BlizzardGuru, ein Blog, der sich mit allen Blizzardspielen befasst, hat einen gut gemachten Artikel veröffentlicht, der sich mit Hellgate:London und Diablo 3 beschäftigt. Was sind die gemeinsamen Wurzeln? Was haben uns beide Spiele versprochen und wo sind die Unterschiede? Wird Diablo 3 die Fehler von Hellgate wiederholen? Auf all diese Fragen versucht der Artikel, eine ehrliche Antwort zu geben – aus der Perspektive eines kritischen Spielers und Fans.
Diesen Artikel haben wir für euch exklusiv ins Deutsche übersetzt. Aufgrund seiner Länge haben wir ihn in zwei separate Abschnitte aufgeteilt. Den ersten Teil, der sich vor allem mit der Hintergrundgeschichte von Diablo 3 und Hellgate:London befasst, haben wir euch bereits gestern vorgestelllt. Hier nun der zweite Teil, der sich vor allem darum dreht, wie man die Fehler von Hellgate in Diablo 3 vermeiden kann:
Was hätte sein können
Hier sind also meine Eindrücke und Vergleiche zwischen zwei unterschiedlichen Produkten. Der Maßstab ist, wie jedes Entwicklerteam die Idee eines Diablo 2 der nächsten Generation umzusetzen versucht.
Einiges von dem, was jetzt kommt, erscheint vielleicht unzusammenhängend, aber das kommt von dem unzusammenhängenden Thema. Vielleicht lernt Blizzard daraus, was sie vermeiden sollten.
Erste Idee: Der Story Leben einhauchen, indem Quests und NPCs an Tiefe gewinnen
Hellgate:London bedient sich hier vieler Referenzen an die Popkultur, einer Menge Monty-Python-Humor und der Zwischenszenen mit einem geheimnisvollen Buch.
Diablo 3 macht mit dem weiter, was funktioniniert: Jeder NPC bekommt eine eigene Stimme und das ganze Spiel einen tiefen „Gothic Medievil“-Anstrich. Ich habe ungelogen in der kurzen Unterhaltung mit Cain mehr Leben gesehen als beim komplett Durchspielen von HG:L. Es ist unglaublich, wieviel es ausmacht, wenn ein NPC tatsächlich mit dir spricht. Wenn sie nicht die ganze Zeit versuchen, trendy oder witzig zu sein. HG:L erschlägt dich mit Quests, die dich wiederum mit Textboxen erschlagen, und diese Textboxen bestehen beinahe nur aus Insiderwitzen aus irgendwelchen Fernsehserien oder „Kultfilmen“. Ich hatte streckenweise beinahe Angst vor Quests.
Charakterentwicklung? Hallo? Jessica Summerisle? Ein unglaubliches Intro, damit alle die spannende Geschichte verfolgen wollen, wie ein kleines Mädchen überlebt, natürlich weil sie eine große Rolle in der Rettung der Welt spielen wird… und alles, was sie tut, ist, dich in eine dunkle Höhle zu führen. Damit du da ein „Siegel berühren“ kannst. Sie spielt also eine große Rolle? Soll sie mir gleich einen Kaffee bringen. Die NPCs in Hellgate haben kein Leben, sie könnten genauso gut Backsteine sein. Und dann stehen sie auch noch alle wie gedopt in der Gegend rum – sie klatschen und tanzen, sobald man eine Quest vollendet hat! Düstere Atmosphäre!
Zweite Idee: Interessantere Umgebungen, mehr Interaktivität
Hellgate hat den Schritt hin zu 3D vollzogen – mit einer eigens entwickelten Engine. Bewegungsunschärfe, Distanzeffekte, Rauch. Zerstörbare Kisten, Häuserfronten, Autos. Und immer wieder das Gleiche.
Diablo 3 soll Level bekommen, in denen man sich hoch und runter bewegen kann. Es benutzt eine schon vorhandene Engine, die sich als zuverlässig erwiesen hat, und nutzt deren Eigenschaften: Bäume, Wasser, Wetter, Nebel, Schwerkraft und nicht zuletzt zerstörbare Umgebungen. Die Umgebung in Diablo 3 (die mich etwas an Baldur’s Gate 2 erinnert) steckt voller Liebe zu Detail. In den Räumen liegt Zeug herum, das einfach dort liegen gelassen wurde. Man kann über die Ebene, auf der man sich bewegt, hinaussehen. Und sie zerstören.
Auch in neueren Hellgate-Patches sehen die Gebäude seltsam leer aus – ein einsamer Stuhl oder ein Nachttisch, eine rätselhafterweise funktionierende Lampe. Man hat nicht das Gefühl, eine zerstörte Stadt zu erforschen. Sie ist zu „sauber“. Kein zufällig herumliegender Kram, kein Schutt. Ist das Erste, was die Dämonen schicken, ein Trupp von höllischen Hausmeistern, die erst einmal aufräumen?
Was mich wirklich verstört, ist, dass Diablo 3 schon in dem kurzen Trailer so viel besser aussieht, und dabei ist es in einer isometrischen Perspektive! Wenn eine isometrische Perspektive besser aussieht als ein Spiel in echtem 3D, sollte man sich nicht langsam Sorgen machen?
Dritte Idee: Die Abhängigkeit von Tränken verringern
Hellgate: Nein, danke. Lasst uns einfach die Trank-Typen aus Diablo 2 kopieren – inklusive der unterschiedlichen Stärken.
Diablo 3 führt Heilsphären ein (vielleicht auch andere?). Damit hat Blizzard Tränke ein wenig „überflüssig“ gemacht. Fühlt sich zwar für meinen Geschmack ein wenig zu sehr nach Nintendo an, aber Tränke soll es scheinbar weiterhin geben. Das wird das Spieltempo erhöhen, denke ich. Noch besser, als aber die Abhängigkeit von Tränken zu erhöhen, ist, den Platz für eine vernünftige Hotbar zu nutzen (siehe die nächste Idee).
Hellgate ließ Heiltränke übrigens dadurch sinnlos werden, dass man sie erst gar nicht brauchte, und dann plötzlich, alle Monster so stark waren, dass auch ein Trank nichts mehr nützte.
Vierte Idee: Den Zugang zu den Skills erleichtern
Hellgate hat hier eine einheitliche Hotbar für Skills und Items verwendet.
Diablo 3 scheint eine Hotbar für Skills zu haben, obwohl das bis jetzt nur Spekulation ist. Auf jeden Fall scheint Blizzard es so eingerichtet zu haben, dass man ähnliche Skills angezeigt bekommt, wenn man über eine der Fähigkeiten in der Hotbar fährt, damit man sie während der Action ändern kann. Eine kleine Sache, aber sie wird wohl funktionieren.
In Hellgate hingegen muss man, um irgendetwas in die Hotbar zu ziehen, das Inventar oder das Skillfenster öffnen, und es dann per Hand in die Hotbar ziehen… so langsam, dass es sich tatsächlich zieht. Das dauert doch nicht etwa, oder? Und das Mausrad wechselt nicht etwa Skills, sondern Kameraperspektiven. Wer wechselt mitten im Kampf von der ersten in die dritte Person? Wahrscheinlich alle – versehentlich.
Fünfte Idee: Zufallsquests für einen höheren Wiederspielwert
Hellgate hat dankend verzichtet. Oh, Moment, ich habe den „Broker“ vergessen. Naja, vielleicht doch nicht.
Diablo 3 soll zufallsgenerierte Quests quasi überall bekommen, und dazu noch Untergebiete für diese.
Natürlich ist die Umsetzung in Diablo 3 hier wieder schwer zu bewerten, weil wir erst so wenig gesehen haben, aber Blizzard redet über echte Zufallsquests und nicht über „gehe zu X und besorge mir…“. Ich persönlich glaube, dass sie das auch schaffen werden. Und sei es nur, weil sie gesehen haben, wie schlecht es HG:L erging, als es eben keine Zufallsquests hatte. Die „Gesucht“-Quests erhöhen den Wiederspielwert nicht. Hat man sie alle erfüllt, ist man durch.
Sechste Idee: Die Charaktere individueller gestalten
Hellgate bietet eine komplette Wählbarkeit des Charakters, vom Geschlecht über die Haarfarbe bis hin zum Gewicht. Blizzard lässt die Spieler nur zwischen den Geschlechtern wählen.
Flagship hat den Charakter zwar komplett selbst gestaltbar gemacht, aber warum? Die meisten Kombinationen sehen einfach nicht gut aus. Und das kann jeder sehen, der den Zufallsbutton ein paar Mal betätigt. Wieviele dieser Kombinationen magst du wirklich? Willst du ein fetter Gnom mit einem pinken Irokesen sein? Das schreit nicht gerade „edler Held“. Eher „bikende Lesbe“ – was okay ist, wenn man tatsächlich eine sein sollte, aber ich denke nicht, dass viele davon träumen, eine zu sein. Blizzard hingegen scheint gesagt zu haben „Ihr wollt heldenhaft aussehen? Dann geben wir euch genau das!“
Siebte Idee: Zufallskarten
Hellgate hat Zufallskarten, Diablo 3 wird sie auch haben. Der Unterschied? Die Straßen in Hellgate sehen alle gleich aus. Um ehrlich zu sein, sehen sie auch alle gleich schlecht aus, bis auf die gut gemachten immer gleichen Karten wie das British Museum. Jede Karte, auf der ich in 30 Sekunden vom einen Ende zum anderen komme und gleichzeitig jedem Monster ausweiche, ist einfach schlecht. Keine Sackgassen, keine Abzweigungen, und obwohl es Kurven gibt, läuft man im Endeffekt immer geradeaus. Zufällig? Vielleicht? Spaßig? Nie im Leben.
Und die eigens entwickelte Engine ist die Ursache für viele dieser Probleme. Sie haben versprochen, diese Probleme zu beheben, und es nicht getan. Warum kann man die Level nicht einfach größer machen? Wo ist da der Sinn eines Zufallsgenerators?
Es ist zu früh, um zu sehen, was Blizzard tut, aber sie verwenden die selbe Sprache. Beide Entwicklerteams geben ihren Generatoren eigene Titel. Was Blizzard abgeliefert hat, sieht aber schon nach mehr Tiefe aus als in HG:L. Wieder einmal: Wie kann das bei einem isometrischen Spiel gehen?
Der Tag, als Conny Kramer starb
Diablo 3 und all die Trailer und die anderen Sachen von der WWI zu sehen, war für mich der letzte Nagel im Sarg von HG:L. Ich kann den Gedanken nicht loslassen, dass Flagship die Idee klauen wollte und gescheitert ist. Und dass, wegen all der obigen Dinge, Blizzard dort Erfolg haben wird, wo Flagship es nicht konnte.
Das Problem ist, dass Flagship etwas schaffen wollte, das wirklich cool ist. Das ist die Grundlage von Hellgates Scheitern: Das Spiel wurde als der geistige Nachfolger von Diablo 2 angekündigt, und irgendetwas in mir sagte „auf diese Ideen habe ich so lang gewartet“. Und dann haben sie es nicht hinbekommen. Ich hatte Hoffnung, dass Hellgate es schaffen würde… bis zur WWI. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass ich allein beim Spielen der Beta von Diablo 3 glücklicher werde, als wenn ich Hellgate noch einmal spielen würde. Ich würde heute mein Hellgate gegen ein einziges spielbares Level von Diablo 3 eintauschen. Und ja, ich mag die Grafik, und ihr könnt alle zur Hölle fahren, wenn ihr sie nicht mögt.
28.06.2008 – der Tag, als Hellgate:London starb.
Übersetzt von Doc Deimos