Kapitel 30: Eine erstaunlich lange Schifffahrt
Als ich am nächsten Morgen erwachte, bemerkte ich, dass ich der letzte in unserer Kajüte war.
Ich zog mich schnell an und ging an Deck. Vater stand an der Reling und starrte auf das offene Meer hinaus.
“Hey, Captain Morgan, auch schon wach?“, sagte er herablassend.
Ich hatte am Abend zuvor mit einigen der Matrosen ein wenig Rum getrunken.
“Ja, und red bitte nicht so laut. Ich bin noch ganz verkatert...“
Ich hatte am Abend zuvor mit einigen der Matrosen recht viel Rum getrunken.
“Naja, ist verständlich, bei der Menge Alkohol in deinem Körper. Ich wette, wenn dich jetzt eine Zecke beißen würde, stürbe sie binnen Sekunden an Alkoholvergiftung.“
Ich hatte am Abend zuvor mit einigen der Matrosen sehr viel Rum getrunken.
“Ahahahaha. Themenwechsel: Warum stehst du hier und starrst auf das Meer hinaus?“
“Ach, das erinnert mich an meine Kindheit. Außerdem meinte Meshif, man könnte bald schon wieder Land sehen. Apropos, bist du eigentlich schon nervös?“
“Wieso sollte ich nervös sein?“
“Naja, ist immerhin das erste Mal seit über einem Jahr, dass du deine Mutter wiedersiehst.“
“Wa-W-Was?! Mama ist in Kurast? Seit wann das denn?“
“Jetzt sag nicht, du wusstest das nicht. Wir schicken dir und Aurora doch alle Paar Wochen eine Postkarte!“
“Postkarten? Äh, du weißt schon, dass, seitdem du damals aus Harrogath abgehauen bist und Qua-Kehk deinen Posten übernommen hat, bei uns keine Post mehr ausgetragen wird?“
“Ach Gott, ja. Das hatte ich total vergessen. Naja, dein Pech. Ums kurz zu machen: Wir sind vor nem halben Jahr nach Kurast gezogen, weil deine Schwester jetzt alt genug ist, ihre Ausbildung zu machen. Ich hab mich dann irgendwann nach Lut Gholein verdrückt, um Leichen für meine Legion der Finsternis zu finden. Den Rest kennst du ja.
“Nun gut, ich hab Mama wirklich lange nicht gesehen. Wird schon irgendwie hinhauen. Obwohl ich sagen muss, dass das ein ziemlich großer Zufall ist, dass meine Familie jetzt genau dort wohnt, wo wir hin müssen.“
“Stimmt auffallend. Klingt für mich wie etwas, das sich ein schlechter Autor aus den Fingern zieht, wenn er unnötiges Drama einbauen will, um eine Schreibblockade zu überwinden.“
“...“
“...“
“...“
“...“
“...ich glaube, ich geh dann mal mit Lycander reden.“
“Tu das.“
Wieso in aller Welt hat Qua-Kehk die Post abgeschafft?
Er hat eine Briefmarken-Phobie.
Achso.
Da ich Lycander nirgends finden konnte, suchte ich halt nach Arnold. Ihn konnte ich jedoch auch nicht finden, also begann ich ein Gespräch mit dem Eisengolem meines Vaters. Ich kannte ihn schon seit frühester Kindheit. Er war wie ein Onkel für mich und meine Schwester.
“Hey, Igor. Was läuft?“
“Nicht viel. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie nervenaufreibend es ist, ein knappes Dutzend Untoter zu koordinieren und in die Benimmregeln deines Vaters einzuweisen? Ich sag es dir: ZIEMLICH nervenaufreibend! Und fang mir gar nicht erst mit dem Gesang an...“
“Gesang?“
“Meister Propper hat sich in den Kopf gesetzt, aus mir und den halb verwesten Kadavern dort eine A-cappella-Band zu machen. Er hat sogar schon einen Namen...“
Ich fand den Gedanken höchst amüsierend.
“Und, wie lautet dieser Name?“, fragte ich mit einem Kichern.
“Wir heißen Rasputin und die lebenden Leichen“, sagte Igor. Ich konnte die Scham in seiner Stimme förmlich spüren. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Solche Namen konnte sich auch wirklich nur mein Vater einfallen lassen.
“Und, was singt ihr so? Altdeutschen/Russischen Schlager?“
“Nein. Größtenteils klassischen Rock.“
Wie klischeehaft.
“Das hätte ich mir eigentlich denken können. Naja, ich will dich dann mal nicht weiter stören. Die Zombies trainieren sich ja nicht von alleine.“
Ich lief noch ein wenig auf dem erstaunlich großen Schiff herum und kam dabei an der Tür der Kapitänskajüte vorbei. Da ich nichts besseres zu tun hatte, klopfte ich an und ging hinein.
Meshif saß gerade hinter seinem Pult und ging eine Art Inventurliste durch, ehe er mich erblickte.
“Zwei Fässer Schwefel, ein Dutzend Flaschen Affenblut, sieben menschliche Schädel... Ah, Herr Van´el, wie kann ich ihnen zu Diensten sein?“
“Ich wollte mich nur eben erkundigen, wann wir ungefähr ankommen.“
“Oh, das wird noch ein wenig dauern. Wir müssen ja immerhin einmal quer übers Meer. Mindestens noch eine Woche, würde ich sagen.“
“Ah. Na supi.“
Ich hatte an diesem Abend mit einigen der Matrosen extrem viel Rum getrunken.