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[Story] Saqqara

...oder sie überlässt es unserer Fantasie ;)

Mal eine Frage noch: Wo steht Saqqara eigentlich in der Storyline? In der Mitte, am Anfang, fast schon am Ende oder erst im dritten Viertel...? =)

Und überhaupt, ich weiss immer noch nicht, was "Saqqara" bedeutet. Kommt DIESE Offenbarung erst am Ende?


Gruss Segan


Edit: Sieh an, sieh an :D

Nach ein bisschen Google und Wikipedia:

Originally quoted by Wikipedia
Saqqara (Sakkara) ist eine altägyptische Nekropole auf dem linken Nilufer gelegen, ca. 20 km südlich von Kairo.
Und dann das:
Originally quoted by Wikipedia
Eine Nekropole (v. griech. Nekropolis, "Totenstadt") bezeichnet eine größere Begräbnis- und Weihestätte des Altertums und der vor- und frühgeschichtlichen Zeit.

Gibt doch viel Raum zum Spekulieren, ne? ;)
 
Wird nüüüüx verraten, aber viel Spaß beim rumgooglen :D
Insgesamt sind wir... na, sagen wir mal zwischen Mitte und letztem Drittel (unbedarfte Schätzung der Autorin).
Und zum Kampf: siehe nächstes Kap. ... oder auch nicht.

Wieder um fast alles rumgedrückt :D

Liebe Grüße, Reeba
 
Och menno....

du bist sooo fies :D


Mir wärs aber lieber, wenn die Geschichte erst im ersten Drittel wär *grins*

Und irgendwann wirst du dich nicht drücken können, dann erfahren die Leser alles.

ALLES!! ^^


Gruss Segan
 
ertsma auch hier gz zu den bestandenen pruefungen
und zum bestandenen umzug
und zum tollen naechsten kapitel... hm hm .. was is noch imma nich da?! :cry:

:kiss: reeba... lass dich nich hetzten von mir.. aba ich will vadammt noch mal wissn wies weiterght *grmblegnarbisszlheulkreisch* :D


lg tigerle
 
Hmm...

Vorletztes Kapitel <---- 18. Feb. 2005

Letztes Kapitel <---- 4. März 2005

Heute <---- 22. März 2005

Nächstes Kapitel <---- ?. ???? 200?


Menno, ich warte schon sooo lange :D
 
Das neue Kapitel ist fertig und beim Betaleser.
Sry, dass es diesmal so lange gedauert hat :hy:
 
*freu* ich warte schon ganz gespannt bis dein betaleser durch ist. der ist echt zu beneiden. immer bekommt er/sie die guten kapitel vor dem rest der welt.

Gruß, Helldog
 
Servus reeba, ich hab mal angefangen deine story zu lesen und ich würde sie gerne komplett fertig lesen! Aber ich hab ne Frage: Könntest du die komplette story in deinen ersten post editieren?Dann würde es einfacher gehen sie auszudrucken(ich kann am pc sowas nicht lesen) und ich wette dass ich irgendwas auslasse!
 
Hallo Illuminator,
das kann ich gern machen - bzw. versuchen und hoffen, dass sie nicht zu lang für einen Post ist. Falls doch, kann ich dir die bisherigen Teile auch zuschicken.
Gruß, Reeba


//edit: es ist leider wirklich zu viel fürs Reineditieren :hammer:
Ich muss alle Interessierten leider solange auf die Möglichkeit des Zuschickens vertrösten, bis ich die Datei zum Runterladen anbieten kann.
 
Vielleicht solltet ihr euch ein paar Tage Zeit nehmen, um die bisherige Story ganz durchzulesen. In einer Textdatei, z.B. Microsoft Word, würde dies 200-300 Seiten verschlingen....und das wird Reeba niemals im ersten Post reineditieren können.
Ich hab die Vorgänger-Geschichte (siehe Sig) ausgedruckt, und das hat meine Druckerpatrone (schwarz) buchstäblich geleert, dass ich sogar auf Farbe zurückgreifen musste :>


Gruss Segan :hy:
 
was hat ne textdatei mit ms word zu tun?

naechstens schreib ich TeX-datei (arme Reeba) :rolleyes:

edit: bloedes trollposting meinerseits, kann bei gelegenheit entfernt werden.

Aber ich warte trotzdem sehnlichst auf das update ;)

edit2: Textdatei, gemeinhin mit der Endung .txt versehen, ist eine reine ASCII-Datei, kann zwar mit MSWord gelesen werden, hat aber wenig mit dem Word eigenen .doc format zu tun. In aller Regel ist eine .txt datei deutlich kleiner als eine .doc gleichen inhalts, beinhaltet dafuer aber in erster naeherung natuerlich keinerlei formatierungsoptionen. Kurz und gut: Man kann auch ohne Word Texte schreiben, lesen und drucken, spart dabei oft platz und bei grossen dokumenten bisweilen ne Menge aerger.
 
Supergoof schrieb:
was hat ne textdatei mit ms word zu tun?

[offtopic on]
Falls ich nicht gänzlich verwirrt bin, kann man mit MS Word eine Textdatei erstellen? Oder wozu ist Word da? :consufed:
[offtopic off]


Naja, alles eh nur Haarspalterei :D
 
Mit Word kann man auch Text-Dateien erstellen, das hauseigene Word-Format allerdings (= .doc) ist wesentlich komplexer* und vor allen Dingen von Microsoft strikt geschlossen; d. h. keiner weiß, wie die genauen Spezifikationen sind, es sei, denn man zahlt MS viel Geld, um diese Daten für einen Filter zu bekommen. Darum ist die Weitergabe von Word Dokumenten ja auch so problematisch, weil andere meistens sie nicht richtig konvertieren können. OpenOffice hat dagegen ein offenes Dokumentformat, XML basiert, das jeder verwenden darf.

Diese Geschichte Reebas ist übrigens um einiges länger als ihre letzte, zumal wir ja nach ihren eigenen Worten noch um einiges vor dem Ende stehen (im letzten Drittel, wenn ich nicht irre). Das verschafft uns nicht nur ein längeres Lesevergnügen, sondern vergrößert auch etwaige zusammenfassende Dokumente enorm.

--
* Und sie enthalten einiges, von dem viele gar nicht wissen, das es sich in ihren .docs befindet. Wie die Regierung Blair im letzten Jahr schmerzhaft feststellen mußte.


Edit (unter mir): Ja, kann man. Machen aber leider viele nicht.
 
Hmm, man kann mit Word auch einfache Textdateien erstellen, RTF oder einfach TXT Format...
 
Leute, ich weiss, ich habs losgetreten, aber ich glaube nicht, dass diese diskussion in diesen thread gehoert. Wir wissen alle, was word kann aber auch, was es es nicht kann und damit mal gut, Reebas Storythread hat das nicht verdient.
 
Danke @Supergoof, ich wollte eben schon anfangen zu möppern ;)
Das Interesse an einer Vollversion der Story ehrt mich sehr, aber trotzdem bitte ich euch, noch ein wenig Geduld zu haben, bis ich sie zum Download anbieten kann (sobald ich herausgeknobelt habe, wie man das am besten anstellt). Tipps oder weitere Diskussionen dazu plz per PM.
So, ihr habt lange genug gewartet, es geht weiter. Dingior hat sich mit dem Betalesen so sehr beeilt, wie es ging. :)


....................






XXXVI. Der dunkelste Tag






Leichter Wind ging durch die Senke.
Am Himmel zog keine Wolke vorbei, um das stete Sonnenlicht zu hindern, das auf sie herabschien, aber die seltsame Helligkeit war vergangen, und es war still.
Wirklich und wahrhaftig still.
Erst jetzt, in diesen ersten Augenblicken des Atemholens, fiel es ihm auf. Man hörte nichts mehr von jenseits der Senke. Keine Rufe, kein Waffengeklirr. War während ihres eigenen Kampfes die Schlacht ringsum zum Erliegen gekommen?
Hadan richtete sich auf und spähte zu den grasbedeckten Säumen der Hänge, aber er vermochte nicht über sie hinwegzusehen.
Die Welt war wie erstarrt. Reglos, mit windbewegtem Haar, standen er und seine Mitstreiter herum, lebendige Statuen. Lebendig. Das allein zählte vorerst. Weiter reichten weder Sinne noch Verstand. Ein Hauch spannte seinen Mund, und er musste mühsam zusammenfügen, dass es der Wind war, der seinen Speichel trocknete, wo er sich über die Lippen geleckt hatte.
Die Wunde an seinem Oberschenkel gab heiß rieselnden Schmerz ab, doch er schien nebensächlich, unbedeutend. Viel näher war das feingliedrige Gebilde in seiner Rechten. Eyas Hand. Sie kniete neben ihm, hielt sich fest, sprach kein Wort. Schwer atmend kämpfte sie mit ihren Beinen. Ja, er erinnerte sich. Sie war getroffen worden und schwer gestürzt, aber sie lebte.
Die Erleichterung löste seine Starre. Wie lange hatte er schon so dagestanden?
Der Nekromant beugte sich herab, steif ob der großflächigen Verletzung, und drückte die Hand der Assassine sacht. Ihre schwarzen Augen blieben unter ihren Lidern verborgen.
„Langsam, Shatryindjah.“ In ihrer Hüfte, auf die er seine andere Hand legte, antwortete ein schwaches Zucken seiner Berührung. Hadan atmete ein. Die Lähmung würde vergehen. Sie zog sich bereits zurück, verstummte, wie auch die Hiebe des entsetzlichen Schwerts verstummt waren.
„Ich kann nicht aufstehen“, flüsterte Eya heiser.
„Bleib sitzen. Sorge dich nicht. Es ist vorbei“, sagte er leise.
Seine Stimme hob sich kaum vom Wind ab. Es war, als sprächen sie in einem Traum zueinander.
Dann ließ er ihre Hand los.
Ifrah stand einige Schritte entfernt, aufrecht, dunkel und schön mit ihrem blauen Lendenschurz und ihrer matten Goldrüstung. Ihr Stab lag im Gras. Er tauschte stumm einen Blick mit ihr, der sich der halben Unversehrtheit des jeweils Anderen versicherte, und sah dann zu Urel.
Der junge Barbar zerrte an dem Lederzeug, das ihn an seinen Schild band. Seine Bewegungen waren müde, mitleiderregend ungeschickt, aber sie brachen nicht ab. Als er die riesige Pavese endlich loshatte, stieß er sie von sich. So blieb er hocken, ohne das Gesicht zu heben, schweigend in seinen derben, muskulösen Formen.
Er hatte die entscheidenden Hiebe geführt. Hadan konnte nur vermuten, dass die Begegnung mit ihrem unmenschlichen Gegner jetzt an Urels Kraft fraß, eine späte Rache für ihr aller Wagnis, die er selbst als lähmenden Mantel um die Quelle seiner Magie fühlte.
Urel hatte den Engel gefällt. Aber nicht allein.
Die Erinnerung war nebelhaft, ein Gemenge beinahe lautloser Bilder in Silber und Schatten, gehetzte und doch wie verlangsamte Bewegungen, Gestalten, die zerflossen, bis man sie kaum noch hatte erkennen können. Doch eine Einzelheit ragte daraus hervor: Der scharfe Winkel eines Kriegshammers, gekrönt von einem Lichteffekt. Eine Hand, die die Waffe schwang und vorantrieb, und an dieser Hand der Mann aus der Westmarsch, sein bloßes Haupt, seine halb geduckte, im Angriff erstarrte Figur. Ein Krachen und dann das sphärische Erzittern, das alle Geräusche und für eine Weile die ganze Welt übertönt und fortgespült hatte.
Menrad stand da.
Hadan sah den Paladin nur von hinten. Sein Rücken war straff, ausgelotet, aber der Hammer ruhte mit der Spitze im Gras.
Wie viel wiegt deine Waffe jetzt, Paladin? Er ließ den Blick über den Nacken des reglosen Mannes wandern. Sicher zu viel, um sie zu heben.
Mitleid überkam ihn mit Urgewalt. Er wehrte es nicht ab. Es war nicht das erste so geartete Gefühl für den Anderen, den Mann vom gegenüberliegenden Lager der Klassenspanne, den Fremden, den Streitpartner. Aber so stark und ungetrübt war es nie zuvor gewesen.
Behutsam, zwischen zusammengebissenen Zähnen aufstöhnend, tat er die wenigen Schritte bis an des Paladins Seite.
Menrads Züge bauten sich über seiner stillen Gestalt auf, versteinerter noch als diese. In ihrer Unerschütterlichkeit saß keine Festigkeit der Überzeugung, das Rechte getan zu haben, keine Gewissheit mehr, nicht einmal die Sturheit des Kämpfers, der sich die Zeit nimmt, die ihm zusteht, um zu atmen und den Herzschlag wieder einzufangen. Nein, was Hadan sah, war die Außenmauer einer Feste, deren Inneres in Trümmern liegt.
Die grauen Augen ruhten auf dem niedergestreckten Engel.
Hier, neben dem Lichtkrieger, war die Stille am tiefsten.
Kurz drängte es Hadan, ihn anzusprechen. Sieh nicht länger hin. Es quält dich bis aufs Blut, ich weiß. Geh dort hinüber und setze dich. Lass mich nach deinen Wunden sehen. Oder weise mich ab, es ist ganz gleich. Überlass deine Müdigkeit dem Boden. Er ist noch da, so wie zuvor. Ist das nicht wenigstens ein Trost?
Aber eine leise Stimme langte von innen her nach ihm.
Die Stimme der Vernunft? Er wusste es nicht, und er hatte in Wahrheit keinen Trost und keine Worte der Hilfe.
So hob er die Hand nicht, die schon vorbereitet gewesen war, den Anderen zu berühren.
Stumm, mit eisernen Kiefern, wandte er sich ab.





Ich habe einen Engel erschlagen.
Kurz ahnte Menrad den Nekromanten neben sich, ahnte dessen Besorgnis, ein mildes, beinahe freundliches Streifen seiner Seele, aber der Andere ging wieder, und er war froh darüber.
Er brauchte alle Kraft, um stehen zu bleiben. Er konnte sich nicht lösen von diesem Ort, und er wollte es vielleicht auch nicht. Der riesige Leib schimmerte im Gras. Wenn schließlich die Vergeltung für seine Tat ihn treffen würde, sollte sie ihn hier treffen, genau hier, keinen Schritt entfernt.
Sein Atem kam und verließ ihn. Immer wieder. Vage spürte er den Wind, der die Hänge streichelte.
Ich habe meine eigenen Brüder getötet.
Er wusste nicht, was schlimmer war, was schwerer wog. Über seinen brennenden Wangen saßen ihm die Augen trocken in den Höhlen, widerwärtig, kleine Kugeln aus Gallert, in ihrer ganzen Gewöhnlichkeit zu Pforten für Bilder geworden, die ihn bis ins Mark vergifteten. Nicht einmal schließen konnte er sie noch.
Gesichter kehrten zurück, die der Taumel der Schlacht folgsam auf einen Haufen geworfen hatte. Sie blieben dort nicht liegen. Sie sahen ihn an, nicht mit ihren hassenden oder todwunden Augen, aber mit einer schrecklichen Vertrautheit: Westmarschener Züge, die Züge seiner Heimat.
Keinen hatte er erkannt. Doch das musste nicht viel bedeuten, und jetzt erzitterte sein Inneres.
Sie waren es dennoch gewesen: Männer wie er. Männer desselben Ordens, Männer, die gut neben ihm hätten gekniet haben können bei den Belehrungen der höheren Paladine im Gebetshaus, bei den letzten Weihen, in derselben Ehrfurcht vor den stillen Kerzen in jahrhundertealten Steingewölben und im Weihkräuterdunst. Knaben noch, waren sie durch dieselben Gassen gerannt wie er, hatten die Köpfe in den Nacken gelegt, weil die Spitzen der Königsburg und der großen Kathedrale so weit in den blassblauen Himmel hinaufragten, dass man schon ein Vogel sein musste, um ihre Häupter zur Gänze zu sehen.
Er wartete. Doch lange geschah nichts.
Schließlich hatte sich sein starrer Blick an der unwahrscheinlichen, niedergestreckten Gestalt, zum Greifen nahe vor ihm im Gras, sattgequält, und er wandte sich um. Es gelang ihm nur schwer. Etwas zerriss dabei.
Mit gesenktem Kopf wehrte er die Empfindung ab, es sei womöglich gefährlich, dem Wesen hinter ihm den Rücken zuzukehren.
Doch nein, es war fort. Nur seine gewaltige Hülle lag noch hier.
Er hob die Augen.
Sie hatten gesiegt. In den Gesichtern der Anderen fand er mit einem Erkennen, das sich mühselig durch zentnerschwere Betäubung arbeitete, eine Verwirrung, die seiner ähnelte. Sie standen umher oder saßen über ihre Verletzungen gebeugt am Boden und starrten vor sich hin.
Vergebens suchte Menrad Hass, Hass auf diesen Haufen von Abenteurern, Fremde in dieser Landschaft, die gegen Fadraîs stritten. Er konnte ihn nicht aufbringen. Nicht einmal das ist mir noch geblieben. Sie hatten Dasselbe getan wie er, sie waren nicht besser, aber auch nicht schlimmer.
Seine Füße trugen ihn ohne sein Zutun zu ihnen. Er bemerkte, dass er am ehesten noch auf Ifrah zuhielt. Wie er war sie nahezu unversehrt. Ihre Augen, die er in steter Abwechslung seltsam und schön gefunden hatte, sahen ihm entgegen. Ihren Blick konnte er besser ertragen als den anderer.
Die Assassine war verwundet. Ja, er erinnerte sich – ein Flug von Schwarz, ein Versuch, ihm und dem Barbaren, der jetzt unweit im Gras kniete, zur Hilfe zu eilen. Er hatte die vernichtende Magie des gegnerischen Schwertes gefühlt, doch nur als Brennen kalten Feuers in der Seele. Sie musste gewusst haben, was sie tat, bevor es sie getroffen hatte. War sie dennoch gesprungen?
Der Nekromant half ihr auf, geduldig, bis sie schließlich stand, unsicher auf ihren schlanken Beinen wie ein Füllen.
Pferde. Er sah mit brausendem Kopf zu dem jungen Barbaren. Das Lager. Die Schlacht.
Bruchstückhaft kam die Welt zurück, und die fürchterliche Stille und Enge der Senke begann zu vergehen. Doch mit diesem Vergehen hielten auch die anderen Empfindungen machtvollen Einzug.
Der Boden zog ihn nach unten. Übergangslos kniete er im Gras, beide Fäuste um den aufgestützten Hammer gekrallt. Füße waren plötzlich nah, eine Hand legte sich zögernd auf seine Schulter. Er wollte sie wegschieben, hielt sich aber dann daran fest, willenlos, und der Handschuh in seinem Augenwinkel war schwarz.
„Ich bin nicht verwundet“, antwortete er der Männerstimme, die ihn danach fragte.
Doch, ich bin es.
Die Menschen, die sich um ihn scharten, kannten Solches, bedachte er. Ihre Augen hatten Ähnliches schon geschaut, sie hatten die von Erzdämonen besetzten Festungen leergefegt, waren knapp dem Tode entgangen. Der Barbar hatte nur eine Hand. Der Nekromant barg eine zerstörte Brust unter seiner Kleidung. Die Frauen waren ebenfalls nicht unversehrt, hatten ebenso tapfer und zäh gekämpft wie die Männer.
Bin ich jetzt Einer von euch?
Er lehnte sich hinein. Die Hand hielt ihn fest, und er schloss die Augen.
Er hätte jeden, der jetzt zu viele Worte machte, erschlagen, und gleichsam war er dankbar für ihrer aller Gegenwart, seltsam und freudlos dankbar.
Nach einer Weile verließen sie die Senke. Auch wenn dies bedeuten mochte, Dinge zu übersehen, Hinweise auszuschlagen – keiner von ihnen verspürte in all der Zerschlagenheit und nachzitternden Angst das Bedürfnis, die Hülle des Engels zu untersuchen. Nichts trieb sie jetzt noch, als den Ort des Kampfes hinter sich zu lassen.
Sie sammelten ihre Waffen auf, stiegen mit schleppenden Schritten den Hang empor, sahen oben in vollkommenem Schweigen noch einmal zurück, manche länger, andere nur kurz. Der Barbar stützte sich auf die Magierin, die seinen Schild trug und ihm ihren Stab als zweite Stütze gegeben hatte. Er blutete störrisch und gleichmäßig unter behelfsmäßigen Verbänden hervor, äußerte aber keinen Laut der Klage. Der Nekromant half seiner Gefährtin. Nicht lange, und er nahm die zierliche Frau auf die Arme und trug sie.
Sie erreichten das Schlachtfeld.
Es war weit und voller Gefallener und Tod und grausamer Bilder, aber Menrad verbannte sie, unterstützt durch eine Taubheit und halbe Blindheit, die er nicht bekämpfte. Gruppen wanderten umher, beugten sich über Verwundete, erlösten die hoffnungslos Versehrten von ihrer Qual. Kein lebender Paladin war mehr zu sehen. Schmutzfahnen lagerten über dem Feld, sanken nur langsam.
Mit jedem Schritt verlor Menrad ein wenig mehr das Gefühl für verstreichende Zeit, auch für sich selbst. Er war nur einer von vielen Gehenden auf einem beschwerlichen Weg. Er sah die gefallenen Ordensbrüder, in den Boden gekehrte Gesichter, die wirkten, als wollten sie die toten Augen vor dem verschließen, was sich hier zugetragen hatte. Er selber konnte es nicht.
Barbaren, Haufen Überlebender, gingen neben den Gefährten her, in die gleiche Richtung.
Das Lager tauchte am Fuß des letzten Hügels auf.
Benommen verfolgte er, wie sie es erreichten, hineingingen, wie die erschöpften Krieger, die wenig siegreich erschienen, sich niederließen, von den Zurückgebliebenen in Empfang genommen wurden. Niemand brüstete sich, es gab keine rauen Kriegsgesänge, keine erste Belustigung über den niedergeworfenen Feind.
Die Gefährtin des jungen Barbaren warf sich ihrem Mann an den Hals, und ihr blasses Gesicht fragte wortlos, schnell schmutzig verfärbt von seinem Blut und Staub.
Das Feuer brannte wieder, und dort waren auch die Pferde.
Hier setzte er sich nieder und hockte lange, ohne einen Blick für die Umgebung. Menschen kamen und gingen. Er ahnte, dass sie nur das Nötigste taten. Sie vermochten ebenso wenig über das Vorgefallene zu sprechen wie er.
Ich habe meine eigenen Brüder getötet.
Es mochte um die Mittagszeit sein. Doch als er wieder aufsah, sank die Sonne schon.
Warmes Licht und fettere Schatten verdrängten die ungebührliche Helle des Tages.
Taumelnd stand er auf, bettete Hammer, Schwert und Schild neben das Feuer und ging ein Stück fort auf einen flachen Hang, etwas erhöht über dem leise bewegten Lager.
Hier stand er eine Weile lang und sah sich um, ohne viel mehr wahrzunehmen als gedämpfte Geräusche und Farben und eine große innere Leere. Dem Schweigen entbot er einige letzte Gedanken. Dann gab er es auf.
Mit beiden Händen griff er nach dem obersten Stück Stoff des verblichenen Ordenshemdes, das über dem pundarischen Kettenhemd hing, und begann es abzureißen. Das Gewebe war alt, aber fest. Links bekam er es los, mit einem herrischen Ruck, dann spaltete sich die Sonne auf seiner Brust.
„Was tut Ihr da?“
Er wandte den Kopf.
Die Assassine stand schräg hinter ihm und sah ihn mit großen, dunklen Augen an. Sie vergrößerten sich noch, als sie zu seiner Brust huschten.
Ein Wort, und sie würde verschwinden. So gut kannte er sie schon.
„Ich lege es ab“, hörte er sich stattdessen sagen, sehr leise, fast krächzend. „Das ist das Hemd... die Tracht meiner letzten Weihe.“ In seiner Kehle stak ein Nadelkissen. „Ich verdiene es nicht länger.“ Ich bin kein Ordenskrieger mehr.
Ein Atemzug hob die Brust der jungen Frau. Ihrer Haltung waren erhebliche Schmerzen anzusehen, auch Scheu. Kurz schwieg sie, und nichts regte sich zwischen ihnen. Der Wind war abgeflaut zu einem milden Streicheln.
„Warum denkt Ihr das?“ fragte sie dann, noch leiser als er. In ihren Zügen stritt der Impuls, ihn nicht zu stören, gegen eine Regung, die alle Fremdheit niederrang.
Flüchtig verhärtete sich alter Stolz in Menrad. Niemand durfte seinem Innersten zu nahe kommen, und es hatte sich bewährt, wegzuschieben, was nicht verwandt genannt werden konnte. Doch er konnte in Eyas Augen kein Unverständnis entdecken.
Sie trachtete nicht danach, seinen Fall ungerührt zu beobachten. Sie wollte ihn wirklich verstehen.
„Muss ich Euch...“, kurz versagte seine Stimme. Er bezwang sich. „Muss ich Euch das wirklich erklären?“
Sie schüttelte den Kopf mit dem kurzen, schwarzen Haar. „Nein. Das müsst Ihr nicht.“ Sie tat eine Bewegung, als wolle sie ihn verlassen, blieb dann aber doch stehen. Ihre Augen baten ihn um Verzeihung, verstand er – Verzeihung für das Mitansehen seiner Trauer, und ein so tiefer Respekt war in ihrer ganzen Haltung, dass Menrad hätte aufstöhnen mögen.
„Aber seid Ihr sicher, dass Ihr das Anrecht auf Eure Gemeinschaft verloren habt?“ fuhr sie fort, zögernd. „Mir steht das nicht zu“, sie machte eine hilflose Geste, die sie selbst als Fremde auswies. „Doch Ihr habt die Freiheit der Menschen verteidigt, und auch die Freiheit Eures Ordens.“
Er starrte sie stumm an.
„Ihr wisst ja... was ich bin.“ Sie blickte erneut auf das halb heruntergerissene Gewand. „Meine Herkunft ist auch ein Orden, aber das Wort fasst keine Ähnlichkeit. Oder ich sehe sie nicht, und das ist gut so. Ob man zum Werkzeug einer verborgenen Gruppierung gemacht wird, oder ob man in einer alten Gemeinschaft wie der Euren aufwächst, die hehren Idealen folgt, das sind zwei ganz verschiedene Dinge.“ Ihre Augen kehrten zu seinen zurück, und jetzt schimmerten sie. „Erinnert Euch aber an das, was wir erfahren haben. Braucht die Welt nicht Männer wie Euch, die die wahrhaftigen Grundfesten einer Ordnung verteidigen... und nicht diese hitzigen Neuerungen?“ Ein Weniges wurde ihre Stimme fester. „Werft das Gewand nicht fort.“
Sie streckte die Hand aus, über Welten von Unterschieden hinweg. „Oder lasst es einen Anderen für Euch aufbewahren. Wollt Ihr das nicht tun? Ihr seht: Auch ich trage die Insignien meiner Zunft, auch wenn ich eine Ausgestoßene bin. Sie würden sie mir wegnehmen und mich töten, wenn sie könnten. Aber ich will nicht. Sie gehören mir, und an mir ist mehr als der Bruch mit ihren Wegen.“
Menrad senkte den Blick auf den zerrissenen Stoff.
Ich bin kein Kind, dem man gut zureden muss, raunte die hässliche Stimme des alten Stolzes. Und soll ich mir von einer Attentäterin anhören, wo das Recht auf mein Dasein endet oder wo es nicht endet?
Doch zugleich schalt er sich dafür. Sie meinte es ehrlich.
Und noch während er unbeweglich dastand, die junge Frau wieder ansehend, löste sich seine Hand endgültig von dem Ordensgewand. Wie Wasser rann die Starre aus ihm heraus.
Ihrer beider Worte hatten sich dem Vorgefallenen nicht genähert. Beide, alle, waren sie zu erschüttert. Zudem, anders konnte sich eine halb Fremde ihm, dem Mann, der den wahren Auslösern des Krieges am nächsten stand, wohl kaum nähern, wenn sie ihn nicht verurteilen und nicht noch mehr quälen wollte.
Ein gestaltloses Gewicht senkte sich auf seine Schultern.
„Vielleicht habt Ihr Recht“, hörte er sich müde sagen. „Vielleicht könnt Ihr Dinge sehen, die ich noch nicht zu sehen vermag.“ Jetzt, endlich, mit einem tiefen Atemzug, begannen seine trockenen Augen zu brennen. Weiter nachzudenken, überstieg seine Kraft.
Seinem Leben ein Ende zu setzen, ist Todsünde. So steht es in den obersten Weisungen der heiligen Überlieferung, wie die Ordensgründer sie hinterließen.
Dies war das Letzte, was seinen Geist noch durchzog, und die letzten Worte, die er aufbringen konnte, kamen ohne Härte: „Bitte... lasst mich nun allein.“
Die Assassine ging nach zwei, drei Augenblicken des Zögerns. Sie war fort, ehe er es ganz bemerkte.
Vom Lager drangen leise Geräusche herauf. Unordentlich, wund, füllte es die kleine Ebene.
Selbst wenn er den Blick abwandte, sich zur offenen Marsch drehte, über die jetzt die lange Dämmerung des Westens fiel, würde er nichts anderes sehen als tausend Dinge, die ihn daran erinnerten, wer er war und was er getan hatte.





„Heb den Arm. Lass mich sehen.“
Brummend tat Urel, was die weiche, aber entschiedene Stimme befahl. Es hatte wenig Sinn, sich Marej widersetzen zu wollen. Die ergebene, abwartende Art der Barbarenfrauen, die sich Kriegern, selbst ihren Männern, niemals ohne ein Zeichen der Erlaubnis näherten, ging ihr völlig ab.
Hier ist sie vor allem meine Gefährtin, die Begleiterin des Kriegsherrn. Aber daheim, in ihren Wäldern, war und ist sie Führerin eines Stammes, sie selbst. Das darf ich nicht vergessen.
Wider Willen zusammenzuckend, als sie die Wunde auf der Unterseite seines rechten Arms mit einem feuchten Lappen berührte, betrachtete er ihr Gesicht. Glatt schimmerten die Wangen unter ihren Augen, sehr seltsam, sehr kostbar im Feuerschein. In der Betrachtung, trotz aller Aufgeriebenheit und Erschöpfung, vergaß er den Schmerz. Blutiges Wasser lief ihm ins Lederzeug. Marej wrang den Lappen ins Gras aus, mit zur Seite gewendetem Antlitz, und da streckte er die Hand aus und berührte ihre Locken.
Ihre Augen sprangen sofort zu ihm, ernst und wachsam. Sie hielt inne.
„Wie ich dich liebe, Frau“, sagte er leise und warm.
Meist blieb, was zwischen ihnen gewachsen war, ohne Worte. Aber jetzt drängte es ihn, ihr sein Gefühl kundzutun – weil er nicht gewusst hatte, ob sie einander wiedersehen würden, weil es ein hellerer Fleck in einer Kette dunkler Tag war, und weil sich unter ihrem Hemd der Bauch immer deutlicher abzeichnete.
Sie hatte nicht gefragt, was auf dem Schlachtfeld geschehen war. Die Verluste, den knappen, verzweifelten Sieg, konnte jeder der Zurückgebliebenen von den Gesichtern der Krieger ablesen. Urel war sich zudem sicher, dass ihr die besondere Erschöpfung, die ihn und seine alten Gefährten noch von den anderen Kämpfern abhob, nicht verborgen geblieben war.
Jetzt öffnete sie zum ersten Mal die Lippen zu einer Frage. „Was ist vorgefallen, Urel? Was habt ihr auf dem Schlachtfeld gesehen?“
Er senkte den Blick. Schwer saß er da, fühlte sich wund und ungeschlacht und ließ den verstümmelten Arm, der ihn ungnädig weiter und weiter begleitete, im Schoß ruhen.
Das Licht der vergangenen Stunden lag noch in seinem Geist, ganz gleich, wie samten der Abend die Welt verdunkelte. Seine Ohren erinnerten das Singen der Magie, die gedämpften Hiebe, auch das Geschrei. Hiergegen half keine gesammelte Kraft, und selbst er, der seit Monaten befahl, wann gekämpft wurde, wann aus den Kehlen der Männer Kriegsgeheul aufstieg, war hilflos. Hilfloser als je zuvor, gestand der wahrheitsliebende Kern seines Wesens sich ein.
Die Nächte werden jetzt noch unruhiger sein. Matt und sinnlos bewegte er Gedanken hin und her. Alle Ängste bewahrheiten sich.
Dass sich aus den Ahnungen keine Gegner formen ließen, die er erschlagen konnte!
„Wir haben einen Engel gesehen“, kam es schließlich mit seiner eigenen Stimme.
Marej erstarrte.
Eine Weile lang blieb es still zwischen ihnen.
Er hatte ihr im Laufe ihres Weges einiges von dem erzählt, was er im vorigen Jahr erlebt hatte. Sie wusste, wer er war, und sie wusste um den Fluch seiner Erinnerung und das ewige Stigma der abgetrennten Hand.
Auch schien sie als Druidin rascher zu begreifen, als seine eigene verbliebene Ungläubigkeit es ihn erwarten ließ. Sie spürte mehr, als das Auge sah, geleitet von den Fähigkeiten ihres Volkes, dem sich Ungewöhnliches auf uralten, unbekannten Pfaden erschloss.
„Das ist es also“, entgegnete sie gedämpft. „Ich bin zuvor deinem Mitstreiter aus früheren Zeiten begegnet. Hadan.“ Sie sah vor sich auf den Boden. “Er ist ein mächtiger Mann. Doch selbst an Einem wie ihm war die Ermattung eines nicht alltäglichen Kampfes deutlich zu sehen, wie ein Schatten. Und jetzt verstehe ich auch, was es mit euren Wunden für eine Bewandtnis hat.“
Fragend, wenngleich er es selbst spürte, blickte Urel auf seine Armverletzung und auf die anderen Blessuren an seinem Leib. Zumeist waren es böse Prellungen – von der Rüstung abgefangene Schläge, die ihm immer noch das freie Atmen erschwerten. Auch jetzt noch, Stunden nach dem Kampf.
„Es ist etwas... Kaltes daran.“ Marejs Hand strich längs der Armwunde. „Gleich einem Nachklang unbekannter Magie. Ich kenne die Erdkräfte. Ich kenne, wenn auch nur ein wenig, die Elemente, derer sich Ifrah bedient. Aber das hier ist etwas anderes.“ Ihre Augen forschten in seinem Gesicht.
Urel nickte. Ja, jetzt wo sie es zum ersten Mal in den Mund nahmen, wurde es deutlicher – ein unsichtbares Glimmen, dem nur der Geist eine silberne Farbe zuordnete. Es verging, doch zögernd.
Und hinter ihnen, jenseits des Schlachtfeldes, in der Senke, lag der besiegte Engel. Seine Macht mochte ebenso zäh und langsam vergehen, wie sein gewaltiger Leib erkaltete und in die Reglosigkeit des Todes sank.
„Ich sah so etwas nie zuvor“, sagte die Druidin noch. Mechanisch fuhr sie fort, seine Verletzungen zu pflegen. „Darum zweifle ich an deinen Worten auch nicht.“ Ihre grünen Augen verblassten in der zunehmenden Dunkelheit. „Haben wir jetzt gefunden, wonach wir suchten?“
Der junge Barbar regte sich nicht.
Zuletzt hatte ihr Zug nach Süden, trotz des immer klareren Widerstandes der Westmarsch, fast einem tollen Irrweg geglichen, stur, wie sie weitergegangen waren, immer tiefer in die Mitte des Kontinents hinein. Oder ich war es, der so empfand. Es gab immer noch Männer unter seinen Leuten, die mit dem genauen Zählen der Tage, für das man Hölzer einkerbte oder Dinge gleicher Art in einen Jahrbeutel sammelte, nicht aufgehört hatten. Ihm aber war es oft vergebens erschienen, und lächerlich obendrein. Die Tage glichen sich ohnedies, der Weg bohrte sich geradezu in die Weite, ein Weg wie aus einem schlechten Traum.
Nun hatte er wieder Zugriff auf Sinn und Richtung, zumindest für diese kurze Weile. Vielleicht war dies der Grund, warum er nicht einfach ins Gras fiel und wartete, bis sein Atem von allein versiegte.
„Ich weiß es nicht“, murmelte er.
Er stand auf, bevor Marej ihre Pflege beendet hatte, und spähte mit zusammengezogenen Brauen über das abendliche Lager hin. Den leisen Protest seiner Gefährtin überhörte er diesmal.
Wir müssen uns sammeln und besprechen.
„Ich gehe zu den Männern“, sagte er ohne Schroffheit, aber in einem Tonfall, der keinen Einwand duldete.
Sie ließ ihn gewähren. Sie würde sich anderen Verwundeten zuwenden.
Es gab viele schwer Verwundete, und nicht zuletzt dies erforderte, dass sie rasch zu einer Entscheidung gelangten.
Auf seinem Weg durch das Lager lauschte Urel nach innen.
Er konnte laufen und sich regen. Mehr als einen Bissen und eine kurze Spanne Schlaf würde es nicht brauchen.
Männer, die seiner ansichtig wurden, schlossen sich ihm an, zumeist wortlos. Jene, die mit ihren Fragen nicht warten wollten, wies er an, sich zu gedulden. Er würde ihnen allen nur ein einziges Mal von dem letzten Gegner sprechen, und dies auch nur, um sie ins Bild zu setzen. Kein Wort mehr als notwendig wollte er über die stille Riesengestalt in der Senke verlieren.
An ihr hing zu vieles, was ihm die Kraft aus den Knochen riss. An ihr klebte die Erinnerung an Stunden vor langer Zeit, die besser unter dem Mantel des Schweigens aufgehoben waren.
Er hielt bei Bostacs Lagerfeuer an.
Hier fand er den vertrauten blonden Krieger, der die Rechte in einer Armschlinge trug, und auch die alten Gefährten. Wie erwartet, schliefen sie nicht – ebenso erschöpft wie er, doch ebenso ruhelos.
Ifrah und Eya standen auf, als sie die Krieger sahen, von denen sich eine halbe Hundertschaft nun um das Feuer sammelte. Im schwachen Licht glich der immer noch gerüstete Hadan einem düsteren Standbild. Auch der Paladin war da. Urel ging auf, dass er den abtrünnigen Lichtkrieger noch kein einziges Mal hatte sprechen hören, und wider Willen erinnerte er sich an die bezeugte Tapferkeit des Anderen.
Auch er streitet gegen einen Teil seiner Heimat, die er einst sicher geglaubt hat. Urel biss die Zähne aufeinander. Der Spalt scheint mitten durch alle Völker zu laufen. Glücklicher, wer in diesen Tagen nicht zu sehr an einer Gruppe hängt. Vielleicht ist es besser zu ertragen, wenn man immer schon ein Ausgestoßener war. Hier streifte er erneut Hadan mit einem Blick, auch Eya, die nahe bei dem großen, bleichen Mann stand.
Kurz sehnte sich Urel danach, allein mit dem Nekromanten zu sprechen, Erleichterung in dessen meist ungetrübter Nüchternheit zu finden. Aber dafür war keine Zeit.
„Krieger.“ Er hob die verstümmelte Linke, und was zuvor an Geräuschen da gewesen war, verstummte. In einem weiten Kreis umstanden die Barbaren das Feuer.
„Wir haben den Feind unterworfen“, begann er, froh, dass die knappen Worte sich von selbst einstellten. „Keinem Mann aber, der auf dem Schlachtfeld war, kann das Seltsame entgangen sein, das uns dort begegnete. Ihr alle habt das Licht gesehen und die Stärke der Gegner erfahren.“ Zustimmendes Raunen antwortete. „Was es damit auf sich hat, will ich euch nun sagen. Es hat sich uns in diesem Kampf offenbart.“ Augen funkelten.
„Es war in der Tat seltsam“, warf ein kahlgeschorener, älterer Barbar ein, umringt von nickenden Hünen – Herlac, einer der Anführer des Rotwaldclans. „Sie gebärdeten sich wie rasend, diese verfluchten...“. Hier schien ihm aufzugehen, dass ein Westmarschener unter den Zuhörenden war, und er mäßigte sich knurrend. „Wie dem auch sei... als das Licht schwand, waren sie leichtere Beute. Jeder konnte das sehen. Viele von den Städtern flohen auch. Dann war es vorbei, rascher, als es ein gesunder Geist erklären kann. Es ging dort nicht mit rechten Dingen zu, oder ich will verdammt sein.“
Das zustimmende Raunen wurde lauter.
„Wohl wahr“, sprach Urel hinein. Er streckte die rechte Hand aus, vage in die Richtung, in der das abendliche Grasland den Ort der ungeheuerlichen Offenbarung umschloss. „Dort hinten, jenseits des Feldes, liegt der, der das Licht verursachte, nach allem, was wir wissen.“
Er ließ die Worte wirken.
Köpfe wandten sich zögernd in die gezeigte Richtung und bestätigten ihm, dass viele der Krieger nicht gesehen hatten, was ihm und seinen Gefährten begegnet war.
„Wir trafen auf Einen, der nicht von unserer Welt stammt.“ Das Raunen riss ab.
Urel fühlte die Blicke seiner alten Weggefährten auf sich. Einst hatten sie in solchen Lagen das Wort geführt, jetzt war es seine Aufgabe.
„Es ist ein Engel“, fuhr er fort. Ein tiefes, abgründiges Zittern presste seine Stimme, aber er bezwang es. Er musste erklären. Kein Weg führte daran vorbei. „Manche von euch haben Sagen gehört oder wissen vielleicht von dem, was sich vor einem Jahr auf dem Gipfel des heiligen Arreat zutrug.“ Die Männer starrten ihn an. Für viele, ahnte er, wurde er in diesem Augenblick erneut zu dem legendären Krieger, dem Einarmigen, der den Ahnen gegenübergetreten und beim Ende der alten Zeit zugegen gewesen war. „Dort trafen wir“, er wies unbestimmt auf die drei so anderen Kämpfer im Rund der Zuhörer, „nicht zum ersten Mal auf einen Engel, einen anderen ihrer Art. Dieser, damals, war uns Ratgeber, ein Gesandter eines älteren Geschlechts, nicht Mensch, nicht Dämon...“. Er hielt kurz inne. Als er fortfahren wollte, schlang sich eine rote Faust um seine Kehle, und er war froh, dass Hadan nach einer Weile wartenden Schweigens an seiner Statt das Wort ergriff.
„In einer Senke am Rand des Schlachtfelds“, ließ sich die ruhige Stimme des Nekromanten vernehmen, „liegt ein gefallener Feind.“ Er sprach leise, doch niemand äußerte, dass er nicht zu verstehen sei. Das Misstrauen der Barbaren schwand rasch, als er fortfuhr: „Es waren Urel, euer Anführer, und dieser Paladin hier, die ihn letztlich erschlugen. Ja, es ist ein Engel. Wer will, mag hingehen und ihn sehen. Er liegt immer noch dort, wenn nicht eine höhere Macht seine Hülle zurückbeordert hat.“
Unmittelbar nach seinem Verstummen regten und ereiferten sich die Barbaren.
„Was soll das?“ hörte man Einige ihre Entgeisterung kundtun. Andere senkten grimmig den Kopf, fügten vielleicht in ihrem Inneren zusammen, was ihnen in den letzten Wochen an Fragen und Ahnungen begegnet war.
Wieder war es Herlac, der Rotwäldler, der das Wort aufnahm. „Sprich weiter, Urel, oder auch du, Totenbeschwörer! Ist es denn jetzt der Himmel, gegen den wir streiten? Sind wir am Ende die ganze Zeit gegen einen unsichtbaren Feind angerannt, der jetzt über uns herfällt?“
Aufregung, Erbitterung, auch Unruhe waren unter den Menschen zu spüren, die die Schlacht überlebt hatten, doch keine Verzweiflung, die eigenes Fehlgehen fürchtet. Urel empfing die Bewegung der Männer wie einen frischen Wind. Ein unsichtbarer Feind – das enthielt so viel mehr Entrüstung als heilige Scheu, denn sie verachteten Gegner, die sich nicht offen zeigten, ganz gleich, woher sie stammen mochten.
Dankbar fühlte er, wie sich die Entrüstung auf ihn übertrug, und nicht zum ersten Mal erschien ihm die Gesellschaft seines eigenen Volkes, zu Beginn seiner Wanderschaft fast ein Fluch und ein Born noch größerer Einsamkeit, als ein Glück, das er lange nicht hatte sehen können.
Es befähigte ihn, weiterzusprechen.
„Wer sie sind, wie viele es von ihnen gibt und worin sie ihre Ziele sehen, wissen wir nicht“, begann er, was die unvermeidliche Besprechung werden würde. „Eines aber ist gewiss: Wenn einer von ihnen den Männern aus Fadraîs Helfer aus dem Verborgenen war, müssen wir mit weiteren Eingriffen rechnen. Auch müssen wir sehen, dass sie die Geschicke des mittleren Westens lenken. Niemand kann sagen, seit wie Langem schon.“ Er ließ den Blick durch die Runde gehen, bemüht, im schwachen Feuerschein jeden Einzelnen anzuschauen. „Der Engel selbst offenbarte uns Vieles. Er rechnete nicht mit seiner Niederlage. Sein Hochmut war töricht, denn wenn wir bis jetzt nicht genug gewarnt waren, so sorgte er selbst dafür, dass wir es nun sind.
Hört, was er sagte. Ich will es euch wiedergeben, so gut ich kann, denn meine Sinne waren wie verschleiert. Aber ihr werdet vielleicht auch nur bestätigt finden, was ihr schon in eurer Unruhe oder in euren Träumen vorausgeahnt habt.
Die Menschen sind nicht länger allein, sagte er uns.“
Urel sah, wie es durch die Reihen der Hünen lief – ein mehr fühl- als sichtbares Erschauern, eine Woge bitteren, sprachlosen Ernstes, der alle in ihren Grundfesten erschütterte, die noch klaren Blickes ringsumher in die Welt schauten.
„Unsere Welt, die gemeinsame Welt aller Völker, sei nun offen, nicht länger getrennt von anderen, sagte er auch, und er prophezeite uns unseren Untergang.“ Niemand regte sich noch. „Die Uneinigkeit der Völker sei, so sprach er, unsere Schwäche.
Bedenken wir diese Worte, so ergibt der fadraîsche Wahnwitz einen Sinn.“ Urel war zumute, als leite eine tiefere Einsicht seine Worte. Sie errichteten sich, wo er selbst bislang nichts gefunden hatte als Verwirrung und blinden Zorn. „Ihnen muss der Schutz dieser Macht, die sie Himmelsmacht nennen, versprochen worden sein – im Gegenzug für die Einigung aller Lande, die sie mit Stärke vorantreiben sollen. Anders kann es nicht sein. Darum zieht Fadraîs auf seine Seite, wen es überzeugen kann. Darum trachtet es allen, die dies nicht wollen, nach der Freiheit oder nach dem Leben.“
„Aber wozu?“ brach ein weiterer Barbar das folgende, lastende Schweigen. Es war einer der ältesten, kein Anführer, aber ein erfahrener Kämpfer mit schon ergrautem, langem Haar. „Immer ist es in solchen Dingen so, dass Widerstrebende geeint werden sollen, weil jene, die die Waffen der Macht in den Händen halten, eine andere Bedrohung fürchten. Warum sonst sollten lange Entzweite unter ein und dasselbe Banner geschart werden?“ Er mochte an das wild zerstrittene Hochland denken, und beim Sprechen schlossen sich seine wuchtigen Hände fester um den Stiel seiner vor ihm aufgestützten Axt.
„Das sind die richtigen Fragen“, ließ sich eine warme, dunkle Stimme vernehmen, unsicher, aber unbeirrt. Urel sah Ifrah leise vortreten.
Die Barbaren zeigten kurz Erstaunen, weil eine Frau hier das Wort ergriff, doch einer Schamanin, und als solche galt die Magierin ihnen, durfte man nicht verbieten, ihre Ansichten zu äußern.
„Nun, da das erste Mal darüber gesprochen wird, wird es klarer.“ Ifrahs Augen glommen schwach. „Wollten die Engel... wollte, wer immer hinter dem Plan der Einigung steckt, die Menschen nur unterwerfen, täte er schlecht daran, sich so sehr damit zu beeilen, und dazu mit solchem Aufwand. Eile und Aufwand sind es aber, die uns begegnen.“ Sie trat zurück und sah auffordernd Hadan an.
Der Nekromant wandte sich an die Dastehenden.
„Wie viele der tapferen Krieger hier wissen“, sagte er, „kommen wir aus dem Osten.
Dort geschah unlängst etwas, das an die Lage im Westen zumindest teilweise erinnert. Dort haben wir mit Hilfe der freieren östlichen Völker eine Stadt niedergeworfen, der es wie Fadraîs daran gelegen war, eine starke zentrale Gewalt zusammenzuschmieden – durch Unterdrückung ebenso wie durch die Verbannung oder Beseitigung aller Menschen, die hinderlich hätten sein können.“
Hadan wies auf Menrad, der sichtlich erstarrte, als die Blicke der Krieger ihn trafen. „Dieser Mann hier, der in diesen westlichen Landen zunächst zum Lager eurer Gegner zu gehören schien, hat es als einer der Ersten am eigenen Leib erfahren. Denn drüben sind die Paladine nur wenige, und sie haben die Wege der Herrschenden stets etwas aufmerksamer verfolgt als die Masse des Volkes. Sie wurden vertrieben oder getötet, und ihre Stätten stehen nicht mehr.“
Der bleiche Mann schwieg eine Weile lang Dann fuhr er fort, langsamer und vorsichtiger. „Wir können uns nicht für das verbürgen, was wir ahnen. Doch vermuten wir, dass auch dort, im Osten, eine verborgene Macht die Herrschenden beflüsterte und lenkte. Sie zeigte sich nicht so offen wie hier. Auch konnten wir dort keinen Hinweis auf die Engel finden – aber dies fanden wir.“
Er griff in seine Gürteltasche. Urel sah ihn ein Schmuckstück hervorziehen und hochhalten. An einem schlichten Band baumelte es und glänzte schwach gelblich – massives Gold. Die Männer sahen es an, einige kamen sogar näher und raunten.
„Was für ein Zeichen ist das?“ fragte Bostac, der einen langen und aufmerksamen Blick darauf geworfen hatte. „Es sieht nicht wie etwas aus, das ich kenne.“
„Ich kenne es ebenfalls nicht“, gab der Nekromant zurück. „Dabei sind mir sonst alle Zeichen und Werkstücke meiner Heimat vertraut, die alten wie die neueren.“ Er warf es ins Gras, in die Mitte des Kreises. „Daher unsere Ansicht: Es ist die andere Macht.
Es ist das Symbol einer Kraft, die nicht von dieser Welt kommt. Und wir haben guten Grund zu der Annahme, dass wir in ihr den Gegner der hiesigen Macht sehen dürfen.“
Die Stille war mit Händen zu greifen.
Urel spürte selbst, wie sich sein Inneres der Übermacht des jüngst Erfahrenen entgegenstemmte, störrisch noch. Indes handelte es sich bloß um die letzte Weigerung. Dasselbe stand in den derben Gesichtern der Krieger. Ihnen fehlte seine und seiner Gefährten unfreiwillige Vertrautheit mit den Eindringlingen, denen Sanktuario bereits früher ausgesetzt gewesen war, doch sie witterten die Wahrheit. Andernfalls hätten sie nicht gezögert, die Worte der Fremden, ja selbst seine Worte, offen anzuzweifeln.
Doch sie taten es nicht. Das Bemühen, zu verstehen, zehrte ihre Kraft in dieser Stunde fast vollständig auf, und sie ähnelten Menschen, die auf ein uralt-finsteres Heiligtum gestoßen sind, von dem nur Fieberträume und verdrehtes Gerede erzählt haben und das jetzt unvermutet aus einem verschlungenen Dickicht aufragt, für sich selbst beredtes Zeugnis.
Ihre Gedanken führten an der Offenbarung zurück in die unheilvollen Tage, die hinter ihnen lagen, um dort bestätigt zu sehen, was sich hier vor ihnen auftat. Er ahnte es, weil es ihm ebenso erging.
„Bei den Ahnen“, sagte einer der Krieger schließlich rau, „was sollen wir tun?“
Und Urel erinnerte sich Zeit seines Lebens an diesen Augenblick, an diese eine Frage, in der ausgerechnet ein Mann seines Volkes, das Hilflosigkeit nicht aussprach, ja kaum kannte, solches äußerte.
Gelähmt umstanden die Männer des Barbarenheeres den Ort der Einsicht.
Das ist die Stunde, ging es Urel auf. Genau diese – nicht eine der ungezählten Stunden des Kämpfens oder Weiterziehens. Hieran misst sich unsere Stärke, oder scheitert.
Mit Gewalt verbannte er die Verzweiflung und erhob die Stimme.
Er sah kaum klarer als alle anderen. Aber er musste weitertreiben. Es war sein Schicksal.
„Niemand weiß, was sein wird“, hörte er sich sagen. „Aber wir dürfen die Atempause nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wir müssen unseren weiteren Weg wählen – gegen jede Unsicherheit, ob wir dort weiteren Gefahren begegnen oder uns von einem Ort entfernen, an dem wir ebenso gebraucht werden.
Und eben weil dies nicht sicher ist, will ich Jedem, mehr als sonst noch, seine freie Wahl in Erinnerung rufen.“ Die alten Gefährten sahen ihn an. „Ich werde weiterziehen – gegen den Feind, wo auch immer er sich zeigt, gleich, in welcher Gestalt. Hier aber dürfen wir nicht bleiben. Vielleicht ist die Kunde vom Tod ihres Gesandten längst schon zu jenen gekommen, die hinter oder neben ihm stehen. Einen haben wir besiegt. Aber wenn wir zu lange ausharren, wird es dabei bleiben, und all unsere Mühen waren vielleicht vergebens. Das darf nicht sein.“
In den starren, stummen Kreis floss langsame Bewegung.
Die Männer traten dichter an den Kriegsherrn heran, um zu beratschlagen, und die Gefährten mischten sich unter sie. Beide Gruppen mieden sich nicht länger, jetzt vereint durch eine gemeinsam geschlagene Schlacht und dieselben Nöte und Fragen.
Unmut kam auf, als einige Männer laut erwogen, in den Norden zurückzukehren. Urel besänftigte die leicht erregbaren Gemüter. Er verwies auf die Tatsache, dass sie dort ein Gebiet ungesichert zurückgelassen hatten und beschwor die gemeinsame Sorge, und nach einigen Wortwechseln spaltete sich ein Dutzend Krieger ab, überwiegend Verwundete, die dieser Sorge offen nachzugehen wünschten.
„So ihr alle mit euch führt, die nicht so bald ihre ganze Kraft zurückerlangen“, stellte er ihnen als halbe Bedingung. Denn vom Heer würde eine gute Hundertschaft an Menschen einem weiteren Marsch nicht standhalten, zumindest nicht auf rauen Kriegspfaden, doch hier in der freien Ebene konnten sie ebenso wenig bleiben.
Die nach Norden Strebenden erklärten sich dazu bereit, die Verwundeten mitzunehmen. Zwei oder drei von ihnen blieben, um zu hören, was der Rest des Heeres tun wollte. Alle anderen brachen auf, um die Verwundeten zu unterrichten, gingen auch aufs Schlachtfeld zurück.
Wir können den Gefallenen kein richtiges Begräbnis geben. Der junge Barbar grub die Rechte in das Schutzleder seines Armstumpfes. Die Männer, die jetzt mit der Dunkelheit verschwammen, Fackeln mit sich führend, würden die Toten jedoch ordentlich auf einen Hügel betten. Aas oder kein Aas – kein Krieger sollte zu den Ahnen fahren, ohne dass respektvolle Hände seinen Leib noch einmal berührt hatten.
Er drehte sich den Verbliebenen zu.
„Wo liegt unser Weg?“ murmelte Bostac, der neben ihm stand. Es war weniger eine Frage als ein Zugeständnis an die Verlorenheit ihrer Streitmacht. Zauderten sie, würde Fadraîs nicht lange auf sich warten lassen. Wandten sie ihre Füße aber zum Weitergehen, brauchte es eine Richtung, die den erschöpften Mut wieder neu entfachte.
Erneut wünschte Urel, die Bedrohung zöge sich zusammen zu einem einzigen Gegner, ganz gleich wie machtvoll. Nicht zu wissen, wo die größte Hoffnung auf weitere Aufklärung oder sinnvolle Kämpfe lag, war eines Kriegsherrn schlimmste Lage.
Bevor er zu den Männern sprechen konnte, regte sich Hadan erneut.
Der Nekromant hatte den Anhänger, den er ins Gras geworfen hatte, wieder aufgehoben und blickte gen Süden. Als er sprach, klang es eher wie eine Überlegung. „Fadraîs ist auch im Süden an dortigen Unruhen beteiligt.“ Er sah Urel an, wie wartend, dass er vor den Kriegern fortfahren dürfe.
Der junge Barbar brummte und hieß seinen alten Weggefährten seine Gedanken vor ihnen ausbreiten.
„Dort ist kein streitbares Volk wie im hohen Norden“, sagte der Nekromant. „Aber dort ist die Wiege des Handels, Lut Gholein, und viel Wertvolles zu holen. Eine Expansion kostet Geld.
Und dort leben die Magierschulen, sofern sie noch nicht das Weite gesucht haben. Fadraîs wird Beides nicht außer Acht lassen, ganz nach Art eines Spielers, der sich alle Gewinne sichern will.“ In der halben Dunkelheit blitzte ein wölfisches Grinsen aus seinen geisterhaften Zügen.
Urel horchte auf.
„Wir hörten schon Verschiedenes aus wüstennahen Gegenden“, sagte er. Dann, nach einem Blickwechsel mit Hadan, fuhr er mit etwas fort, was auch ein Gespräch unter ihnen Beiden hätte sein können. „Du meinst, es sei nicht unwichtig, herauszufinden, was dort unten vor sich geht?“
Der Nekromant schwieg bestätigend.
„Das führt uns weiter vom Norden fort als je zuvor“, warf Bostac nachdenklich ein. „Wie viele sind wir noch? Hundert? Hundertundfünfzig?“
„Habt ihr Verstärkung hinter euch?“ Hadan sah den blonden Krieger an.
„Ja“, antwortete Urel an Bostacs Stelle. „Doch wir wissen nicht, wo sie sind, geschweige denn um wie viele Männer es sich handelt. Sie mögen weiter nördlich auch bereits aufgehalten worden sein.“
„Ich kann nur für mich sprechen“, der Nekromant neigte sich sacht zum Zeichen, dass er sich nichts anmaßte und eine Absage der Barbaren annahm. „Oder höchstens noch für meine Gefährtin und für Ifrah“ – die Magierin reckte sich – „die als Einzige von uns die Lage in ihrer Heimat noch nicht kennt und sie sicher gern erkunden würde. Indes ist Lut Gholein nach Fadraîs die größte Stadt dieses Kontinents, sehr reich und nicht ohne Einfluss. Wenn die hohen Herren in der alten Königsburg auch nur vage ähnliche Pläne machen wie die Herrscher in Kurast es taten, werden sie es sicher nicht unversucht lassen, die Hand nach diesem Juwel auszustrecken.“
Die Barbaren versanken in Nachdenken, und Urel ließ ihnen Zeit – Zeit, die er selbst benötigte. Jedem Nordmann musste es zutiefst widerstreben, sich in diesen Tagen noch weiter von den Hochlanden zu entfernen und zudem ein riesiges Gebiet dazwischenzulassen, den Mittleren Westen, der alles andere als gesichert war.
Doch er fühlte, dass ihn etwas weiterzog. Ihn zumindest.
Von seinen Männern konnte er dasselbe nicht erwarten.
Bostac und Herlac würden ihn begleiten, dessen war er sich sicher. Und wenn ich die Führung einem Anderen übertrüge? So ungewiss der Weg hinunter in den Süden war, er lockte ihn, und sei es nur, weil er es kaum ertrug, lange an einem Ort zu bleiben.
„Wenn ich weiterziehe“, sagte er schließlich unter aller Augen und begegnete den Blicken seiner alten Mitstreiter, „dann nur langsam, solange noch Hoffnung besteht, dass wir von weiteren Hochländern eingeholt und vielleicht zurückgebeten werden.“ Er atmete tief ein. „Den Süden mussten wir bisher außerhalb unserer Betrachtung lassen. Es ist richtig, dass auch ich gern erführe, wie sich die Wüste in dieser Zeit entscheidet... ob sie noch frei ist. Aber ich werde umkehren, wenn mich der Norden ruft.“
Er senkte den Kopf.
Unter ihm glänzten seine eisenbeschlagenen Stiefel im Feuerschein. Der Boden hatte keine Antwort. Er dehnte sich schmerzlich weit nach allen Seiten der Welt aus, friedlos und ohne Grenze, dass man darüber hätte hinirren können, bis man alt und entkräftet war.
Als er wieder aufsah, musste er sich zwingen, weiterzusprechen. An jeder seiner Entscheidungen hingen Menschenleben, ob er es wünschte oder nicht.
Du wolltest dich doch gottgleich machen, Barbar.
Sein Herz antwortete der uralten, lauernden Stimme mit einem wehen Pochen.
„Gut“, sagte er. „Nach Süden vorerst.
Begleite mich, wer will.“
 
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