Blur - 13
Blur, das "waren" zu Zeiten dieses Albums noch Damon Albarn (Vocals, Akustikgitarre und Melodica), Graham Coxon (Gitarren und [Background-] Vocals), Alex James (Bass) und Dave Rowntree (Schlagzeug) aus London/Grossbritannien. Im Jahre 1991 brachten sie mit "Leisure" ihr Debüt-Album an den Mann bzw. die Frau und konnten schon bald eine nette, kleine Anhängerschaft um sich scharen. Es war aber erst die durch die Medien angestachelte Rivalität zur Manchester-Formation "Oasis", die die Band 1994/95 zu weltweiter Bekanntheit verhalf. Britpop war zu dieser Zeit das Schlagwort schlechthin ... wobei mir aber bis heute nicht wirklich klar ist, wie man so verschiedene Bands wie Suede, Blur, Oasis, The Verve, Radiohead, Menswear, Coldplay, The Coral etc. in ein- und dieselbe Kategorie stopfen kann.
1999 erschien also die
"13" ... Produziert wurde das Album von William Orbit, der auch schon mit der ehrenwerten Popgöttin Madonna arbeitete und ihrem, in meinen Augen wirklich mal gar nicht so schlechtem Album
"Ray Of Light", die nötige Würze verlieh.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Stilmittel in ihren Songs, laße ich mich nach langer Zeit mal wieder zu einer Detailanalyse hinreißen ...
Erster Track der insgesamt, na?, natürlich "dreizehn"
befindlichen Songs auf dem Album zeigt gleich, Blur sind anders. Sie variieren gerne mir ihrer Musik. So sind Experimente mit "artfremden" Stilrichtungen daher nichts wirklich überraschendes - ob
"Tender" aber nun wirklich nötig, gar schön ist?
Als der Song 1999 als Vorabsingle veröffentlicht wurde, dachte ich noch so bei mir
"Ach, wie lustig, jetzt machen sie auf BritPop-Gospel" doch nach mehrmaligem Hören verging mir das Lachen. Nein, so schlimm war es dann nicht, aber dieses Lied ist nun mal sehr gewöhnungsbedürftig.
Zum einen hat man da die schleppende Akustikgitarren-Melodie, und zum anderen ist da ein Background-Gospelchor. Damon versucht den Zuhörer in seiner gewohnt liebenswürdigen Art die Sanftheit der Liebe nahe zu bringen und Graham intoniert den Ivor-Novello-Preis-verdächtigen Text
"Oh my baby, oh my baby, oh why, oh my".
Das wäre ja alles noch nich sooo schlimm, würde das ganze als Persiflage auf Kirchenmusik und ähnliches durchgehen. Leider meinen es die Jungs von Blur bierernst, so klingt das alles doch recht peinlich und keineswegs herzerweichend, wie es wohl mal gedacht war. Ein, wenn man es höflich ausdrücken will, sehr mittelmässiger Song.
Hat man diese erste Hürde, called
"Tender" hinter sich gebracht, darf man wohl sagen: es kann nur besser werden. Wird es auch!
"Bugmann" startet mit schrammeligen verzerrten E-Gitarren plus gelegentlicher Gitarrensoli, dazu Echosounds und Loops, Damons eindringlich-nervige Stimme (im positiven Sinne), die eine Gute-Laune-Stimmung vermittelt und im weiteren Verlauf dann schliesslich, ... eine Bohrmaschine! Was für eine Zusammenstellung - grossartig! Und als man schon glaubt, es sei zu Ende, weil die Musik langsam verzerrt ausklingt, noch mal der Umschwung - Drums, Gitarren, Damons
"lalalalala oh no - space is the place" in ungewohnt hoher Tonlage und ein paar nette Halleffekte machen das Ganze schliesslich fast noch zu einem Dance-Song.
"Coffee & Tv" ist, ehhrlich gesagt, eines der perfektesten Indie Rock Stücke die ich jemals gehört habe. Graham übernimmt in diesem Stück den Hauptanteil der Vocals. Zuckersüss, aber leicht melancholisch angehaucht, dazu wird eine eingängige (Akustik-) Gitarren-Melodie gespielt, die zum Schluss noch von einer elektronischen Orgel begleitet wird. Sehr zu empfehlen auch, das wirklich brilliante Video - eine kleine Milchtüte spaziert durch die Gegend um ihren Besitzer wieder zu finden und erlebt dabei so manches Abenteuer.
Eigentlich wollte ich ja gar nicht mehr auf diese ganze Blur-Oasis Geschichte eingehen, aber an dieser Stelle muß dann doch noch eine Bemerkung gestattet sein: denn wie der Zufall es so will, haben Oasis auch mal ein Stück namens
"Swamp Song" geschrieben ... Was erwartet den Zuhörer nun hier? Ein Midtempo-Stück mit Schrammelmelodie, Voice-Effekten und Damons Stimme, die an manchen Stellen an den guten alten Elvis erinnert.
Das Lied ist eigentlich sehr gleichförmig gehalten und überrascht eher weniger mit der Musik, als vielmehr mit Damons Stimmakrobatik, die den Song einen ganz eigenen Akzent verpasst.
"1992" besitzt ein langsames Tempo, leises Gitarren- und Schlagzeugspiel, im Hintergrund dann Klaviereinwürfe. Ein sehr atmosphärisch umgesetztes stück Melancholie, eine verquere Melodica-Melodie. Damon scheint sich in Trance zu singen wobei sich ab ca. der hälfte des Stücks leise eine Electro einfadet die zum Ende des Songs laut und quällend den ganzen Track vereinnahmt. Sehr sehr gut, aber auch sehr sehr gewöhnungsbedürftig.
"B.L.U.R.E.M.I." erinnert mich persönlich ein wenig an den legänderen
"Song 2". Schnelles Tempo, dazu Punkgitarren und -drums, wenig später wird ein kurzes Melodica-Solo eingeworfen und im Refrain explodiert der Song dann schliesslich: zusammen mit Donald Duck (oder zumindest mit jemandem, der genau so wie Donald Duck klingt
) Zum Ende hin steigert sich das Ganze dann noch mal im Tempo - ein typisch kurzes Blur-Punk Inferno.
Dunkel, mystisch, unheimlich.
"Battle" gehört mit zu meinen Lieblingsstücken auf diesem Album. Damons Stimme erscheint anfangs noch recht süss und sanft, schwenkt dann aber in eine etwas härtere Gangart über. Die Drums erinnern mit ihrem Spiel an schleppenden Trip Hop, die Gitarren hingegen an Metal - hinzu kommen ein leichtes Keyboardspiel und untermalt wird das Ganze noch durch ein verzerrtes, durch den Computer-verändertes, Gitarrenspiel. Ein ziemlich schwieriges Stück, launisch, beängstigend, bedrückend und schwer - eine Stimmung zum Gänsehaut bekommen - absolut fantastisch.
Eine Akustikgitarre, eine zartbeseelte, melancholische Stimme, eine sanfte Melodie - so beginnt der
"Mellow Song". Im weiteren Verlauf kommen dann noch Drums, Bass, Cembalo und Melodica hinzu. Die Akustikgitarre wird durch eine E ersetzt und es werden noch ein paar Halleffekte eingebracht. Der Song bleibt jedoch immer ruhig und lässt sich auch durch den vermeintlich härteren Gitarrenteil am Schluss nicht verändern.
„I lost my girl to a rolling stone“ - Damon geht im
"Trailerpark" spazieren und besingt dabei den Liebeskummer. Verstimmte Gitarren, eine tiefe Stimme sowie eine recht einfach gehaltene Melodie kennzeichnen diesen Song bis zur Hälfte. Ab dann beginnt plötzlich eine richtig coole Basslinie, mit schönen Keyboardeinlagen. Nunja, besser als
"Tender" ist es allemal.
Sanfte Gitarrenklänge, die einen an die 60er Jahre Hippiezeit erinnern, eine eingängige E-Orgel-Melodie und Damons zarter Gesang. Wunderschön ...
"Caramel" fliesst nur so vor sich hin, getreu dem Namen, wie
"Caramel" eben.
Zur Mitte hin steigert sich der Song, die Drums setzen ein, Computersounds ertönen im Hintergrund, die Gitarren spielen eindringlich und der Gesang wird leidenschaftlicher und verschmilzt schliesslich mit der Musik, ohne dabei seine Melancholie zu verlieren. Traumhaft. Bester Melancholiebrocken auf diesem Album.
Der wohl coolste Songs dieses Albums:
"Trimm Trabb"
Klaviertöne, Damons Stimme, die wie eine Bahnhofsansage klingt, das Geräusch einer herannahenden U-Bahn, eine Akustikgitarre beginnt zu spielen, Drums setzen ein, Damons sanfter, melodiöser Gesang beginnt. Stille. Die Gitarre setzt aus, Damons Stimme wie in einer Nebelschwade, die Gitarre setzt -härter als zuvor- wieder ein, Damon singt durch ein Megaphon. Stopp. Ein lauter, lang anhaltender Schrei erklingt und äusserst verzerrte Gitarren sind zu hören. Dann löst sich alles in einem Overkill aus kaputten Gitarren und anderen Geräuschen auf. Ende.
Kurz vor Schluss werfen die Jungs dann noch mal eine kleine Ballade in den Raum.
"No Distance Left To Run". Damons schlichter, bitter-süsser Gesang besingt hier wieder seinen Herz-Schmerz, aber im Gegensatz zum
Trailer Park klingt dieser Song richtig herrlich traurig. Im Hintergrund ist eine seichte Gitarrenmelodie und ein
"Uuhh, ooh intonierender Backgroundchor (Damon und Graham) zu hören. Erwähnenswert auch hier mal wieder das dazugehörige Video: da wurde die Band nämlich in ihrem nächtlichen Schlaf mit (Nachtsicht-) Kameras gefilmt.
Der letzte Song der Scheibe, ist dann ein reines Instrumentalstück.
"Optigan 1" klingt sehr alt, so als würde man eine LP abspielen - rauschen, knarzen und leiern ist hier also angesagt. Das Ganze erinnert ein wenig an Jahrmarktmusik, die im Hintergrund zu hörende Kirchturmglocke tut dabei ihr übriges. Alles in allem nicht gerade ein berauschendes Ende für ein ansonsten grandioses Album, aber man kann es ja auch mal ruhig ausklingen laßen...
Wer auf abwechslungsreiche, im positiven Sinne, verkopfte Songs mit verzerrten Gitarren, skurrilen Computersounds, eigenwilligen Melodien und leicht überdrehtem Gesang steht, der sollte sofort in den nächsten Plattenladen stürmen, und sich dieses Meisterwerk zulegen.
Blurs
13 ist ganz klar, als eines der besten Britrock Alben ever zu bezeichnen. Ach ... Britrock. Es ist viel mehr als das ...
10/10