Therion – Lemuria / Sirius B
Am 24.05.2004 war es soweit. Nach etwa drei Jahren des Wartens brachte die Band um Christofer Johnsson ihre lang erwarteten Nachfolgeralben zu
Secret of the Runes raus. Die beiden Alben
Lemuria und
Sirius B sind zwei eigenständige Alben, die aber in der limitierten Erstauflage zusammen als Doppel-CD released wurden. Das Lineup auf diesen beiden Scheiben besteht aus den Therion-Musikern Christofer Johnsson (Gitarre, Vocals, Keyboard), Kristian Niemann (Gitarre), Johan Niemann (Bass) und Richard Evensand (Drums), sowie sechzehn weiteren Gastmusikern, Klassischen Solo-Sängern und Sängerinnen und den Mitgliedern des Prager Philarmonie Orchesters, wodurch insgesamt über 170 (!) Musiker an diesen beiden Alben mitgewirkt haben. Ursprünglich sollten beide Alben getrennt veröffentlicht werden, auch besteht Christofer Johnsson darauf dass Lemuria und Sirius B als eigenständige Werke, die nur zufällig zur gleichen Zeit produziert und veröffentlicht worden sind, zu sehen sind, doch dann hat man sich mit dem Publisher Nuclear Blast darauf geeinigt beide in einer limitierten Erstauflage zusammen zu releasen. Sollte diese Erstauflage vergriffen sein werden beide einzeln verkauft.
Ich persönlich bin eigentlich eher zufällig beim Stöbern im Plattenladen über diese Werke gestolpert, eigentlich war ich auf der Suche nach Tristanias
World of Glass, und grade als ich entmutigt aufgeben wollte sprang mir das Cover der Sirius B ins Auge. Da mir Therion vorher schon geläufig war, ich diese Band eigentlich immer gemocht, wenn auch nicht so vergöttert habe wie Tristania, und ich einfach nicht mit leeren Händen nach Hause gehen wollte beschloss ich kurzerhand die beiden Alben für den Preis von 19,90 € mitzunehmen.
Lemuria:
Zu Hause angekommen legte ich die Lemuria in den CD-Player, und begann zu hören. Und direkt am Anfang gab es den ersten Überraschungseffekt, Therion hatte ich etwas anders in Erinnerung. Das Riffing des Openers „Typhon“ ist für Therion-Verhältnisse ungewohnt hart, und beim Refrain kommen die seit dem 1992er Werk
Beyond Sanctorum selten gewordenen deathigen Growls zu Vorschein, die aber doch vollends zum Stück passen. Und doch wirkt es wie ein typischer Therion-Song, ein wunderschönes Duett zwischen einem Sopran- und einem Bass-Chor, tolle Harmonien, schöne Begleitung durch die Prager Philharmoie, kurzum ein genialer Song! Textlich geht es hier um Typhon, einen der Söhne der Erdgöttin Gaia, der nach gescheitertem Putschversuch und Kampf gegen Zeus in den Tartarus, die altgriechische Variante der Hölle verbannt wurde.
Der zweite Song der Lemuria heißt „Uthark Runa“, hierbei geht es um eine alte, nordische Runensprache. Der Song selbst beginnt wiederum recht druckvoll, nur erzeugen hier nicht die Gitarren, sondern der Stakkatoartige Snare-Sound den Druck. Nach dem Intro folgt ein von den Harmonien her absolut göttlicher Chor-Part, der in diesem Stück die Strophe bildet. Der Refrain wurde vom Mats Levèn, einem der vielen Gastmusiker, gesungen, dessen klare, eher im Bereich Power-Metal anzusiedelnde Stimme einen klasse Kontrast zum Chor bildet. Ich habe selten ein so dermaßen (entschuldigt den Ausdruck) geiles Riffing, selten einen so perfekten Song gehört wie diesen. Ohne zu viel vorweg zu nehmen oder die anderen Stücke herabwürdigen zu wollen: Uthark Runa ist der meiner Ansicht nach das absolute Highlight auf diesem Doppelalbum,.schlicht der beste Song, und eines der genialsten Werke die ich je gehört habe.
Song Nummer drei und vier, „Three Ships of Berik Part I: Calling to Arms and Fighting the Battle“ und „Three Ships of Berik Part II: Victory!”, bilden thematisch eine Einheit, hier geht es um die Invasion der Goten ins römische Reich, und den Seeweg dorthin unter der Flagge ihres Anführers Berik. Part I beginnt mit dem Leitmotiv der Gotischen Armee, einem der typischen Bombastmotive Therions, gefolgt von einem kurzen Chor- und einem Growl-Part von Mr. Johnsson. Dann tritt wieder das Leitmotiv zum Vorschein, wiederum gefolgt von einem Chor- und einem Growlpart. Den Abschluss bildet wieder das bombastische Leitmotiv. Part II dagegen ist nur ein sehr kurzes Instrumentalstück, der Triumphmarsch der Gotischen Armee.Beide Stücke sind ein klassisches Beispiel für den Bombastmetal Therions, grade der Einsatz des Orchesters beim Leitmotiv und beim Triumphmarsch überzeugt, und zeigt gleichzeitig dass Chistofer Johnsson in den drei Jahren sein eh schon klasse Songwriting noch weiter verbessern konnte.
Der Titeltrack der Scheibe, „Lemuria“, ist Track Nummer fünf, inhaltlich steht hier die Saga um den untergegangen Kontinent Lemuria im Mittelpunkt, ähnlich der Saga um Atlantis. Die wunderschöne Halbballade, bei der der ehemalige Therion-Drummer Piotr Wawrzeniuk die Lead Vocals übernimmt, beginnt mit einer ruhigen Akustikgitarre, und einem bezaubernden Alt-Solo und geht dann in einen Chorteil über, bevor Piotr Wawrzeniuk mit einer herrlichen, klaren, melancholischen Stimme den Refrain singt. Lemuria ist eines der absoluten Highlights der Scheibe, die Melodien sind einfach nur herrlich, die Texte über jeden Zweifel erhaben, einfach ein fantastisches Stück.
„Quetzalcoatl“ heißt Track Nummer sechs, hier erwartet einen gewohnte Therion-Qualität, solider Bombastmetal mit einem tollen Gitarreriff, aber nichts weltbewegendes. Mats Leven übernimmt wieder die Lead-Vocals
Ähnlich verhält es sich mit dem nächsten Stück, „The Dreams of Swedenborg“, Nummer sieben in der Reihenfolge. Wie Quetzalcoatl grundsolide, aber nichts wirklich bemerkenswertes, einzig der tolle Gesang von Piotr Wawrzeniuk bleibt mir als echtes Highlight im Hinterkopf hängen.
Track Nummer acht, „An Arrow from the Sun“ dagegen ist wieder eine absolut herausragende Halbballade, hier begeistern drei Solosänger (Sopran, Alt, Bass) in den Strophen und die wunderschöne Melodie. Inhaltlich geht es um den altgriechischen Priester und Heiler Abaris.
Das neunte Stück der Lemuria, „Abraxas“ lässt sich in eine Reihe mit The Dreams of Swedenborg und Quetzalcoatl stellen. Vielleicht ist Abraxas etwas härter als die beiden anderen Stücke, aber ansonsten bleibt nicht viel zu sagen.Abraxas ist der Song der mir persönlich noch am wenigsten auf der Lemuria zugesagt hat, aber er bleibt trotzdem ein klasse Werk, das nur leider in noch höherklassigeren Stücken etwas untergeht.
Den Abschluss der Lemuria bildet das grandiose Bombast-Werk „Feuer Overtüre / Prometheus entfesselt“, ein Tribut Johnssons an seinen Lieblingskomponisten Wagner. Das Stück ist für eine Wagner-Adaption recht hart, und besticht hierzulande vor allem durch die deutschen Texte. Johnsson behandelt hier inhaltlich die Geschichte des Prometheus, nach der altgriechischen Sage der Kulturstifter der Menschheit, der Zeus mehrfach getäuscht hatte und zur Strafe von ihm mit unzerstörbaren Ketten an einen Berg im Kaukasus gekettet wurde, wo ihm jeden Tag aufs Neue ein Adler die nachwachsende Leber ausriß. Insgesamt ein absolut würdiger Abschluss der Lemuria.
Fazit der Lemuria: Genial, majestätisch, bombastisch, wunderschön. Das sind die Adjektive die mir spontan einfallen um den Gesamteindruck dieses Meisterwerks zu beschreiben. Jeder Song für sich ist klasse, zusammen bilden sie Therions Meisterstück, das sie glaube ich nie wieder überbieten können. Nach den eher gesetzteren Alben Vovin und Deggial hat man sich die Kritik der Fans zu Herzen genommen und ist wieder einen Schritt Richtung des bisherigen Meisterwerks „Theli“ gegangen, ohne aber kopierend zu wirken. Lemuria stellt für mich die perfekte Symbiose aus Klassik und Metal da, wer sich mit dem etwas eigenwilligen Stil von Therion anfreunden kann und hier nicht zugreift, dem ist nicht zu helfen. Um zehn von zehn Punkten komme ich kaum herum.
Anspieltipps: Eigentlich ist es kein Song wert ausgelassen zu werden, aber wenn es unbedingt sein muss: Uthark Runa, Lemuria, Typhon.
Sirius B
Weiter geht es mit der zweiten CD, mit Namen Sirius B. Der Opener „Blood of Kingu“ beginnt ruhig, mit einem leisen Geigensolo, um sich dann über die volle Orchesterbreitseite zu einem Stück zu steigern das (zumindest was den Refrain angeht) ohne Probleme von Bands wie Stratovarius stammen könnte, was man wohl am Gesang von Mats Leven festmachen könnte. Die Strophen werden von einem weiblichen Chor sowie dem schnellen, druckvollen Schlagzeug dominiert, insgesamt ist der Song einer der schnellsten und härtesten dieses Albums, leider nicht von solcher Klasse wie der Opener der Lemuria, Typhon.
Der zweite Track, „Son of the Sun“, macht da weiter wo Blood of Kingu aufgehört hat. Wenig Orchester, dafür dominiert von Gitarren und durchgehendem Chorgesang. Meiner Meinung nach eines der besten Stücke der Sirius B, die Melodien gefallen mir klasse, und der Chor leistet ganze Arbeit. Inhaltlich geht es um einen Pharao im alten Ägypten, der sich zum Sohn des Sonnengottes Re erklärt hat, und jetzt die Rache der Götter fürchten muss.
„The Khylsti Evangelist“ heißt Stück Nummer drei, und beginnt mit einem gregorianischen Gesang auf Russisch (!), bevor der Übergang zu einem wiederum recht harten Metal-Stück kommt. Die Lead Vocals übernimmt hier wieder Mats Leven, den wir schon aus Blood of Kingu, Uthark Runa und Abraxas kennen. Der Song selbst ist klasse, rockt ordentlich mit nem schönen Gitarrensolo, und ich mag den Gesang von Mats Leven irgendwie. Hier geht es um Rasputin, den russischen Wunderheiler, Mönch und Berater des Zaren, sowie seine Verbindungen zur Khlysti-Sekte.
Song Nummer vier, „Dark Venus Persephone“, fällt dagegen wieder in dieselbe Sparte wie Abraxas, Quetzalcoatl und The Dreams of Swedenborg: Gute, solide Arbeit, aber nichts besonderes, der Song will und will sich einfach nicht in mein Gehirn fressen, sobald ich ihn gehört hab hab ich die Melodie auch schon wieder vergessen. Doch das ändert nichts daran dass dieses Chor- und Orchesterbetonte Midtempo-Stück trotzdem gut ist.
Die beiden folgenden, zusammengehörigen Tracks, „Kali Yuga Part 1+2“, bilden ein weiteres Highlight der Sirius B. Beide mit einem orientalischem Touch angehaucht, und dem selben Thema (die Hindu-Göttin Kali), sind doch völlig unterschiedliche Songs. Part 1 ist drei Minuten lang und relativ langsam, ist aber doch vor allem am Anfang von Gitarren, in den Strophen eher vom Bass dominiert. Part 2 dagegen beginnt in fast dem doppelten Tempo, sehr druckvoll mit einer schönen Gitarrenmelodie und einem sehr dominanten Schlagzeug, in den Strophen übernimmt der Chor den Gesangspart, der Refrain gehört (in Teilen) mal wieder Mats Leven. Insgesamt bilden beide Songs, vor allem der geniale Part 2 eines der absoluten Highlights der Sirius B, wirklich sehr zu empfehlen.
„The Wondrous World of Punt“ bildet einen krassen Gegensatz zum schnellen Kali Yuga Part II. Am Anfang vernehmen die überraschten Ohren einen nur von einer Orgel begleiteten Chorpart, man fühlt sich unweigerlich an Kirchenmusik erinnert, doch der Eindruck wahrt nicht lange. Nach ungefähr einer Minute setzt die Orgel aus, an ihre Stelle tritt eine Akustikgitarre und bildet den Anfang einer der schönsten Balladen die mein Ohr je vernommen haben. Gesanglich gibt’s hier eine einzige, siebenminütige Chordarbietung, zwei Minuten vor Schluss wird’s dann aber ein wenig schneller, hier kommen dann die üblichen Metal-Elemente hinzu, doch dies wirkt in keinster Weise störend, sondern ergänzt diesen tollen Song um eine weitere Komponente.
Track Nummer acht heißt „Melek Taus“, und ist ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen das meiner Ansicht nach schwächste Stück dieses Doppelalbums. Ohne Frage ein guter, solider Song, doch er hat irgendwie nicht die Klasse die z.B. Uthark Runa oder Kali Yuga Part 2 ausmachen. Der Refrain mit dem Baß-Chor gefällt mir irgendwie nicht, und die Melodielinie weigert sich standhaft sich in mein Gehirn zu brennen, obwohl mir vor allem die Gitarrenriffs ausgesprochen gut gefallen. Das Ende wirkt auf mich völlig unmotiviert, der Sound fällt einfach ab als wenn man einen Fernseher ausschalten würde. Alles in allem meiner persönlichen Ansicht nach der schwächste Song.
Nach dem Schwachen muss allerdings irgendwann wieder etwas Starkes kommen, und das ist auch prompt der Fall. Willkommen bei „Call of Dagon“, dem neunten und gleichzeitig besten Stück der Sirius B. Eingeleitet wird es von einem göttlichen Orchesterpart, der sich im Laufe des Stückes immer wiederholt, der Gesang ist über jeden Zweifel erhaben, die Melodien sind genial. Kurzum das beste was diese Scheibe zu bieten hat.
Der Titeltrack der Scheibe, „Sirius B“, ist dagegen wieder etwas völlig anderes. Ein sehr atmosphärischer, mysterioser Song, in dem das Orchester, und dort vor allem die Violinen dominieren. Der Gesang besteht eigentlich nur aus einem männlichen Chor der immer wieder die Worte „Po Tolo“ (der Name des Sterns Sirius B in der Sprache der Volksstammes der Dogon) wiederholt. Mutet zuerst seltsam an, aber passt hervorragend und bringt noch mehr Abwechslung in das Album als eh schon dort ist. Insgesamt eines der besseren Stücke, auch wenn es nicht an Call of Dagon ran reicht.
Mit „The Voyage of Gurdjieff (The Fourth Way)“ endet die Sirius B, und dieses Stück bildet einen durchaus würdigen Abschluss, auch wenn es nicht so im Gedächtnis bleibt wie die Feuer Overtüre auf der Lemuria.Es beginnt sehr langsam, mit einem Solo-Tenor mit Orchesteruntermalung, um sich dann urplötzlich zu einem der schnellsten Songs, wenn nicht sogar zu dem schnellsten der Sirius B zu steigern. Die Doublebass ist in den vom Chor getragenen Gesangsparts immer präsent, das Gitarrensolo ist klasse, auch der ruhige Part am Ende passt. Ein tolles Stück, und wie eingangs erwähnt ein durchaus würdiger Abschluss, aber wird von seinem direkten Konkurrenten auf der Lemuria um Haaresbreite geschlagen.
Fazit der Sirius B: Für die Sirius B gelten in etwa dieselben Adjektive wie für die Lemuria, nur nicht in ganz so starker Form. Mir persönlich hat die Lemuria etwas mehr zugesagt, was eventuell an der etwas stärkeren Betonung der Metal-Elemente auf der Lemuria liegen könnte. Doch das soll dieses Meisterwerk in keinster Weise herabwürdigen, wenn die Lemuria nicht wäre würde ich jetzt dieselben Worte über die Sirius B verlieren. Für mich neuneinhalb von zehn Punkten, weil ich zu einigen Stücken noch nicht so wirklich Zugang gefunden habe.
Anspieltipps: Wie bei der Lemuria eigentlich alle, wenns unbedingt sein muss: Call of Dagon, Kali Yuga Part 2, Son of the Sun.
Gesamtfazit:
Tja, Therion haben einen etwas eigenwilligen Stil, doch wer sich mit dem anfreunden kann hat verdammt noch mal die Pflicht hier zuzugreifen. Johnsson bedient alle möglichen Stile, geht durch etliche Mythen und Sagen, hier sollte eigentlich für jeden etwas dabei sein. Solange die erste Editon noch auf dem Markt ist kann man hier über einhundert Minuten Musik der Extraklasse zu einem geradezu lächerlichen Preis erwerben, wer die Gelegenheit verstreichen lässt ist selber schuld. Sollten beiden Alben getrennt veröffentlicht werden, und man hat nur Geld für eine von beiden rate ich eher zur Lemuria, zu ihr bekommt man leichter Zugang als zur Sirius B, und sie ist auch etwas Metalbetonter. Wer Therion mag hat eh schon beide, allen anderen sei geraten zumindest einmal Probe zu hören.
Gesamtwertung: 10/10