Sorry Simon, das musste sein.
Kapitel 26: Bleibende Narben
“Du bist also ein Werpanther, hm?“, fragte Lycander, als sie fertig war, die Wunde zu nähen, die sich quer über meine rechte Gesichtshälfte zog.
“Nee, ich bin Genitiv. Ich bin ein Wessenpanther, weißte?“, entgegnete ich herablassend.
“Ha. Ha. Ha. Seeeeeeeehr witzig. Nein, ich meinte, warum hast du das nicht mal, wie soll ich sagen... erwähnt? Immerhin sollte ich doch wohl, wenn ich mit dir herumreise, darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass du tief in deinem Inneren eine schreckliche, nach Blut trachtende, wilde Bestie bist, oder?“
Ich war empört.
“'Schreckliche, nach Blut trachtende, wilde Bestie'?! Aber sonst geht’s dir gut, ja? Jetzt hör mir mal ganz genau zu: Ich habe mich in dieser Form rein zufälligerweise sehr gut im Griff, okay? Ich bin als Panther allerhöchstens ein klein wenig sozio-MAUS!!!“
Ich unterbrach unser Gespräch und stürzte mich reflexartig auf eine Wüstenspringmaus, die ich aus dem Augenwinkel heraus bemerkt hatte.
“Was soll denn DAS jetzt schon wieder?“ fragte Lycander halb erschrocken, halb erstaunt.
“Ach, das kann schon mal vorkommen“, erklärte mein Vater mit einem Kichern.
“Wenn er sich erst kürzlich verwandelt hat ist es gut möglich, dass seine Katzeninstinkte ab und zu die Oberhand ergreifen. Wie in diesem Fall sein Jagddrang. Mittlerweile hat er das aber eigentlich im Griff und stürzt sich nur noch ab und zu auf kleinere Tiere. Damals jedoch, als er noch sieben war...
Weißt du worauf ich hinaus will, Junge?“, fügte er an mich gewandt hinzu.
Enttäuscht davon, dass ich die Maus nicht erwischen konnte, antwortete ich:
“Hachja, der Ausflug nach Disney World. Ich erinnere mich. Glaubst du, der Typ in dem Kostüm kann mittlerweile wieder Laufen?“
“Mhhhhhhh, eher... nicht.“
“Oh, wie 'schade'. *kicher*“
“Ja, wie 'schade' *kicher*
Lycander hatte einen Ausdruck des Entsetzens im Gesicht.
Plötzlich meldete sich Igor zu Wort:
“Meister Propper, ich glaube, ich habe einen Durchgang gefunden! Eure Kadaverexplosion hat einen Riss in die Wand hier gesprengt, durch den ein schwaches Licht scheint!“
“Ah, großartig. Danke, Igor.“
“Wieso nennt ihr Golem sie eigentlich ständig 'Meister Propper'?“, fragte Lycander meinen Vater.
“Ach, das liegt an so einem blöden Druckfehler in der Beschwörungsformel für Golems, mit der ich ihn erschaffen hatte. Jeder Golem, der mit so einer falschen Formel beschworen wurde, muss seinen Meister mit dem Namen eines Reinigungsmittels ansprechen. Da habe ich es mit 'Meister Propper' noch halbwegs gut getroffen. Es gibt auch schlimmere Namen, wie zum Beispiel 'WC-Ente-Aktiv', 'Persil-Megaperls', 'Perwoll' oder 'General'.“
“General? Das klingt doch super!“
“General Frühlingsfrisch“
“Oh. Die arme Sau.“
“Aber genug davon, wir müssen jetzt erstmal durch diese Wand. Irgendwer Ideen?“
“Öhm...“
“Hm...“
“Tjoa...“
“Arnold haben Idee. Arnold nehmen Axt und hauen kräftig auf Wand. Dann Wand stürzen ein.“
“Öhm, ja, genau das wollte ich auch gerade vorschlagen. Dann mach mal, Arnold.“
Pling. Schepper. Rumms.
Die Wand stürzte nach zwei Schlägen ein und gab einen mit Fackeln ausgeleuchteten Gang frei, der nach wenigen Metern nach rechts abbog. Offenbar war die soeben eingestürzte Wand nur sporadisch von Duriel errichtet worden, um mögliche Eindringlinge von Diablo fernzuhalten.
“So Kinderchen, gleich ist es soweit. Diablo wartet hinter dieser Ecke auf uns, das kann ich förmlich riechen!“
“Oh, Verzeihung, das sein wohl Arnold. Er nicht hätte essen sollen Bohneneintopf.“
“Iiiiiiiigitt.“
Wir alle entfernten uns einen Schritt von Arnold.
“Also, seid ihr bereit für den großen Kampf?“
“Sag mal, bist du noch ganz DICHT? Wir haben den großen Kampf bereits hinter uns! Ich habe ein AUGE verloren, verdammt nochmal! Arnold hat sich die Schulter verletzt! Und Lycander... hat einen abgebrochenen Nagel oder sowas. Worauf ich hinaus will ist, dass wir unter keinen Umständen noch einen Kampf gegen einen so mächtigen Dämon schaffen. Du bist da mehr oder weniger auf deine eigenen Kräfte gestellt.“
“Achso, wenns weiter nichts ist... Ich, Igor und die Jungs“-er zeigte auf seine Legion von Untergebenen-
“machen sicherlich auch ohne eure Hilfe Kleinholz aus Diablo.“
“...und Baal.“
“Und wat?“
“Baal. Du weißt schon. Diablos Bruder. Der, wegen dem Diablo überhaupt hier unten ist.“
“Achsoooo. Du meinst Baal. Jaja, den schaffen wir auch noch. Hoffentlich...“
Wir bogen also, mit meinem Vater und seinen Dienern voran, um die Ecke. Der Gang ging noch einige Meter weiter und mündete dann in einen großen, kreisrunden Raum. In der Mitte dieses Raumes befand sich ein gigantisches, tiefes Loch, in dessen Mitte wiederum eine kleine Insel hing, die mit Ketten und einer Hängebrücke mit dem Festland verbunden war. Auf dieser Insel stand ein Wesen vor einem großen Felsen. Doch dieses Wesen war weder Diablo, noch war es Baal. Es war...
...ein Typ mit Kapuze. Und Flügeln.
Als wir näher kamen, sprach uns dieser Typ, der aussah wie ein Erzengel, mit einer tiefen, hallenden Stimme an:
“Sterbliche, ich danke euch für meine Ret-“
Doch mein Vater unterbrach ihn:
“Heyheyhey! So ja nich, Mister Kapuzifer! Für dich heißt das immer noch 'Sterbliche', (er deutete auf mich, Lycander und Arnold)
'vermindert Lebende' (er zeigte auf seine Skelette und Zombies)
'künstliche Lebewesen' (auf Igor)
und 'nicht Alternde' (auf sich selbst)
, klar soweit?“
“Ähm, also gut...“, sagte der Kapuzenträger verdutzt, und fing nochmal an.
“Sterbliche, vermindert Lebende, künstliche Lebewesen und nicht Alternde, ich danke euch für meine Rettung durch die Vernichtung Duriels. Doch leider muss ich euch mitteilen, dass Diablo und Baal entkommen sind. Ihr müsst um jeden Preis verhindern, dass sie sich mit ihrem Bruder Mephisto in Travincal treffen!“
“Whowhowhow! Mal langsam, ja!? Zunächst einmal: Wer oder was BIST du überhaupt? Und was machst du hier?“
“Ich bin der Erzengel Tyrael. Ich bin hergekommen, um zu verhindern, dass der dunkle Wanderer Baal befreit. Doch als ich vor einer Stunde hier ankam, war ich leider zu spät...
Sie überwältigten mich, sperrten mich hier ein, ließen Duriel hier, um mich zu bewachen, und flüchteten.“
“Aber... wie? Die hätten doch... irgendwie... an uns vorbeikommen müssen, oder?“, fing ich an, doch Tyrael widersprach mir.
“Nein, hätten sie nicht. Sie haben die Hintertür benutzt.“
Tyrael zeigte auf eine alte Holztür zu seiner Rechten.
“Und wieso zur Hölle bist die ihnen dann nicht einfach gefolgt?“
“Das ging leider nicht. Sie haben die Tür ja hinter sich abgeschlossen.“
“Oh. NATÜRLICH.
Aber jetzt zu dieser Travincal-Geschichte: Wie glaubst du, sollen wir es bis nach Travincal schaffen, bevor Diablo und Baal dort ankommen? Ich weiß ja nicht, wieviel Ahnung von Erdkunde ihr Erzengel habt, aber Travincal liegt in Ober-Kurast. Und Kurast liegt auf der anderen Seite des OZEANS!“
“Ach, das ist einfach. Wenn ihr wieder in Lut Gholein seid, sprecht einfach mit Jerhyn und sagt, Tyrael schickt euch. Er wird euch ein Transportmittel zur Verfügung stellen.“
“Aber wie stellen wir sicher, dass Diablo und Baal nicht VOR uns dort ankommen? Immerhin haben sie bereits einen mächtigen Vorsprung...“, meldete Lycander sich zu Wort.
“Ach, darüber würde ich mir keine Sorgen machen. So wie ich die beiden kenne, werden sie sich jetzt erstmal einige Zeit in die Wüste legen und sich sonnen.“
“A-HA!“