mit unwillkürlicher Erheiterung, bis der Nekromant am Fuße des Abhangs zum Stehen gekommen war. Mit einem unterdrückten Fluch lenkte er sein eigensinniges Tier um und trieb es wieder zu ihnen hinauf.
Ifrah blickte erneut zu den merkwürdigen Zeichen hinter dem jetzt näheren Hügelkamm. Dann erkannte sie, was es war, und das Lachen blieb ihr im Halse stecken.
„Pfähle“, hörte sie Eyas übergrauste Stimme. „Seht doch bloß.“
Schweigend ritten sie näher. Jeder Hauch von Heiterkeit war verflogen, und das Land um sie war still, als wolle selbst der trügerisch freundliche Himmel dem Düsteren Rechnung tragen.
Der zertretene Boden hatte es schon erahnen lassen, jetzt gab es keinen Zweifel mehr.
Sie waren auf einem Schlachtfeld.
Drei große Pfähle, vielleicht Achsen zerstörter Wagen, ragten vor ihnen auf, mit Wucht in den Boden getrieben. Man hatte Menschen an ihnen aufgeknüpft. Im leisen Wind bewegten sich Fetzen zerrissener Kleidung.
Wie makabre Totems überragten die Pfähle das Feld.
Die Gefährten saßen ab. Eine Aaskrähe flog auf, um sich einige Schritte entfernt im Gras niederzulassen.
Ifrah spürte, wie alle Geräusche den Klang überdeutlicher Nebensächlichkeiten annahmen, die im Bann der Bestürzung fast quälend an die Wahrhaftigkeit des Augenblicks gemahnten. Zaumzeug klirrte, als eines der Pferde, den Tod des Ortes witternd, den Kopf zurückwarf.
Sie sahen, dass zwei der Aufgehängten Männer der Westmarsch sein mussten. Einer war ein Lichtkrieger, vollkommen entstellt durch gewaltige Hiebe. Der Zweite schien geringeren Ranges, vielleicht ein Wagenlenker oder ein Mann der einfachen Bevölkerung, der zwischen die Kämpfenden geraten war. Der Dritte jedoch ließ sie stutzen. Der massige Leib war, da die grob geschnürten Fesseln das tote Gewicht nicht hatten halten können, an seinem Pfahl hinabgesunken, und das Gesicht, das nach vorne auf die Brust hing, zeigte nur zu bekannte, breite und etwas ungeschlachte Züge.
Ein Barbar.
Der Wind legte ihr eine Haarsträhne über die Augen. Mit einer eiskalten Hand wischte sie sie weg.
Wie kommt ein Barbar an dieselben Pfähle wie die Westmarschener?
Ihre Gefährten schienen sich ähnliche Fragen zu stellen, denn Menrad äußerte heiser: „So etwas tut man nicht bloß aus purer Grausamkeit.“ Unbeweglich stand der Paladin da. „Das ist eine Warnung. Es muss vermischte und unklare Fronten geben, wie sonst erklärt sich, dass...“ Er brach ab.
Sie errieten indes, was er sagen wollte. Wer immer die Gefallenen aufgehängt hatte, hatte ihnen als gemeinsamer, rachsüchtiger Feind gegenübergestanden.
Als Erster rührte sich Hadan. „Helft mir“, sagte er knapp.
Sie schnitten die Toten von dem grausamen Ort ihrer Zurschaustellung. Ohne das Kriegsgeschehen zu durchschauen, konnten sie sich keinen Reim auf diese stumme Schreckenswache machen, aber eines, fühlte Ifrah, war gewiss. Solch beabsichtigte Grausamkeit erschütterte sie alle. Sie kündete von bedrohlicher Verrohung. Oder von zügellosem Hass.
Da sie kein passendes Gerät besaßen, mussten sie die Toten unbegraben liegen lassen, heruntergeholt, fremd, namenlos.
Nach einem langen Augenblick finsteren Schweigens ritten sie weiter. Im Gras des Schlachtfeldes sahen sie von den Rücken ihrer Pferde aus Überreste, zersplitterte Waffen, Fallengelassenes, auch einen völlig zertrümmerten Wagen. Wo das Gras sich flüsternd über Gefallenen neigte, drei oder vier in der Weite der Ebene, verhielten sie, und die Männer stiegen ab, um die Leichen zu untersuchen.
Selbst Hadan, der dem Tod durch seine Klasse am nächsten stand und Opfern mit einer Gemütsruhe begegnete, die oftmals wie ungeheure Kaltblütigkeit wirkte, wechselte nur wenige Worte mit Menrad, bei denen es um die Zugehörigkeit der Gefundenen ging.
Langsamer als zuvor, vorsichtiger noch, ritten sie weiter, und das Schlachtfeld blieb nach einer Weile hinter ihnen zurück. Aber die noch halbwegs freie Umgebung der Küste hatten sie nun unweigerlich verlassen. Ifrah sah an den geduckten, lauernden Häuptern ihrer Gefährten, dass ihnen dies ebenso bewusst war wie ihr.
Sie befanden sich jetzt zwischen den Fronten des Krieges.





Als die Dämmerung nahte, zügelte die Gruppe ihre Pferde, mitten in der Ebene der Westmarsch zwischen Santére und dem tieferen Inland.
Bis hierher waren sie keinem weiteren Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen begegnet und auch keinen Menschen, von denen sie Auskunft erhalten konnten. Einmal hatten sie Gestalten gesichtet, eine halbe Wegstunde oder mehr entfernt, zwei oder drei Leute, die ohne Pferde das Land überquert hatten. Doch es waren allem Anschein nach keine Krieger gewesen, sondern Flüchtlinge, und sie hatten nicht versucht, sie einzuholen.
An einem ganz beliebigen Platz nahe einer Erhebung, zu flach, um wirklich ein Hügel zu sein, beschlossen sie, ihr erstes Nachtlager aufzuschlagen.
Die Umgebung schien ruhig, von einer unheilverkündenden, unnatürlichen Ruhe, doch kaum, dass ein kleines Feuer brannte und sie ihre Pferde zusammengebunden und abgesattelt hatten, meldete die Assassine, die im windigen Abendlicht ein Stück weit auf einen Hang hinaufgelaufen war, Reiter.
„Sechs Männer“, rief sie leise, den Hang wieder hinunterkommend.
Die Gefährten zogen ihre Waffen. In dem weiten Land konnten sie sich nicht verbergen. Sehen würde man sie ohnedies, selbst wenn sie auf den Pferden flohen, und nach wie vor hofften sie, Neuigkeiten zu erfahren, wer auch immer ihnen hier begegnete.
So bildeten sie, ohne sich durch mehr als ein paar Worte der Vorsicht zu verständigen, eine dicht zusammenstehende Gruppe und warteten, bis die Reiter in Sicht kamen.
Menrad erkannte rasch, dass es sich um Paladine handelte.
In voller Rüstung, die Schwerter offen und griffbereit an den Seiten, saßen sie auf ihren Pferden, die sie jetzt langsam auf das hell glimmende Feuer zulenkten.
Sein erster Impuls war, ihnen entgegenzugehen, mit einer unterschiedslosen Erleichterung über den Anblick anderer Ordensbrüder, mit Glück Gesandter aus der alten Königsstadt, die das Geschehen besser überblickten als er und seine Gefährten.
Doch die Unklarheit der Verhältnisse, die selbst ihm mittlerweile aufgegangen war, hielt ihn von Vertraulichkeiten ab. Hinter ihm flackerte die düstere Macht des Nekromanten auf, ein Kitzeln im Fleisch, aber der Andere hielt sich zurück. Sie durften weder unvorsichtig sein, noch unnötig von sich reden machen.
Die Paladine saßen ab.
„He da!“ rief ihr Anführer die vier Menschen an. „Wer seid ihr?“
Menrad tat einen Schritt vor. „Wir sind Reisende, die von Santére kommen“, antwortete er. Im Abendlicht schimmerten die Rüstungen der Reiter matt. „Menrad Victorin Callist ist mein Name.“
„Ordensbruder“, der Anführer schritt langsam auf ihn zu, wachsam. „Warum bist du nicht bei den Einheiten unserer heiligen Streitmacht?“
Menrad versteifte sich unwillkürlich. Die Männer, von denen er kaum mehr als schattenhafte Umrisse ausmachte, konnten nicht wissen, dass er nicht dem Westen, sondern dem Osten entstammte. Dennoch kehrte eine leise Bitterkeit zurück, ungerecht vielleicht angesichts der Zerstrittenheit des Landes, aber darum nicht weniger quälend.
„Ich kam erst heute über das Meer“, sagte er. „Ich bin Kommandant der Mission zu Shanghar und in den Westen gereist, nachdem drüben missliche Unruhen niedergerungen wurden, so dass ich erst jetzt Gelegenheit dazu erhielt.“
Kurzes Schweigen antwortete ihm. Keiner der Paladine regte sich. Wartend standen sie da, ohne eine Geste des Willkommens, ohne ein Anzeichen, dass sie die Gruppe damit als vertrauenswürdig einstuften.
Der Anführer ließ einen langen Blick über die Gefährten gehen. „Eure Auskunft genügt noch nicht, Bruder“, sagte er dann. „Wohin wollt Ihr, und wer sind Eure Begleiter?“ Zugleich mit seinen Worten gewann die Stimme des Mannes an Härte.
„Jeder beliebige Ort, an dem wir über den Krieg aufgeklärt werden können, ist unser Ziel“, gab Menrad zurück. Ohne nachzudenken, hatte er Sevarh verschwiegen. „Meine Begleiter sind Krieger aus anderen Weltteilen, denen wie mir daran gelegen ist, einen Beitrag zur Klärung und Beendigung der Unruhen zu leisten.“
Hauchfein streifte ihn die Empfindung, dass die Anderen sich ein Weniges strafften, sich bereithielten. Gern hätte er sich zu ihnen umgewandt und sie beruhigt, mit der tiefernsten Überzeugung, dass kein Paladin einem Menschen, der das Land durchquerte und niemandem schadete, etwas zuleide tun würde. Doch er stand wie angewurzelt, selbst mit leise warnender Stimme im Herzen, und als der Anführer der Paladine sprach, fand er seine unerklärliche Unruhe unangenehm gerechtfertigt.
„Ihr könnt jede Auskunft über den Krieg auch von mir erlangen, Bruder.“ Der Mann stützte den rechten Ellbogen auf seinen Schwertknauf. Es war eine fast unsichtbare Bewegung, aber Menrad entging sie nicht. „Darüber hinaus ist es keinem dahergelaufenen Volk gestattet, sich in die Kriegswirren einzumischen. Wir haben schon genug Widergänger und Verräter, die uns die Aufgabe der Landeseinigung erschweren.“
Hinter Menrad sagte Hadan leise und auf Jabrah: „Verräter – die paladinischen Fronten sind also geteilt. Und Landesbefriedung klingt nach einer höheren Order.“
Die Paladine hatten die für sie höchstwahrscheinlich unverständliche Bemerkung von dem Mann, der im Hintergrund blieb, mitbekommen. Ihre funkelnden Augen richteten sich sichtbar auf die Dastehenden.
„Wartet einmal“, der Anführer regte sich. Unverblümt legte sich seine Faust jetzt auf das Schwert an seiner Seite. „Das ist doch eine Magierin?“
Menrad konnte sie nicht sehen, aber er vermochte sich gut vorzustellen, wie Ifrah sich unter dem feindseligen Tonfall des fremden Paladins aufrichtete, vielleicht mit alter Verbitterung auf den dunklen Zügen.
„Ich bin eine Bürgerin Selthes“, erklang ihre Stimme, „und habe keinem Menschen in Eurem...“
„Jetzt nicht mehr, Frau“, unterbrach sie der Anführer scharf. Die eben erst ins Land gekommenen Gestalten mochten ihn auf düstere Weise erheitern, denn mit schlecht unter herrischem Gehabe verborgener Genugtuung unterrichtete er sie: „Alle Menschen, die den Lehren des Lichtordens und dem einzig wahren Lebensweg zuwiderhandeln, gelten seit einem Erlass von höchster Stelle als Ausgestoßene.“
Ein Schweißtropfen rann Menrad den Rücken hinab, widerwärtig langsam, und er wusste, das kam nicht vom warmen, aufwühlenden Abendwind.
Seine Zugehörigkeit zum Lichtorden mochte verhindert haben, dass man sie sofort angriff, aber das Auftreten der fremden Brüder und mehr noch die Aura zutiefst überzeugter Unangreifbarkeit, die sie begleitete, warnten ihn. In den Worten des Anführers schwang etwas mit, das neu und seltsam schmeckte: die Härte einer Macht, die sich nicht mehr mit dem Alten zufrieden geben will, verbrämt in hehre Pflichtergriffenheit. Und es waren nicht allein die Menschen hinter ihm, die ihn dies mit einem Gefühl begreifen ließen, als sammle sich sein zerrissenes Inneres in ihm, wund und kühl, und blicke durch seine Augen sehnsuchtsvoll und wachsam zugleich auf die geschehenden Dinge.
Seine strenge Schulung allein befähigte ihn, ohne ein verräterisches Zucken dazustehen, nicht nach seinem Hammer zu tasten.
Vielleicht konnte er den Paladinen doch noch etwas entlocken und zugleich von seinen Gefährten ablenken. Es darf nicht zu einem Übergriff kommen.
„Sagt mir als Eurem Ordensbruder wenigstens“, richtete er das Wort noch einmal und mit größtmöglicher Vorsicht an den Anführer, „vor wem wir uns zu hüten haben, und gegen wen die fadraîschen Truppen kämpfen. Seid versichert, dass ich meine Waffen gegen jeden richten werde, der unsere Städte und unsere Leute bedroht. Wir beabsichtigen nicht, uns den Erlassen oder anderen Anweisungen hoher Stellen zu widersetzen.“
Sein Gegenüber schien zu erspüren, dass Menrad mit mehr Vorsicht als Ehrlichkeit gesprochen hatte und keine Anstalten machen würde, seine Begleiter preiszugeben. Der fremde Paladin nahm die Hand nicht von der Waffe. In herrischem Tonfall erwiderte er, während eine Bewegung unmissverständlicher Spannung durch seine Brüder ging: „Ihr seid lange nicht im Westen gewesen, Bruder, so will ich Euer unangemessenes Verhalten großzügiger bewerten, als es manch Anderer tun würde. Folgt uns und streitet mit uns gegen das aufrührerische Gesindel aus dem Norden. Das mag Eure Ehre wiederherstellen. Hütet Euch vor den Nordmännern, sie überschwemmen das Land und kennen keine Gnade.“
Menrad senkte als Zeichen des Verstehens mühsam beherrscht den Kopf unter der derben Anklage, doch ohne die Paladine einen Moment lang aus den Augen zu lassen.
Der Anführer straffte sich. Ein Wink alarmierte seine Männer. „Geht“, wies er Menrad an und zog sein Schwert. „Meldet Euch bei dem nächsten Posten und lasst Euch einweisen. Dient unserem großen Ziel, wie es sich für einen Ordensbruder schickt.“ Er fasste die drei anderen Gefährten erneut ins Auge. Die tief flammenfarbene Sonne warf ein düsteres Licht auf die Waffen der Paladine. „Eure Begleiter, wie auch immer Ihr an sie gelangt seid, werden uns folgen und sich vor dem Ordensgericht verantworten.“ Er hob die Stimme. „Legt eure Waffen nieder, so, dass ich sie sehen kann!“
Menrad erstarrte.
Doch bevor er, fieberhaft überlegend, was er ausrichten konnte, zu einer Entgegnung kam, fiel ein Schatten über ihn. Hadan war neben ihn getreten.
„Nein, das werden wir nicht tun“, sagte der große Mann ruhig.
Der Abendwind flaute ab, gespenstisch, wie ein Anhalten des Atems der umliegenden Ebenen. An seiner Rechten fühlte Menrad das Gewicht seines Kampfhammers. Mühsam unterdrückte er den Antrieb, Hadan zurückzuhalten und dem eigenen unbeherrschten Zorn über die hochtrabende Art, mit der ihnen begegnet wurde, freien Lauf zu lassen. Bin ich diesen Ton nicht mehr gewohnt? Er verlagerte seinen Stand unmerklich für eine rasche Gegenwehr. Oder bewahrheitet sich nun das Schlimmste, das ich je hätte befürchten können?
„Sieh an“, knurrte der Anführer und offenbarte unter seinen Worten von Ehre und hehren Zielen die Angriffslust eines Mannes, der sich im Recht weiß, eine höhere Ordnung vertretend. „Ein Frevler aus dem verderbten Sumpf des Ostens, der die Gemeinsame Sprache beherrscht.“ Er richtete seine Schwertspitze auf den Nekromanten. „Für Deinesgleichen ist dieser Weltteil längst verschlossen.“
Hadan rührte sich nicht. „Davon werde ich mich selbst überzeugen, Westmarschener“, erwiderte er.
Dann sah Menrad ihn aus dem Augenwinkel, den Atem anhaltend unter einer Empfindung kriechender Macht, die sich um ihn herum träge aus dem Nichts empor wand, die Arme ausbreiten. „Jetzt geht einstweilen und nehmt Eure Brüder mit, bevor ich mich vergesse. Wir werden unserer Wege ziehen, und Ihr werdet uns nicht daran hindern.“
Kurz herrschte Totenstille. Es mochte die Unverfrorenheit des Nekromanten sein, die die Paladine reglos verharren ließ, doch vielleicht auch der Schatten, den seine entblößte Gegenwart in ihre Beziehung zum Licht warf. Dann aber machten zwei von ihnen wütende Schritte, nah an einem Losstürmen auf die Gegner.
In den vermuteten letzten Augenblicken, bevor sie alle aufeinander losgehen würden, krampfte sich Menrads Faust um den Hammergriff, dass es wehtat. Unter dem Himmel meiner Heimat kämpfe ich gegen meine eigenen Brüder. Eiseskälte fasste nach seiner Brust.
Bevor aber die Paladine sich zu einem Angriff formieren konnten, traten auch die beiden Frauen neben ihre Begleiter. Von Eya vernahm Menrad nur ein leises Schleifen eisenharter Klingen auf Leder, Ifrah aber umgab die bedrohliche, noch halb unterdrückte Gewitterluft, die er in der Nähe der Magierin schon mehrmals geatmet hatte. Man konnte sie in der ganzen Senke fühlen. Menrad sah auch an den Gesichtern der Paladine, dass ihnen bewusst wurde, keinen simplen Wanderern gegenüberzustehen, und mit Ifrahs leiser Machtdemonstration waren sie sichtlich zurückgeschreckt.
Der Anführer machte die Augen schmal. Mit einer knappen Geste, auf die seine Krieger wie ein Mann reagierten, hielt er die Paladine zurück. „Gleichviel“, sagte er ausdruckslos. „Dem Himmel und seinen Gesandten werdet ihr nicht so leicht entrinnen.“
Stumm verfolgten die Gefährten, wie die Paladine sich langsam abwandten, sie jedoch dabei im Blick behaltend, dann ihre Pferde bestiegen und den Kreis des schwachen Feuerscheins verließen. Der Boden gab die Tritte der schweren Schlachtrösser wieder.
Das Abendlicht begleitete sie noch lang, bis eine sanfte Bodenerhebung sie schließlich den Augen entzog.
Menrad ließ den Arm mit dem Hammer sinken, steif, ohne sich rühren zu können.
Die Anderen gingen von seiner Seite zum Feuer zurück, nicht länger heimliche Reisende in der Westmarsch. Man würde von ihnen berichten, jeden Posten in der Nähe vor ihnen warnen. Doch es hatte sich nicht vermeiden lassen. Das Unabwendbare senkte sich kalt in sein Inneres, und der wieder aufgefrischte warme Abendwind erreichte ihn nur noch wie etwas Trügerisches aus einer äußeren Welt.
Er wandte sich um.
Sie standen und sahen ihn an, vorsichtig, aber selbst diese anklagelosen Blicke voller Mitleid waren mehr, als er ertragen konnte. Die Magierin schlug als Erste die Augen nieder, ging zum Lagerfeuer und kniete sich nieder, um ein Bündel mit Vorräten zu öffnen.
„Von welchen Gesandten sprachen sie?“ ließ sich die leise Stimme der Assassine vernehmen.
Schweigen folgte ihren Worten. Ihnen allen waren, ganz gleich welche Erfahrungen sie mit dem Lichtorden gemacht hatten, Dinge aufgefallen, übersteigerte, ungewohnte Klänge. Vielleicht nur Begleiterscheinungen des Krieges, dachte Menrad verschwommen, außerstande, den Mund zu öffnen. Vielleicht.
„Darauf werden wir unter uns keine Antwort finden“, bemerkte Hadan schließlich gedämpft. Die Aura der Macht um den Nekromanten war verraucht. Er stand und blickte auf das abendliche Umland hinaus, über dem unter dem niedrigen, jetzt von schwarzen Wolkenstreifen überzogenen Himmel ein einzelner Vogel dahinflog. „Wir müssen mehr erfahren, ganz gleich, von welcher Seite. Das hinter uns liegende Schlachtfeld war nur das erste, und verlassen.“
Keiner von ihnen erwähnte die Worte des Paladinanführers an diesem Abend noch einmal. Aber die unabsichtlichen Hinweise in der stolzen Rede des Mannes waren auch vorerst genug, um ihnen schlaflose Nächte zu widmen.
Mit einem Mal drängte es Menrad, sich aus der Nähe der Anderen zurückzuziehen.
„Ich werde die erste Wache übernehmen“, murmelte er, wandte sich ab und verließ ihren Kreis.
Der Wind bewegte die Grashalme des Hanges, über den er davonging, wie die Wellen eines Meeres, düster rot beleuchtet. Nach einer Weile, noch in Sichtweite des Feuers, hielt er an und kniete nieder.
Im schwindenden Licht begann er zu beten, lange, ohne sich zu regen, und vergaß die Zeit.
Als er zum Feuer zurückkehrte, war es ruhiger in ihm, doch die Freude darüber, wieder auf dem Boden seines Landes zu stehen, war erloschen. Er konnte sie nur noch in einem Winkel seiner Selbst vermuten, fast niedergezwungen von Sorge und Zweifeln und vom Bild der davon reitenden Paladine.
Nie, solange ich lebe, werde ich diesen Tag vergessen. Versteinert, ergeben nahm er es hin.
Am Lagerfeuer schliefen die Frauen bereits, auf ihren Decken ausgestreckt, die Waffen griffbereit. Nur Hadan saß noch aufrecht.
Erst wollte Menrad den anderen Mann ansprechen, nun doch froh um ein gewechseltes Wort. Dann fiel ihm etwas auf, und unwillkürlich stockte sein Schritt.
Der Nekromant saß vollkommen reglos. Kein leisestes Zucken verriet, dass er wach war, und dennoch schlief er nicht. Die geöffneten, weißen Augen starrten in die Flammen. Vor ihm auf dem Boden lag ein golden blinkender Anhänger, und einen zweiten, silbernen, hielt er in der geschlossenen Rechten.
Kein Laut war zu hören. Nur das Feuer knackte.
Die gewaltigen Tempel des fernen Pundar erstanden vor Menrads innerem Auge, und ohne den Anderen je wirklich dabei beobachtet zu haben, wusste er, dass Hadan betete. Jedoch war es kein Gebet, wie man es selbst kannte, eher eine Versenkung, so tief, dass der Mann fast totenähnlich wirkte, statuenhaft, und er würde nur durch eigenen Willen oder eine Störung wieder daraus erwachen.
Der Paladin setzte sich langsam auf der anderen Seite des Feuers nieder. Gegen seinen Willen bewegte sich sein Geist prüfend, spürend auf den Nekromanten zu, verharrte davor, während er den Kampfhammer vor sich hinlegte. Ihm gegenüber vollzog sich ein dem Lichtorden zutiefst verfeindetes, unbekanntes Ritual. Aber er würde es nicht stören.
Wie konnte er unterbinden, was sich seinem Begreifen entzog, wie noch in fester Überzeugung für Verbote streiten in einer Welt, die sich vor seinen Augen umkehrte, ihre Grenzen verwischte?
Nach einer Weile ließ er sich ins Gras sinken.
Er musste nicht wachen. Der Andere tat es schon.





Am folgenden Morgen wurde Ifrah von einer Lerche geweckt, die im hohen Gras unweit ihres Lagerplatzes anschlug.
Die Magierin setzte sich auf. Es war noch dämmerig.
Nachdem sie lange nicht hatte einschlafen können, liegend, auf mögliche entfernte Huftritte lauschend, mit den Gedanken bei Maysan und den beunruhigenden Neuigkeiten des Vortages, war ihre Nachtruhe erstaunlich fest gewesen.
Sie sah sich um. Eya drehte sich murmelnd auf die andere Seite, das kurze Haar zerrauft. Von Menrad war nur seine ferne Gestalt auf einem Hügelkamm zu sehen, die Umschau hielt. Hadan, bemerkte die Magierin mit einem seltsamen Erschauern, saß immer noch so da wie am Vorabend, doch als er ihren Blick spürte, sah er auf und blinzelte.
Sie schütteten sich eben in Ermangelung einer Waschgelegenheit Wasser über Kopf und Hände, als der Paladin zurückkehrte.
„Wir bekommen Gesellschaft“, sagte er.
Die Gefährten erhoben sich und blickten in die Richtung, aus der er gekommen war.
„Reiter?“ fragte Ifrah.
„Und zwar sehr viel mehr als am gestrigen Abend“, antwortete der Paladin und zog seinen Gürtel fester. Keine Regung belebte seine Züge, aber er wirkte blass und erschöpft. „Ob es dieselben Männer wie gestern sind, die vielleicht mit Verstärkung zurückkehren, konnte ich nicht erkennen. Es müssen mindestens ein Dutzend sein.“
Sie tauschten ernste Blicke. Die Zeit, in der von Fadraîs nicht geduldete Klassenangehörige das Land zumindest unbehelligt hatten durchqueren können, schien endgültig vorbei.
Rascher, als es ihnen in ihrer halben Ratlosigkeit, was sie tun sollten, lieb war, kamen die Reiter in Sicht. Ifrah packte ihren Stab fester und blinzelte der eben aufgehenden Sonne entgegen.
Sie zählte dreizehn Berittene und biss sich auf die Lippen. Dann aber sah sie, dass es nicht dieselben Männer wie am Vorabend waren.
Paladine waren es, doch nicht nur, und sie machten einen anderen Eindruck. Die Männer waren weniger prunkvoll gerüstet, und einige schienen verwundet. Mindestens drei von ihnen saßen leicht gekrümmt im Sattel. Zwischen ihnen sah man zwei Söldner und auch einen einfachen Mann aus der Bevölkerung, der einen mageren Klepper ritt.
Vorneweg kam ein Paladin, der ein Anführer sein mochte. Langsam trieb er sein Pferd den seichten Hang zu ihnen hinunter, während der Rest der Gruppe wartend zurückblieb. Lanzen ragten auf. Die Ausrüstung der Reiter kündete von unlängst überstandenen Kämpfen.
„Wer seid Ihr?“ rief sie der Anführer an.
Nachdem er sich nach seinen Gefährten umgeblickt hatte, tat Menrad einige vorsichtige Schritte auf den Reiter zu, und Ifrah folgte ihm mit den Anderen in kurzem Abstand.
Menrad nannte seinen Namen und erklärte die Gefährten als seine Begleiter, doch ohne ihre Namen zu erwähnen.
„Callist“, wiederholte der fremde Paladin den Vatersnamen Menrads. Er war ein mittelgroßer, schwarzhaariger Mann, der um die vierzig Sommer zählen mochte, und blickte ruhig und ohne Feindseligkeit auf die vier Menschen. Um seinen rechten Oberarm war eine blutige Binde gewickelt. Er saß mit der Lässigkeit eines geübten Reiters im Sattel, doch auch mit einer Schwere, die von erheblicher Zermürbung zeugte. „Das ist ein fadraîscher Name. Seid Ihr ein Sohn unserer alten Königsstadt?“
Der Rest der Truppe näherte sich jetzt.
„Das bin ich“, erwiderte Menrad.
„Leander Maurus Conradin“, der Andere stützte beide Hände auf seinen Sattelknauf. „Nehmt es mir nicht übel, aber ich muss Euch fragen, auf welcher Seite Ihr steht.“
Ifrah spürte Menrads Unruhe. Sie selber behielt achtsam abwechselnd den Anführer und seine Männer im Blick, doch keiner von ihnen wirkte, als wolle er sich unnötig in Hader verstricken.
„Ich und meine Begleiter kamen erst gestern aus dem Osten“, antwortete Menrad. „Die Missionen auf dem anderen Kontinent wurden fast vollständig dem Erdboden gleichgemacht. Die Unruhen hier sind neu für mich, und noch stehen wir auf keiner Seite, Bruder.“
Unmerklich fast, so dass womöglich nur Ifrah es sah, die dicht hinter ihm stand, straffte sich der Körper des Paladins, mit allem rechnend.
Der Anführer schien es indes auch zu bemerken und verfestigte damit den Eindruck eines Mannes, dem wenig entging. „Ihr seid in einer unglückseligen Zeit in die Marsch zurückgekehrt“, sagte er. „Fadraîs hat vor einigen Monaten begonnen, mit südlicher im Hochland lebenden Barbarenstämmen zu verhandeln, um den Norden zu einen, wie es heißt. Aber das ist nur das Wort, das sie allen losziehenden Einheiten unablässig mitgeben. Was in den obersten Rängen der alten Königsstadt vor sich geht, weiß kaum jemand. Aber es passt in dieses rastlose Jahr, dass dem Versuch, den Einfluss auf den gesamten Westen auf bisher nicht gesehene Weise auszuweiten, die Meisten begeistert gefolgt sind.“ Er wies mit der Hand hinter sich. „Seht uns an. Solche Gestalten wie uns werdet ihr unter den Truppen der Hauptstadt nicht finden, oder wenn, dann nur dort, wo sie auf den Zorn des Nordens gestoßen sind. Wir sind Abtrünnige.“ Leise Verbitterung schlich sich in die Stimme des Mannes.
„Abtrünnige?“ hörte Ifrah Menrad fragen.
Die Ungläubigkeit in seinem Tonfall rührte sie eigenartig stark.
Für das Mitglied einer einst so einigen Bruderschaft musste dies viel schmerzlicher sein als für einen Angehörigen der anderen Klassen, die der Wind der Zeit und verschiedene Ansichten stärker zersplittert hatten.
„Ich war selbst im Hohen Norden mit Verhandlungen betraut“, antwortete der Anführer auf die Bestürzung Menrads. Ein Schatten überflog das Gesicht des Mannes. „Und dort sah ich bald, dass die Barbarenstämme absichtlich gegeneinander aufgebracht wurden, dass die sogenannte Einigung des Landes in ihren Wäldern zu blutigen Kämpfen führte, dass man sich ihre leicht aufbrausende Art und ihre berechtigten Befürchtungen vor einer unfreiwilligen Eingemeindung zunutze machte. Weiler und Siedlungen zwischen den Clangebieten wurden zum Kniefall vor Fadraîs gezwungen, notfalls mit Gewalt.
Ich will Euch nicht mit unschönen Einzelheiten belasten, aber glaubt mir: eine Einigung der Völker darf nicht auf diese Weise vor sich gehen.“
Die Stille ringsum lag schwer auf der flachen Senke. Niemand rührte sich.
„Als ich mich weigerte, einen Befehl auszuführen“, fuhr der Anführer fort, „weil ich ihn unvereinbar mit der Ehre und Milde eines Paladins fand, und nach Fadraîs zurückkehrte, um meine Fragen beantwortet zu sehen, wurden ich und meine Einheit an den Rand eines Kriegsgebietes versetzt, in dem aufgebrachte Nordmänner mit unseren eigenen Truppen stritten. Mir gelang es, einen Barbarenanführer zu sprechen. Es war ihnen an Verhandlungen, an Aufklärung gelegen gewesen. Damals war das noch so. Aber die Lage eskalierte, als Fadraîs neue Truppen schickte, um die Barbaren zurückzutreiben.“
„Seid Ihr zu den Barbaren übergelaufen?“ wagte Ifrah zu fragen, denn Menrad stand reglos da und schwieg.
Leander fasste sie müde ins Auge. „Nicht direkt, Magierin. Wir stehen auf Niemandes Seite mehr. Wir bemühen uns, Paladine und andere Leute zu finden, die unsere kritische Sicht der Vorgehensweise Fadraîs’ teilen, und wir suchen Verhandlungen. Aber daran hängt immer weniger Hoffnung. Die beiden Fronten gehen mit entfesseltem Hass aufeinander los.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Es geschehen Dinge, Grausamkeiten, Verbrechen, die keiner von uns jemals zuvor gesehen hat. Die vielen Gefallenen und die unübersichtlichen Gruppen, die jetzt überall im Westen stehen, machen es nicht leichter.“
Menrad sprach wieder. „Ich danke Euch für Eure freimütig offenbarte Sicht auf die Lage, Bruder“, sagte er fest, aber gedämpft. „Tatsächlich ist dies die erste Beurteilung, die mir glaubwürdig erscheint.“
Der Anführer machte eine Geste über dem Kopf des heimgekehrten Lichtkriegers, die Ifrah als Segnung erkannte. „Geht mit dem Licht, und verzweifelt nicht. Ich sehe Verbitterung in Euch. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, und dass man sich einst an uns nicht als an Kriegstreiber, sondern an Männer erinnert, denen die alten Werte gegen alle Verkündungen einer glorreichen neuen Zeit noch etwas gelten, liegt in unseren Händen.
Hütet Euch vor den Reden von einer Himmelsmacht, die uns leitet. Und hütet Euch und Eure Gefährten“, hier blickte er auf die drei Anderen, „vor Einheiten der Königsstadt. Sie dulden keine Außenseiter mehr.“
„Das erfuhren wir bereits“, gab Menrad zurück. „Gestern begegneten wir anderen Paladinen, die wir nur mit Mühe vertreiben konnten.“ Dann fragte er: „Könnt Ihr uns etwas über das Gebiet sagen, das westlich von hier liegt?“
„Ihr seid nur eine knappe Tagesreise vom nächsten großen Kriegsschauplatz entfernt“, antwortete der Anführer. „Wenn Ihr wirklich in diese Richtung weiterziehen wollt, werdet Ihr auf kämpfende Königstruppen und Barbaren stoßen. Aber seid gewarnt, keine von beiden Seiten ist Fremden gegenüber nachsichtig. Sie werden Euch hinschlachten, wenn sie in Euch Vertreter der Gegenseite vermuten, und dies geschieht schnell in diesen Tagen.“
„Dennoch müssen wir weiterziehen.“ Menrad blickte nach Westen. „Wir sind gekommen, um die Unruhen mit eigenen Augen zu sehen.“
„Trefft Ihr auf Barbaren der nördlichen Waldclans, so nennt meinen Namen“, sagte Leander. „Einige von ihnen zumindest wissen von der Abspaltung paladinischer Gruppen und haben mit mir gesprochen. Aber sie sind ungeduldig, aufgerieben. Die Dörfer zittern vor ihren Anführern. Mehr Schutz kann ich Euch nicht geben.“ Deutlich fand jetzt abgrundtiefe Müdigkeit ihren Weg in die Stimme des abtrünnigen Westmarscheners. „Ich habe hier im Westen keine Handhabe mehr.“
Ifrah sah Menrad niederknien. „Wir danken Euch, Bruder.“
Der Andere winkte ihn wieder auf die Füße, sichtlich unangenehm berührt. „Wiederum, geht mit dem Licht, Menrad Victorin Callist. Es mag sein, dass wir uns im Krieg wiedertreffen.“ Kurz verhielt er noch. „Wollt Ihr Euch uns nicht anschließen? Wir können jeden guten Mann gebrauchen.“
„An einem späteren Tag vielleicht, aber ich kann meine Begleiter nicht allein weiterziehen lassen. Geht mit dem Licht.“ Menrad stand aufrecht.
Die Gruppe wendete ihre Pferde aus der flachen Senke.
Stumm sahen die Gefährten sie langsam davon reiten, einem ungewissen Schicksal entgegen. Sie sammelten sich um Menrad, warteten aber ab, bis er das Wort ergriff.
Er verfolgte die Reiter mit den Blicken, bis das Land sie verschluckte. Sein Gesicht war grau trotz der Morgensonne, die unbekümmert auf das Land hinunterschien. „Nun wissen wir, was die Unruhen verursacht.“ Seine Augen waren verdunkelt, doch Ifrah konnte noch keine Schwäche endgültiger Hoffnungslosigkeit in ihnen entdecken. „Jeder weitere Schritt wird uns in den Krieg tragen. Sollen wir dennoch weitergehen?“
Hadan regte sich leise. „Was bleibt uns anderes übrig?“
Das Schweigen Aller war ernste Zustimmung.
Sie hatten tatsächlich kaum eine andere Wahl. Ihnen blieb nur, sich auf die Suche nach erneuten Auskünften zu begeben, bis sie ihren Platz im Geschehen gefunden hatten – oder dem Westen den Rücken zu kehren, und niemand von ihnen war jetzt schon dazu bereit.
Die Andeutungen Leanders über die Grausamkeit der Streitenden, auch der Barbaren, lagen düster über ihren gemeinsamen Gedanken. Ifrah überlief es kalt bei der Vorstellung, entfesselte Kräfte über alle Gebiete herfallen zu sehen, über Schuldige und Unschuldige gleichermaßen. Sie bedachte die wenigen Worte über die Himmelsmacht, jenen Begriff, der nun bereits zweimal in den Reden von Westmarschenern aufgetaucht war.
Nichts ließ sich damit verbinden, und doch drängten sich die Ereignisse im Osten wieder auf. Es schien fast, als sei die gesamte Menschheit wahnsinnig geworden.
Lange hielt es sie nicht mehr an ihrem Lagerplatz. Jedes Ausharren würde die Begegnung mit dem Unvermeidlichen nur hinauszögern.
So bestiegen sie ihre Pferde und brachen auf, wachsamer noch als am Tage zuvor, und dennoch im bedrückten Wissen darum, dass Wachsamkeit ihnen nicht viel half.
Nur selten sprachen sie ein Wort miteinander. Die Wärme des Tages kam ihnen vor wie ein Hohn.
Als sie Stunden geritten waren, begann sich der Himmel mit einem bräunlichen Schleier zu überziehen, unklare Luft in der Hitze vielleicht, doch vielleicht auch der aufsteigende Dunst zerwühlten Bodens.
Ohne Rast ritten sie weiter, nach Westen, mitten hinein in den Krieg.





Der folgende Morgen fand sie auf ihren Pferden, auf einem Hügel, der eine Ebene überblickte.
Hadan verhielt neben den Anderen und sah sich um.
Sein Reittier und auch die anderen Pferde waren nervös, wollten nur widerstrebend weitergehen, witterten den Dunst einer Schlacht. Der Boden war schon nachts ruhelos gewesen, Land, das unter den Schritten Hunderter stöhnte.
Sie hatten den Rand des Krieges erreicht.
Über die Ebene zogen Truppen, zersplitterte Verbände, wogten hierhin und dorthin, verkeilten sich mit Gegnern. Geschrei und das dumpfe Klingen von Waffen verwoben sich zu einem Lärm, den die Weite der Marsch nicht mehr schlucken konnte und der sich in die getrübte Luft hinaufhob. Menschen rannten, wurden verfolgt, niedergemacht. Noch waren Einzelheiten schlecht zu erkennen, aber es handelte sich um Fußtruppen zweier Lager, ein auseinandergezogenes Schlachtfeld, das sich bis zum Horizont erstreckte. Pferde, wenige nur, irrten reiterlos umher, und man sah niedergerissene Fahnen, ganze Horden von Toten.
Paladine. Und Barbaren.
Der Nekromant zügelte mühsam sein Pferd. Der riesige Wallach mochte spüren, dass sein Reiter den Gesang des Todes in sich aufnahm und wiedergab wie ein verfluchter Klangkörper.
Kurz versuchten die Gefährten, sich einen Überblick zu verschaffen, doch erfolglos. Zumindest konnten sie wagen, hinunterzureiten, denn die Schlacht schien nicht an ihrem hitzigen Beginn, sondern schon nahe eines chaotischen Endes zu stehen, wie langsamer gehende und sogar vereinzelt verharrende Gruppen verrieten. Der unrühmliche Ausgang. Letztes Aufbringen der Kräfte, verzweifelte Sammlung, die Verfolgung unterlegener Gegner. Fernere Gestalten, nur bewegte Punkte auf der Ebene, konnten Fliehende sein.
„Los!“ befahl Menrad rau, der seinen Schild am linken Arm hielt und sein Kurzschwert in der Rechten.
Sie trieben ihre Tiere den Hang des Hügels hinab und vorsichtig auf einen Fleck zu, auf dem Männer zusammenstanden, waffenstarrend, verwaschen im Dunst der Schlacht.
„Vorsicht“, sagte Hadan leise, der die Heranrückenden prüfend betrachtete. Man hatte sie schon gesehen, und mindestens drei oder vier riefen sich mit dunklen Stimmen etwas zu und hoben gewaltige Schwerter. „Das sind Barbaren.“
Vielleicht waren sie närrisch, sich den Kriegsteilnehmern zu nähern, aber beritten mochte ihnen im schlimmsten Fall die Flucht gelingen, denn die Männer dort waren zu Fuß. Und womöglich waren sie der Schlüssel zu einer anderen, einer weiteren, wertvollen Sicht.
Das Volk des Hochlandes war fest in Stämmen organisiert und bei weitem nicht so zahlreich wie die Menschen in anderen Weltgegenden. Mit viel Glück würden sie, wenn man sich bereit zeigte, mit ihnen zu sprechen, Auskunft über das Schicksal einzelner Stämme erhalten.
Auch über einen Stamm, der seine größten Krieger vielleicht noch erinnert.
Beim Näherkommen entpuppten die Männer sich als Barbaren des nördlichen Hochlands, uneinheitlich gerüstete Hünen, teilweise kahl rasiert bis auf Haarquasten am Hinterkopf, und Hadan erkannte Clanzeichen des Roten Waldes und des Kupferflusses, Farbstreifen auf Wangen oder Rüstungen.
„Anhalten“, zischte der Nekromant. Angespannt, ohne die Augen auch nur einen Lidschlag lang von den Männern zu nehmen, saß er ab. Gepresster Atem begleitete von Seiten der Gefährten seine Bewegung. Der Boden staubte unter seinen Stiefeln, und sein Pferd wich schwerfällig zurück und stoppte erst neben Eya, die am weitesten hinten saß.
„Ihr da!“, knurrte der kleinere zweier Barbaren, die jetzt unbeirrbar auf die Gefährten zuschritten. Er hielt sein Schwert nicht schlagbereit, aber allein das sichtbare Gewicht der Waffe war ehrfurchteinflößend, und an seinem Gürtel staken blutige Wurfbeile. „Was seid ihr für Leute, und was sucht ihr in unserem Kampf?“ Er sprach mit dem rohen Tonfall der Hochländer, die sich des Sandhaîn bedienten.
Hadan hob nicht einmal eine Hand, um kein Anlass der Beunruhigung für die Krieger zu sein. Hinter den zwei Näherkommenden zog sich jetzt die gesamte Gruppe zusammen, abgesehen von einigen, die wieder brüllend in die nahen Auseinandersetzungen stürmten.
„Wir sind Reisende von der nahen Küste, Krieger“, antwortete er bedächtig. Seine Stimme ging im Getöse der Schlacht beinahe unter. „Euren Anführer suchen wir, oder jemanden, der uns Auskunft über die Lage in diesem Gebiet geben kann. Wir wollen nichts Böses.“
Der Angesprochene knurrte. „Ihr habt einen Lichtkrieger bei euch, Schamane.“
„Der Mann ist keiner von den Truppen der Königsstadt“, versicherte Hadan. „Er kam mit uns aus dem fernen Osten. Er ist hier ein Abtrünniger.“ Wissend, dass Menrad alles mitanhörte, dachte er, das musst du mir nachsehen, Paladin. Sonst töten sie dich, und uns gleich mit.
Misstrauisch, die nahe Schlacht im Rücken, wechselten die Barbaren wenige Worte in einem Dialekt ihrer Heimat. Ihr Schweißgeruch stand scharf in der schmutzigen, warmen Luft.
„Seid froh, dass wir keine Zeit haben, um zu sehen, ob deine Worte wahr sind“, wandte sich der Wortführer wieder barsch an Hadan.
Von linker Hand näherte sich jetzt eine rennende Fußtruppe in zerfetzten Ordensgewändern, Paladine, die dem Kessel der Schlacht entronnen waren und einen Ausfall gegen die Barbaren am Rand unternahmen. Unruhe fuhr durch die Hochlandmänner, mehrere lösten sich bereits aus dem dastehenden Trupp.
Die Pferde scheuten. Hadan konnte sie hinter sich stampfen und schnauben hören.
„Wenn ihr Mut genug habt, geht hier unten um die Ebene herum in nördliche Richtung“, sagte der Barbar. „Dort werdet ihr ein Lager unserer Anführer finden. Vielleicht töten sie euch nicht gleich.“ Er lachte grimmig. „Diese Schlacht ist schon gewonnen, und das Blut der elenden Bannerträger mag sie milde stimmen.“
Damit wandte er den vier Reitern den Rücken zu und tauchte in einer Staubwehe, die die Sicht wie ein Schleier durchzog, unter.
Hadan ging langsam zu den Gefährten zurück. Eya hielt ihm die Zügel des Wallachs hin, ohne die schwarzen Augen von der näheren Umgebung zu nehmen, und er saß auf.
Betäubt durch die unmittelbare Nähe der Kämpfe, stießen sie den Pferden die Stiefel in die Seiten und machten sich daran, dem derben Hinweis zu folgen. Nur Menrad hielt sein Reittier im Stand, und sich umwendend, sahen sie ihn auf das Schlachtfeld starren.
Sein Kiefer war eine harte, mahlende Linie, und seine Augen brannten.
Hadan hörte Ifrahs Stimme, in der unter mühsam erzwungener Ruhe Bestürzung bebte. „Seid nicht töricht, Menrad.“ Staub hatte sich hauchfein auf das Haar und die Rüstung der Magierin gelegt. „Ihr würdet getötet. Die Gegner der Königsstadttruppen sind hier in der Überzahl.“ Er regte sich nicht. „Denkt an die Worte des Paladins, den wir gestern trafen“, sagte sie drängender.
Endlich, mit aller Macht beherrscht, ließ er sein Pferd folgen.
Sie ritten im Trab, streckenweise im Galopp, längs des Schlachtfeldes weiter. Der Boden lief, wohin sie kamen, in weites, zerstampftes Grasland aus. Die Luft war kaum zu atmen und die Sicht eingeschränkt durch Schwaden von Dreck und Rauch, durchsetzt mit dem nicht abebbenden Geschrei der Kämpfe.
Nach einer Weile stießen sie auf weit auseinandergezogene Gruppen von Menschen, auf Lager, blassbraun im Dunst.
Barbarenlager. Der Nekromant ließ die Augen über das Gewirr von Gestalten gehen. Irgendwo hier müssen ihre Anführer sein, vielleicht schon zurückgekehrt aus der Schlacht. Er hatte selten mit solchen Massen der streitbaren Hochlandmänner zu tun gehabt, und so weit südlich, zerrieben in den Unruhen der Westmarsch, war es schwer zu vermuten, auf wen sie treffen würden.
Feuer schwelten. Verwundete sahen auf die vier vorbeireitenden Gefährten, meist stehend trotz ihrer ernsten Verletzungen, wie es Barbarenart war. Liegende sah man selten, und sie mochten dann meist schon tot sein.
Die Anspannung seiner Gefährten warf deutliche Schatten in Hadans Geist, unruhig, belastet durch ungute Vorahnungen, weitgeöffnete Augen und hastiger Herzschlag, den er fast greifen konnte.
Man griff sie nicht an. Man ließ sie durch bis in die vermutete Mitte des Lagers, weil sie keine Bedrohung waren. Der Norden hatte sich erhoben, und gegen seine Macht war wenig aufzubringen.
Sie hielten unweit eines hoch aufragenden Pfahls, nacktes Holz, das vielleicht die Mitte des Lagers und einen Versammlungsort markieren sollte.
Darunter war das Gedränge dicht. Zahlreiche der waffenstarrenden Hünen standen herum, riefen Befehle, waren in Gespräche verwickelt. Vereinzelt sah man sogar Frauen. Die Stimmung war aufgeheizt, durch die Nähe des Kampfes oder durch die Zermürbung des Krieges, der den Barbaren Übersicht und immer neue Sammlung ihrer Kräfte abforderte.
Ein Barbar schritt, Auskunft verlangend, auf die Gefährten zu, die angehalten hatten.
Doch Hadans Blick streifte den Mann nur, denn etwas ganz anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war eine Gruppe von drei oder vier Männern, die um einen, der die anderen noch überragte, herumstanden und sichtlich über etwas stritten.
Hadan zog an den Zügeln seines Pferdes, unbewusst, mit einer unwillkürlich heftigen Bewegung.
Der größte Krieger musste einer der Anführer sein, sein ruhiges, herrisches Gebaren, mit dem er den ihn Bedrängenden begegnete, kündete davon. Er trug einen kurzen Bart und bis auf die mächtigen Schultern herabfallendes Haar.
Von hinten, durch sein Starren hindurch, erreichte Hadan eine unruhige Regung. Eyas Stimme setzte an, dann brach sie, stockend, und ihre Worte kamen erstickt, fast unhörbar: „Er ist es.“
Die Pferde schnaubten.
Ihre Ankunft mochte zu der Gruppe unter dem Pfahl durchgedrungen sein, denn sie bewegte sich abgelenkt.
Dann wandte der Kriegsherr der Barbaren den Kopf nach den Ankommenden, und sie erkannten ihn.
 
Was denn, kein Foren-Bug??? :eek:

Dann wil ich mir gleich mal hier den Post freihalten für Kommentare, wenn ich es durchgelesen habe.

Edit:

So, durch. Ich bin begeistert. Das ist eine der spannendsten Folgen seit langem nach meinem Empfinden. Man fiebert förmlich mit, wie die Gefährten ins Landesinnere vorstoßen und langsam des Chaos gewahr werden, das allenthalben herrscht. Die Ungewißheit der Lage, die auch für den Leser herrscht, obwohl er einige Informationen mehr hat als die Gruppe, schreit förmlich nach Auflösung. Vielleicht ist es sogar schade, daß die Gruppe Urel jetzt schon gefunden hat. Eine spätere Begegnung hätte die Spannung vielleicht noch bis zu den ersten Kollapsen unter der Leserschaft erhöht ... :D

Interessant ist übrigens, daß sich die Geschichte gewissermaßen wiederholt (aber nur gewissermaßen). In Diablo und LoD (also im Spiel) ist es ja so, daß die Paladine, die ein Spieler spielen kann, Abtrünnige des Kuraster Ordens sind, da ja im Spiel der Orden aus dem Osten kommt, mit Kurast und Travincal als Hauptstadt. Sie sind Abtrünnige, weil sie sich den von Mephisto gelenkten Ordensoberen widersetzten. Hier in der Geschichte ist der Orden eine westliche Schöpfung und fremd im Osten, somit auch nie von Mephisto kontrolliert gewesen. Und nun, wo anscheinend eine fremde (außerweltliche? ich meine ja!) Macht die Kontrolle übernommen und die Paladine zu Taten gegen ihr Ethos gezwungen hat, finden sich wieder einige (wenige?), die ihrer eigenen Lehre treu bleiben und sich der Mehrheit widersetzen.

Übrigens:

Eya schwang sich mit einer geübten Leichtigkeit in den Sattel, die verreit, dass die Assassine mit Pferden umzugehen wusste.

In diesem Zusammenhang ein netter Verschreiber. :D
 
Und schon wieder ein neues Kapitel *jubel*

Ehrlich meine Liebe, du darfst uns hier nicht zu sehr verwöhnen. ICH hör mir das Schreinen und Zähneklappern nicht an, wenn du zu deiner gewohnten Up-Häufigkeit zurückkehrst. :no:

Eya hielt ihm die Zügel des Wallachs hin, ohne die schwarzen Augen von der näheren Umgebung zu nehmen, und er saß auf.
Schwarze Augen? Nicht weiß? Oder dunkel geworden, weil er vorsichtshalber seine Kräfte beschworen hat?

Als du die Schlachtfelder beschrieben hast konnte ich es mir ja nicht verkneifen: :cry: unserem Urel wird doch wohl in der Zwischenzeit nichts zugestoßen sein :cry: ?

Aber so gemein kannst du nicht sein, dass "der Andere" nicht unser lieber, alter Freund ist. Hmm doch könntest du... immerhin hast du wieder mal an der "falschen Stelle" aufgehört :autsch:


Der Rest ist wieder mal spitzenklasse!! Vor allem die Begegnung mit der ersten Gruppe der Paladine hat mir wahrlich Angst eingejagt!


:hy: Insidias

edit: Na klasse, da les ich den Satz dreimal (und der ist ja echt fies lang ;) )
und versteh ihn immer noch falsch :wand:
na egal - vielleicht hat´s keiner gemerkt...
 
Die schwarzen Augen sind Eyas, siehe Satzkonstruktion ;)
Danke, meine Süße :kiss: , freut mich, dass es gemundet hat.
Ja, mit den Ups wird das eventuell nicht immer so schnell gehen - obwohl ichs versuchen werde. Das nächste aber wird mindestens eine Woche dauern noch, weil dazwischen meine ersten Abschlussprüfungen liegen.

/edit:
@Lanx: upsi... 'verreit' ...lol, danke :D
 
*sprechchor animier*
UREL UREL UREL UREL UREL UREL UREL UREL UREL UREL...
;)

Wieder mal top, herzlichen Dank! :)
 
Ahh wunderbar, mal wieder vom Feinsten!

Diemal gibt es keine Kritik von mir, sondern nur Lob, ich freue mich auf das nächste Up, wobei mir da Qualität vor Schnelligkeit geht, also um Gottes Willen nicht hetzen lassen!

mfg scirocco
 
So dann bin ich auch mal wieder da um meinen unqualifizierten Senf dazuzugeben:
Fand den Anfang ein wenig schleppend vom Lesegefühl (naja mag auch daran liegen das ich grad seit über nem Tag wach bin und mir einfach die nötige Konzentration fehlt) der Schluss also so ab Hälfte des Updates wurds irgendwie spannender und Abwechslungsreicher wenn man dieses "WIE IMMER Kunstwerk" betrachtet.

Habs mal wieder verschlungen*gier*

So dann hoff ich mal das inner Week das nächste Up da is und achja bevor ichs vergesse: VIEL GLÜCK BEI DEINER ABSCHLUSSPRÜFUNG!


Mfg Chaos
 
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