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Trang-Ouls Triumph [Ich denke, also bin ich: Teil 5]

Mit dem Kerle gehts ja stetig bergab, die reinste Seelenschleuder der Käfig. Ich hätte ja eher mit Succubi gerechnet, aber blitzend donnernde Seelen sind natürlich auch ein feines Wetterchen. Fragt sich, ob Dorelem mit seinem Panzer und nötiger Erdung als Blitzableiter aushelfen darf - wobei der Fußweg wohl doch ein wenig mit eisiger Flur und Rauhreif überzogen sein dürfte und dem dann einen Strich durch die Rechnung macht.

Die Wetterlage passt btw. ganz gut zum momentanen Ski-Urlaub; komme gerade von der Piste. Die nächsten Tage dann wohl doch besser auf die Blaue anstatt direkt wie heute die Rote ansteuern. Ich hab öfter auf dem Hintern gesessen, als das ich Pirouetten drehen konnte. *hust* ^^

Anyway, gewohnt spannend bis zum Schluss. Und so abgehackt ist das Ende nun wirklich nicht - einfach nur ne leckere Zitronenscheibe auf der Suche nach Salz und Tequila zur Vollendung.

greetZ - Kicher
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Zuletzt bearbeitet:
Ich finde es super wie du den "Abstieg" vom General darstellst, er verliert immer weiter seine Menschlichkeit und wird scheinbar mehr und mehr zu dem was er zu bekämpfen versucht. Das könnte alles zu einem SEHR finsterem Ende der Geschichte führen. Spannend!! Mach weiter so :)
 
Wann geht's denn mal weiter hier? ;)

Hab in den letzten 3 Wochen wiedermal die Teile 1-4 durchgelesen, zum zweiten Mal. Es liest sich schon ganz anders wenn man den Fortlauf der Geschichte bereits kennt. Gibt's den fünften Teil, oder das was davon bislang existiert, auch als PDF?

Und schreib ja hier weiter, hab grad gesehen dass Trang-Ouls Triumph bereits seit zweieinhalb Jahren läuft :eek:. Wann kommt das nächste Update :angel:?

Grüsse
lordwigham
 
Heute! Ich war halbdienstlich in Straßburg, und die lange Zugfahrt war mal wieder genau, was ich gebraucht habe. Wir nähern uns mit Riesenschritten dem Ende - ich denke, ich bin locker über die Hälfte des Aktes heraus, es geht von jetzt an wirklich Schlag auf Schlag.

PDF dürfte es wie üblich in der d2library geben, ich schicke librarian immer noch regelmäßig die neuste Version, die er dann hochlädt. Link im OP.

Viel Spaß erst mal hiermit ;).
 
Kapitel 30 – Die Geisel des Ältesten






Ich bin im Epizentrum von geschätzt zehn Blitzschlägen. Es ist schwer zu beurteilen, da ich mir meiner Sinne nicht besonders sicher bin. Wie einen Schwall aus abwechselnd eiskalter und glühend heißer Säure spüre ich die Elektrizität über mich hereinbrechen, von meinen Extremitäten und dem Kopf an bis hinunter in die Füße, wo sie sich vermutlich in dem überfrorenem Boden entlädt. Das Gefühl ist wirklich nicht angenehm. Meine Sicht verschwimmt, als wäre die Magie, welche sie mir verleiht, kurzzeitig überlastet. Ebenfalls habe ich das Gefühl in meiner...Haut...verloren, bin auf das leitende Metallskelett reduziert, meine Ton- und Feueranteile existieren nicht. Aber ich glaube, sie sind noch an mir dran.
So bin ich auch sehr unsicher auf dem Sohlen. Meine Bewegungen sind klobig, weil ich instinktiv überrascht bin, wie schwer meine Arme und Beine sind, obwohl sie sich doch so schlank anfühlen. Eher zufällig stolpere ich aus der Barrage, gleichzeitig endet sie aber auch, da die Blitzschläge von den Seelen nicht konstant aufrecht erhalten werden können. Gah.
Allerdings...das war schmerzhaft, aber eigentlich nicht lebensbedrohlich! Und das Problem sollte sich eigentlich bald ohnehin in Luft auflösen. Die Magier feuern eine konzentrierte Salve, und ein weiterer Angreifer vergeht.
Da konzentriert sich die Antwort auf unsere Fernkämpfer statt auf mich...und der Meister hat sie nicht besonders weit auseinander gezogen. Die Blitze fahren in die Knochen, und überraschenderweise dringen sie hinein statt harmlos vorbei zu gehen, die Skelette zucken unkontrolliert, es knirscht, staubt und sie sind zerstört.
Nach diesem Gegenschlag verschwimmen die Seelen wieder, reduziert auf schwer zu erkennendes Luftflimmern, und zischen hin und her. Mein Blickfokus tut das gleiche, aber ich verliere sie immer wieder aus den Augen...sie scheinen aber konstant auf der anderen Flussseite zu bleiben, und wir haben nur noch mich, um dorthin feuern zu können!
Dann tu es doch, um Diablos Willen!
Bin doch schon dabei! Aus jeder meiner Hände fliegt ein Feuerball, und immerhin einer trifft, zerstört die Seele aber nicht sofort. Sie wird aber sichtbar, hält inne...und ein Knochenspeer vernichtet sie.
Ein halbes Dutzend Blitze schlägt in den Meister ein. Es fegt ihn glatt von den Beinen, er schlittert über den Boden, fast in das eiskalte Wasser, aber er fängt sich an einem Stalagmiten. Zieht sich wieder hoch, die Zähne zusammengebissen...etwas unsicher auf den Beinen. Er zaubert seine Knochenrüstung neu, die ihn offenbar vor dem schlimmsten geschützt hat. Die Seelen arrangieren sich neu. Ich zerstöre eine weitere. Aber ich bin zu langsam. Wenn er zu oft getroffen wird...!
...Moment. Wenn er ein Schwert in den Magen bekommt, stirbt er. Wenn ihn eine Axt köpft, auch. Die Blitze hingegen...
Mein nächster Feuerball geht knapp daneben.
Soll ich das Zielen übernehmen?
Sie bewegen sich ein wenig unberechenbar!
Der Meister gestikuliert in die vage Richtung der Angreifer. "Jetzt beweg dich! Wenn du zu blöd zum Feuerwerfen bist, dann mach es per Hand!"
"Ich geb mir alle Mühe!", lüge ich. Dem Befehl folgend stürme ich auf die nächste Seele zu...und rutsche auf dem Eis an ihr vorbei.
Was machst du da?
Die Seele gibt einen weiteren Schuss auf den Meister ab. Seine Knochenrüstung wird kurzzeitig undurchsichtig, als die Elektrizität sich auf ihr verteilt...dann bricht sie, fährt in seine Metallrüstung und er zuckt unkontrolliert, als seine Muskeln sich verkrampfen.
Meine Klaue zerreißt das Ektoplasma. Zu langsam!
Der Meister hält sich gerade noch auf den Beinen...und bei Bewusstsein.
Die nächsten Seelen sind auf der anderen Seite des Flusses...aber manche sind uns näher gekommen als gut für sie ist.
Gegen die am anderen Ufer kann ich nichts tun...
Warum nicht? Wir machen das Feuer aus, schwimmen hindurch und entfachen es wieder! Sonst kommst du doch auf die einfachen Lösungen?
Wir sind schneller bei diesen Seelen.
Aber sie sind schneller beim...
Plötzlich gruppieren sich drei von ihnen um den Meister. Möchten sie ihn...kann er das überleben?
Stell keine sinnlosen Fragen, mach was!
Ich laufe voran, lasse einen kleinen Flammenkegel los und zerstöre die Seele, die mir am nächsten ist.
Die Luft beginnt wieder zu knistern...
Wir haben noch Zeit für die anderen beiden!
Nein...haben wir nicht.
Bist du des...
Oh.
Oh, jetzt verstehe ich.
Du willst, dass er durch die Blitze bewusstlos wird...und dann?

Kann er endlich diese infernalische Rüstung ablegen!
Das werde ich nicht zulassen!
Ich verschränke die Arme.
Und wie du das wirst!
Du vergisst eine Sache...
Meine Arme entschränken sich. Nein! Ich gebe dir keine Kontrolle!
...aber unser Körper entspricht absolut meinem altem. Es passt...wie ein Handschuh.
Der Zweite hebt die Arme, lädt Feuerbälle in die Handflächen. Wenn er sie jetzt abfeuert, kann er die Seelen aufhalten. Und meine Chance...vielleicht meine letzte...ist vertan!
Du wirst mir sie nicht nehmen!
Versuch doch, mich aufzuhalten...
Nur ein Versuch?
Ich balle die Fäuste. Die Feuerbälle verschwinden.
Mein Körper. Meine Regeln. Mein Leben.
Unmöglich!

Wir töten die Seelen nachdem sie den Meister...
Dessen Arme schießen nach oben. Aus jedem löst sich einer seiner eigenen Feuerbälle, und die Seelen vergehen.
Nein...!
Ha!
Aber es gibt noch die Seelen am anderen Ufer!
"Was stehst du so rum...", krächzt der Meister dunkel.
Ich war zu lange geschockt davon, dass der Meister sich retten konnte; der Zweite entreißt mir die Kontrolle über die Stimme.
"Meister, es gibt noch Gegner dort drüben!"
Er stolpert einen Schritt auf mich zu. Fällt fast um, aber packt mich stattdessen an den Schultern.
Will er mich in die Schussbahn drängen? Aber...ich leite!
Er zieht mich ganz nah an sich heran, sodass ich sehen kann, wie in seinem Gesicht durch die Blitzschläge mehrere Adern geplatzt sind.
"Ich weiß", spuckt er.
Die Nahkampfskelette, welche er offenbar schon zu Beginn des Kampfes losgeschickt hatte, brechen aus den Fluten des eisigen Flusses hervor und überraschend die Seelen gegenüber von uns; sie werden vernichtet, bevor sie etwas tun können.
Ich spüre, wie eine Verzweiflung mich packt, die kälter ist als die Umgebung hier je sein könnte.
"Keine brilliante Vorstellung von dir", brummt der Meister.
"Ich habe im Sumpf schon einmal gegen diese Gegner gekämpft", entschuldige ich mich lahm. "Sie sind enorm gefährlich."
"Dann hättest du wissen sollen, was zu tun ist."
Wenn der Zweite ihm jetzt verrät, was ich vorhatte...
Ich werde mich hüten. Deine Narretei fällt genauso auf mich zurück, solange wir uns diesen Körper noch teilen...
Planst du, etwas daran zu ändern?
Ich nicht. Der Meister schon.
Wir begegnen bald einem weiterem Seelennest, aber ich versuche nicht erneut, den Meister betäuben zu lassen; der Zweite, das spüre ich, ist auch hochkonzentriert und sofort bereit, mich aufzuhalten. Offenbar könnte ich ihn durchaus abschütteln, aber dann kann ich sonst nichts tun. Und wie ich längst weiß, ist der Meister absolut hervorragend darin, eine einmal überstandene Situation beim zweiten Mal ohne Probleme zu meistern.
Das ist auch jetzt der Fall. Die Seelen überraschen uns nicht einmal, er zielt selbst mit auf sie und selbst ohne Magier – da wir ja keine Leichen zur Verfügung haben – sind sie vernichtet, bevor sie auch nur einen Blitz auf ihn landen.
Und so erreichen wir ohne größeren Aufwand das offenbare Ziel unserer Reise.
"Herzlich willkommen", grüßt Nihlathak jovial. Er lehnt mit verschränkten Armen an einem Eisblock, der schlank vom Boden aufragt, auf einer größeren Insel im Fluss, die man über eine recht enge natürlich gewachsene Felsbrücke erreicht.
Es stößt mir seltsam sauer auf, dass der Meister tatsächlich Recht hatte.
"Sehr erfreut", gibt dieser müde zurück. "Wie lange möchtest du Nettigkeiten austauschen, bis wir zum Punkt kommen? Hast du Kaffee vorbereitet?"
"Ich hatte gehofft, du würdest dir Wasser dafür von den Seelenblitzen vorheizen lassen, General. Zu schade, dass du letztlich nur lauwarm hier ankommst."
"Einen solchen Empfang bin ich ja gewohnt. Also noch einmal...wir wissen beide, was wir voneinander wollen, nicht wahr? Aber ich sehe, du warst noch nicht einmal anständig genug, deinen Teil mitzunehmen."
Nihlathak wackelt mit dem Finger. "Ah, aber dann wäre ich doch närrisch, nicht wahr? Könntest du mich doch einfach ermorden und dich damit davon machen. Stattdessen bin ich schlau und warte auf deinen Beitrag, den du natürlich erbringst, sonst würdest du es ja gar nicht so weit schaffen. All deine Macht ist doch nur geliehen – es wird Zeit, dass sie ihren rechtmäßigen Besitzer erhält."
"Es wird Zeit, dass sie vervollständigt wird, wohl eher..."
"Himmel, geht ihr beide mir auf den Geist!", rufe ich dazwischen. "Und ignoriert natürlich vollkommen das eigentlich Wichtige hier! Nihlathak, stimmt es denn wirklich, dass du Emund umgebracht hast?"
Er runzelt die Stirn in meine Richtung. "Ja, natürlich. Eigentlich ist es ja deine Schuld. Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast, aber irgendwie hast du einen mir loyalen Untergebenen in nur zwei Tagen dazu gebracht, mich zu verraten. Baal weiß, dass es nicht das Charisma deines Meisters gewesen sein kann, das ihn umgestimmt hat."
Meine Miene entgleitet in Zorn. "Du kolossaler Bastard! Nur, weil er mir verraten hätte, dass du die ganze Zeit einzig an Trang-Ouls Avatar interessiert warst? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich sie dir persönlich vorbeigebracht!"
"Eine seltsame Einstellung, du wirst verstehen, dass ich damit nicht rechnen konnte."
Der Meister wirft mir einen eisigen Blick und ein Kopfschütteln zu. "Wenn du schon so viel Angst hast vor der Macht des Sets, dann wirst du dir sicher eingestehen müssen, dass es in seinen Händen nicht wirklich besser aufgehoben wäre, Dorelem."
"Dann hätte ich wenigstens meinen Freund wieder!", eise ich zurück.
"Könntet ihr beide den Ehekrieg auf später verlegen, bitte? Ich versuche hier zu verhandeln!", beschwert sich Nihlathak.
"Verhandel hiermit, Mörder!", spucke ich, und werfe einen Feuerball direkt in sein Gesicht.
Hastig duckt der Älteste sich und das Geschoss sprengt nur den obersten Teil der Eissäule hinter ihm ab.
"Oh zur Hölle, das war knapp!", ruft er. "Nun schau, was du fast getan hättest!"
Die Hoffnung des Meisters auf Trang-Ouls Flügel zerstört!
Sei nicht dumm. Er kann doch spüren, wo die versteckt sind.
Aber was Nihlathak in Wirklichkeit meint...er tritt zur Seite und zeigt uns, was die Säule in Wirklichkeit ist.
Es ist ein Eisgefängnis, und darin ist Anya eingefroren. Ich habe ihren Kopf nur um wenige Zentimeter verfehlt, weil der Älteste größer ist als sie.
Durch die unregelmäßige Linse des Frosts ist ihr Gesicht grotesk verzerrt, und doch erkenne ich darauf die Angst, Verzweiflung und das Bewusstsein, verraten worden zu sein.
Nihlathak hebt abwehrend die Hände. "Ich weiß, was ihr jetzt denkt, aber sie lebt noch, keine Sorge. In Eismagie bin ich ausgezeichnet. Ihr passiert nichts außer eine leichte Unterkühlung, solange ihr tut, was ich sage."
"Und das ist, sich hier ohne Rüstung den Elementen preiszugeben, nehme ich an?", ätzt der Meister.
"Ist doch schön, so schnell zu einer Einigung gekommen zu sein", ölt Nihlathak. "Darf ich also bitten?"
"Würdest du mir noch eine Frage beantworten?", fragt der Meister höflich. Was hat er vor?
"Dir wird schneller kalt als mir, aber halte es trotzdem kurz."
"Wo hast du den Schrumpfkopf gefunden? Wie alle Barbaren wirkst du mir nicht wie jemand, der viel herumreist."
"Ich würde mein geliebtes Harrogath auch ungern verlassen! Trang-Ouls Flügel waren schon immer hier, warum hättest du etwas anderes erwartet?"
"Weil Falarom..."
Der Meister unterbricht sich. Wer zur Hölle ist Falarom?
"...da war er wohl ebenfalls heimatverbunden, der verdammte...", murmelt der Meister weiter. Nihlathak blickt so verwirrt wie ich, also ist er in dieser Hinsicht keine Hilfe. Was er mir aber durchaus beantworten kann...
"Was du getan hast, wirkt aber wirklich nicht so, als würdest du Harrogath lieben."
"All mein Tun war nur für Harrogath!", donnert Nihlathak. "Wenn schon nicht die Menschen, dann wenigstens die Stadt!"
"Ach, und den Avatar an dich zu reißen hilft der Stadt wie genau?"
"Mein Streben danach ist rein glücklicher Zufall", winkt Nihlathak ab. "Wärst du nicht gekommen, General, hätte mich die Last meiner Verbrechen auf die Dauer erdrückt. So hingegen kann ich mein rechtmäßiges Erbe antreten und überleben!"
"Das Erbe des ersten Generals? Du? Dass ich nicht lache. Diese Ehre ist ganz allein mein, deine Verbrechen mögen dich zermalmen!"
"Was könnte denn ein schlimmeres Verbrechen sein als der Mord an Emund und Anyas Entführung?", werfe ich ein.
"Denkst du, die anderen Ältesten haben sich freiwillig geopfert, um den Schutzschirm im richtigen Moment zu senken?"
"Du warst das?"
Der Meister legt den Kopf schief in was definitiv ein "also wirklich" Blick ist.
"Und du[/I] hast das gewusst?", klage ich ihn an.
"Aber natürlich", zuckt er mit den Schultern. "Der letzte Überlebende dieses grauenhaften 'Unfalls', jetzt in einzigartiger Machtposition? Ich bitte dich."
Und du hast das natürlich auch gewusst?
Geahnt, würde ich sagen. Überraschend ist es nicht.
Ich fahre ein Feuerschwert aus. "All diese Morde...nur damit du die Führung von Harrogath an dich reißen konntest? Einem winzigen Nest am wortwörtlichen Ende der Welt?"
"Meine Heimat!", donnert Nihlathak. "Für die morde ich auch. Ob es nun wilde Dämonen sind oder meine kurzsichtigen Mitältesten! Denkst du, das habe ich gerne gemacht? Niemals hätte der Schutzschirm gehalten! Baal hätte uns in kürzester Zeit überrannt! Die Schwachstellen der Barriere waren offensichtlich – ich muss es wissen, ich habe sie ausgenutzt, um die Rückkopplung auszulösen, die die anderen getötet hat!" Er reibt sich die Schulter. "Nicht ohne gewisses Risiko für mein eigenes Leben, möchte ich hinzufügen."
"Wie zur Hölle soll die Vernichtung des einzigen Schutzes von Harrogath dabei geholfen haben, die Stadt zu retten?"
"Harrogath steht noch, oder?"
Das bringt mich kurz zum Schweigen.
"Du hast wirklich versucht, in die Fußstapfen des Generals zu treten, nicht wahr?", überlegt der Meister laut. "Und einen Pakt mit Baal geschlossen!"
Nihlathak nickt knapp. "Er verschont die Stadt und bekommt dafür freien Zugang zum Weltstein. Sobald er mit ihm gemacht hat, was auch immer er vorhat, ist es in seinem besten Interesse, Harrogath auch weiter bestehen zu lassen – wir werden wie üblich unsere Aufgabe erfüllen und den Zugang zum Arreat beschützen. Für wen, ist doch letztlich egal."
"Der Schutz des heiligen Bergs ist doch kein Selbstzweck!", klage ich an.
"Ach? Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest! Hättest du die anderen Ältesten noch erleben können...es sind doch alles nur Floskeln geworden! Wir schützen den Berg, bewachen den Aufgang – wozu? Für was? Niemand könnte dir das sagen! Verstockt in ihren Dogmen sind sie geworden, ohne auch nur darüber nachzudenken[/I], was die Wirklichkeit außerhalb ihrer kleinen Stadt bereit hält! Um jeden Preis hätten sie die Front halten wollen – zwei Tage noch, dann wäre Harrogath dem Erdboden gleich gemacht worden, sie hätten den höchsten Preis gezahlt, und wozu? Sinnlos, sinnlos! Sie waren die wahren Feinde Harrogaths, und ich habe die richtige Entscheidung getroffen."
"Nur dass wir jetzt hier sind und Baal auch am Fuße des Berges ohne Probleme hätten vernichten können. Leichter sogar als jetzt den Berg hochhechten zu müssen", bemerkt der Meister.
"Vielleicht mit dem vollen Avatar. Aber da nicht du den hast, sondern ich ihn gleich besitzen werde...ich stelle übrigens fest, dass du immer noch nicht nackt bist."
"Es ist kalt hier. Besonders nach dieser langen und bemerkenswert sinnlosen Unterhaltung. Wobei ich glaube, dass sie zumindest den Zweck hatte, meinen Golem mit dem Herz aus Schmelzkäse nachhaltig gegen dich aufzubringen. Würdest du ihm bitte nun ein Flammenschwert in den Hintern schieben?"
Ich fahre selbiges aus. "Mit geringsten Hemmungen."
"Vergisst du da nicht etwas, General?", höhnt Nihlathak und deutet mit großer Geste auf Anya in ihrem Eisgefängnis. "Einen Schritt nach vorne, Dorelem, und sie stirbt darin."
Mein Schwert verschwindet.
Der Meister gibt mir einen heftigen Schlag in den Nacken, der richtig zieht.
"Lass dein Schwert da, Dorelem." Es taucht wieder auf.
"Du bist ein schöner Held, General!", ätzt Nihlathak. "Willst du wirklich ihr junges Leben gegen mein altes, wertloses tauschen?"
"Ich bin kein Held, Ältester. Greif ihn an, Dorelem!"
"Du würdest Anya nicht opfern!", keucht Nihlathak. Nein, würde ich nicht!
Aber ich beginne, mich vorwärts zu bewegen. "Ich kann nichts tun, Nihlathak!", rufe ich mit Panik in der Stimme. Anya! "Sein Befehl zwingt mich!"
Der Älteste starrt den Meister an. "Du bist wirklich gewillt, das Erbe des alten Generals anzutreten..."
"Über deine Leiche, die von Anya, und auch noch den Rest deines stinkenden Drecksdorfs am Arsch der Welt!"
Ich bin schon über die halbe Brücke vorgerückt. Mit äußester Anstrengung zwinge ich mich zu einem möglichst langsamen Gang, ständig kurz davor in Agonie zu versinken, in derem Nebel ich mich auf Nihlathak stürzen würde und Anya dabei töten.
Sein Blick schießt zwischen mir und Anya hin und her. Er wird wehmütig, als er in die offen eingefrorenen Augen der jungen Frau fällt.
Und schüttelt er den Kopf.
"Dann versucht doch, sie aufzutauen! Wenn du das hier überlebst, General...dann finde mich und versuch doch, dir den Schrumpfkopf zu holen!"
Mit einer Geste öffnet er ein rotes Portal.
"Bring ihn um, Dorelem!", brüllt der Meister. "Schnell!"
Ich haste nach vorne, jetzt ebenfalls mehr als bereit, ihn aufzuhalten, aber da stolpere ich über ein ungesehenes Loch im Boden, als würde dieser sich unter mir aufbäumen. Der Älteste ist hindurch, das Portal verschwindet, und ich bin allein mit Anya auf der Insel im eiskalten Fluss.
Anya!
Ich stemme mich hoch, aber meine Hand versinkt im...weichen...Fell?
Mit einem gewaltigen Brüllen explodiert etwas unter mir, schleudert mich nach oben, und bevor ich wieder landen kann, erwischt mich ein gewaltiger Arm, und nur einen halben Meter am Meister vorbei fliege ich, bis eine Wand meinen Flug bremst. Eissplitter landen auf mir, als ich hinfalle. Mein Metallskelett knarzt, als ich es wieder geradezubiegen versuche.
Die Insel ist vor kurzem ausgehöhlt worden, nur ein kleiner Rand aus Fels und Eis hält noch das Wasser davon ab, in das Becken zu fließen. Darin hatten sich bis gerade eben schneeweiße Ungeheuer zusammengerollt, die sich nun eines nach dem anderen entfalten. Sie erinnern mich stark an Gargantuas, bis auf die Fellfarbe; ein weiteres Monster, das Baal nur von seinen Brüdern kopiert hat. Schultern breiter als sie hoch sind – und das ist schon über zwei Meter – der Kopf irgendwo mitten in diesem Muskelwulst verortet, und Pranken gut dreimal so groß wie der winzige Schädel.
"Na großartig, auch das noch. Färbe sie auf rot und schwarz um, ja?"
"Du kannst es ja einmal versuchen, Golem", knurrt eines der Monster. Er ist noch ein wenig massiver als die anderen und sein Fell glänzt in unnatürlichem Blauschimmer.
"Warte kurz", hebt der Meister die Hand. "Mit wem haben wir denn hier die Ehre?"
"Ich bin Froststein", erklärt der Held. "Ich werde dir den Kopf abschrauben und aus deiner Metalldose trinken."
"Lieblich", gibt der Meister zurück. "Ich werde dann mal wieder meinen Golem auf dich hetzen."
"Moment", unterbreche ich jetzt. "Hast dich Nihlathak wirklich gerade gezwungen, bis nach unserem...Gespräch als Fußabstreifer zu dienen? Das kann dir nicht gefallen haben."
"Hat es nicht", gibt der Gigant zu.
"Zwingt dich Baal etwa, mit ihm zusammenzuarbeiten? Weil Nihlathak zumindest im Moment euer Verbündeter ist?"
"Ich stelle keine Fragen."
"Ja, aber pass auf", erkläre ich mit großer Geste, als ich etwas näher herantrete – falls das hier schief läuft, muss ich zwischen ihm und dem Meister stehen. "Zwei Dinge. Erstens, Baal wird Nihlathak ohnehin bald verraten, das muss dir auch klar sein. Sobald Baal den Weltstein hat, wird er alle Menschen hier töten, und wenn es nur aus Prinzip ist. Das würdest du doch auch tun, oder? Alle umbringen?"
"Höhöhö, ja!"
"Eben. Und zweitens: wir sind viel stärker als du. Ehrlich, wir haben es bis jetzt geschafft, nicht von Monstern getötet zu werden, die dreimal so groß und stark sind wie du. Du hast keine Chance gegen uns. Aber das macht nichts! Wir wollen hier nur durch, mit einem menschlichen Eiszapfen im Gepäck, am Ende des Flusses muss ein Aufgang sein. Und dann holen wir uns Nihlathak. Den Baal ohnehin töten wird."
Froststein kratzt sich am Kinn. "Ich weiß nicht, ob ich das einfach so..."
"Nihlathak ist auf dir rumgetrampelt!"
"Ja, das ist er...", murmelt die Bestie. Ich kann die Gedanken förmlich durch seine Hirnwindungen kriechen sehen...
"Um Himmels Willen, Dorelem, jetzt bring ihn doch einfach um!", ruft da der Meister dazwischen. Ich erstarre.
"Sehr wohl, Meister!", antwortet der Zweite fröhlich, entreißt mir die Kontrolle und verteilt die Eingeweide von Froststein im Raum.
 
Langsam regt mich der General echt auf... Du stellst die ganze Bandbreite an Arschlochhaftigkeiten, die der Seelenkäfig ihm eintrichtert so "gut" dar, dass ich mehrfach liebend gerne in einem Portal vor dem General aufgetaucht wäre, um ihm einen gammeligen Fisch ins Gesicht zu schlagen und in den Hintern zu treten! :ww:
Gut geschriebene Arschlöcher machen das Lesen immer zu so einem masochistischen Vorhaben... Ich hoffe nur, der General kommt am Ende wieder zur Vernunft und schämt sich gehörig!
 
Der General ist wohl ein A.., aber mal ehrlich: ich habe auch noch nie versucht, mit Froststein diplomatisch zu verhandeln.

Ansonsten:
"Und du[/I] hast das gewusst?", klage ich ihn an.
+
Verstockt in ihren Dogmen sind sie geworden, ohne auch nur darüber nachzudenken[/I], was die Wirklichkeit außerhalb ihrer kleinen Stadt bereit hält!
 
Mir ist das selbe durch den Kopf wie Zitronenfalter, der General ist ein Riesenrindvieh in diesem Käfig... ich warte immer noch drauf dass der die Büchse wenigstens mal kurz auszieht und wir einen Beweis dafür kriegen, dass sein Asi-Getue wirklich nur aufgrund des Sets ist.

Das Ganze ist wieder mal super geschrieben! 10 Punkte, like gegeben, ich freu mich aufs nächste Kapitel :)

€: Hey, mal ne Frage, bist du zeichnerisch auch nur halbwegs so gut wie im Schreiben? Ich würde mir nämlich gerne mal ansehen wie du dir Dorelems momentanen Körper so ungefähr vorstellst...:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Haha, ich kann keinen Strich zeichnen. Okay, gelogen, ich kann ganz passabel abzeichnen, aber selber entwerfen kann ich gar nix.

Natürlich hätte ich nichts gegen Fanart einzuwenden, falls sich jemand berufen fühlt :D.
 
Wollte nur einen kleinen Zufall mit euch teilen: heute in der Arbeit war mir langweilig, also hab ich das nächste Kapitel angefangen (ging ne Weile gar nix weiter...ich war ne Woche auf Konferenz in Schweden! Vorbereitungen! Nachbereitungen! Gah!).

Gerade hab ich das Lied hier zum ersten Mal gehört: Schade, wenn es in Deutschland geblockt ist, aber es heißt "The Villain Of This Story". Irgendwie passend :D...ratet, für wen.

Oh, und die Band hat am Soundtrack von dem Spiel, für das ich gerade ein Let's Play erarbeite, mitgewirkt...Sachen gibts.
 
Woo Produktivität

Die Kapitel werden in letzter Zeit etwas kürzer, aber ich finde, es passiert wirklich genug. Um genau zu sein, sind wir kurz davor, dass nur noch Schlag auf Schlag Dinge passieren. Ja, mehr als bis jetzt. Ich freu mich schon voll :D.

Bis dahin, viel Spaß hiermit!
 
Kapitel 31 – Gefühlsentscheidungen






Der Meister watet pfeifend durch einen See aus Blut auf mich zu. Ich schüttle es mir von den Klauen.
"Das war nicht notwendig."
"Aber natürlich war es das. Denkst du wirklich, er hätte uns in Frieden ziehen lassen? Abgelenkt hast du ihn gut. Jetzt mach mich sauber."
Der Zweite übernimmt dafür, lässt die Flammen um unsere Hände sanft hochzüngeln und brennt dem Meister die Rüstung frei von den Leichenteilen der gesprengten Monster.
"Können wir vielleicht wenigstens unsere Prioritäten etwas anpassen?", protestiere ich. "Wir müssen Anya retten!"
"Wir habens ja gleich", brummt der Meister, lässt den Zweiten auf noch die Stiefel erledigen, dann schreitet er zu dem Eisstalagmiten, in dem Anya hilflos eingefroren ist.
"Du hast schon ein Stück davon weggesprengt. Geht da noch mehr?"
Ich lege meine Hand so, als würde ich Anyas Wange streicheln, aber die ist Zentimeter tiefer. Erhöhe die Hitze erst vorsichtig, dann stark. Es hilft nicht.
"Das Eis ist magisch verstärkt! Die Hitze war es nicht, die es zerstört hat – wenn, dann die Explosion!"
"Hm, das ist aber reichlich unsicher. Wobei, die Kadaverexplosionen haben ihr offenbar auch nicht wirklich geschadet..."
"Ja, aber bei denen warst du ja auch vorsichtig?"
Ich will nicht, dass es wie eine Frage klingt. Tut es aber. Und erhält keine Antwort.
"Nun, da können wir wohl erst mal nichts machen. Lass uns weiter gehen, Malah weiß ja, wo sie suchen muss, um Anya abzuholen", sagt er stattdessen. Ich fahre zu ihm herum.
"Ich glaub, ich spinne? Wir sind hier seit einer Minute – willst du nicht noch wenigstens ein bisschen über mögliche andere Lösungen nachdenken?"
"Zeit ist Weltrettung, Dorelem...", zuckt er mit den Schultern – und dreht sich weg.
Meine Hand schießt vor und packt ihn am Kragen. Bald darauf ist er Angesicht zu Angesicht mit mir.
Plötzlich fangen meine Finger an zu brennen, als wären sie in Säure getaucht. Seine Miene ist eine hässliche Grimasse.
"Lass mich los!"
Stattdessen packe ich ihn auch mit der anderen Hand, die ebenfalls zu brennen anfängt. Mein ganzer Körper wird von Wellen des Schmerzes durchzogen. Also rede ich schneller, während die Krämpfe mich schütteln. Das spürt er, den Druck meiner gespannten Finger. Vielleicht lässt er die Kontrolle deshalb etwas gleiten, vielleicht ist das der einzige Grund, warum ich mich nicht auflöse, der Schwärze, die an den Rändern meines Gesichtsfeld eindringt, nachgebe. Vielleicht kommt doch etwas von dem, was ich sage, zu ihm durch.
"Du bleibst so lange hier, bis du etwas unternommen hast, um Anya zu helfen! Ich habe genug von deinem Wahnsinn – ruf dir zumindest für einen Moment ins Gedächtnis, wer du eigentlich bist! Ohne diese verfluchte Rüstung würdest du keine Sekunde zögern, alles zu tun, sie hieraus zu befreien! General! Wach auf! Sonst muss ich das für dich tun!"
Seine Grimasse gewinnt an Hohn dazu. "Und wie würdest du das...?"
Meine Ohrfeige fegt ihm jeden Ausdruck aus dem Gesicht.
Bist du vollkommen...
Versuch doch, mich aufzuhalten! Versuch doch, deine Kontrolle über mich zu gewinnen! "Ihr dreckigen Verräter an der Menschlichkeit des Generals! Es reicht mir – lasst mich meinetwegen für immer in Säure baden oder bringt mich gleich um, und den Zweiten gleich mit, ich spiele nicht mehr mit!"
Ich merke gar nicht genau, wann ich anfange, laut zu sprechen.
Da landet die Faust des Generals in mir. Seine Finger schließen sich um meine Wirbelsäule, völlig unbeeindruckt ist sein Arm von dem Feuer, das herumzüngelt, keinen Widerstand bietet der Ton.
"Ich könnte dich zerreißen", flüstert er.
Der Schmerz hat aufgehört, aber nur der körperliche. In mir blüht er noch viel stärker auf. Ist es das, das Ende? Ich schäme mich...nicht, weil ich es gewagt habe, ihn anzugreifen, gegen ihn aufzustehen. Sondern weil ich die Kontrolle verloren habe, obwohl ich sie doch glaubte, gegen die Beherrschung und den Zweiten gleichzeitig zu behaupten. Wir waren fast am Ende unserer Reise, der Gipfel der Arreat ist nicht weit – und jetzt opfere ich mich in diesem sinnlosen Ausbruch? Wenn ich noch ein wenig länger durchgehalten hätte, es ein wenig länger ertragen, ein Sklave zu sein...dann hätten wir gemeinsam Baal besiegt, und er hätte nach dem Sieg Trang-Ouls Avatar ablegen können, und das Teufelsset vernichten.
Und das habe ich hingeworfen, für was?
Für Anya?
Ist sie das nicht wert?
Was denke ich? Natürlich ist sie das. Wie hätte ich mit mir leben können, wenn ich jetzt erlaubt hätte, dass der Meister sie hier im Eis zurücklässt? Sie und den letzten Rest seiner Menschlichkeit?
All das ist doch völlig egal. Wir haben nur ein Ziel, eine Mission.
Nein, wir haben viel mehr. Und du weißt das – versuch doch nicht mehr, es zu verstecken. Die Scham, die ich spüre...sie ist nicht gerechtfertigt, ich weiß das. Aber sie ist noch da. Weil du dich schämst. Weil du weißt, wie falsch es ist, was du tust.
Der Griff des Meisters um meine Metallknochen wird stärker...
Ich sehe zu ihm auf, spüre diese Augen voller kaltem Hass hinter der Maske, über einer versengten Wunde, wo meine Hand ihren Abdruck hinterlassen hat. Sehe zu ihm auf...und doch auf ihn herab.
"Du kannst mich töten, General. Aber dann verlierst du nicht eine Kampfmaschine, die du einfach ersetzen kannst. Du verlierst kein Werkzeug, das ohnehin schon brüchig wurde. Du bringst dann mit deinen eigenen Händen den letzten Freund um, den du noch hast."
Etwas ändert sich in seinem Blick. Ich lasse seine Schultern los, ergebe mich.
"Und deine letzte Chance, irgendwann einmal wieder du selbst zu werfen."
Mir ist, als wollte er etwas sagen.
Mir ist, als würden sich seine Finger kurz noch enger schließen – als würde meine Wirbelsäule ein wenig zerdrückt, so einfach als bestünde sie aus sonnenwarmer Butter...
Er kämpft mit sich. Mit größtem Erstaunen beobachte ich, wie sein Mund zuckt, spüre ich, wie seine Finger nicht genau wissen, was sie tun sollen...
...und da fährt sein Arm aus mir heraus.
Immer noch kommt es mir so vor, als würde er etwas sagen wollen...aber er schafft es nicht.
Wie eine Marionette, die nur die Hälfte ihrer Fäden besitzt, wankt er zurück. Ich muss seine Hand ergreifen, bevor er in den Fluss fällt!
Er packt sie fester. Zerquetscht meine Knochen. Aber ich merke, dass er das nicht tut, um mich zu bestrafen...er...braucht mich!
Also drücke ich zurück. Sanfter. Bin sein Freund. Wie immer.
Seine andere Hand findet zu sich. Ihre Bewegungen werden überlegter. Er holt etwas aus seinem Gürtel – eine Rolle des Stadtportals.
Endlich öffnet sich sein Mund, und es ist, um "KoKoMal" auszusprechen. Das Portal öffnet sich. Ein Blick auf Harrogath stellt sich zwischen mich und ihn.
Er stößt mich plötzlich von sich. Wendet den Blick den Flusslauf entlang. Ballt die Fäuste, hebt die Arme wie in stummen Aufbegehren, und über fünf Skelette gleichzeitig erstehen aus den Leichen der Monster. Die Armee ist wieder komplett...nein, es sind noch mehr Krieger in ihr, als es je waren.
Mit präziser Geste deutet er auf Anyas Gefängnis.
"Rette sie!", befiehlt er.
Und dann marschiert er davon.
Ich haste durch das Portal, bevor er den Kampf gegen sich selbst doch noch verliert.
Barbarenwachen sind schon zur Stelle – mit gezogenen Waffen, wie mir sofort auffällt. Ich hebe die Hände. "Ich bin es nur. Bitte, holt Malah und Deckard Cain. Anya braucht Hilfe!"
Kurz darauf stehen die beiden Alten vor dem Eisgefängnis im Frostfluss. Wortlos streicheln ihre knorrigen Finger über verschiedene Stellen. Malahs Gesicht ist voll finsterem Zorn, als sie mit fester Stimme einen Krieger anweist, ihr einen bestimmten Trank aus dem Spital zu holen. Dann nickt sie Deckard zu, sie verschränken die Hände um den Stalagmiten, schließen die Augen und konzentrieren sich.
Ein fast unhörbares Klirren ertönt. Sie lassen die Arme fallen.
"Der Zauber ist gebrochen. Schnell, Dorelem – schmelze ihren Mund frei!"
Rasch lege ich meine Hand über Anyas Gesicht, und diesmal weicht das Eis. Als es noch verzaubert war, war es unzerstörbar, zumindest durch Hitze...aber hat der Gefangenen gleichzeitig erlaubt, zu atmen!
Anyas Augen weiten sich in Panik, während ich arbeite. So schnell ich kann...
Ich breche auf Haut. Blitzschnell schalte ich die Hitze niedriger, die ich abstrahle, aber ich habe ihr sicher ein wenig die Lippen verbrannt. Erbarmungswürdig schnappt Anya nach Luft, schwach, aber mit der Dringlichkeit absoluten Überlebenswillens.
"Wir haben dich gleich hier raus", rede ich beruhigend auf sie ein. "Halte nur noch kurz durch."
Sie zittert in der Kälte, soweit ihre Lage es zulässt. Ich umarme ihren Körper unter dem Eis, zerstöre das Gefängnis.Es muss jetzt ganz schnell gehen.
Lass mich für einen Moment.
Warum sollte ich das tun?
Ich kann und werde ihr helfen – denkst du, ich will sie nicht genauso retten wie du?
Das würde mich wundern, ja. Aber ich denke auch, dass du sie nicht umbringen wirst, also, was hast du vor?
Der Zweite übernimmt stumm, löst meine Hände vom Eis, zieht die Tonummantelung und auch das Feuer davon zurück, dann rammt er die Stahlfäuste einmal, zweimal, dreimal mit genau kontrollierter Kraft in den Stalagmiten.
Das Eis zersplittert. Wir fangen Anya auf, umgeben sie in wohliger Wärme, erlauben ihrem geschundenen Körper, sich selbst aus der Erinnerung der kompletten Eingeschlossenheit zu schütteln.
Während ich ihre Füße freischmelze, kommt der Trank. Ich muss ihr den Mund aufhalten, den Kopf ruhig, Malah flößt ihrer Tochter die grünliche Flüssigkeit mit sanfter Gewalt ein.
Sofort gewinnen Anyas blaue Lippen ein wenig an Farbe. Ihr panisches, todesängstliches Zittern beruhigt sich.
Kalte Tränen rinnen meinen Rücken herab.
"Du hast es geschafft, Anya. Ich bringe dich nach Hause, ja?"
"Lass mich los", schluchzt sie, mit Stahl in der Stimme. Ich werfe über ihre Schulter hinweg Malah einen Blick zu, die grimmig nickt.
Anya kann aus eigener Kraft stehen. Ich bin schwer beeindruckt. Schon sind ihre Tränen versiegt.
"Danke, Dorelem. Danke, Mutter und Deckard. Ich...ich dachte, es wäre vorbei..."
Malah packt sie fest. "Ich lasse dich nicht auch noch gehen, meine Tochter."
Anya nickt. "Ihr wisst, dass es Nihlathak war?"
"Ja", knurrt ihre Mutter.
"Ich war unvorsichtig – hatte es selbst nicht richtig geglaubt..."
Wir folgen ihr durch das Portal, während sie redet – nahe bei ihr, falls ihr Wanken in Fallen übergeht. Aber sie braucht uns nicht.
"Aber wie der General mir geschrieben hatte, hatte Nihlathak in seinem Haus einen Schrumpfkopf versteckt, ein hässliches Ding – Schädel, durchbohrt mit einer Metallspitze, gedacht um ihn daran herumzutragen. Ich habe ihn angefasst, und mir ist schlecht geworden. Die Magie darin...ich weiß nicht, was diese Verzauberungen verursachen könnte, aber es ist niemals etwas Gutes. Das Resultat hingegen spricht für sich, er brodelte sogar für mich mäßig Begabte geradezu über mit Macht."
Wir sind bei Larzuks Schmiede angekommen. Sie nickt dem breiten Barbaren zu, der unsicher zurück winkt, und stellt sich so nah vor den Ofen, dass ich mir Sorgen um ihre Haare mache. Langsam gewinnt sie wieder an Farbe.
"Dann hat mich Nihlathak erwischt, als hätte er gespürt, dass ich seinen Schädel angefasst habe. Ich wollte wissen, was das soll, was er damit will – da hat er sich auf mich gestürzt, und obwohl ich ihm sicher alles hätte brechen können...er bekam das Ding zu fassen, plötzlich wuchsen Knochen um mich hoch, und dann weiß ich nicht mehr viel."
Malah kommt herein, sie hat kurz mit Larzuk geredet, aber alles gehört. "Er ist Ältester, und der einzige. Ich weiß nicht, wie man in so einem Fall vorgehen soll, die Gesetze haben mit einer solchen Katastrophe nicht gerechnet. Womit sie aber durchaus gerechnet haben, ist ein Angriff, und ich würde ganz sicher sagen, dass er lebensbedrohlich war. Wenn du ihn das nächste Mal siehst, dann brich ihm alles, falls ich ihn nicht vor dir erwische. Niemand wird dir etwas vorwerfen."
"Mein Hammer hungert schon...", murmelt Anya. Larzuk kommt mit einer Kanne Tee herein, aus der sie direkt trinkt.
"Ob wir aber so herausfinden werden, warum er uns so verraten hat?", wirft Deckard ein.
Ich melde mich. "Das kann ich beantworten." Ich erzähle in knappen Worten, welchen Unfug er uns als Rechtfertigung gegeben hat.
"...aber wenn ich auch nur ein wenig vom General auf ihn schließen kann, dann sind Baal und das Schicksal der Welt für Nihlathak eigentlich zweitrangig. Er will Trang-Ouls Avatar."
"Und ich will seine Eingeweide vor mir ausgebreitet sehen", spuckt Malah. "Er hat sie alle getötet...meinen Mann...meinen Sohn hat er auf dem Gewissen!"
"Ich glaube, ich werde euch enttäuschen müssen", seufze ich. "Der General will den Schrumpfkopf und Nihlathak hat ihn zu sich eingeladen, wohin auch immer. Einer von beiden wird danach tot sein, und ich bin absolut davon überzeugt, dass er nicht der sein wird, der schon vier Teile des Sets gesammelt hat."
"Es ist unser Vorrecht, Rache zu üben!", ruft Anya.
"Das ist ihm leider völlig egal. Du hattest schon Glück, dass ich..."
Ich winke kopfschüttelnd ab, ohne ihr zu erzählen, dass der Meister sie fast zurückgelassen hätte.
"Und wo ist er jetzt?", will Deckard wissen.
Hilflos werfe ich die Arme in die Luft. "Frag mich was Leichteres!"
Ich sacke in mich zusammen. "Tut mir Leid, ich habe auch kein größeres Recht darauf, wütend und genervt zu sein als ihr. Er hat mich Anya helfen lassen und ist einfach weiter gezogen. Garantiert hat er Nihlathaks Tod und Trang-Ouls Schwingen im Fokus, aber er ist nicht blöd; wenn er jetzt blind dem hinterher rennt, muss er später noch einmal durch den ganzen Fluss laufen. Das spart er sich...wenn er einen Wegpunkt findet."
"Nun, es gibt einem im Weg der Urahnen."
Das weiß er.
Was, woher?
Ich weiß es, also weiß er es auch.
Das gibt überhaupt keinen Sinn, aber weißt du was? Ich gebe auf. "Dann sucht er den", bestätige ich es für die Anderen ohne genauer zu erklären.
Bevor aber jemand doch nachfragen kann, fällt mir etwas ein, und ich springe auf.
"Wenn er den Wegpunkt findet und benutzt, egal wohin, dann werde ich mitgerissen!"
"Du könntest also jederzeit verschwinden?", schmollt Anya. "Ich habe mich noch nicht einmal richtig bedankt!"
"Bedank dich bei dem Rest des Generals, der tatsächlich einmal mein Freund war", winke ich ab. "Malah, ich nehme an, die Boten aus Nekropolis können befreit werden?"
"Ja, selbstverständlich. Die Wachen sollten dir vertrauen, wenn nicht, schick nach mir."
"Danke. Es tut mir Leid, aber ich möchte die kurze Freiheit, die ich gerade habe, voll ausnutzen. Bitte betet mit mir zu allen Mächten des Himmels, dass der General es nicht schafft, den Schrumpfkopf zu bekommen. Ich werde alles tun, was ich kann, um ihn daran zu hindern."
"Aber...würdest du ihn sterben lassen?", stellt Deckard die entscheidende Frage.
Ich halte auf dem Weg zur Tür inne.
"Sagen wir es so...nicht, wenn Nihlathak ihn tötet?"
Würde ich?
Natürlich nicht.
Natürlich...
Eine Minute später habe ich das Gefängnis und eine Antwort erreicht: das Problem ist doch immer, dass es so Viel gibt, für das es sich zu leben lohnt.
"Hallo, Lixt. Dostrian, Hunradil. Es ist viel passiert, und dazu gehört, dass wir diesen Unfug lassen und ihr frei seid."
Ihr Lächeln wärmt mich. Dostrians Stimme ist deutlich kühler. "Das ist ja schön, und es hat auch nur einen Vormittag benötigt. Wo ist der General?"
"Ich weiß es nicht, und das ist das Problem." Extrem verkürzt erzähle ich noch einmal, was passiert ist. "Und darum könnte ich jede Sekunde verschwinden."
"Wirst du ihn dann aufhalten?", fragt Dostrian
"Wenn ich es irgendwie schaffe."
Lixt packt meine Hände. "Aber wie sollst du ihn aufhalten...ohne dabei selbst..."
Ich seufze. "Ja, daran kaue ich auch schon eine Weile. Ich weiß es nicht. Meine größte Chance ist vielleicht, ihn irgendwie nieder zu schlagen und die Rüstung von ihm zu bekommen. Aber ich fürchte, er ist gewarnt. Vielleicht habe ich es verspielt, weil ich ihn gezwungen habe, mich Anya retten zu lassen. Verdammt, das klingt alleine schon grauenhaft!"
Dostrian schüttelt den Kopf. "Das hätte es gewesen sein können...wenn du ihm so weit widerstanden hast, die Beherrschung zumindest kurz abgeschüttelt, dann hättest du ihn doch gleich erledigen können."
"Auf Anyas Kosten?"
"Manche Opfer müssen..."
"Das ist doch Quatsch!", schießt Hunradil dazwischen. Lixt blickt mir tief in die Augen. "Du hast das Richtige getan."
"Leute, ihr müsst aufhören, so emotional zu handeln – wir reden hier über Dinge, die das Ende der Welt bedeuten, wenn wir falsch handeln! Und niemand außer uns ist dazu in der Lage, überhaupt etwas zu tun! Dazu gehört, Verluste zu akzeptieren. Dazu gehört, das Geschäker zu lassen."
"Ach, dass dich glühende Eifersucht plagt, weil Dorelem weiter mit Lixt gekommen ist als du es jemand schaffen könntest, ist nicht emotional?", schmettert ihn plötzlich jemand nieder.
Dieser Jemand war...ich?
Dostrian steht mit offenem Mund da. Hunradil glotzt mich an. "Warum redest du von dir...?"
Lixt formt mit den Lippen das Wort, das ich suche. Zweiter?
Irgendwie spüre ich, dass mir nicht viel Zeit bleibt. Ihre Hände sind immer noch in meinen. Soll ich das einfach als gutes Zeichen...soll ich, dass der Zweite...
Was soll ich...?
"Lixt, es tut mir Leid, ich sollte das nicht tun, aber zur Hölle damit. Wenn ich meine Gefühle leugnen würde, könnte ich gleich dem General aufs Wort folgen. Ihn sich selbst verlieren lassen und als seelenloses Monster Baal töten, aber garantiert nichts retten. Aber das löst überhaupt nichts, um am wenigsten das, was mich am meisten quält. Wenn es hier nur um mich ginge, vielleicht auch nur um mich und den General, könnte ich mich verleugnen, den Zweiten übernehmen lassen und nie wieder darüber nachdenken, was ich selbst eigentlich will. Das kann ich aber nicht. Denn was ich will, ist, dass es dir gut geht, in einer Welt die weder von Baal noch von einem Wahnsinnigen in goldener Rüstung beherrscht wird. Weil ich glaube...weil ich mir fast sicher bin...dass ich dich liebe."
Sie schluckt.
Und da lösen sich ihre Hände von meinen.
"Dorelem...ich glaube auch...aber ich weiß nicht...ob ich das kann..."
Ich presse meine Finger in mein Gesicht, aber das verhindert natürlich nicht, dass ich ihren Gesichtsausdruck sehen kann, in dem so viele Gefühle einander bekämpfen. Meine Schuld. Und Dostrians Hass, der entgeht mir auch nicht.
"Was erlaubst du dir überhaupt – hast du dich schon einmal in einem Spiegel betrachtet? Du bist die Mordmaschine eines völlig übergeschnappten größenwahnsinnigen Verräters, und willst hier...?"
"Still!", donnert der Zweite, und die schiere Gewalt seines Wortes, des wahren, rechtschaffenen Zorns einer Art, die ich noch nie bei ihm bemerkt habe, schmettert Dostrian erneut nieder.
"Würdest du heuchlerischer Waschlappen sagen, dass dein Ojaled es mehr verdienen würde, sein Glück zu suchen? Wenn Golanthe an dir interessiert wäre? Du liebst Lixt ebenfalls, das kann jeder sehen, und warst nie Manns genug, etwas deswegen zu unternehmen. Weil deine Gefühle dich hindern würden, der beste Arschkriecher von allen zu sein? Niemand kann sich gegen seine Gefühle wehren! Sag es ruhig, du bist neidisch auf...mich, und dann können wir auf einer Ebene reden. Dass ich ein Golem bin, sollte nichts ändern...für dich, du Advokat ihrer Freiheit. Ganz oder gar nicht!"
Meine Hand fällt wieder an meine Seite, meine Haltung wird gerade. "Danke", richte ich an den Zweiten, verwirrt, aber nach außen an Dostrian dafür, dass er die Klappe hält.
"Lixt, ich weiß nicht, was falsch und was richtig ist, für mich, für uns, und natürlich weiß ich nicht, was du denkst. Aber du weißt jetzt, was ich denke, und dazu kommt noch eine Sache. Ich will deine Welt retten, für dich, egal, was mit mir passiert. Und wenn der General dem im Weg steht...er, und damit ich selbst..."
Sie schluckt und schüttelt den Kopf. "Tu es nicht..."
Was soll ich ihr darauf antworten?
Doch da packt mich etwas hinter dem Nabel und reißt mich fort, erspart mir die Antwort ihr, aber nicht mir selbst gegenüber; und das letzte, was ich sehe, ist Dostrians Nicken unter verengten Augen. Tu es.
Aber erst nachdem Baal tot ist, hm? Feiger Bastard.

Ich stehe mit dem Meister und der Armee bei einem Wegpunkt.
Wir sind in einem engen Raum, dessen klaustrophober Effekt nur durch tiefe Schatten verstärkt wird, wo Fackellicht sich an unregelmäßigen Wänden fängt; sie sehen aus, als hätte man den Putz mit gewaltigem Hass gegen die Steine geworfen, und wo er nicht kleben blieb, wurde einfach die doppelte Menge verwendet. Die Farbe ist zwischen einem schmutzigen Beige und beunruhigendem rostrot. Der Boden ist gestampfte Erde, oder doch nur Dreck und Staub vieler Jahre auf Holzbohlen, näher betrachtet. Alles wirkt organisch, im Sinne dessen, dass es keine wirklich geraden Linien gibt; welchen Eindruck es aber auf keinen Fall vermittelt ist der von Leben. Maximal verendetes, versteinertes, vergessenes Leben, die Knochen einer lange schon ausgestorbenen Rasse von Giganten.
Durch die Fackeln auf Leuchtern wie aus geronnenem Fett – und deren Rauch als wäre es tatsächlich das Brennmaterial – ist gerade genug Licht, um meine Nachtsicht auszuschalten. In den verworrenen Wänden könnte ein Schatten eine Nische oder einen Gang bedeuten, Monster aller Art versteckend. Der Meister ist hier, man sieht immer noch, wo ich ihn geschlagen habe. Soweit, so bekannt.
Deswegen sollte mich zumindest eine Rüstung aus gesundem Fatalismus schützen, wie sie mich bisher überleben hat lassen, oder vielleicht sollte mich die Erleichterung, dass ich zumindest ein vielleicht letztes Mal noch mit Lixt reden konnte und ihr sagen, was ich sagen wollte, sogar tragen...
Doch mich erfüllt nichts als lähmende, unbedingte, alles erfüllende Furcht. Ein Griff um meine Seele, der mich erstickt und fast körperlich zu Boden drückt.
Wo sind wir? Was ist das für ein grauenhafter Ort, was macht ihn so viel schrecklicher als all die Höhlen voller Schrecken und Qual, die wir bisher schon überstanden haben?
Es sind die Hallen der Schmerzen, Dorelem.
Tief im Herzen der Festung des Generals.

"Willkommen zu Hause, Zweiter", grinst der Meister, und die Quelle meiner existenziellen Panik wird offensichtlich.
 
Grandioses Kapitel!!! :top:

Eine Kleinigkeit ist mir beim lesen untergekommen, ansonsten wie immer alles 1a!

"Und deine letzte Chance, irgendwann einmal wieder du selbst zu werDen."
 
Wow!!!

Einfach nur genial.

:top:
 
Meine Damen und Herren...

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Sind Sie bereit?
 
Kapitel 32 – Rückkehr






Pfeifend schlendert der Meister durch die Gänge aus versteinerten Alpträumen, mit Mühe schleppe ich unseren Körper hinterher wie durch in Totenstarre gefallene Eingeweide ermordeter Riesen. So widerspenstig ich in jüngster Vergangenheit teilweise war, gegen den schieren Unwillen des Zweiten, irgendwas zu tun als in der nächsten Ecke einen kleinen Ball zu formen und leise zu sterben, ist es schwer anzukommen. Es ist nicht einmal so, dass er mich körperlich zwingen würde, gegen ihn anzukämpfen; wir streiten uns auch nicht um die Kontrolle. Im Gegenteil, er ist so zurückgezogen in sich, dass ich seit Langem überhaupt keinen Gedanken mehr daran verschwenden muss, ob er mir nicht gleich in den Rücken fallen wird und mich Dinge tun lässt, die ich gar nicht will.
Aber von seiner unleugbaren Präsenz in meinem Geist gehen ständige Wellen schwärzester Gefühle aus, die mich lähmen, als würde ich gegen sie anschwimmen müssen. Furcht. Nein, Panik. Terror. Verzweiflung, aber mehr noch, es ist keine enttäuschte Hoffnung – es ist die absolute Gewissheit der eigenen Ohnmacht. Ich kämpfe schon länger dagegen an, dass mich so etwas Ähnliches überfällt, aber der Zweite hat offenbar diesen Kampf schon vor hunderten von Jahren verloren, als sein Meister noch diese Hallen durchschritt mit dem gleichen unerschütterlichem Selbstvertrauen, das der meine jetzt an den Tag legt. Und deswegen sind alle diese fürchterlichen Gefühle eigentlich nur an der Oberfläche, die Lackierung über einem banalen und deswegen gerade für mich absolut entsetzenden Kern: Taubheit. Der komplette, irgendwann sicher bewusste, aber mittlerweile längst automatische Ausschluss jeglicher Emotion außer blindem Gehorsam, seelenlos wie eines der vielen, vielen Skelette in unserer Armee.
Schritt um Schritt fällt es mir leichter, voranzukommen, und ich beginne, panisch den Zweiten anzuschreien, dass er ausbrechen soll, mit mir zusammen kämpfen soll gegen den Schmerz. Ich flehe ihn an, mir zu erlauben, ihm zu helfen, die Wunden zu heilen versuchen, welche sein Meister in ihm hinterlassen hat, und zu deren Schließung der Zweite nie Gelegenheit hatte.
Aber vergeblich. Er ist wieder fest in seiner undurchdringlichen Rüstung aus Verleugnen, Vergessen und Aussperren, die der Anblick seiner Vergangenheit kurz aufgebrochen hat, und ich erkenne mit größtem Erschrecken, dass dies sein normaler Zustand ist. Seine Fassade aus ultimativem Pragmatismus, sein Abweisen unserer Menschlichkeit, das Verneinen unseren Lebens, unserer Seele? Nur ein Resultat seiner Methode, mit dem umzugehen, was ihm sein Meister angetan hat. Aber jetzt weiß ich, dass er hinter dieser Maske dennoch leidet, die ganze Zeit, und manchmal bricht es hindurch; aber nicht nur der Schmerz...wenn man bedenkt, wie er schon einmal versucht hat, den Meister zu ermorden...auch der Hass. Auf den alten General, ohne Frage, in einer Form, die nichts mit Zorn zu tun hat, mit überkochender Emotion aus der im Affekt gemordet wird; viel eher entsteht in mir der Eindruck, dass der Zweite sich jeden Tag aufs Neue ausmalt, wie er seinen Meister möglichst methodisch, ironisch und auskostend zu Tode foltert. Ohne bei seiner bis auf jede Betonung jeder Silbe durchgeplanten Rede, weswegen der General das verdient hat, die Stimme über Normalmaß zu heben.
Und jedes Mal, wenn der Zweite einen solchen Gedanken hat, jedes einzelne Mal, ergreift ihn ein anderer Teil von ihm und bestraft ihn dafür. Denn wie kann er nur so etwas über den Meister denken? Wenn der das erfahren würde...
Es folgt Selbstgeißelung, und die Fähigkeit des Zweiten dazu ist genauso ausgeprägt wie die, den General im Geiste zu vernichten. Denn wenn der Zweiten einen mehr hasst als den General, dann sich selbst. Dafür, dass er sich je hat brechen lassen. Dafür, dass er dennoch nicht seine Niederlage als absolut akzeptieren kann. Dafür, dass er überhaupt noch Gefühle hat.
Ich beginne, am ganzen Körper zu zittern, als mein Verständnis wächst. Woher dies auf einmal? Kenne ich den Zweiten wirklich so gut?
Oder...kennt er sich selbst so gut, und durch seine schwächer und schwächer werdende Verteidigung der eigenen Gedanken erreicht mich immer mehr und mehr von seiner so schonungs- wie hilflosen Selbsteinschätzung?
Bin ich im Moment nur eine von vielen einander widersprechenden Stimmen in seiner scheinbar heillos zerrütteten Psyche? Das muss es ihm einfach machen, mich zu ignorieren.
Aber wenn ich eines bin, dann bin ich stur.
Also versuche ich es, weiter und weiter. Greife seine Festung an, wende alle Tricks an, die ich von ihm selbst beigebracht bekommen habe, versuche, mehr von seinen inneren Konflikten aufzuschnappen, Kompromisse zu finden, zu schlichten...
Ich begehe Fehler. Wenn er meinen Zugriff spürt, versperrt er sich sofort. Viel Angriffsmöglichkeiten gehen mir so verloren. Aber ich darf nicht aufgeben...und was soll ich sonst tun? Mich auf die Welt außerhalb meines Kopfs konzentrieren?
In ihr greifen uns Monster an. Es sind die grotesk verdrehten Kreaturen, die wir schon aus der Hölle kennen, deren Gelenke alle völlig falsch herum zusammengesetzt sind. Sie haben eine wabernde, geisterhafte Aura um sich herum...
Der Meister wirft einen Blick auf sie, hält nicht eine Sekunde inne und geht einfach weiter. Die Armee stürzt sich auf die Dämonen, welche nahezu widerstandslos fallen.
Da zuckt die Aura um ihre Leichen, zieht sich zusammen, zerdrückt das Fleisch und formt es um, zu kleinen Wurmkreaturen, ebenfalls von dem wabernden Ektoplasma umgeben, aber nun kleiner, schneller. Pro Dämonenleiche sind drei dieser neuen Feinde entstanden. Ich mache mich doch bereit, einzugreifen, wo sie nun um die Füße der Skelette herumhuschen...
Der Meister schüttelt den Kopf, und mehrere kleine Explosionen zerreißen die Gegnermasse.
"Natürlich, setzt Leichen gegen mich ein, das wird funktionieren...", murmelt er.
Oh.
"Aber woher kam die Aura...?", überlegt er, bleibt nun doch stehen, wirft einen Blick in einen Seitenraum und wird fündig. Er schnippt mit den Fingern, und aus der Wand des Nebenzimmers wächst eine Knochensäule, die etwas daraus vor uns schubst. Es ist ein schwebendes...Etwas, selbst geisterhaft-durchscheinend, eine Masse aus möglicherweise einmal tatsächlich lebendem Fleisch, völlig zerfetzt, auseinandergenommen, verknetet und neu zusammengesetzt, knochenlos dahängend wie im Schlachthaus eines besonders unfähigen Metzgers. Der Meister schnalzt missbillligend mit der Zunge.
"Die Idee ist nicht schlecht, aber die Umsetzung...horrend. Dennoch, geschenkte Gäule..."
Mit schneller Geste jagt er einen Knochenspeer in etwa durch die Mitte der zuckenden Masse, die offenbar für die leichenformende Aura verantwortlich war, und sie kollabiert. Rasch fängt der Meister das tropfende Elend auf, und es ersteht wieder – etwas zusammenhängender, mit weniger flackernder Geisteraura, und auf unserer Seite.
Wir gehen weiter, der Meister weiß offenbar exakt, wo er hinmuss. Ich würde ihn fragen, woher, und auch, wie er den Wegpunkt hierher gefunden hat, aber ich glaube, die Antwort würde mir so wenig gefallen, wie ich sie eigentlich auch weiß. Fast bin ich froh darüber, denn die Festung des alten Generals ist gigantisch, ein vielstöckiger Palast von denen alleine drei unter der Erde sind, und zwar genau die, in denen wir uns befinden. Mit gewisser Resignation stelle ich fest, dass ich genauso wie der Meister, oder besser genauso wie der Zweite, den Weg exakt kenne. So vermeiden wir vermutlich einen Großteil der Monster, die Nihlathak von Baal zur Verfügung gestellt bekommen oder sogar selbst erzeugt hat – was die etwas verunglückten, aber zumindest nicht von anderen Höllenkreaturen kopierten, Fleischformer erklären würde.
Dennoch, einen Überfall müssen wir noch abwehren. Wieder stürmen Groteske auf uns zu, diesmal begleitet von einer Gruppe Eisbestien.
Der Meister gibt seinem wiederbelebten Leichenwandler einen stummen Fingerzeig. Die Aura legt sich um die gegnerischen Grotesken...und beginnt sofort, sich zusammenzuziehen.
Begleitet von grauenhaften Geräuschen sowohl aus ihren Kehlen als auch aus dem Rest ihrer Körper zerquetscht es die fleischlichen Feinde. Wieder werden ihre Überreste zu Würmern, die diesmal auf unserer Seite sind...und welche sich zwischen die Frostmonster stürzen, nur um prompt zu explodieren. Eiszapfen prasseln zu Boden, und der Weg ist frei zur Treppe nach unten. Himmel...wie soll den Meister nur überhaupt jemand aufhalten?
Auf den letzten Stufen der gewundenen, engen Treppe muss der Zweite kurz innehalten. Vermutlich völlig unbewusst entreißt er mir die Kontrolle, stützt sich gegen die Wand und fällt fast um.
Was ist hier passiert?
Ein Verrat, der heute rückgängig gemacht wird.
Damit stählt er sich, zieht sich wieder zurück, und ich kann weiter gehen. Wobei ich das absolut nicht will.
Also geht er.
Lass es über dich ergehen...wir können ohnehin nichts mehr tun.
Außer, Nihlathak besiegt ihn.
Das tonlose Lachen des Zweiten hallt in meinem inneren Ohr.
In diesem untersten Stockwerk, den Hallen von Vaught, führen vier Wege kreuzförmig von der zentralen Säule mit dem Treppenhaus darin in Räume mit nur einem Eingang. Die Kammern, die nur die treuesten Diener je von innen sahen und danach wieder gehen durften...
"Gib mir einen Tonklumpen von dir, Golem. Wenn ich ihn zerstöre, habe ich ihn gefunden. Wenn du ihn findest, klopfe mir damit gegen den Helm. Du gehst nach da hinten."
"Ich habe einen Namen."
Das Lächeln des Meisters ist herablassend und schneidet mir tief ins Fleisch. Er sagt nicht einmal etwas.
Also gehe ich meinen Weg entlang.
Am Ende finde ich Nihlathak. Er steht alleine auf einem Podium, vor einem Steinsockel, der ein Opferaltar sein könnte und sicher für Schlimmeres verwendet wurde. In seiner Hand ist der Gegenstand, der das Schicksal der Welt entscheiden könnte – Trang-Ouls Flügel, ein von einer Metallspitze als Griff durchbohrter Schrumpfkopf-Schädel.
"Ihr wart schneller, als ich dachte", erklärt der Älteste dünnlippig.
Ich klopfe beim Meister an, denn ich muss. Also beeile ich mich mit meinen nächsten Worten.
"Zu schnell, als das du den General aufhalten könntest?"
Er blinzelt. "Wovon redest du?"
"Du willst Trang-Ouls Avatar? Bitte, nimm ihn dir. Das Set zerstört die Seele meines Freundes. Ich gönne dir genau dieses Schicksal, wenn du es denn schon unbedingt haben willst."
Er hebt eine Augenbraue. "Und wie soll das funktionieren?"
"Wenn deine Worte wahr waren, dann willst du den Avatar, um damit über Harrogath herrschen zu können, weil sie dich ohne dessen Macht recht unzeremoniell lynchen würden. Das hat nichts mit dem General zu tun – im Gegenteil, er kann dich aus deinem zum garantierten Scheitern verurteilten Pakt mit Baal befreien, das wollen wir ohnehin. Also lass ihn am Leben, nimm ihm nur das Set, und ich werde dir dabei sogar helfen."
"Du ekelhafter Gut...mensch...Golem willst so einen Handel mit mir eingehen?"
Ich knirsche mit den Metallzähnen. "Du solltest am besten über pragmatische Entscheidungen Bescheid wissen."
Mir ist, als hätte ich Haut, die über und über kribbeln würde. Wie lange habe ich noch Zeit, bis der Meister hier ankommt? Hat Nihlathak sich bis dahin für einen Weg entschieden, der ihn nicht garantiert zum Tode verurteilt, egal, wie das hier ausgeht?
So gerne ich ihm natürlich meine Klauen in die Kehle rammen würde...aber ich bin verzweifelt.
"Ich glaube, du unterschätzt hier etwas, Dorelem", lächelt Nihlathak gütig.
"Deinen Willen, zu überleben?", ätze ich.
"Nein, die Macht im Erbe des Generals! Du müsstest es wissen, als Teil davon – bist du nicht der stärkste und schlaueste Golem, den die Welt je gesehen hat? Nicht, dass dir das besonders viel bringt, aber es ist doch bemerkenswert! Wenn ich es richtig verstanden habe, bist du noch nicht einmal ein Jahr alt – und nun sieh dich an! Ich war ein extrem mittelmäßiger Eismagier, bis ich Trang-Ouls Flügel von meinem Mentor bekommen habe, und innerhalb weniger Tage hatte ich meinen ersten Knochenzauber gemeistert...mit dem kompletten Set...kann ich Baal auch selbst töten!"
"Du bist dir aber bewusst, dass der General mich erschaffen hat, bevor er auch nur ein Teil des Avatars in Händen hielt?"
Seine Maske eines wohlmeinenden Alten fällt von ihm ab. "Das kann nicht sein! Wir sind mindestens gleich talentiert – wir sind beide Erben!"
"Nein, alter Mann", erklärt da der Meister, als der in den Raum tritt. "Du bist ein lausiger Totenbeschwörer. Deine Versuche, neue Kreaturen als Diener zu erzeugen, bringen mich zum Lachen. Deine verkrüppelten Giftschlangen im anderen Raum haben mich nur so lange aufgehalten, weil ihr tödlicher Atem in sich fehlerhaft ist! Du wolltest sie winzige Nadeln spucken lassen, die ein Ziel mit Sicherheit vergiften, nicht wahr? Ha! Selbst wenn ich nicht immun wäre, könnten mich zehn von ihnen gleichzeitig nicht umbringen! Und weißt du was? Genauso wie das hier..."
Er stampft auf den Boden und eine Knochensäule aus durchscheinendem Material, wie seine ätherisch um ihn schwebende Knochenrüstung, erscheint neben ihm.
"...sind die Nadeln stationär – wenn man sich nicht bewegt, wird man nie gestochen!"
"Bist du fertig?", zischt Nihlathak.
Der Meister packt die Knochensäule, und sie wird in seiner Hand länger und spitzer.
"Gleich", sagt er und wirft sie, ohne seinen Arm zu bewegen.
Nihlathak reißt Trang-Ouls Flügel hoch und fängt den Knochenspeer damit auf.
"Du bist des Erbes nicht würdig!", brüllt er, macht eine große Geste und hinter uns wachsen Knochenwände nach oben, die den Raum absperren. Unsere Armee, oder was von ihr übrig ist, bleibt draußen. Er sagt etwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe, und rote Portale wie das eine, das ich auf den Ebenen des Arreat schließen konnte, öffnen sich. Sklavensoldaten Baals strömen heraus, getrieben von Peitschern auf der anderen Seite.
"Und du bist es nicht würdig, mit die Stiefel abzulecken", murmelt der Meister, nicht einmal daran interessiert, dass Nihlathak ihn hört. Er schnippt mit den Fingern, und Nihlathaks Knochenwände zerfallen einfach zu Staub. Die Skelette stürmen in den Raum, er hat kein einziges von ihnen verloren. Sie treffen auf die Welle der Sklaven, und an den Schilden der Wächter zerbricht die Welle einfach. Die Krieger schlagen einen Keil in sie, dann verliert der Meister die wenige Geduld, die er noch hat, erzeugt eine Flammenwand geradewegs auf Nihlathak zu, der sie mit einem grimmigen Eisschwall aufhalten kann. Die Sklaven springen panisch zur Seite, und wo sie standen, gerade als die Flammen wieder verschwinden, wachsen zwei Knochenwände eng aneinander nach oben – sie formen einen Gang zwischen sich.
Da erschüttern zwei Explosionen den Raum, und mehrere unserer Skelette werden zerschmettert. Nihlathak grinst triumphierend, die Flügel hoch erhoben – er hat eine eigene Kadaverexplosion gezaubert!
So nicht, sagt der wackelnde Finger des Meisters, und seine eigenen Explosionen reißen ein gigantisches Loch in die Front der Feinde. Und jetzt gleiten von hinten Verstärkungen heran – die tatsächlich etwas ungesund aussehenden Schlangen, von denen der Meister gesprochen hat. Wiederbelebt und nun auf seiner Seite, und sein Zauber scheint sie abermals so gestärkt zu haben, dass sie eine ernste Gefahr sind. Ihr Giftnadelatem hinterlässt grün schimmernde Wolken, und obwohl sie durchscheinend und diffus sind, wird jeder Sklave in kleine Stücke gerissen, der es wagt, sich hinein zu begeben.
Nihlathaks Arm zuckt hin und her im verzweifelten Versuch, frische Leichen zu sprengen, aber der Meister ist immer schneller. Jeder nicht komplett zerstörte tote Sklave wird sofort wiederbelebt, dreht sich um und stürzt sich an seinen früheren Mitstreitern vorbei, durch die roten Portale und auf seine Anpeitscher.
Kurz darauf gehen die Portale zu.
"Nein! Ihr habt mir versprochen...", keucht Nihlathak.
Der Meister schreitet durch den Korridor auf ihn zu, die Hand ausgestreckt.
"Du hast etwas, das ich will."
Ich bin paralysiert. Zumindest gewissen Widerstand hatte ich erwartet, dass der Älteste einen guten Kampf liefert, in dessem Verlauf ich den Meister entscheidend aufhalten kann, um ihm zumindest den Helm vom Kopf zu reißen, und...
Nun, das ist ja dann ohnehin hinfällig, da Nihlathak nicht auf mich hören wollte, nicht?
Jetzt, panisch, suchen seine Augen die meinen, aber ich bin zu weit weg, habe den Meister gehen lassen, weil ich derart hilflos bin.
"Gib es mir!", brüllt der Meister, und ein Feuerball erscheint in seiner Hand.
Nihlathak zieht eine hässliche Grimasse, reißt die Arme nach vorne, und eine Wolke aus Frost explodiert von ihm. Sie hüllt den Meister komplett ein...aber ich weiß, dass er durch das Jade-Tan-Do auch vor Kälte geschützt ist. Aber wir sehen Nihlathak kurz nicht, also...
Ich laufe vor. Wenn der Alte dem Meister jetzt ein Messer in die Nieren rammt, ist mir auch nicht geholfen! Mein Feuer fegt die Eiswolke weg...
Und man sieht ein Stadtportal. Nihlathak ist geflohen...nach Harrogath, wohin sonst?
Der Meister rennt jetzt auch, und kurz nach ihm bin ich hindurch.
Durch die Ablenkung der Eiswolke ist der Älteste überraschend weit gekommen. Die Wachen waren offenbar verwirrt genug um ihn nicht sofort aufhalten zu können. Er läuft panisch um die nächste Häuserecke; was hat er überhaupt vor? Die ganze Stadt ist gegen ihn, seit ich nach Anyas Rettung erzählt habe, was er zugegeben hat.
Aber Moment...das kann er gar nicht wissen, oder gar damit rechnen. Der Meister ist ihm so schnell gefolgt, vermutlich durch einen nahen Wegpunkt nach der Abkürzung durch den Fluss, dass Nihlathak annehmen wird, dass Anya immer noch eingefroren ist! Somit ist er natürlich komplett verloren.
Wir laufen um die Ecke...und ich sehe nicht zuerst Nihlathak, sondern Lixt.
Die Novizen, jetzt natürlich frei, müssen gehört haben, dass auf dem Portalplatz etwas passiert ist. Und jetzt läuft der Älteste ihnen in die Arme...
Er wird langsamer, sein Blick schießt zwischen den drei jungen Nekromanten hin und her, und bleibt dann stehen. Der Arm mit Trang-Ouls Flügeln hebt sich, eine Knochenwand trennt plötzlich Lixt von den anderen beiden, und er ist auf einmal neben ihr, packt die junge Frau und hält sich um die Schultern fest. Der Schrumpfkopf landet an ihrer Schläfe. Sie wehrt sich, aber Nihlathak, so alt er ist, ist ein Barbar; er ist viel größer als sie, hat in etwas doppelt so breite Schultern...und eine Waffe, die sie mit einem Gedanken töten kann.
"Keinen Schritt weiter, oder ich jage ihr einen Knochenspeer durch das Hirn."
Ich halte, als wäre ich gegen eine Wand gerannt. Lixt versteift sich, dann begegnet ihr Blick dem meinem, und sie entspannt sich etwas. Sie beißt die Zähne zusammen und scheint sich darauf zu konzentrieren, voerst keine Probleme zu machen. Der Meister...wird langsamer.
"Nein!", ruft Dostrian, blickt hektisch zum Meister, zieht eine Grimasse und atmet dann tief durch, seine kalte Fassade wiederhergestellt. Er studiert die Knochenwand, bemerkt, dass Nihlathak ihn dadurch nicht sehen kann, und schleicht zu ihrem Ende. Hunradil wirkt sehr hilflos.
"Wirst du wohl stehen bleiben!", zische ich dem Meister zu.
Er schreitet weiter voran. "Ein süßer letzter Versuch, deinem Schicksal zu entkommen, alter Mann; aber die Vergangenheit holt dich ein. Was denkst du, hiermit zu erreichen?"
"Du bist mit deiner Armee aus meinem Portal gekommen – wenn ich dadurch zurückgehe, schließt es sich und ich bin sicher. Lass nicht noch eine junge Frau durch meine Hand sterben...ich werde ihr nichts tun."
Der Meister geht weiter. "Anya ist, glaube ich, nicht tot. Also kannst du Lixt schon töten, dein Gewissen wird auch nicht mehr belastet."
Ich packe den Meister an der Schulter. "Ich schwöre dir, wenn du noch einen Schritt in seine Richtung machst..."
Er fährt herum und schlägt mir die behandschuhte Faust mit voller Wucht ins Gesicht. Es wirft mich auf den Rücken, und ich fühle mich, als wäre eine Lawine über mich gerollt. Lixt keucht, und Nihlathak drückt ihr den Schrumpfkopf stärker gegen die Schläfe. Ihre Augen weiten sich.
"Du hast überhaupt nichts mehr zu melden, Golem", erklärt der Meister und geht weiter.
Nihlathak weicht zurück, bis er eine Hauswand erreicht. Er sieht, dass mehr Leute heranstürmen, also erzeugt er noch mehr Knochenwände, bis er, der Meister, die Novizen und ich eingesperrt sind. Ich versuche, mich hochzuzwingen, aber das Geröll liegt immer noch gefühlt auf mir; als wäre mein Gehirn erschüttert, schlimmer, mein Genick gebrochen.
Dostrian hat das Ende seiner Knochenwand erreicht und lugt vorsichtig herum; er will nicht, dass Nihlathak ihn sieht...der Meister bemerkt ihn, glaube ich, aber ignoriert ihn vollkommen, statt auf Zeit zu spielen und meinem Rivalen eine Chance zu geben, die Frau zu retten, die wir beide lieben.
"Um Himmels Willen, General! Willst du, dass ich sie umbringe?", brüllt Nihlathak in heller Panik.
"Dann fühlst du dich in deinen letzten Momenten noch einmal richtig schlecht, wenn ich dich richtig lese – warum auch immer, du kennst sie noch nicht einmal. Das fände ich durchaus lustig, ja."
"Du bist wirklich vollkommen durchgedreht, oder?", beschwert sich Lixt entgeistert. "Was ist aus dem General geworden, der zumindest so getan hat, als hätte ich ihm etwas bedeutet?"
"Ach, ich glaube, der Zeitpunkt ist längst gekommen, wo ich nicht mehr schauspielern muss. Gehört ohnehin nicht zu meinen Kerntalenten. Bei einem solchen Publikum jedoch scheint es völlig ausgereicht zu haben."
Er ist jetzt ganz nah an Nihlathak und der Frau, die ich liebe...und ich kann mich nicht bewegen, ich kann es nicht, so sehr ich es versuche. Ich spüre, auch der Zweite versucht es, aus voller Kraft, aber wir sind einfach körperlich zerrüttet, genau so, wie der Meister es wohl auch wollte.
Lixt ist jetzt einfach nur wütend. "Ich schäme mich, dass ich wegen dir Tränen vergossen habe. Es ist mir egal, ob dir dein wahnsinniger Seelenkäfig das Hirn durch den Fleischwolf dreht, irgendwann hast du beschlossen, ihn anzuziehen."
Nihlathak hat etwas vor...ich sehe es in seinen Augen. Ich glaube, er will sie dem Meister in die Arme schubsen...und dann beide gleichzeitig mit einem Knochenspeer durchbohren...
Aber da nähert sich Dostrian! Wenn Lixt sie beide noch eine Sekunde länger ablenken kann...
"Ersticke an deiner eigenen Falschheit!", schreit sie da, und spuckt den Meister an, und es ist gut gezielt, und es trifft ihn am Kinn, aber das ist nicht alles. Von wo Trang-Ouls Flügel sich in ihre Wange graben, eruptiert eine giftig-grüne Wolke, die sich sofort aufteilt in verschiedene Fäden, die geisterhaft von ihr wegwabern, in einem kompletten Kreis auf ihrer Augenhöhe rasch wegfliegen und die beiden Männer um sie durchdringen. Dostrian wird auch getroffen...aber obwohl er aus Überraschung stolpert, scheint es ihm nichts anzuhaben.
Der Meister wird wie von seinem eigenen Schlag vorhin getroffen und es wirft ihn sofort um. Nihlathak keucht, würgt, und Lixts Ellenbogen landet ihn seinen Nieren, ihre Zähne an seinem Handgelenk und Trang-Ouls Flügel in ihrer Hand. Sie tritt ihn weg, als er zusammenbricht, und hebt den Schrumpfkopf.
"Und du, du scheußliche Schlange, was fällt dir überhaupt ein?"
Unkontrollierbarer Zorn lässt ihr Gesicht glühen, ihre Knöchel werden weiß um den Griff des Schrumpfkopfs, während Nihlathak verzweifelt versucht, sich wegzudrehen, aber er windet sich noch immer von der Giftnova, an derem Epizentrum er stand.
"Tu es nicht!", ruft Dostrian. Ihr Blick fährt zu ihm herum, ihre Hand auch, aber da besinnt sie sich.
"Himmel", keucht sie. "Was ist das für ein Teufelsding? Ich fühle mich, als könnte ich...alles...zaubern. Als könnte ich..." Sie hebt ihre Hand. "Nur mit meinen Fingernägeln töten, es wäre so einfach, ihnen ein grauenhaftes Gift aufzutragen, das jeden ihn Sekundenschnelle, aber unter grässlichen Schmerzen sterben lassen würde..."
Angeekelt hält sie Trang-Ouls Flügel so weit von sich entfernt, wie sie kann. "Können wir das nicht irgendwie verbrennen?"
Da stemmt sich der General hoch. "Oder du gibst es mir!"
"Nein, mir!", ruft Dostrian, und Lixt, schnell reagierend, wirft ihm den Schrumpfkopf zu.
Er fängt ihn geschickt, und echte Ehrfurcht tritt in seine Miene, die schnell durch ein Grinsen ersetzt wird, das ich bei ihm nicht erwartet hätte, und eigentlich aber bei niemandem gerne sehe.
Langsam, langsam könnte ich mich wieder bewegen, oder? Meine Finger krallen sich in den Boden. Ja.
"Gib mir Trang-Ouls Flügel, Dostrian", befiehlt der Meister in einem Ton, der dem Novizen die Haare zu Berge stehen lassen sollte.
Aber er richtet stattdessen das Knochenzauber-Artefakt auf seinen Widersacher.
"Ich sollte dich hier und jetzt niederstrecken – du bist eine Gefahr für die Menschheit!"
"Ich bin ihre einzige Rettung, ob du es dir eingestehen willst oder nicht. Aber natürlich ist dir das egal, du würdest ja jeden verraten, um zu bekommen, was du willst, nicht wahr?"
"Zum letzten Mal, ich habe keine Ahnung, wovon du redest!"
Der Meister lächelt und beginnt, auf ihn zuzuschreiten. "Vermutlich war ich nur einer von vielen, denen du in den Rücken gefallen bist, um dich bei deinem geliebten Valtores einzuschleimen. Hat er es denn wenigstens schön honoriert, dass du ihm von meinen Privatstunden erzählt hast? Bekamst du dann von ihm alleine Unterricht, statt das Wissen mit Hunradil und Lixt teilen zu müssen? Um dich weiter zu erhöhen, nur weil du dich für etwas Besseres hältst?"
"Du redest so wirr, wie du handelst!", kreischt Dostrian, nun doch etwas aus der Fassung, weil der Meister einfach nicht stehen bleibt. "Mit diesem Ding bekomme auch ich eine tödliche Giftnova hin, und wir wissen ja, dass die durch deine Rüstung dringen wird!"
Endlich bleibt der Meister stehen. "Und dann, wirst du das Set an dich nehmen?"
Dostrian blinzelt. "Natürlich nicht, warum sollte ich das tun?"
"Siehst du, das ist ja auch das Problem", seufzt der Meister. "Du bist ja nicht einmal ein Erbe, also wäre es so an dich verschwendet wie es dein Talent ist. Durch Verrat und Betrug versuchst du, etwas aus dir zu machen, aber in Wirklichkeit bist du einfach nur ein ganz kleines Nichts."
Nun beeindruckt mich Dostrian – denn seine Antwort ist komplett ruhig. Seine kalte Schale mag nur aufgesetzt sein, aber er beweist in diesem Moment, dass es mehr ist als nur gespielte Überkorrektheit – er hat tatsächlich gewaltiges Rückgrat.
"Es ist mir völlig egal, wie viel Mehr als ich du möglicherweise bist. Ich habe den Schrumpfkopf, du nicht, und du wirst ihn nie bekommen", erklärt er.
"Doch," sagt der Meister, und zündet ihn an.
Dostrians Schreie aus der Feuerwand scheinen alles in Bewegung zu versetzen, was gerade beinahe zum Stillstand kam. Trang-Ouls Flügel fallen zu Boden aus seiner im Todeskampf verkrampfenden Hand. Der Meister schnippt mit den Fingern der Hand, die er gerade zum Zaubern erhoben hat, und errichtet auch noch ein Knochengefängnis um den verbrennenden Novizen. Lixt stolpert vor der Hitze zurück, schützt ihr Gesicht; hat sie noch nicht gesehen, was mit Dostrian passiert, oder will sie nicht?
Die Knochenwände, die Nihlathak errichtet hat, stürzen ein, die versammelten Bürger von Harrogath können sehen, was der Meister gerade getan hat.
Durch die Feuerwand hindurch stürmt Hunradil, so schnell, dass ihm die Flammen nichts anhaben. Er brüllt, völlig unzusammenhängend, seine hilflose Wut über den Mord an seinem Freund heraus, seine Trauer, seinen Hass auf den Meister.
Ich hebe sinnlos die Hand – als könnte ihn das irgendwie aufhalten – weil ich klar und deutlich sehen kann, was gleich passieren wird...
Der Meister lässt seinen Arm zur Seite schießen, ein Feuerball löst sich auf seiner Hand und trifft Hunradil direkt am Kopf. Es fegt ihn zu Boden, sein Haar brennt, aber er ist bewusstlos und kann nichts dagegen unternehmen.
Ich stehe auf. Meine Paralyse ist verschwunden. Meine letzten Zweifel auch. Der Meister...hat nichts mehr mit dem Freund zu tun, den ich einmal hatte. Ob er seinen letzten Widerstand gegen das seelenvernichtende Set aufgewendet hat, um Anya zu retten?
Eine Hand greift sich Trang-Ouls Flügel. Das reißt den Meister los von der Ablenkung Hunradils und Dostrians feuriger Enden. Es ist Nihlathak, der sich mühsam hochstemmt.
"Noch bist du mich nicht los", spuckt er. Sofort feuert er Knochenspeere auf den Meister, hat nichts mehr zu verlieren. Dieser verteidigt sich mit eigenen Knochenbarrieren, die er im Weg der Geschosse erzeugt. Schießt eigene Speere zurück, die Nihlathak hastig auffangen muss. Der Kampf der Totenbeschwörer ist zumindest kurzzeitig ausgeglichen...
Ich gehe vorsichtig näher. Der Meister darf mich nicht hören...
Meine Klauen werden von Feuer umflammt.
...bis er mich spürt. Schaffe ich es, ihn ohnmächtig zu schlagen, durch die Rüstung? Wage ich es? Wird Nihlathak ihn dann nicht einfach umbringen?
Aber die Zeit der Zweifel ist ja vorbei, nicht wahr?
Da beißt Nihlathak die Zähne zusammen und stellt sein Feuer kurzzeitig ein. Der Meister ist überrascht, nutzt dann aber die Gelegenheit, um einen hastigen Speer abzusetzen – er durchbohrt den Ältesten an der Schulter, aber er lässt die Flügel nicht fallen, sondern erzeugt, die Frucht seiner Konzentration, einen Knochengeist. Dieser fliegt direkt auf den Meister zu, der eine Barriere erzeugt...die sofort zersplittert, der Geist trifft ihn, lässt ihn zurück stolpern, und Nihlathak setzt noch einmal nach, ein Knochengefängnis entsteht um den Meister.
Ich lösche die Flamme vorerst. Wenn der Meister das Set nicht vervollständigen kann, dann ist es möglich, ihn auch anders aufzuhalten...besonders, wenn die ganze Stadt gegen ihn ist.
Nihlathak hastet zur Seite. "Damit hätte sich das erledigt – du kannst gerne noch einmal versuchen, mir die Flügel abzunehmen, aber vorerst bin ich hier weg! Und nächstes Mal..."
"Das wird es nicht geben!", schreit es plötzlich aus der Menge. Ich erstarre. Nein! Lasst ihn laufen, den Schrumpfkopf wegschaffen...dann können wir den Meister ausschalten, ohne dass ich dabei zwangsweise...
Nihlathak hält inne. "Anya...du lebst?"
Sie stürmt heran. "Ja, trotz deiner Bemühungen!"
Der Älteste breitet seine Arme aus. "Wie ich dir sagte – es tut mir extrem Leid, dass ich dazu gezwungen wurde, dich als Geisel zu nehmen. Es war nie meine Absicht..."
"Es geht mir nicht um mich", zischt Anya. "Immerhin habe ich überlebt, und das würde mir nicht das Recht geben, diesen Hammer in deinem Schädel zu versenken." Sie wiegt ihr magisches Schmiedewerkzeug in der Hand.
"Aber dass du meinen Vater und Bruder getötet hast, das gibt mir dieses Recht!"
Und damit tötet sie den Verräter an seinen Kollegen und letzten Ältesten Harrogaths mit einem einzigen Schlag.
Das Knochengefängnis um den Meister zerbirst. "Vielen Dank, meine Liebe", grinst er Anya zu.
"Das war nicht gedacht, um dir zu helfen, du Monster – was ist in dich gefahren?"
"Das Bewusstsein, was getan werden muss", erklärt der Meister großspurig, und sperrt den Platz erneut ab. Trang-Ouls Flügel bleiben darin liegen. Ich laufe los, um sie vor ihm zu erreichen...
"Du wirst dich nicht im Geringsten bewegen, bis ich dir es wieder erlaube, Golem", befiehlt er mir, und mein gesamter Körper hält auf einmal inne, als wäre ich in Stein eingeschlossen worden.
Lixt nimmt Trang-Ouls Flügel an sich. Hebt sie zögerlich gegen den Meister. Der bleibt stehen...und lacht.
"Wirklich? Willst du das wirklich versuchen?"
"Was immer notwendig ist...Himmel! Du hast sie umgebracht, General! Du hast Dostrian und Hunradil...sie waren deine Freunde!"
"Bitte, bitte, übertreibe hier nicht unnötig. Hunradil lebt noch, sonst könnte ich seine Leiche spüren. Und Dostrian war nie mein Freund. Freunde verraten einander nicht. Du hingegen...dich konnte ich immer gut tolerieren, also gib mir Trang-Ouls Flügel, und ich muss dich nicht auch töten."
"Dostrian hat dich nie verraten, du Wahnsinniger! Wie kommst du überhaupt darauf, in was hast du dich da hinein gesteigert? Nur weil jemand Valtores gesagt hat, dass du dich in Gefahr bringst, indem du ganz offen höchstkomplexe Nekromantie-Techniken an Novizen weitergibt? Wenn das jemand gesehen hätte von den anderen Meistern – sie hätten dich geschlossen gelyncht!"
Oh Himmel, ich glaube, ich verstehe...
Zweiter, es gilt jetzt. Wir durchbrechen jetzt zusammen die Beherrschung, oder sie stirbt.
Ich...
Der Meister zieht eine Fratze. "Das lag nicht an ihm zu entscheiden! Er hat mein Vertrauen missbraucht, und darum hat er es verdient, zu sterben – genauso, wie Nihlathak das tat!"
Lixt rinnen wilde Tränen über das rußgeschwärzte Gesicht. "General, Dostrian war es nicht, der dich verraten hat..."
Ihr Ausdruck zerreißt mich.
Ich...werde dir helfen.
"...ich habe Valtores gesagt, was du uns beigebracht hast. Dein Hass auf Dostrian, dein Mord an ihm...komplett fehlgeleitet, wie dein ganzes Streben nach diesem Set, das deine Seele zerstört! Wach endlich auf!"
Aber das wird er nicht...
Stattdessen erstarrt er. Sein Blick schießt zur verkohlten Leiche des Novizen, den er aus den völlig falschen Gründen getötet hat. Andererseits, hätte der Meister Dostrian verschont, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass dieser ihn verraten hätte?
"Du warst es? Du hast meine Pläne zerstört?"
"Ich wollte dich schützen, du kranker Bastard! Das hast du ganz allein dir selbst zuzuschreiben, wenn nicht meiner eigenen Dummheit, dass ich mich von dir habe manipulieren lassen!"
In dem sichtbaren Teil seines Gesichtes und in seiner Stimme liegen blanker Hass. "Es ist dann wohl diese Dummheit, wegen der du mir erzählt hast, wie ich meinen kleinen Fehler wohl am besten korrigiere!"
Ein Feuerball löst sich aus seiner Hand...
Und trifft meinen unter schrecklichen Schmerzen in die Flugbahn torkelnden Körper. Ich baue mich zwischen ihm und Lixt auf – unbeweglich.
"Nein, deine Fehler muss wohl doch alle ich korrigieren", knirsche ich. "Lixt, du müsstest mit den Flügeln seine Knochenwände zerstören können...bring sie weg, irgendwohin, ich versuche, ihn irgendwie aufzuhalten!"
"Ach Dorelem", lächelt der Meister, und das ist das Schlimmste, was er in diesem Moment hätte tun können.
Er erzeugt noch drei Knochenwände hinter Lixt, und eine Gasse aus ihnen von mir zu ihr. Dann geht er zu mir, und ich kann mich nicht bewegen, mein Widerstand ist jetzt auch verbraucht. Er packt mich am Kopf.
"Du wirst mir Trang-Ouls Flügel bringen, und du wirst Lixt dabei töten."
"Das kann du nicht tun!", brülle ich, aber mein Körper setzt sich schon in Bewegung, an unsichtbaren Fäden gezogen.
"Ich tu gar nichts. Du tust!", erklärt er fröhlich. Bleibt stehen, mit verschränkten Armen.
"Wirf deinen Wahnsinn ab, General! Du willst das überhaupt nicht!"
"Aber du scheintest es so zu wollen, Dorelem – bitte, ich komme doch nur deinen Wünschen nach!"
Lixt weicht vor mir zurück, an die Knochenwand, hält den Schrumpfkopf dagegen, in panischem Versuchen, die Barriere zu durchdringen. Gerade, als ich sie erreiche, durchdringt sie die erste Wand, stürzt nach hinten, gegen die Zweite. Dreht sich um, zu mir, und ihre Angst vor mir ist noch viel schlimmer als das Lächeln des Meisters gerade.
"Dorelem...bitte..."
"Lixt, versuch es weiter!", rufe ich. "Ich kann nichts tun – oh Himmel...ich..."
Mein Arm streckt sich nach ihrer Kehle aus. "Es tut mir so Leid!"
Sie hämmert mit Trang-Ouls Flügeln gegen die Wand, an die ich sie drücke – und durchbricht sie. Ich stolpere nach vorne, presse sie gegen die letzte Barriere.
Meine freie Hand packt ihr Handgelenk und nimmt ihr den Schrumpfkopf ab – es gibt rein gar nichts, das sie gegen mich tun kann. Meine Stärke ist die eines mörderischen Dämons.
Mein Körper hebt die Faust, in der Trang-Ouls Flügel sind...
Mit aller Kraft versuche ich, irgendetwas, auch nur ein kleines Bisschen zu ändern...
Da fällt mir etwas auf. In meinem Schock aufgrund dessen, was der Meister mir befohlen hat zu tun, habe ich keine bewusste Entscheidung getroffen, wie ich meinen Körper steuere. Aber...es ist ja nicht so, dass dieser irgendwie von alleine bewegbar ist, nur eine Maschine, an deren Hebeln ich sitze, und die ein Eigenleben hat.
Jemand hat diese präzisen Bewegungsabläufe vollzogen, die ich gerade getan habe. Und sie beinhalteten nicht, ihre Kehle zu zerquetschen, ihr eine Flammenlanze durch die Brust zu jagen, meine Klauen zu benutzen, um sie...
Meine Faust wurde auf ihren Kopf gerichtet...von...
Jetzt! Mit aller Macht!
Er konnte es mir nicht erklären, weil er alles daran gesetzt hat, es überhaupt möglich zu machen. Zum Glück habe ich es doch verstanden...oder hat er es mir verständlich gemacht, ohne es in Worte zu fassen?
Wieder ziehen wir an einem Strang, mit aller Kraft, die wir haben, und es ist eine beachtliche; es ist nur unsere Willenskraft allein, es ist unsere Liebe zu Lixt, und ich spüre sie, auch vom Zweiten, weißglühend wie es unser Flammenkörper nie erreichen könnte.
Diese Kraft ist genug, um unsere Faust nur wenige Zentimeter zur Seite zu lenken, und mit ihr schlagen wir an Lixts Kopf vorbei, ein Loch in die Barriere. Die Knochenwand zerbröselt unter der Wucht des Einschlags, und natürlich, um stehen zu bleiben, nicht zu stolpern, müssen wir Lixt loslassen, nicht wahr?
Helfende Hände packen sie von der anderen Seite, ziehen sie weg von mir, und sie verschwindet in der Menge. Schreit sie meinen Namen? Ich höre nichts außer das Pochen des Schmerzes in mir, der mich dazu zwingen will, hinter ihr herzulaufen, alle Barbaren wegzustoßen, um sie zu meucheln, egal wie...
Aber ich muss doch auch die Flügel zurückbringen, oder? Der Schmerz wird weniger.
Jetzt muss ich nur noch...den Griff...um sie lockern...fallen lassen...sie mit abnehmen lassen...und die Bürger von Harrogath...können verhindern, dass der Meister sie...in die Finger bekommt...Zweiter!
Es tut mir Leid, Dorelem.
Was? Was meinst du damit?
Mein Körper dreht sich um. Zweiter! Was tust du da?
Die Zeit der Rebellion ist vorüber, Dorelem. Ich vermute, wir werden uns nie wieder sprechen. Ich wünsche dir, aus ganzem Herzen, dass du einfach verschwinden kannst.
Wir können ihm widerstehen, Zweiter! Was redest du? Wir haben es gerade geschafft, warum lässt du nicht einfach...?
Es gibt Befehle, die sind stärker als alles, was du dir vorstellen kannst.
Und damit schnappt sie zu, die Schale um die Gefühle des Zweiten, und er ist stumm, und steuert den Körper zusammen mit dem Befehl des Meisters, und ich kann nichts tun, absolut gar nichts – alleine bin ich machtlos. Einsam. Verlassen...und verraten.
"Sie ist nicht tot", stellt der Meister trocken fest.
Der Zweite kniet vor ihm nieder. "Es gibt keine Entschuldigung, Meister. Dorelem war in der Lage, Eueren Befehl gerade so zu verdrehen, dass er ihr erlauben konnte, zu überleben. Ich werde dafür sorgen, dass es nie wieder vorkommt."
Der Meister gibt keine Antwort und packt gierig Trang-Ouls Flügel. Alles in mir schreit dagegen auf, aber niemand kann es hören, wahrscheinlich nicht einmal der Zweite.
Der Meister blickt für einen Augenblick verwirrt. Dann bildet sich auf seinem Mund langsam ein verklärtes Lächeln.
Die Einzelteile des Sets, nun vereint, beginnen, leicht zu schimmern. Ein tiefrotes Funkeln bricht plötzlich aus den schwarzen Augenhöhlen hervor.
Der Meister lacht mit einer Stimme, die viel tiefer scheint als seine normale. Aber nicht so, als würde er sie verstellen...
Er reißt die Arme hoch, in einer Geste des Triumphs, und in der Bewegung reißt es auch seinen Körper nach oben, bis er einige Zentimeter über dem Boden schwebt, auf kleinen Plattformen aus glühenden Knochen. Eine Knochenrüstung wächst von ihnen nach oben, umgibt ihn und seine goldene Rüstung mit dem roten Schein aus den Gelenken, ein Netz aus geisterhaften Knochen, die sich zu einem dünnen Skelett formen, als wäre sein Innerstes nach außen gekehrt.
Der Schädel wendet sich dem Zweiten zu.
"Ja, es ist selbstverständlich gelungen – meine Wiederkunft ist vollendet! Dieser junge Körper, wie von mir vorgesehen, ist meine neue Hülle auf Sanktuario. Trang-Ouls Avatar hat mich beherbergt, und seine Vervollständigung hat mich befreit – du hast es geschafft! Dein Meister...ist zurück!"
Ich hatte es geahnt. Befürchtet. Nicht wahrhaben wollen. Aber natürlich ist es passiert.
"Es ist auch dir zu verdanken, mein treuester Diener, dass der Erfolg sich eingestellt hat. Deswegen werde ich großzügig sein."
Die Knochenhand des alten Generals landet schwer auf meinem Kopf.
"Du darfst überleben, trotz deiner Fehler. Weiterhin deinen Platz an meiner Seite inne haben. Aber wisse – sobald Baal gefallen ist, und meine Herrschaft dadurch ohne Gegner bestehen kann, wirst du die Novizin Lixt finden, und du wirst sie zu mir bringen. Dann werde ich mich entscheiden, was mit ihr geschieht – aber egal, was ich tue, du wirst Zeuge sein, und Vollstrecker. Dieser Befehl ist unverrückbar, und du wirst ihn ohne zu zögern ausführen. Hast du dazu etwas zu sagen?"
Nichts. Der Zweite sagt nichts.
Der General grinst ein Schädelgrinsen.
"Und um ganz sicher zu gehen, dass keine weiteren Fehler geschehen, werde ich dir nun die Stimme in deinem Kopf nehmen..."
Er packt mit an den Schläfen und sieht mir, ja, mir, direkt in die Augen. Der Druck auf mein Gehirn ist nicht auszuhalten.
"Der du dich Dorelem nennst – du wirst fortan für immer in den Erinnerungen meines Golems gefangen sein. Du wirst seine Existenz erleben, wieder und wieder, mit vollem Bewusstsein dessen, was an ihrem Ende steht, nämlich weitere ewige Knechtschaft. Nie wirst du daraus ausbrechen, denn ich werde die Unendlichkeit überdauern, und mein Golem mit mir!"
Ich werde in die Schwärze gezogen, mit einem wortlosen Schrei, und ich weiß, während meines mir angedrohten Schicksals wird mich nichts so quälen wie das Bewusstsein, dass dieser Körper, in dem ich stecke, Lixt töten wird, und das nur, weil ich versagt habe, weil ich es nicht verhindern konnte, als willenloses Werkzeug eines Wahnsinnigen, der mein Schicksal immer gesteuert hat, seit ich erschaffen wurde...ich war nie frei, und die Vorstellung, es zu sein, war immer lachhaft, ein Traum ohne gutes Ende. Der Zweite hatte Recht.
Ich falle und lande nie.
 
Ich hasse dich dafür dass du so hervorragend schreibst.. :autsch:

Ernsthaft, das tut mir im Herzen weh :(

Du bist ein Monster... :lol:

Bitte mach schnell weiter das hält ja kein Mensch aus so!!
 
Ich hoffe doch für das geistige wohl und vertrauen in die menschheit und menschlichkeit all deiner leser, dass du diese unglaubliche geschichte nicht so enden lassen willst! du schreibst wirklich gut, aber, wenn es kein happy end gibt, werde ich, glaube ich, kopfgeldjäger auf dich ansetzen müssen, oder wie in stephen kings "mysery" dich foltern, bis du ein happy end schreibst!
 
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