Kapitel 31 – Ausrüstung
Deckard lächelt den Meister an.
„Ihr seit sehr mutig, mein Freund. Aber wollt Ihr das Böse bezwingen, darf Euere Rüstung keinen Makel haben, muss Euere Waffe magische Qualitäten besitzen, die ihresgleichen suchen.
Viele wertvolle Gegenstände gibt es auf dieser Welt, von sehr wenigen ist der Standort bekannt. Ihr müsst sie finden. Viele Besitzer dieser kostbaren Artefakte sind nach ihrem Tod in die Hölle gekommen, und ihre Schätze waren an ihre Seelen gebunden; nun, da die Opfer des Bösen als Dämonen und böse Geister, die wilde Tiere besessen, auf das Angesicht Sanktuarios zurückgekehrt sind, haben einige der Dämonen diese Gegenstände bei sich. Es ist an Euch, sie zu Euerem Nutzen den Heerscharen der Hölle abzunehmen.“
„Na prima! Das heißt, wenn ich Glück habe, ist der nächste Gefallene ein reicher Schnösel mit einer Privatsammlung von edlen Teilen gewesen. Wenn nicht, dann kann ich noch tausendmal so viele Gegner wie in Tristram erledigen, und keiner von ihnen hat was dabei!“
Gutes Argument vom Meister. Aber Deckard weiß ihn zu beruhigen.
„Macht Euch keine Gedanken, dass ihr zu wenig dieser lebenswichtigen Ausrüstung finden könntet. Ihr werdet genug Kontrahenten antreffen. Auch benötigt Ihr nicht die wertvollsten aller Gegenstände, um gegen Andariel bestehen zu können. Seht diese Schuhe, die Ihr aus Tristram mitgebracht habt.“
Er hält die Kettenstiefel hoch, die ihm der Meister zum Identifizieren dagelassen hat.
„Diese Stiefel, so habe ich herausgefunden, erhöhen euere Fähigkeit, sowohl gegen Kälte, als auch gegen
Feuer – Angriffe bestehen zu können. Solange Ihr sie tragt, erhöht sich Euere Widerstandskraft in diesen Bereichen deutlich! Noch dazu erhöhen sie Euere Stärke, sodass ihr auch schwerere Rüstungen tragen könnt, solange Ihr die Stiefel benutzt!“
„Hey, prima! Das wird ausprobiert.“
Der Meister zieht die Stiefel an.
„Tatsächlich. Jetzt spür ich das Gewicht von dem Helm überhaupt nicht mehr...“
„Und das ist nicht alles!“
Fährt Deckard fort.
„Auch dieser Gürtel, wie ihr schon bemerkt haben dürftet, besitzt eine Art Ausstrahlung, die uns beweisen kann, dass er magischen Ursprunges ist.
Tatsächlich ist er ein ganz gewöhnliches magisches Objekt, nicht so wie die Stiefel, die von einem eher seltenen Zauber verbessert wurden. Aber zumindest erhöht dieser Gürtel Euere Lebenskraft; ihr werdet länger durchhalten, auch in schweren Kämpfen mit viel erlittenen Wunden.“
Der Meister verzieht das Gesicht.
„Na ja, ich hoffe natürlich, dass nicht ich die Wunden erleide, sondern zum Beispiel er hier...“
Auf mich deutend. Na toll.
„...aber nützlich ist er sicher; jetzt kann ich endlich diese ganzen Tränke zwischenlagern...“
Er legt die Lederschlinge um, geht zu der Schatztruhe, woran er schon einmal war, sperrt auf und kramt darin herum. Er holt zwei Fläschchen mit roter Flüssigkeit, eines mit blauer und eines mit purpurner Flüssigkeit; das wären dann Heil – und Manatränke, wie ich sie schon im Einsatz gesehen habe; Mana ist ein anderer Ausdruck für Zauberkraft, soweit ich weiß.
Damit ist der purpurne einer der von Kaschya erwähnten Regenerationstränken. Interessant, wenn auch magisch und damit mit Vorsicht zu genießen.
Der Meister kommt wieder zu uns zurück.
„So, jetzt brauch ich keine Angst mehr vor irgendwelchen nicht – tödlichen Verletzungen zu haben, das ist toll.
Gehen wir los?“
Kapitel 32 – Die Reise
Akara meldet sich zu Wort.
„Ihr wolltet noch etwas über den schwarzen Turm wissen...“
„Oh. Ja. Das hätte ich fast vergessen...“
Das ist dem Meister wohl recht peinlich, scheint es.
„...liegt der irgendwo in der Nähe oder so?“
„In der Tat. Im Schwarzmoor; also direkt auf Euerem Weg. Gleich nach dem Dunkelwald in der Richtung des Klosters.“
Ein Grinsen überzieht das Gesicht des Meisters.
„Das ist aber praktisch. Danke für die Informationen, Akara. Dann wollen wir doch mal losgehen, um das Böse vom Angesicht der Welt zu fegen! Ha!“
„Warum wolltet Ihr das denn wissen, junger Held?“
Fragt Deckard mit schlauem Lächeln. Ich glaube, er weiß die Antwort eigentlich.
Der Meister jedenfalls verzieht das Gesicht.
„Na ja...nur so aus generellem Interesse...ich muss doch wissen, wo sich Alles befindet, wenn ich das Böse besiegen will, nicht?“
Dazu grinst er wenig überzeugend.
Aber Deckard lässt sich täuschen – oder tut er nur so?
„Dann wünsche ich Euch viel Glück und alles Wissen Sanktuarios, General. Möge das Böse vor Euerem Namen erzittern. Ich sehe Großes für Euch, und die, die Euch begleiten.“
Ah, Deckard macht mich immer ganz stolz, auch, wenn ich das nicht sein sollte.
Aber er hat doch immer so Recht – ich mache hier doch die ganze Arbeit.
Und die Skelette. Und Kaschya.
Gut, Großes für Alle, die ihn begleiten.
Da fällt Akara noch etwas ein.
„Oh, General, das hätte ich fast vergessen bei der ganzen Aufregung! Ihr bekommt noch etwas von mir!“
Dieser dreht sich langsam um, nachdem er schon schnell anhalten musste, auf seinem schnellen Weg zum Wegpunkt. Akara redet weiter.
„Es handelt sich um einen magischen Ring, den ich in der Lage war, herzustellen. Leider werden solcherlei Attribute immer zufällig verteilt...er erhöht Euere Sichtweite und eueren Maximalschaden!“
Ich kann sehen, wie der Meister die Augen verdreht.
„Oh, danke, Akara...leider kann ich das nicht wirklich brauchen. Kannst du ihn wohl Charsi bringen? Sie freut sich immer, mir so etwas abzukaufen...ich hol mir das Gold dann später ab. Tschüss!“
Und weg ist er. Höflich und nett.
Nach der Benutzung bin ich doch froh, dass der Meister darauf bestanden hat, den Wegpunkt zum Dunkelwald aktivieren zu lassen. Sonst hätten wir einen weiten Weg vor uns gehabt! Denn, das weiß ich mittlerweile, es kann immer nur ein Stadtportal gleichzeitig aktiviert bleiben, wenn die Schriftrollen die selbe Formel auf ihnen stehen haben.
Da diese Formel relativ schwierig zu entwickeln ist, erhält Jeder der Wenigen, die einen privaten Folianten des Stadtportals – das blaue Buch ist so einer – zum Verstauen der Formelblätter haben, eine eigene Öffnungsformel.
Demnach ist kein Portal mehr zum Dunkelwald offen, weil der Meister im Feld der Steine eines geöffnet hat; dieses ist auch weg, weil es sich über Nacht schließt, um keinen Missbrauch durch Monster zu erlauben.
So hingegen stehen wir am Wegpunkt des Dunkelwaldes, bereit, zum Kloster der Jägerinnen zu gehen.
Ach ja, die Gegner – natürlich werden wir schon nach wenigen Schritten gebührlich in der Wildnis empfangen, von einer Gruppe Untiere. Ein Überbleibsel von Baumkopf Holzfausts Gruppe?
Aber sobald ich den ersten, der unvorsichtig vorgeprescht ist, aufgehalten habe, damit Kaschya ihn mit einem sauber gezielten Pfeil töten kann, wird die Sache leicht – denn der Meister erzeugt sofort ein Skelett.
Nachdem das Grüppchen erledigt ist (das war wirklich kein Problem) stehen wieder fünf Skelette zwischen knochenlosen Leichenteilen, eine Untierleiche ist übrig.
Und so geht es weiter, nur, dass wir nicht einmal für einen ersten Kadaver sorgen müssen. Ein Lager Schlächter samt zwei Schamanen ist so wenig ein Problem für uns Veteranen von Tristram wie fünf Jägerinnen mit einer dämonischen Anführerin, die wir, in einen (festen) Tonklumpen verfangen, zurücklassen, ihre Untergebenen Abtrünnigen als Material für zwei neue Skelette dienend.
Kaschya kämpft in solchen Fällen nicht mit; sie kann es nicht ertragen, Hand gegen ihre ehemaligen Schwestern zu legen.
Der Meister hingegen hat überhaupt keine Skrupel, Jemand zu töten, der das selbe mit ihm versucht.
Zumindest hat er kein Problem, mir und den Skeletten das Töten zu befehlen...
Nach einer Weile (wir sind längst wieder am Inifuss – Baum vorbei) wird der Boden bedeutend sumpfiger. Jeder Schritt der Menschen und Skelette lässt Wasser hervorquellen; ich trete weicher auf.
UND es regnet. Der Meister versucht ausnahmweise nicht einmal, Kaschya in eine Diskussion zu verwickeln; diese bleibt normalerweise sowieso stoisch ruhig und antwortet einsilbig.
Die Stimmung ist gedrückt, während ein „Blutfalkennest“ (nach Kaschya) am Horizont auftaucht;
tatsächlich spuckt eine organische Röhre, die sich in regelmäßigen Abständen ausstülpt, neue fliegende Dämonen aus, die rot, nicht braun wie Faulkrähen sind, und nach einem Schwerthieb am Boden liegen. In Massen können sie hingegen zu einem Problem werden; deshalb ordnet der Meister an, dass die zwei Skelette mir und drei ihm (klar) von den Biestern den Rücken freihalten, während ich das Nest zu erledigen habe.
Es ist nicht einfach, solch ein Ding mit den Händen zu zerfetzen; Klauen wären viel sinnvoller.
Auch, wenn ich zwei Hände eigentlich mag, ich greife wieder auf die Veränderung des Meisters zurück, die mir spitze Fingernägel beschert, und hacke darauf los.
Bald stehe ich in blutigem Brei – und zwar ohne eine Erinnerung an den Weg, der dort hin geführt hat! ...nicht schon wieder - , aber der Schleim, der mich und Alles in der Umgebung bedeckt, wird keines von den Eiern, die ebenfalls verteilt sind, mehr versorgen und zu unnatürlich schnellem Schlüpfen anregen; überall liegen Blutfalken mit ihren ledrigen Flügeln mal klein, mal fast schon ausgewachsen, herum, es ist ein furchtbares Chaos aus ekelhafter Flüssigkeit.
Der Meister übergibt sich, während Kaschya ihn angrinst und spottet, was für ein großer Held er doch sei, dass ihm von „dem bisschen Schleim und Blut und stinkendem Etwas“ – worauf der Meister noch einmal seinen Magen entleert – schlecht werde.
Wenigstens finden wir nach zwei weiteren Nestern (das Ergebnis der Kämpfe zu inspizieren reizt den Meister nicht mehr besonders) den Wegpunkt im Schwarzmoor (denn da sind wir seit einer Weile angekommen), was ihn wieder versöhnlicher stimmt.
Ein halber Tag ist vorbei, als die Steinplatte mit den kryptischen Symbolen vor uns auftaucht; der Meister ruft eine Mittagspause aus (er hat ja sicher wieder Hunger, sein Frühstück ist auf jeden Fall weg) und wir bleiben gleich eine Stunde im Lager, nachdem Akara die Runen, die die Lage des Wegpunktes angeben, übersetzt hat.
Kapitel 33 – Demonstration
Um genau zu sein, hat die Mittagspause bis jetzt eine Stunde, fünf Minuten, 32...33...34 Sekunden gedauert; nun drängt Kaschya zum Aufbruch, während der Meister noch an einem Hühnerbein nagt.
„Wir haben schon viel zu viel Zeit verschwendet, während du so faul daliegst! Das Böse wartet und schläft nicht!“
„Womöglich isst es auch nichts, was? Gib mir noch eine halbe Stunde Schlaf...“
„Wir haben für Langweiler keiner Platz hier! Tu was für deine freie Unterkunft und das Essen!“
Der Meister zieht ein verletztes Gesicht.
„Kaschya, Kaschya...ich habe doch schon so viel getan...bei Deckards Rettung tat Eile wirklich Not, aber jetzt...wozu die Hektik? Und wenn du mich hier nicht mehr willst – bitte, ich kann auch gehen...!“
Jetzt ist es an Kaschya, das Gesicht zu verziehen.
„Sollst du nicht, was das Problem darstellt. Wir brauchen dich...“
Das hat wehgetan..
Was hat mich jetzt zum Grinsen gebracht? Schadenfreude liegt mir eher nicht...
„...gerade, weil das Böse wieder aufrüstet! Schon wieder sind Monster im Blutmoor aufgetaucht, Höhle des Bösen gesäubert oder nicht! Denkst du, dein Sieg in Tristram hat mehr gebracht, als die Rettung Deckards? Ein Nadelstich, und nicht mehr!“
Der Meister scheint nun ehrlich gekränkt.
Hat auch allen Grund dazu. Kaschya nervt.
„Viele Nadelstiche können Einen auch zum Verbluten bringen. Wenn du unbedingt willst, dann gehen wir weiter. Aber nur unter Protest. Sei wenigstens dankbar, dass Keiner diese Reste wegräumen muss...“
Im Aufstehen von den Kissen, auf dem er vor dem niedrigen Tisch in Akaras Zelt saß, die die ganze Konversation mit stoischer Ruhe und besorgten Blicken verfolgt hat, hebt er seinen Knochenstab auf.
Die Hühnerknochen vibrieren, werden flüssig, blähen sich auf. Ein Schädel, zwei Arme und Beine bilden sich.
Zuletzt sprießt ein Schwert mit diesmal gerader Klinge aus einem Arm, der andere verbreitert sich sogar zu einem Schild, was auch nicht immer passiert.
Das Gesicht des Meisters hat sich gerötet. Es ist wohl gar nicht so einfach, eine Beschwörung so lange dauern zu lassen; ein Huhn gibt eben doch nicht so viel Knochenmasse her; aber das Skelett wird, wie er schon sagte, trotzdem immer ein menschliches.
Warum hat er das überhaupt getan? Vollkommen unnötig, draußen waren schon fünf.
Eine schöne Machtdemonstration.
Stimmt sogar....Kaschyas Augen haben sich geweitet, Akara rutscht auf ihrem Kissen hin und her, die Augen fixiert auf das Skelett, dessen Kopf in den Falten des Zelts begraben ist.
„Ich vermute, du könntest wieder Mana brauchen...“
Meldet sie sich zu Wort.
Akara kann diese Zauberkraft nämlich schnell wieder herstellen, deren Anwendung den Meister immer so viel Ausdauer kostet. Magie ist gefährlich! Aber der Meister...
„Heilung brauche ich nicht! Ich bin frisch wie der junge Tag! Gehen wir los, ich kann es kaum erwarten, ein paar Monstern in den Hintern zu treten!“
Ich schüttele heimlich den Kopf. Welchen Sinn hat die Ablehnung von Hilfe? Ein Blinder könnte sehen, dass der Meister sich erschöpft hat.
Schwäche jetzt zu zeigen, wäre fatal.
Hm, tatsächlich...das würde seinen guten Auftritt ruinieren. Aber muss er so angeben?
Der Meister hat Respekt verdient!
Auch wieder wahr.
Wir treten aus dem Zelt in den Schein der hoch stehenden Mittagssonne, uns erwarten vier Skelette und ein Häufchen weißer Staub. Eines von ihnen ist erwartungsgemäß zerfallen, als der Meister das letzte beschworen hat.
Dieses bugsiert Akara nun, sichtlich angeekelt, aus ihrem Zelt, nachdem sie es von dem Stoff befreit hat.
Der Meister, der gerade, auf dem Wegpunkt stehend, „Schwarzmoor“ sagt, hat davon wie üblich nichts mitbekommen.