@Scampi, doedl: ich hab die angesprochene Stelle geändert.
@Helldog: nichts zu danken
@tigerle:
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XXXIX. Befestigungen
„Versteht mich nicht falsch, Fremde.“ Der Mann legte die waffenlose Rechte flüchtig an die Stirn, sah durch den Gruß seiner Heimat aber scharf auf die Menschenmenge vor sich. „Unser Herr muss sich des guten Willens aller Neuankömmlinge versichern.“
„Gewiss.“ Der junge Barbar, der vor ihm stand, reichte nahezu bis an den Widerrist des Kamels hinauf, auf dem die Stadtwache saß. Obwohl er sich nicht bewegte und ruhig wartete, schien er dem Reiter Angst einzuflößen. Aber das mochte auch an dem Heer von Köpfen liegen, die sich ein Stück hinter ihm versammelt hatten, oder an seinen abenteuerlichen Begleitern.
Bemüht, sich von der Nähe der Stadt und dem Treiben vor ihren Mauern nicht ablenken zu lassen, harrte Eya zusammen mit den Anderen der Entscheidung, die man über den Kriegszug treffen würde. Sie, Hadan, Ifrah, Menrad, Bostac und ein weiterer Anführer der Barbaren, Herlac, der oftmals nur ‚der Große’ genannt wurde, standen dicht bei Urel, der mit dem Vertreter Lut Gholeins verhandelte.
„Wie viele seid ihr? Zweihundert?“ Der Mann sandte einen Blick über die gewaltige Schar hin, die ins Tal heruntergekommen war wie eine gerüstete Flut. Er trug weiße Leinensachen und hatte einen Säbel am Gürtel, der steif über die Flanke seines Kamels hinausragte. Hager und sehr dunkel, beherrscht von blitzenden Augen, hob sich sein bärtiges Gesicht von Kleidung und Hintergrund ab.
Sie hörte Urel ihm die Zahl der Männer nennen.
Der andere Reiter, der bisher geschwiegen und sich darauf beschränkt hatte, die Nordmänner anzustarren, als handele es sich bei ihnen um eine unerwartete, aber nun zu einem bloßen weiteren Ärgernis werdende Gruppe von Banditen, machte ein abfälliges Geräusch. Er lehnte sich aus seinem Sattel weit zu seinem Begleiter hinüber und zischte einige Worte in Djâddh, ohne sich darum zu kümmern, ob man ihn auch hier hörte und verstand oder nicht.
Eyas Gehör passte sich der kehligen, zugleich scharfen Sprache rascher an, als sie erwartet hatte. Sie sprach Djâddh nicht so gut wie Hadan, geschweige denn wie Ifrah, doch es langte hin. Der zweite Reiter tat unmissverständlich sein Misstrauen kund, und die Ausdrücke, derer er sich bediente, schmeichelten den Gefährten nicht sonderlich.
Wie in Kurast schien sich die Gewohnheit, die Gemeinsame Sprache zu benutzen, zu verlieren.
Auch das treibt die Menschen jetzt auseinander, dachte die Assassine vage, die Ohren gespitzt, die schwarzen Augen stolz gegen jede Beleidigung starr auf den Sprecher geheftet.
Der erste Wächter indes hatte offenbar andere Ansichten, was die Höflichkeit Fremden gegenüber betraf.
„Halt deine Zunge im Zaum, Hakem“, gab er unterdrückt, aber heftig gegen seinen Begleiter zurück. „Vergisst du das Gebot der Gastfreundschaft? Solange sie sich ruhig verhalten, steht ihrem Bleiben nichts entgegen.“ Der Andere ließ sich zurechtweisen, doch mit unverändert höhnischem Ausdruck wieder in seinen Sattel fallen, während der Erste wieder zum Sandhaîn zurückkehrte.
„Ihr seid nicht eben Wenige“, er richtete die Augen erneut auf Urel, der den Wortwechsel ungerührt verfolgt hatte. „Händler seid ihr wohl kaum, was?“ Er zeigte strahlend weiße Zähne. „Sucht euch meinetwegen einen Platz nahe der Mauern oder irgendwo in der Ebene. Der Fürst wird entschieden, ob ihr länger bleiben dürft. Es sind unruhige Zeiten.“
Halb erwartete Eya, Urel werde äußern, dass der Fürst ihnen keinesfalls unbekannt war, aber er blieb stumm und nickte. Es war auch klüger. Unnötig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, würde ihnen hier draußen womöglich eher schaden als nützen.
„Sei versichert, dass wir keine Bedrohung für die Stadt darstellen.“ Ifrah stand klein neben Urel und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um zu der berittenen Wache hinaufsehen zu können.
Der Mann betrachtete die Magierin. „Worte“, sagte er, nicht einmal unfreundlich. „Aber niemand kann sich länger Fremde im eigenen Hof leisten.“ Er riss an den Zügeln seines Kamels, das unruhig mit dem schmalen Schädel schlenkerte. „Da ihr gerade erst eingetroffen seid, könnt ihr nicht wissen, was hier vor sich geht.“
Alle nah Stehenden horchten merklich auf.
Der Wachposten nickte zu der Anspannung der wartenden Menschen. „Badr möge uns mit seinem Licht nicht täuschen, es geschehen viele seltsame Dinge.“ Er schien sich daran zu erinnern, dass es nicht seine Aufgabe war, mit Unbekannten zu schwatzen, denn er straffte sich. „Hütet euch vor der tiefen Wüste, Reisende. Dort wandeln böse Geister, und viele Leute sind schon verschwunden. Niemand weiß wohin, und die Menschen reden einen Haufen Unsinn. Wenn ihr nicht in euer Unglück laufen wollt, hört nicht auf die Geschichten.“ Dass er selber davon angefangen hatte, schien dem berittenen Wachposten nicht aufzufallen.
„Wir werden niemanden bedrohen“, versicherte Urels tiefe Stimme noch einmal. Er gab kein Zeichen, dass ihn die Andeutungen interessierten.
Der Wächter stieß seinem Reittier die Fersen in den Leib. Sein Begleiter hatte das seine schon von der Gruppe fortgelenkt. „Seht zu, dass ihr euch keine Schwierigkeiten einhandelt“, rief er noch zu ihnen herüber. „Bleibt den anderen Lagern fern und legt euch nicht mit den Söldnern an. Denkt nicht im Traum daran, alle gleichzeitig in die Stadt zu kommen. Und behaltet eure Schwerter in euren Scheiden, oder die Palastwache wird euch entwaffnen.“
Nach dieser Reihe von Anweisungen ließ der Mann sein Kamel dem Begleiter hinterher traben. Der Kriegszug sah zu, wie sich die Bewaffneten dem Stadttor näherten.
„Keine Schwierigkeiten einhandeln“, brummte Hadan deutlich hörbar und schickte sich an, die wenigen Schritte zur Menge zurückzugehen.
Einige der Umstehenden regten sich erheitert. Eine Welle seltener Leichtigkeit flog durch die verdreckten, fußmüden Männer und Frauen. Eya nahm sie begierig auf, und aller Unsicherheit dieses und der kommenden Tage zum Trotz hob sich ihre Stimmung.
Sie hatten Lut Gholein erreicht. Sie waren nicht länger der Weite der Marsch oder der menschenleeren Wüste ausgeliefert. Hier gab es andere Menschen, Bewegung, Klänge und Gerüche, so überreichlich, dass es ihr davon fast schwindelte.
Die weiße Stadtmauer Lut Gholeins und die darüber sichtbaren Dächer ragten hell und nah in den Himmel. Die Assassine bemerkte einige Veränderungen: Hier und da schien die Mauer verstärkt worden zu sein. Es gab einen zweiten, etwas höheren Wall hinter dem ersten, und horchte man auf das Klanggemenge der Stadt, fielen Geräusche auf, die Stein- oder Ziegelarbeiten verrieten.
„Befestigungen.“ Hadan war neben sie getreten. Seine bleichen Augen wanderten prüfend über die Linie des Walls. Sie wusste, was er dachte.
Lut Gholein war keine mächtige Festung wie Harrogath. Es fehlte an natürlichen Zugangsbegrenzungen, an Wachtürmen, ja überhaupt an allem, was den Eindruck gemildert hätte, dass die Wüstenstadt dalag wie eine Schatzkiste auf einem riesigen Teller.
Zwar vermochten ihre Einwohner sich im Notfall innerhalb der Mauern zu verschanzen, und zu Zeiten der Großen Übel hatten sie dies auch getan. Ein Heer aber würden die alten, aus Lehm und Ziegeln und nur selten aus leichtem Stein gefertigten Befestigungen nicht aufhalten.
In welchen Größenordnungen denke ich da? Trotz der Hitze fröstelte die Assassine flüchtig. Es gab keinen Hinweis auf eine feindliche Streitmacht.
Dennoch war es vielleicht so, dass das Innere diesen Gedanken mied und diese schlimmste aller Möglichkeiten aussparen wollte, eben weil Ahnungen sich verdichteten wie am Horizont aufziehende Sturmwolken?
Mit Gewalt unterdrückte sie den Schauder.
Furcht vor dem Kommenden schwächt nur. Sie führt zu nichts.
Wenn die Herausforderung da ist, ist sie da, und das wird genug sein.
Hadan streifte ihr Gesicht mit einem Blick und ihren Nacken mit seiner Hand.
„Keine Grübeleien, Shatryindjah“, sagte er leise, ganz als habe er ihre Gedanken gelesen. „Wir sind nicht hilflos.“
Auch nahm das Heer sie Beide nun wieder in Anspruch. Erleichtert ließ sich die Assassine in die Notwendigkeiten ziehen.
Die große Schar musste einen Lagerplatz finden, mitten unter den Gruppen ringsum, deren Art und Zahl noch nicht feststand. Gleich einem Schwarm drehte das Heer aus den Mauerschatten ab und bewegte sich wieder in die bevölkerte Ebene hinein.
Überall waren Lager. In bodenlange Gewänder gekleidete Männer meist sehr dunkler Haufarbe standen umher, bis an die Zähne bewaffnet zum Teil, viele mit Turbanen oder Tüchern, die nur einen Augenschlitz freiließen. Sie reagierten ganz unterschiedlich auf die Menge der hünenhaften Barbaren. Manche blickten finster oder forschend her, nicht selten Zeichen gegen den bösen Blick schlagend, andere bauten sich in unmissverständlich warnender Art auf, sobald das Heer ihnen zu nahe kam. Doch einige zeigten auch grinsend die Zähne und nickten den Fremden aus dem hohen Norden zu.
Die Barbarenkrieger hielten sich an Urels Anweisungen, sich nicht herausfordern zu lassen, auch wenn es ihrer stolzen und oft streitsüchtigen Natur widersprechen mochte. Eya wusste, dass dauerndes Anstarren in ihren Heimatwäldern als Beleidigung galt, und wären sie unter ihresgleichen gewesen, bei einem Clantreffen, und hätte nicht das Wort ihres Kriegsherrn sie zurückgehalten, wären sie einem der stark bewaffneten Kerle am Wegesrand an die Gurgel gegangen.
Nicht wissend, ob sie sich darüber besorgen oder den kriegerischen Weggefährten nachfühlen sollte, ging Eya zwischen ihnen, sah sich wachsam um und staunte gleichzeitig.
Die halbe Welt schien hier versammelt zu sein. Zwischen den Gruppen von Nomaden mochten Geflohene sein, auch Söldner, vom unruhigen Wind hergelockt, oder Händler, die sich nicht wieder in die Wüste hinauswagten.
„Hier!“ Urel befahl den Halt. Ein weiter Platz schien noch unbesetzt. In nicht allzu großer Entfernung gab es einen Brunnen, kaum mehr als ein Loch, über das eine Zugverstrebung gebaut war.
Das Heer ließ sich nieder.
Eya half, Planen aufzustellen, die Pferde abzuladen und die Vorräte zu verteilen.
In der Nähe gingen Urel und Bostac umher, immer dieselben Anweisungen auf den Lippen: „Ruht, so gut ihr könnt, Männer. Keine Auseinandersetzungen mit den Nachbarlagern. Wir müssen warten. Wir müssen zuerst den Fürsten sprechen.“
Hier sind sie schwer gerüstete Niemande. Die Assassine verstand die Krieger.
Hier weiß keiner, was sie schon erlitten oder vollbracht haben, in der Marsch und in ihrer Heimat.
Zum Warten verdammt zu sein wie Söldner verlangte den Nordmännern viel ab.
Sie stand noch mit ihrem Reisesack da, dicht einer Stelle, an der Ifrah, Marej und Menrad sich im Schatten eines Sonnenschutzes niedergesetzt hatten, um zu verschnaufen, als Hadan zu ihr kam.
Der Nekromant trug unverändert seine Rüstung, hatte aber den Kopfschutz aus dunklem Tuch abgelegt. Die Sonne schien scharf auf die Blässe seiner Züge, an der kein Licht der Welt etwas ändern würde.
„Shatryindjah.“ Mitten unter all den Menschen küsste er sie auf die Stirn. „Ich gehe auf einen der Hügel hinauf, bevor wir am späteren Tag die Stadt betreten. Willst du mich begleiten?“
„Gern.“ Sie ließ ihre Habseligkeiten bei den Gefährten.
Niemand von diesen äußerte den Wunsch, mitzugehen, sei es, weil sie die Zweisamkeit des Paares nicht stören wollten, sei es, weil sie der Müdigkeit durch den wochenlangen Marsch endlich nachgaben. Marej lag lang hingestreckt im Schatten und döste, und Menrad hatte den Kopf auf die Knie gesenkt, offenbar für eine Weile der Gegenwart der Frauen nicht abgeneigt. Ifrah hockte im Schneidersitz da und strählte ihr Haar mit einem Kamm. Sie wechselte einen warmen Blick mit Eya, bevor diese sich abwandte.
„Wir werden Urel begleiten, sobald er zu Jerhyn vorzudringen versucht“, sagte Hadan, als er die Hand der Assassine mit der seinen umschloss und nach einem Kopfnicken zu den Anderen hinüber mit ihr durch das Lager ging.
Die Erleichterung der Ankunft bewog Eya, ihrer aller Erwartungen und Bedenken vorerst zu meiden. Es würde sie früh genug wieder einholen, lange bevor Ruhe und Besinnung eintreten konnten.
Hadans Hand aber, wenngleich sie die Berührung genoss, sprach zu ihr.
Neben ihm hergehend, musste sie zwei Schritte machen, wo der große Mann einen tat, und lauschte hinein.
Er war Derselbe – der Liebende, der Gefährte seit jenem Tag am Flussufer, da sie sich einander zum ersten Mal vollkommen ausgeliefert hatten. Und doch war er es wieder nicht. Die Anwesenheit der fremden Kreatur in seinem Leib hatten sie nicht wieder erwähnt, sie beruhigt, solange er sich menschlich –
und immer menschlicher – zeigte, er offenbar erfolgreich darin, die Oberhand über seinen inneren Fluch zu behalten. Mehr aber stürzte Eya in Fragen, was ihn anleitete. Was das Weitergehen betraf, tat er es aus denselben Gründen wie sie alle: Treue. Freundschaft. Liebe.
Du wirst nie ein Anführer sein. Von der Seite her sah sie verstohlen in das vertraute und doch immer rätselhafte Antlitz.
Trotzdem nimmst du mit deinem Urteil großen Einfluss.
Seine Gründe entschlüsselten sich ihr nicht zur Gänze. Manche kannte oder ahnte sie, doch gerade jene, die sich mit der heimlichsten Selbsteinschätzung verbinden mussten, entzogen sich ihr. Ihr und ihren vorsichtigen Fragen.
Nahebei palavernde Nomaden lenkten die Aufmerksamkeit der Assassine ab. Die wild aussehenden Männer, die vor der Wüste nicht zurückschreckten und in ihr verborgene Wege und Gesetze erkannten, lagerten mit unendlicher Geduld in den sandigen Buchten der kleinen Ebene. Auch sie mussten ein Urvertrauen haben, eines, dass sich dem Verständnis Anderer nicht eröffnete.
In einer unwillkürlichen Regung, halb Sorge, halb Zuversicht, drückte die junge Frau die Hand ihres Begleiters, bevor sie sich voneinander lösten, da es in die felsigen Falten der Hügel hinaufging.
Der heiße Wind umspielte ihre Gesichter, als sie oben anlangten. Sie wandten sich dem Tal zu.
Lut Gholein lag unter ihnen am Meeresufer.
Sie waren allein hier oben. Nur selten bewegten sich Menschen in den Hängen, weit entfernt, Späher vielleicht oder Hirten. Gelegentlich trug der Wind das Blöken und Rülpsen von Schaf- und Kamelherden heran.
Eya atmete tief ein, als Hadan ihr Gesicht in seine Hände nahm. Diesmal beließ er es nicht bei einem Kuss auf die Stirn. Angespannt, doch befriedigt ließ sie sich in den Schatten seines Leibes ziehen. Sie schlangen die Arme umeinander, in Augenblicken wie diesem immer ein wenig miteinander kämpfend, ohne dass der Kampf ernst war oder mehr als ein stets erneut herausgezögertes Spiel, das sie der bereitwilligen Aufgabe vorausschickten.
„Hier oben?“ Hadan löste ihre Hände von seiner Rüstung, an der sie sich zu schaffen gemacht hatten.
„Du hast Recht“, gab sie mit flammenden Wangen heiser zu, widerwillig und halb beschämt.
Sie lächelten sich an.
Die Hitze und die lange, beinahe einem Rausch gleichende Erschöpfung des Marsches, die die Sinne erweiterte und dabei zu Unvorsichtigkeit abschliff, hing schwer an ihnen. Aber sie mussten warten – so wie jedes andere Paar auch.
Der Nekromant berührte ihre Wange noch einmal zärtlich, dann ließ er die Hand sinken, sichtlich widerstrebend. Seine Augen aber ließen Eya nicht los.
„Vertraust du mir, Shatryindjah?“ fragte er leise.
Sie sah zu ihm empor, hielt den Atem an, spürend, wie sich ihr Lächeln zugleich mit der Erregung verflüchtigte.
Ihr Hineinhorchen in ihn war nicht unbemerkt geblieben.
Natürlich nicht. Ich hätte es wissen müssen.
Kurz, während ihre Gedanken über all das hinhasteten, was sie von ihm wusste, während sie seine merklich anwachsende Macht und seine immer häufigeren meditativen Versenkungen streiften und auch den Minotauren, und dazu, was der höchste der Nekromanten in Pundar zu seinem längst nicht mehr nur erwachsenen Untergebenen gesagt hatte, zögerte sie.
Sie zögerte und musste ihn diesem Zögern aussetzen.
Der Wind fegte ihm das Haar aus dem Gesicht, und es wartete, doch es lächelte noch immer.
Sie hob die Hand und fuhr die starke Linie seiner Wange nach.
„Ich vertraue dir“, antwortete sie kaum hörbar.
Wie kann ich das?
Wenn du bei mir liegst, wenn du mir deine Vergangenheit öffnest, wenn du um mich bist mit all deinen kleineren Sorgen und Unsicherheiten unter diesen Mauern aus Stolz und angehäuftem Wissen, dann vermag ich es.
Wenn aber hinter meinem Geliebten der Nâkyshat einer fremden Welt hervortritt und nicht einmal ein lebenslang geteilter Weg mir dein Innerstes bloßlegen würde, vermag ich es nicht.
Sie fühlte das Blut in ihren Lippen pochen. Aufrecht dastehend, wollte sie sich keinem Wind beugen, ganz gleich, woher er wehte.
Doch, ich kann es.
Eine Weile lang, der übermächtigen Sonne trotzend, standen sie noch da und prägten sich ein, wie unverhofft und angreifbar die fremdartige Wüstenstadt aus dem Meer des Sandes hervorspitzte und ihre Flachdächer dem Himmel entgegenhielt, als wolle auch sie sagen:
Allen Widrigkeiten zum Trotz, hier bin ich.
Dann gingen sie wieder hinunter, langsam, denn sie wollten das seltene Alleinsein auskosten.
„Im Hafen liegen viele Segler“, bemerkte Eya, die flache Hand über den Augen.
Der die Hänge hinauffahrende Wind brachte das Salz der See mit sich. Er gemahnte an die anderen Weltteile – den Westen, den sie hinter sich gelassen hatten, und den Osten, den großen dunklen Kontinent auf der anderen Seite.
Eyas gegen die Helle zusammengekniffene Augen fanden den Nekromanten, eben als er sagte: „Ja, und es sind vielleicht auch Schiffe der östlichen Häfen darunter.“ Er sprach den Namen nicht aus. Kurast. Aber sie wusste, dass er stetig an das Schicksal der halb zerstörten, in ihrem Durcheinander zurückgelassenen Stadt dachte.
„Lass uns später auch zum Hafen gehen“, sagte sie leise, „und hören, ob es Neuigkeiten gibt.“
„Das werden wir, Shatryindjah“, Hadan bedachte sie mit einem dünnen, nachdenklichen Lächeln.
Wieder am Grund des Tals angelangt, hielten sie auf das Barbarenheer zu.
Was überall längs ihres Weges in den fremden Lagern vor sich ging, war unmöglich zu sagen. Menschen rasteten und handelten, Krieger sprachen miteinander, und man hörte sogar Musik, die eigenartig sehsuchtsvollen Klänge hiesiger Trommeln und Sackpfeifen.
Mit einem Mal hielt Hadan inne und bedeutete ihr, zu warten. Erstaunt beobachtete sie, wie der Nekromant drei fast völlig verhüllten Männern etwas abkaufte.
Er kehrte mit einer Kupferkaraffe zu ihr zurück. Ihre feine Nase roch Tee, doch darin auch etwas Anderes, sehr Starkes.
Hadan setze es an den Mund und reichte ihr das Gefäß dann. Er sah sie dabei seltsam an – eindringlich, als wolle er ihrer beider Ankunft durch ein Ritual verewigen. „Auf uns. Auf alle, die nach uns kommen, Shatryindjah.“
Sie nahm die Karaffe.
Zu ihrem Zögern bemerkte er: „Das ist Tee. Wundere dich nicht, wenn du ihn trinkst, sie tun so viel Zucker hinein, wie eben hineinpasst, und auch Dattelschnaps.“
Schon der erste, vorsichtige Schluck ließ sie husten. Nur keuchend konnte sie antworten: „Auf uns und alle, die nach uns kommen.“ Hadan lachte, und er lachte weiter, als sie das Gefäß erneut an die Lippen hob.
Dann küsste er sie wieder. Die Heiterkeit stand seltsam in aller Unrast und Ungewissheit. Eya lehnte sich zu ihm hinauf, bis er raunte: „Weiter sollten wir nicht gehen. Solche Offenheit ist hier nicht üblich.“
Es stimmte, die Wüstenkrieger sahen her, als habe die freie Zärtlichkeit der Fremden eben noch genug Anstand, dass man nicht dazwischenfahren musste. Betreten, dabei unterdrückt lachend wie Jugendliche, die sich am Rande einer Gesellschaft Älterer herumdrücken, ließen sie voneinander ab.
Doch die Reaktion der Nomaden hatte Eya auf einen Gedanken gebracht.
„Wo mögen die Frauen, die Familien dieser Leute sein?“ fragte sie, als sie weitergingen. Das Kupfergefäß hatte einer der Männer unter einem schier unverständlichen Wortschwall wieder an sich genommen.
„In der Wüste“, mutmaßte Hadan. „Irgendwo in ihren flachen Bergen.“ Er war ernst geworden. „Zumindest muss man das hoffen. Der Mann, der den Tee hergab, sagte etwas von ‚alten Geistern’ jenseits der öfter durchreisten Gebiete.“
Sinnend sahen sie sich an. Immer trat als Erstes nun die Angst vor den neuen Feinden aus den nebelhaften Ahnungen. Doch die Menschen der Wüste wussten so viel mehr als sie.
„Wir müssen Urel davon berichten“, Hadan hielt den Blick suchend auf das nahende Barbarenlager gerichtet.
„Alte Geister?“ Urel ging mit wuchtigen Schritten neben ihnen her.
Er, Hadan Eya und Ifrah bildeten den Kopf der Abordnung ihres Lagers. Menrad, Bostac und gut ein Dutzend Barbarenkrieger folgten, die Häupter ohne Helme, doch ihre Waffen sichtbar an den Seiten oder über den Rücken gebunden.
Mehr dürfen es nicht sein. Die Magierin fühlte sich klein unter den großen Männern.
Mehr würden im Stadtinnern gewiss für Angst und Aufruhr sorgen.
Sie begegnete Urels braunen, forschenden Augen. Selbstverständlich wandte man sich hier an sie, ging es um das Gefüge der Wüstengesellschaft oder, wie jetzt, gar um rätselhafte Äußerungen, die auf alte Legenden hindeuteten.
„Geister“, sinnierte sie und schaute im Gehen auf ihre Stiefel. „Es gibt zahllose Mythen, und was damit gemeint ist, errate ich nicht. Man müsste mehr Leute befragen. Eins aber ist sicher: An solchem Gerede, auch wenn es nach reinem Aberglauben klingt, ist oft viel Wahres.“
„So wir können, werden wir uns in der Stadt umhören“, sagte Urel bestimmt. Kurz wirkte er ganz wie der Kriegsherr, zu dem der Lauf der Dinge in gemacht hatte: Tatkräftig, frei von Zweifeln.
„Die Befestigungen sind für jeden Ankömmling gut zu sehen“, ließ sich Menrad überraschend von hinten vernehmen. „Ich glaube nicht, dass die Menschen allzu verstockt sein werden. Wer seine Stadt sichert oder mit ansehen muss, wie sie gesichert wird, spricht gern über seine Sorgen.“
Alle Anwesenden nickten dazu.
Ifrah wurde einer leisen inneren Erleichterung gewahr. Nach Wochen stumpfen Brütens schien der Paladin aus seiner tiefsten Verzweiflung aufzuwachen. Sie hatte sich ähnlich um ihn gesorgt wie um Urel. Beiden Männern half die neue Herausforderung nun offenbar über die Auswirkungen des Krieges hinweg.
Die Magierin fasste das näherrückende Stadttor ins Auge. Breit genug für zwei oder mehr Wagen, lag es in der Westmauer, umstanden von Wachen. Wie überall trieben sich auch hier zahllose Menschen herum. Sie erkannte Vertreter mindestens dreier ihr vertrauter Nomadenstämme und verfiel in schweigendes Nachdenken.
Diese Stämme kamen nur selten aus der Wüste hinaus. Sie mieden Lut Gholein, da sie Städte nicht mochten, und näherten sich ihm für gewöhnlich nur, wenn sie Handel treiben wollten. Ihre Anwesenheit hier wies auf etwas in ihren heimischen Wadis oder Felsenunterschlüpfen hin, das sie beunruhigte und für das sie ihre uralte Verschlossenheit und Geheimniskrämerei aufzugeben bereit waren.
Kehliges Stimmengewirr, das Kollern der Kamele und Musik umlagerten das riesige Viereck der Stadt. Man hätte meinen können, die Wüste sei zu einem nie gesehenen Volksfest zusammengeströmt.
Doch so ist es nicht. Im Norden herrscht Krieg, und der Schatten einer Vorahnung hängt über uns, den der blaue Himmel nicht übertünchen kann.
Lut Gholein. Ihr Herz schlug heftiger.
Weiße, schöne Geliebte des Sandes.
Ich wünschte, ich wäre früher mit Maysan häufiger hierher gekommen.
Und wir werden kommen, wenn wir überleben – du und wir.
Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als der Schatten des Stadttores über sie und ihre Begleiter fiel.
Die Wachen am Tor dienten nur der Wahrung der allgemeinen Ordnung. Nach einem scharfen Blick ließ man die Fremden passieren.
So betraten sie das Juwel des Südens.
Eine breite Straße nahm sie auf, gesäumt von meist zweistöckigen Lehmhäusern, holzgedeckt oder mit den hier üblichen Dachterrassen gebaut. Ein Menschenstrom wogte im Inneren der Stadt, selbst in den schmaleren Gassen. Buden standen, wo immer Platz im Häusergewirr war. Betäubend empfing ein Gemenge aus Gerüchen und Lärm die Ankömmlinge.
Schreiende Händler priesen ihre Waren an und feilschten mit ihren Kunden. Bewaffnete bahnten sich einen Weg durch hoch beladene Maultiere, Bettelvolk und zusammenstehende Haufen gestikulierender Einwohner. Im Schatten vorspringender Läden und selbst vor den Schänken, obwohl es erst um die Mittagszeit war, drängten sich Menschen, die der Sonne entgehen wollten.
Ifrah schaute verstohlen zu den Barbarenkriegern. Viele Passanten rempelten die Hünen unabsichtlich an, ganz wie es dem an Enge und Geschäftigkeit gewöhnten Menschenschlag hier entsprach, erschraken aber teils sehr, sobald sie sahen, wer ihnen im Gedränge über den Weg gelaufen war. Die Nordmänner ertrugen es scheinbar ungerührt, doch Ifrah wusste, es war nur, weil Urel sie ermahnt hatte, Ruhe zu bewahren.
Wie muss einem Mann aus den freien, luftigen Wäldern des Nordens dieses Gedränge erscheinen? Dankbarkeit und leise Betrübnis bewegten sie.
Die Not wirft die Menschen aufeinander. Gäbe es kein gemeinsames Ziel, keine Angst, die alle betrifft, würden sie so rasch als möglich wieder auseinanderstreben, und man müsste noch froh sein, wenn es ohne Blutvergießen vor sich ginge.
Tief in Gedanken, hatte sie kaum bemerkt, dass die Gruppe langsamer wurde.
Nun verhielt sie, und Ifrahs Aufmerksamkeit wurde durch die Blicke ihrer alten Gefährten zu einem Menschen am Straßenrand gelenkt.
Es war ein alter, bärtiger Mann in einst prachtvollen, doch jetzt abgetragenen, langen Gewändern. Eben noch, vor einem kleinen Laden stehend, hatte er einen Kunden mit zittrigem Kopfnicken verabschiedet, doch jetzt wandte er sich der Gruppe zu.
Tiefliegende Augen unter schweren Lidern weiteten sich. Sie waren auf die alten Gefährten gerichtet. Der Alte griff sich mit der Linken an die Brust und erstarrte.
„Ihr.“ Selbst im Lärm ringsum war das eine Wort deutlich zu vernehmen. Reglosigkeit senkte sich in die Dastehenden. Die einzige Bewegung war ein knappes Handzeichen Urels an seine Männer, zurückzubleiben.
„Ihr, bei Badr und allen Weisen.“ Der Alte blickte Hadan an wie ein Trugbild.
„Drognan, hoher Magier.“ Der Nekromant deutete eine Verbeugung an.
Drognan. Ifrah begriff. Ihr war nur der Name vertraut. Die ursprüngliche Gruppe der Baalsmission indes musste dem Alten begegnet sein, hatte sie doch zur Befreiung der Stadt von der umherstreifenden Brut der Erzdämonen wesentlich beigetragen.
Der Greis war allen Angehörigen der Magierschulen bekannt. Viel eher ein Schriftgelehrter als ein Elementarbegabter, kämpfte er auf seine eigene Weise gegen den Niedergang der Schulen und die Bedrohungen unruhiger Zeiten. Es hieß, er wisse weit mehr über die Mythen der vergangenen Wüstenreiche und die Gesetze sich berührender Sphären, als Viele dem wackeligen Alten, den sie vor sich sah, zutrauten.
Jetzt trat er näher an die alten Gefährten heran, als könne er immer noch nicht glauben, was er sah.
„Ihr habt überlebt, oder meine Augen spielen mir einen Streich“, sagte er leise und brüchig. „Doch nicht alle.“
Ifrah gewahrte, dass die verbliebenen Drei der ehemaligen Schar die Köpfe senkten, doch sie hoben sie bald wieder, ihrerseits bewegt, einem Vertrauten in der Weite der Welt gegenüberzustehen.
„Drognan“, meldete sich Hadan wieder zu Wort, „wir kommen aus Krieg und Chaos im Osten und im mittleren Westen. Hier siehst du“, er wies auf die etwas entfernt wartenden Barbaren „einige Männer der nördlichen Wälder, derer eine ganze Streitmacht vor den Stadtmauern lagert. Wie steht es um Lut Gholein?“
Der Alte wiegte das Haupt, lange, bedenklich. Sie warteten geduldig.
Man darf ihn nicht drängen, ging es der Magierin auf, und das wunderliche Gehabe Drognans erinnerte sie mit einem Mal an eine weit zurückliegende Jugend, an Jahre vor der Rückkehr in das Geschäft ihres Vaters – bevor sie sich zum Leben einer schlichten Händlerin entschlossen hatte.
„Nicht gut, nicht gut.“ Drognan betrachtete die Dastehenden. „Viel kann ich euch nicht sagen. Die alte Zeit ist verweht, und die Schriften weisen keinen Weg in die neue.“ Er sagte es halb singend, halb kummervoll. Seiner seltsamen Erscheinung zum Trotz war der erneute Blick, den er ihnen zuwarf, scharf und wissend. „Ihr wollt den Fürsten sprechen, he?“
„Das halten wir für das Richtige, Alter“, hörte Ifrah Urels tiefes Brummen. „Wird er uns empfangen?“
„Versucht es.“ Drognan hatte beide Hände um seinen Gehstab gelegt und blinzelte zu dem jungen Hünen hinauf. Plötzlich schien ihn Eile zu treiben. „Geht nur, geht. Versucht es.“ Eine magere Hand winkte sie fort. „Dann kommt wieder. Was ich weiß oder zu wissen glaube, will ich euch danach offenbaren.“
Rasch hatte er sich wieder seinem Laden zugewandt und sprach einen neuen Kunden an.
Sie fanden sich im Trubel der Straße wieder, der sie tiefer stadteinwärts zog.
„Ein seltsamer Greis“, ließ sich Bostac vernehmen. „Er sprach ganz in Rätseln, so wie es unsere Ältesten bisweilen tun.“
„Unterschätze ihn nicht.“ Hadan hatte sich im Gehen zu dem blonden Krieger umgewandt, aber er lächelte. „Wenn es jenseits des Fürstenhauses Einen gibt, mit dem wir ein Gespräch suchen sollten, so ist er es.“
„Ich wollte nicht unerbötig erscheinen“, gab Bostac zurück. Ifrah sah ihn neben den Nekromanten steuern. Aus welchem Grund auch immer, die beiden Männer mochten sich.
„Wir werden ihn später noch einmal aufsuchen“, Urel fasste die Gruppe zusammen.
So gut wie alle anderen Menschen auf den Straßen überragend, bahnten sich die Barbaren einen Weg durch die Menge.
Aufmerksam beobachteten sie das Treiben im Zentrum Lut Gholeins. Das Antlitz der Stadt hatte sich kaum verändert, doch die Menschenmassen sprachen eine deutliche Sprache. Sie waren an einem Ort, an dem sich viele versammelten, die nicht wussten, wohin.
„Faras Schmiede.“ Vor Ifrah wies Hadan Eya auf einen von niedrigen Mauern halb eingerahmten Platz hin. „Dort haben wir viel Hilfe erhalten, und unsere Ausrüstung verbessern lassen... bevor du kamst.“ Sie sah die Assassine hinblicken. Der Laden, auf den der Nekromant gezeigt hatte, war leer. An Eyas Schweigen las die Magierin ab, wie die Erinnerung die alten Gefährten einzuholen begann, und gewiss nicht erst jetzt.
Schließlich gelangten sie zum Herzen der Stadt. Bereits seit einigen Gassen hatte ein goldenes Schimmern die Flachdächer der Häuser gekrönt, unwirklich, schwer auszumachen in der flirrenden Hitze. Nun, da sie um eine Ecke bogen, stand die Quelle des Goldschimmers vor ihnen, riesenhaft aus der Sicht der auf den Straßen Wandelnden, alles übertrumpfend, eine bauliche Einmaligkeit.
Der Palast.
Obwohl ihr der Anblick nicht neu war und man den Sitz des Fürsten schon von Weitem aus der Stadt hatte ragen sehen können, fühlte Ifrah mit den Kriegern in ihrer Nähe, denen der Atem stockte.
Allein die gewaltige goldene Kuppel machte staunen. Dazu kamen die hohen, vielfenstrigen Wände des Palastes, in deren Weiß zahllose Ornamente in kräftigen Farben eingelassen waren. Kristall und Schmuckstein konkurrierten mit Marmor und matten Metallen. Es war ein Bauwerk, das beredter vom Reichtum sprach als die kostbaren Waren der Region, und unter den schlichten Häusern der Stadt stand es, unverrückt seit Jahrhunderten, größer als ein kurastischer Tempel und für die Nordmänner ein steingewordenes Wunder, selbst verglichen mit den mächtigsten Langhäusern ihrer Clans.
„Wohlan“, störte Urels Stimme das beinahe andächtige Schweigen. „Lasst uns sehen, ob der Fürst uns willkommen heißt.“
Vor dem Palast war das Gedränge weniger dicht. Hier war kein Handeln und Herumlungern gestattet, und die Palastwachen, große Männer mit beeindruckenden Speeren, sahen zu, dass sich niemand ungebührlich lange auf dem Vorplatz aufhielt.
So wurden die Ankommenden auch angesprochen, kaum dass sie sich den Palaststufen genähert hatten.
„Ihr da!“ blaffte eine der Wachen und kam drohend herbei. Drei weitere warteten nahe des Palasteinganges. „Was steht ihr da und starrt? Sagt, was ihr wollt, oder macht euch davon!“
Die Gefährten verständigten sich rasch mit Blicken darüber, Urel und Ifrah als Sprecher vorzuschicken.
„Wir wünschen euren Fürsten zu sprechen“, der junge Barbar reckte sich. Er überragte die Palastwache um mehr als eine Haupteslänge.
„Wir sind Reisende aus dem Norden“, beeilte sich Ifrah, bemüht, der Speerspitze, die zwischen Urels Brust und ihrem Gesicht hin- und herschwankte, keine Beachtung zu schenken. Sie trat noch ein Weniges auf die Wache zu. „Weder wollen wir jemanden belästigen noch uns den Anweisungen der Stadt widersetzen. Doch wir müssen um eine dringende Unterredung mit dem Fürsten bitten. Wir ersuchen ihn untertänigst um eine Audienz.“
Ihre Worte fruchteten jedoch wenig. Der dunkle Kerl vor ihnen hob abfällig die Brauen und schien nicht im Mindesten daran zu denken, seine Waffe herunterzunehmen.
„So?“ hielt er ihr mit einem knurrenden Lachen entgegen. „Ihr wünscht eine Audienz? Habt ihr all das Volk vor den Toren gesehen, ihr lustigen Bittsteller?“ Neben Ifrah atmete Urel hörbar ein. „Wenn jeder von denen da nur einen Abgesandten schickte, hätten wir bald eine Schlange quer über den Vorplatz! Wendet euch an die Aufseher draußen. Sie werden dem Fürstenhaus zutragen, wer ihr seid und was ihr wollt, so lange habt ihr zu warten!“
Betend, die Geduld der Barbarenkrieger, die im Hintergrund bereits ungehalten murrten, möge noch eine kleine Weile halten, schenkte Ifrah dem Wachposten ihr strahlendstes Lächeln.
Sie neigte sacht den Kopf. Die Speerspitze war jetzt nur noch eine Fußbreite von ihrer Wange entfernt. „Wir verstehen vollkommen, hoher Wächter.“
Sie ließ den Bernstein ihrer Augen warm aufglimmen. Es war lange her, dass ihre Erscheinung und ihre scheinbar harmlose Weiblichkeit ein Gegenüber hatten beruhigen und betören müssen, aber was für den harten Handel in einer Männerwelt galt, mochte auch hier noch gelten. „Es ist aber so, dass wir den Fürsten kennen, Badr sei unser Zeuge“, fuhr sie fort. „Bitte sendet ihm Nachricht, so es eure kostbare Zeit erlaubt. Sagt ihm, dass die Mitglieder der Grabwanderer vor dem Palast seines Urteils harren. Wir werden uns weder aufdrängen noch Unruhe stiften.“
Grabwanderer würde dem Wächter wenig sagen. Überbrachte er aber die Botschaft wortgetreu, musste Jerhyn neugierig werden.
Die Speerspitze sank zögernd. Sich aufrichtend, lächelte sie unbeirrt, als sei der barsche Mann, der sie jetzt misstrauisch anfunkelte, nicht weniger als ein freudig erwarteter Bräutigam.
Als er sich umwandte und einer zweiten Wache einen Befehl zubellte, fing Ifrah einen Seitenblick Urels auf. Zum ersten Mal, seit sie sich wiedergesehen hatten, trat eine Spur gehobener Laune in seine braunen Augen.
Dreifach aufgetragener Honig, dachte sie mit heimlicher Erleichterung.
Das wenigstens hat sich hier noch nicht geändert.
Die Gruppe wartete in höflichem Abstand, während der zweite Wächter, flüsternd instruiert, im Palastinnern verschwand. Rascher als erhofft kehrte er zurück und raunte seinem starr verharrenden Kumpan etwas zu.
Dessen Gesicht verzog sich halb widerwillig, halb überrascht. „Der Fürst erwartet euch.“ Er stand reglos da, den Speer jetzt quer vor sich gestellt, sichtlich bemüht, seine Autorität von der unerwarteten Wendung nicht beschädigen zu lassen. „Also hinein mit euch!“
Stumm schritt die Gesandtschaft des Barbarenheeres die breiten, flachen Stufen des Palastes hinauf.
Kühle und mildes Licht umfingen sie hinter dem reich verzierten Eingang. Das helle, laute Lut Gholein blieb hinter ihnen zurück.
Wenigstens hier bringt meine Vergangenheit uns einen Vorteil.
Man hatte ihnen, ein erheblicher Vertrauensbeweis, ein deutliches Zugeständnis an seinen und seiner Gefährten Namen und ein halbes Wunder in der scharf bewachten Heimstatt eines Fürsten, die Waffen nicht abgenommen.
Urel schritt hinter der Palastwache her durch die Gänge, die sich auftaten. Ihm folgten die Anderen. Ihre Stiefel scharrten auf dem glatten Boden.
Flüchtig sah er hinab. Wie alles ringsum war dieser ungeheuer kostbar.
Verglichen mit der drückenden Hitze der Stadt herrschte eine geradezu unwirkliche Kühle innerhalb der starken, prachtvollen Mauern. Von farbigen Glasfenstern getöntes Licht stand umher.
Er erinnerte sich.
Damals. Der von Leichen und bösen Kreaturen starrende Harem, weit unter ihnen im Bauch des Gebäudes. Die leeren Flure, die versprengte, halb dem Wahnsinn verfallene Palastwache, die sich nicht mehr in die Gedärme der Stadt gewagt hatte.
Jetzt war es anders. Man sah fast niemanden, aber Stimmen und huschende Laute drangen aus Nebenzimmern auf den Gang, den die Gruppe entlanggeführt wurde. Das Fürstenhaus lebte wieder.
Und sie, er und seine Gefährten, kamen diesmal tiefer hinein in all die Pracht, die den Reichtum ebenso wie die Herrschaftsgewalt dieser Wüstenstadt verdeutlichte.
Schweigend gingen die Barbarenkrieger hinter ihm her. Er konnte nur hoffen, dass sie sich von dem, was sie sahen, nicht blenden ließen.
Auch diese Mauern werden fallen, wenn die Feinde aus den jenseitigen Welten gegen sie anrennen.
Draußen in der Stadt hatte er sich düster und genau die Arbeiten an den Mauern beschaut, auch die sichtlich verstärkte Zahl der Bewaffneten, auch zwei Wurfmaschinen, die nicht nach Norden zeigten, sondern nach Süden. Hinterhältig suchte ihn wieder die Ahnung heim, ließ sich nicht aussperren durch den Anblick der schönen Gänge oder der von Leben überquellenden Straßen.
Sie hatten gut daran getan, hierher zu ziehen. Was in ihm an Feinfühligkeit war, vielleicht nur das Flüstern einer alten Wunde, lauschte durch Mauern und Fleisch in die Wüste hinaus.
„Fürst Jerhyn“, schreckte eine Stimme ihn auf. „Hier sind die Bittsteller, die wir auf dem Vorplatz aufgriffen!“
Jemand stieß den Schaft einer Lanze auf den Boden.
Vor ihnen öffnete sich das Kreuz zweier mannslanger Stangenwaffen und gab den Blick auf einen kleinen Saal frei.
Kühle. Wohlgerüche. Strenge Wächtergesichter.
Sie traten ein.
Der Thronsaal des Palastes war ganz in Weiß gehalten, doch blaues Fensterglas verlieh dem Licht eine eigentümliche Farbe – jene des Wassers vielleicht, das in der trockenen Endlosigkeit so kostbar war.
Vor der Rückwand des Raumes stand ein Marmorsitz auf einem niedrigen Podest, flankiert von einer rotgekleideten Wache und einem Mann in schlichten, doch kostbaren Gewändern. Er fasste die langsam Eintretenden beflissen ins Auge. Urels Aufmerksamkeit indes wurde von der Gestalt auf dem Thron angezogen. Er vergaß die Anwesenheit seiner Männer hinter sich, vergaß die Sandmeere und starrte sie an.
Fürst Jerhyn war es, doch dem bestürzten Blick schien er entsetzlich gealtert.
Schwer saß der mächtigste Mann des Südens in der steinernen Umarmung seines Throns, dick geworden, ergraut vor der Zeit. Er konnte kaum mehr als vierzig Jahre zählen, doch sein Leib und die blassbraunen Züge, aus denen umschattete Augen den Besuchern nicht unfreundlich entgegensahen, wirkten müde, aufgetrieben.
Er ließ ihnen Zeit, ihn zu betrachten, und betrachtete sie.
Und nach einer Weile fand Urel hinter dem erschreckenden Abbild des Fürsten Vieles, das er wiedererkannte.
Jerhyn war kein zäher Wüstenkrieger gewesen, hochgehoben auf einen Sitz weit über dem Volk, dem er entstammte, schon damals nicht. Er hatte es vorgezogen, Andere gegen die Schrecken des vergangenen Jahres auszuschicken, anstatt mit dem Säbel in der Faust seinen verbliebenen Soldaten vorauszugehen. Aber er war auch kein feiger Willkürherrscher, er schröpfte seine Untertanen nicht und hatte Lut Gholein dem Handel geöffnet und allen, die friedlich hierher kamen.
Dem jungen Barbaren schien es, als sehe er einen Mann, ähnlich den in zu vielen Bedenken verkrusteten Ratsältesten großer Stämme.
Jerhyn drohte ihnen nicht.
Mit einer matten Handbewegung hielt er den rotgewandeten Wächter zurück, der die Eingetretenen anherrschte: „Was erlaubt ihr euch, zu stehen, Fremde? Kniet nieder, ihr steht vor dem Fürsten Lut-„
„Es ist gut, Abdul.“ Die ruhige, tiefe Stimme trug sich weit in der bläulichen Stille, und sie gebrauchte, anders als die Wachen, die Gemeinsame Sprache. „Das sind keine Fremden.“
Da der Fürst, ob aus Müdigkeit oder weil es sich für seine Hoheit nicht ziemte, sich nicht erhob, trat der Mann an seiner anderen Seite vor. Er war recht jung, feist und flink.
„Nennt eure Namen“, gebot er Urel und den Anderen.
Doch auch er wurde unterbrochen.
„Ich brauche ihre Namen nicht zu hören. Ich kenne sie.“ Jerhyn winkte in den Schatten eines Winkels. „Wasser und Wein für meine Gäste.“ Die seltsam kraftlose Stimme hob sich. „Mulham, guter Berater, hier brauchst du dich nicht zu sorgen.“
Der kostbar Gekleidete wandte sich irritiert zum Thron.
Die Gefährten standen reglos und befangen da, während zwei Diener ihnen Kupferbecher mit Getränken reichten.
Neben Urel machte schließlich Hadan einen Schritt tiefer in den Thronsaal hinein.
Der Nekromant ließ sich in seiner stets etwas steifen Art auf ein Knie nieder. Langsam, im Scheppern ihrer Rüstungen, folgte die ganze Gruppe, auch Urel und mit ihm, zögernd und angespannt, die Barbaren.
„Dank sei dir für deinen Empfang, Jerhyn“, die Stimme des Nekromanten stand allein in der halben Stille, und er nannte weder einen Titel, noch befleißigte er sich der umständlichen Wendungen, wie sie in solchen Hallen des Südens üblich waren.
Aber seinem Gruß antwortete keine Zurechtweisung. Urel spürte seine Nackenmuskeln sich lockern.
Bei den Ahnen, ja. Wir sind kein dahergelaufenes Söldnerpack. Er sah auf.
Jerhyn lächelte. „Dich erkenne ich vor allem wieder, Hexenmeister. Es heißt, ihr hättet die Dämonen besiegt. Fürwahr, die ganze Welt bezeugt dies durch ihre Wandlung.“
Widerwillig zogen sich die im Saal anwesenden Wachen und auch der Berater zurück, als die Hand des Herrschers ein weiteres Mal winkte. „Geht, geht. Ich will mir diese abenteuerlichen Gestalten“ – es klang nicht abfällig – „näher besehen. Geht, lasst uns allein.“
Zögernd näherte sich Urel mit den Anderen dem Marmorthron.
Dichter davor, nahm er einen sonderbaren Geruch wahr, gedämpft durch Öle und Kräuter, und es brauchte eine Weile, bis er verstand.
Jerhyn war tödlich erkrankt.
Nun, aus der Nähe, barg sich unter den erschlafften, einst straffen Zügen eine Blässe, die nicht nur Müßiggang und Müdigkeit entstammen konnte.
Fast ehe er es selbst begriff, hatten sich die Lippen des jungen Barbaren geöffnet. „Wir kommen aus dem Norden, Fürst der Stadt. Es herrscht Krieg in der Marsch.“ Er hielt inne, doch seine gesamte Umgebung schien ihn zu ermutigen. „Wir sind... anderen Gegnern als Menschen begegnet. Niemand von uns kann sagen, woher sie kommen. Was uns herbrachte, waren Berichte hiesiger Unruhen.“
Und eine Ahnung.
„Dann hat euer Gefühl euch nicht getrogen.“ Jerhyn ließ den Blick über die gesamte Gruppe gehen, die so verschiedenartigen Gestalten der alten Gefährten, die kantigen Gesichter der Nordmänner, den Schweiß und den Staub, der Haut und Rüstungen bedeckte. „Ja, wundert euch nicht. Die Wüste zieht die Tapferen an.
Ich wünschte, ich könnte Bereitwilligen wie euch mehr anbieten als ein Lager vor den Mauern der Stadt und eine Handvoll vager Berichte, von denen keiner weiß, ob sie nicht nur Hirngespinste einer rastlosen Zeit sind.“
„All die Verstärkungen der Mauern nur aufgrund von Hirngespinsten?“ ließ sich Hadan zurückhaltend, aber forschend vernehmen.
„Das wohl nicht.“ Mit einer unendlich müden Bewegung setzte der Fürst sich zurecht. „Es geschehen merkwürdige Dinge. Menschen verschwinden in der Wüste, die einst unsere Freundin war. Soldaten, Kundschafter, auch Handelskarawanen und Flüchtlinge, von denen Andere berichten. Sie kehren nicht zurück.“ Eine feine Schweißschicht glänzte auf, als Jerhyn den Kopf bewegte. „Die Schriftgelehrten reden viel vom Schrecken der alten Gräber, aber die Menschen glauben nicht mehr recht daran. Daher haben sie sich auf die Ausgeburten des unergründlichen Schoßes verlegt, den der Sand dort draußen birgt. Manche wollen menschenähnliche Gestalten gesehen haben. Andere fliehen hierher zurück, eines schwarzen Schreckens wegen, den sie nicht benennen können.“
Flüchtig wechselte Urel einen Blick mit Hadan.
Gegner der Schwarzen. So hatten die Djurna sie beschimpft, kurz vor dem Kampf in der Wüste.
„Ich schicke keine Truppen mehr hinaus“, fuhr Jerhyn fort und sah die Dastehenden reihum an. „Wenn ich Lut Gholein von denen entblöße, die mir ihre Säbel noch zu Füßen legen, mag es sein, dass auch sie spurlos verschwinden und die Stadt der Hilflosigkeit überantwortet ist.“
Für eine Weile herrschte Schweigen.
Urel sah verstohlen auf das blasse Gesicht vor ihnen, und eine Regung des Mitleids überkam ihn.
Aller Reichtum konnte dem Fürsten Lut Gholeins nun nichts mehr helfen. Er war ein kranker, gealterter Mann, eingeschlossen in der Grabeskühle seiner Gemächer, während rings um seine Stadt gesichtslose Bedrohungen anwuchsen.
„Was auch immer in der Wüste wartet“, hörte er sich sagen und empfing die Zustimmung der Anderen wie ein feines Streifen der Seele, „wir werden es ausfindig machen. Dazu sind wir hergekommen. Lasst uns vor der Stadt lagern und helfen, wo wir es vermögen.“
Jerhyn nickte, matt, beinahe geschlagen. Das leichte Lächeln auf seinen bärtigen Lippen war der Schmerz der bitteren Einsicht, dass nicht der Hausherr die Gäste schützen konnte, sondern dass diese kamen, um zu übernehmen, was er nicht mehr fest in den Händen hielt.
„Dank euch“, sagte er zu den Wartenden, und es schien, dass er besonders die Krieger aus dem fernen Hochland ansprach. „Dank euch, Weitgereiste. Ihr habt allen Schutz, den ich euch geben kann. Lagert in Frieden vor den Toren, und es soll euch an nichts fehlen, auch nicht an Berichten über die Geschehnisse in der Wüste.“
„Wir geben den Dank zurück.“ Urel nickte.
Auch seine Krieger und die alten Gefährten zeigten, dass sie den Großmut des Herrschers verstanden.
„In welcher Richtung liegen die Gegenden, in denen die Menschen verschwanden?“ fragte Ifrah, die bislang nicht die Stimme erhoben hatte. Auf den Blick des Fürsten fügte sie hinzu: „Ich stamme aus der Wüste. Ich und alle, die Ihr hier seht, hoher Fürst, wollen den vagen Berichten nachgehen. Bitte – sagt uns, was man sich erzählt, auch wenn es nur Gerede sein mag.“
„Es ist lange her“, die Stimme Jerhyns knarrte und klang weich, doch auch noch älter, „dass ich eine der großen Elementarkundigen hier sah. Nun, schöne Magierin, da du die Wüste kennst: Alle, die verschwanden, verschwanden im Sand zwischen Lut Gholein und den nomadischen Wachposten auf halbem Wege zwischen hier und Sadr Hammath.“
„Die steinernen Flammen“, hörte Urel Ifrah murmeln. Dann neigte sie den Kopf. „Sobald wir können, werden wir dorthin reisen.“
Der Mann auf dem Thron bedachte sie mit einem langen, bedauernden, respektvollen Blick. „Ich kann euch nicht davon abhalten. Aber seid gewarnt: Sicherlich ist der noch glücklich zu nennen, der dort nur seinem Tod begegnet. Bevor ihr weit kommt, müsst ihr zuerst die alten Magiertäler durchqueren, und deine Begleiter werden dir sagen können, was sie vor einem Jahr dort fanden.“
Mit einem Segenswunsch entließ Jerhyn die Gruppe.
Urel nahm kaum etwas von den leise hallenden Gängen wahr, die sie zurückschritten, wieder geführt von einem Mann der Palastwache. Seine ganze Aufmerksamkeit bewegte sich um Jerhyns Worte.
Lut Gholein fürchtete die Wüste, nicht den unruhigen Norden, nicht Fadraîs noch die Zersplitterung der Nachbarregionen. Das mochte kaltherzig anmuten, aber er konnte es nachvollziehen.
Nicht die anderen Menschen sind unsere Feinde.
Erneut meinte er, das Bild der endlosen Sandmeere durch die Mauern hereinlugen zu sehen. Die Angst der Leute trog selten. Er hatte es nun oft genug erlebt, und es verband sich fester und fester mit den Erlebnissen der letzten großen Schlacht.
Ja, Andere griffen ein. Mehrere Lager, zumindest zwei. In dem, was sie gehört hatten, war kein Hinweis auf die Engel zu finden, und auch das passte.
Vor dem Palast hörte er die Krieger aufatmen. Das stechende Licht übergoss die Gruppe. Sie stand dicht beisammen auf den untersten Stufen.
„Rätsel“, hörte er Bostac sagen. „Rätsel und ein Herrscher, der ermattet scheint.“
„Jerhyn ringt mit dem Tod.“ Aller Augen richteten sich auf Hadan. Der Nekromant blickte zum Tor zurück, aus dem sie gekommen waren. „Zum Glück für uns ist seine Krankheit nicht ansteckend. Ich werde später noch einmal vorsprechen, vielleicht kann ich sein Leiden lindern.“
Doch als sie sich alle wieder unter die Menschen Lut Gholeins mischten, das an seinen äußeren Befestigungen werkelte, dachte Urel, dass selbst Hadan hier nicht viel würde ausrichten können.
Lut Gholein wartet, rund um seinen geschwächten Fürsten. Er straffte sich.
Wir müssen rasch handeln. Wenn unsere Herzen erst verrottet sind, ist es zu spät.