Die Nachricht, dass Hellgate:London-Entwickler Flagship Studios vor dem Aus steht (wir berichteten), hat auch in der Diablo-Community einige Wellen geschlagen. Nicht umsonst, denn Flagship wurde ja schließlich von ehemaligen Blizzard-Mitarbeitern um den legendären Diablo-Designer Bill Roper gegründet und Hellgate:London lange Zeit als inoffizielles Diablo 3 gehandelt.
Nicht nur diese Meldung, sondern auch die Hysterie um das nun tatsächlich angekündigte Diablo 3, haben den BlizzardGuru dazu veranlasst, sich einmal kritisch mit dem Hype auseinanderzusetzen. Er zeigt auf, wie sehr ihn all die Aufregung um Diablo 3 an die Zeit erinnert, als Hellgate:London angekündigt wurde, und welche Gemeinsamkeiten die beiden Spiele besitzen.
Wir übersetzen euch den langen, aber sehr guten Artikel in zwei Teilen. Der zweite Teil kommt morgen auf euch zu, den ersten gibt es jetzt exklusiv auf Deutsch:
Samstag, der 28. Juni 2008 – der Tag, an dem die Dämonen in Diablo 3 wieder erwachten.
Aufgrund der Ankündigung von Diablo 3 und der verständlichen Aufregung habe ich ein wenig über den Start eines anderen Spiels nachgedacht, der noch gar nicht so lange her ist; über den Hype vor dem Launch und das Scheitern, die hoch gesteckten Erwartungen so vieler Fans zu erfüllen – Hellgate:London. Dass ich diese beiden Spiele zusammen nenne, sollte niemanden wirklich überraschen, auch nicht die Entwickler: Flagship Studios selbst entschied sich, den Hype noch anzuheizen, indem sie den Slogan „von den Entwicklern von Diablo“ in ihre Produktwerbung einbauten. Viele von denen, die wegen der Aussicht auf ein Diablo 3 aufgeregt sind, waren (und sind es vielleicht immer noch?) es auch wegen HG:L. Was ich seltsam finde, ist, dass sehr wenige Leute sich die Wurzeln dieser beiden Spiele ansehen. Ich denke zwar nicht, dass wir beide Spiele direkt vergleichen sollten, aber wir können uns ansehen, welchen Ursprung sie haben…
Gedanken
Ich habe versucht, alle Informationen zu sammeln, die ich über Diablo 3 bekommen konnte – hey, ich bin ein großer Fan der Serie und gebe offen zu, dass ich mich auf Diablo 3 freue. Und in all den Interviews, den Streams von der WWI, im Gameplay-Trailer und allem anderen sehe ich vor allem eines: Die offensichtlichen Parallelen zwischen Hellgate:London und Diablo 3, nicht nur im Gameplay, sondern vor allem in der Sprache der Entwickler, die ihre neuen Produkte beschreiben.
Obwohl der Hype um Hellgate:London vor dem schlussendlichen Release im Oktober 2007 stattfand und der um Diablo 3 gerade erst beginnt, kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass man mir die selben Konzepte und Vorschläge für ein „verbessertes Diablo 2“ gerade noch einmal präsentiert, wie bei HG:L. Die Entwickler versprechen uns Zufallsquests, Zufallskarten, eine packende Story, epische Kämpfe, ein hohes Tempo, einen hohen Wiederspielwert und so weiter und so fort. Wenn man sich die Entwicklerpanels von der WWI genau ansieht und einmal nicht auf das neue Spiel achtet, sondern auf die Wortwahl der Entwickler, dann merkt man, dass sie mit den selben Vokabeln um sich werfen wie die Entwickler der Flagship Studios. Nicht wirklich überraschend, wenn man sich vor Augen führt, dass eben diese Entwickler vorher bei Blizzard an einem unangekündigten Nachfolger für Diablo 2 gearbeitet haben.
Im rechten Lichte betrachtet…
Es ist schwer als Spekulation zu verpacken, also sage ich es gleich (und glätte die Wogen später): Ich habe das Gefühl, dass Flagship Studios ihre frühen Aufzeichnungen für ein erstes kurzlebiges Diablo 3 mitgenommen haben, als sie Blizzard verließen. Es sieht so aus, als hätte man ein ganzes Bündel an Ideen für Diablo 3 genommen und als Basis für Hellgate benutzt. Um ehrlich zu sein, ist es auch das, was so aufregend daran war: HG:L erschien wie der inoffizielle Nachfolger von Diablo 2. Jeder dachte es, fast jeder sagte es auch. Wir liebten es, weil es all unsere Erwartungen an den Nachfolger zu erfüllen schien. Es war sogar in 3D, hatte tolle Videos und Schusswaffen!
Das Problem, das aber bestand, war, dass Flagship zwar vielleicht die Notizen hatte, aber nicht die Leute, die diese geschrieben hatten. Sie wussten, was sie wollten, aber nicht, wie sie es auch erreichten sollten. Es endete in tollen Ideen, gut angekündigt, aber schlecht umgesetzt. Und das klingt für mich genau wie eine Beschreibung von Hellgate:London.
Ich kann mir vorstellen, dass Hellgate genau so entstand. Trotzdem gebe ich den Flagship-Gründern keine Schuld. Sie haben hart daran gearbeitet, genau wie an dem frühen Konzept für Diablo 3, bevor sie Blizzard verließen.
Ich kann mir die Unterhaltung bildlich vorstellen – ich kann die gerade überflüssig gewordenen Blizzardmitarbeiter auf der Couch sitzen sehen, wie sie sich selbst bemitleiden… und plötzlich sagt einer von ihnen:
„Hey, ich habe noch ein Vorabkonzept für Diablo 3 auf meinem PDA… und dazu diese coolen Skizzen.“
„Und was hältst du von diesen Aufzeichnungen?“
„Wow, die sehen gut aus! Eine Ahnung, wie man so etwas einbauen kann?“
„Nein, das war Joe’s Idee, der hätte sich darum gekümmert. Können wir es nicht einfach einbauen?“
„Klar, es wird schon irgendwie in das Spiel passen.“
Kleine Anmerkung: Dieser Dialog ist pure Spekulation. Was wirklich passierte, als Blizzard North aufgelöst wurde, können uns nur die Beteiligten verraten.
Hellgate-Fans bilden vielleicht an dieser Stelle bereits einen Lynchmob und fragen nach meiner Adresse, aber eines möchte ich klarstellen: Ich möchte mich darüber gar nicht streiten. Ich gebe gerne zu, dass das nur meine persönliche Meinung ist, und dass ich mich durchaus irren kann.
Worüber Blizzard redet, und was sie uns bis jetzt gezeigt haben, scheint einfach „originaler“ zu sein. Und ich frage mich, ob es das sein könnte, was Menschen empfinden, die zum Beispiel die Mona Lisa im Original im Louvre hängen sehen – dass keine Kopie so gut sein kann wie das Original.
Viele Elemente, die die Diabloserie immer ausgezeichnet haben, fanden sich auch in Hellgate wieder (oder finden? Noch lebt es). Es sollte auch niemanden überraschen oder ärgern, dass Flagship versucht hat, so viel von ihrer Erfahrung und ihrem Wissen aus ihren Blizzard-Tagen mit einfließen zu lassen, wie nur irgend möglich. Was mich aber wirklich ärgert, ist die Ausführung. Wenn du eine Idee kopierst – mach es genau so gut, wenn nicht besser, als das Vorbild.
Mit Hellgate:London hatte ich Freud und Leid. Von einer unglaublichen Spielfreude am Anfang über Bugs und Patchverschiebungen zu etwas Milderung durch Patches, dann noch mehr Ärger über die Perfomance und irgendwann zu einer kompletten Gleichgültigkeit. Und meine Enttäuschung über Hellgate wird durch die ersten Eindrücke von Diablo 3 noch größer.
Teil 2 erscheint morgen. Darin: Die Fehler von Hellgate, und was Diablo 3 aus ihnen lernen kann. Übersetzt von Doc Deimos.