Es war ein kalter, regnerischer Novemberabend ... ups, falsche Geschichte ...
Sie hätten es fast nicht mehr zurück zur Gruft geschafft. Es war in der Tat kein vereinzelter Todesfürst, der ihren drachengesichtigen Freund niedergewalzt hatte, sondern ein große Horde, die sich über die ganze Gegend verteilt in diesem Gebiet aufhielt. Sie griffen die Totenbeschwörer in kleinen Pulks von zweien oder dreien an und versuchten, ihre Gruppe aufzuspalten und dann die Absprengsel niederzumachen. Glücklicherweise schienen sie nicht mitbekommen zu haben, auf welche Weise die Nekromanten angekommen waren, denn sie zeigten keinerlei Absicht, sich der Gruft zu bemächtigen. Aber sie zwangen durch ihre kontinuierlichen Attacken die Reisenden einen Umweg zu nehmen, da sie größeren Gruppen Todesfürsten ausweichen mußten.
Um nicht so schnell entdeckt zu werden, verzichteten die Necs darauf Skelette zu erschaffen oder besiegte Feinde wiederzubeleben. Je kleiner die Gruppe, desto größer die Aussicht, unbemerkt durchzuschlüpfen. Im direkten Kontakt mit den Monstern setzten sie ganz auf ihre Flüche und die Macht ihrer Knochenzauber, um sich der Monster schnell und sauber zu entledigen. Ihr toter Kamerad erwies sich dabei als unerwartete Hilfe. Er konnte als Scout die Umgebung auskundschaften und die Gruppe rechtzeitig über den seherischen Nec warnen, so daß sie nie in Hinterhalte liefen bzw. ihre Angriffe, wo es nötig war, rechtzeitig vorbereiten und dann mit aller Macht zuschlagen konnten. Dennoch war es knapp. Mehr als einmal hätten sie fast ein weiteres Mitglied ihrer Truppe verloren.
Schließlich gelang es ihnen, sich mit knapper Not zur Gruft durchzuschlagen und die Tür hinter sich zuzuschlagen - verfolgt von einer beachtlichen Meute Todesfürsten. Während ein Teil der Reisenden versuchte, die Tür geschlossen zu halten, bereitete ein anderer Teil den Sprung vor. Das war gar nicht so leicht, denn die Todesfürsten, die den Geräuschen nach zu schließen inzwischen Verstärkung von weiteren Monstern bekommen hatten, konzentrierten sich nicht mehr nur auf die Tür, sondern versuchten auch, auf anderem Wege in die Gruft zu gelangen, so daß der ganze Raum bebte und zitterte, was die Konzentration erheblich erschwerte. Die Lage wurde immer verzweifelter, als der Zauber ansprang und die Gruft aus der Reichweite der Monster entwich.
Aber das Zittern und Beben hörte nicht auf. Die Gruft war eindeutig unterwegs, denn das Schreien und Brüllen der Todesfürsten war verklungen, und auch das vertrauten Gefühl zu fallen war von allen zu spüren. Dennoch bockte und schüttelte sich die Gruft weiterhin, machte heftige Schlenker, so daß die Insassen gegen Wände und Mobiliar geschleudert wurden, und drohte ein oder zweimal sich gar ganz zu überschlagen. Doch schließlich kam sie wieder zu Ruhe, und auch das Gefühl zu fallen verlor sich. Man war angekommen - wo auch immer.
Nachdem sich die Reisenden gesammelt und die gröbsten Verletzungen verarztet hatten, gingen sie zur Tür und öffneten sie vorsichtig. Kein Todesfürst weit und breit war mehr zu sehen. Die Gruft war augenscheinlich am Rande eines kleines Dorfes gelandet, das sich an Rand eines großen, klosterartigen Komplexes schmiegte, dessen Kirche alle anderen Gebäude überragte. Ein Bach floß am Dorf entlang und spaltete sich an einer Stelle auf, um eine Insel umfließen, auf der eine kleine Hütte stand, aus deren Schornstein Rauch quoll. Direkt vor ihnen saß ein älterer, offensichtlich trotz der frühen Tageszeit schon ziemlich angetrunkener Mann auf dem Boden. „Isch habe ... *hicks* ... isch habe alles gesehn!“ lallte er, „isch habe gesche ... gesehen, wie ihr aus dem Nichts aufgetankt ... auftgetaut ... ... erschienen seid. Wieder ein paar Dumme, *hicks* die ihr Glück in der Kirche versuchen wollen. Aber Farnham wird da nicht mitmachen, oh nein, nie wieder wird Farnham in die verfluchte Kirche hinabsteigen.“ Der Rest seiner Rede verlor sich in einem undeutlichen Gemurmel.
In einiger Entfernung war der Marktplatz des Dorfes zu erkennen. Alle Gebäude gruppierten sich um einen großen Brunnen. Hinter dem Brunnen war die Dorfschmiede, in der der Schmied gerade am Amboß hämmerte. Direkt daneben war ein Gasthaus, wie man am Geräusch von Flaschen und Bechern hören konnte, das aus dem Inneren drang. Über der Tür gab es wohl auch einmal ein Schild, aber nun war nur noch eine leere Stange übrig, das Wirtshausschild selbst war verschwunden. Am Brunnen saß ein alter Mann und genoß mit geschlossenen Augen die warme Sonne.
Die Reisenden standen wie erstarrt. Schließlich sprach der erste: „Es ist unmöglich, ich weiß, aber ich bin mir völlig sicher, daß der Schmied dort drüben Griswold ist - bevor er von den dämonischen Mächten in einen Untoten verwandelt wurde.“ „Und dort am Brunnen,“ sagte ein zweiter, „das ist Cain - aber jünger als ich ihn in Erinnerung habe.“ „Ich werde hinlaufen und ihn fragen.“ erklärter ein dritter und setzte sich langsam in Bewegung. „Ähm ... wolltest du nicht hinlaufen?“ fragte der zweite. „Ich versuche es ja.“ entgegnete der Gefragte, „Aber irgendwie habe ich keine Ahnung mehr, wie man überhaupt läuft.“ „Kinder, es ist kein Zweifel mehr möglich.“ ließ sich nun der erste wieder vernehmen, „dies hier ist Tristram vor seiner Zerstörung. In dem Chaos unserer Flucht haben wir diesmal nicht nur einen Sprung durch den Raum, sondern auch durch die Zeit gemacht.“
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