Unsere Kollegen von IGN haben ein sehr aufschlussreiches Interview mit dem Verantwortlichen für die Erschaffung der Diablowelt geführt – Lead World Designer Leonard Boyarsky. Der Entwicklerveteran, der bereits die Welt der Spieleklassiker Fallout & Fallout 2 mitentwickelte, klärt uns darin über seine Arbeit auf. Und er lässt durchblicken, dass die Welt von Diablo 3 weitaus lebendiger, größer und umfangreicher werden wird als die des Vorgängers. So spricht er von unterschiedlichen Kulturen und Städten, die man als Spieler zu Gesicht bekommen wird. Und das Entwicklerteam arbeitet daran, dass die Welt stärker in die Quests und die Charaktere eingebunden wird als im Vorgänger. Dabei betont er, dass man durchaus höchsten Respekt vor den Vorgaben aus Diablo 1 und 2 hat.
Wir übersetzen euch das Interview wieder exklusiv komplett:
Was ist ihre Aufgabe als Lead World Designer, und an welchen Spielen haben Sie in dieser Position bereits gearbeitet?
Als Lead World Designer bin ich für die Hintergrundgeschichte und die Geschichtsschreibung des Spiels verantwortlich. Ich arbeite mit einem der Questdesigner zusammen, der viel Erfahrung in Sachen RPGs besitzt. Wir stellen gemeinsam sicher, dass der Spieler durch die Quests viel von der Geschichte erfährt. Ich arbeite auch mit dem Art Department zusammen – sie kommen oft zu uns und fragen uns „Was ist mit dieser Zivilisation hier oder dieser dort, was ist ihre Geschichte?“. Denn immerhin gibt es eine Menge alte Ruinen und wir bauen auf Städten auf, die es in der Geschichte schon sehr lange gibt. Das Aufbauen einer Welt, so wie wir es machen, von Grund auf und mit einer tief gehenden Geschichte, beeinflusst die künstlerische Gestaltung des Spiels. Und natürlich funktioniert das auch umgekehrt – manchmal kommen die Künstler mit wirklich coolen Ideen zu uns und wir versuchen, das in die Spielwelt einzubauen.
Ich habe als Künstler angefangen, und war danach künstlerischer Leiter für Fallout. Eigentlich war ich da schon eher der kreative Leiter und habe ausgearbeitet, wie die Welt aussehen und sich anfühlen sollte. Im selben Projekt war ich danach Designer, und, bevor wir Troika gründeten, machten wir noch Fallout 2. Mit Troika haben wir Arcanum und Vampire gemacht. Ich habe für diese Spiele viel zu viele Dinge gleichzeitig gemacht, von Animation über Design bis hin zum Producer… aber du musst dich entscheiden, und ich habe immer den Aspekt geliebt, eine Welt zu entwerfen. Und das ist wirklich toll, weil ich bei Blizzard mit großartigen Künstlern arbeiten kann. Normalerweise wollen die Künstler immer ihre Vision durchsetzen, aber bei Blizzard ist es wirklich eine gegenseitige Beeinflussung. Und jeder hat großartige Ideen.
Wie hat sich die Welt während des Designprozesses verändert?
Es gibt natürlich einige Dinge, die in Stein gemeißelt stehen – weil sie in den Vorgängerspielen waren. Aber, und das halte ich für einen Vorteil, wir haben noch viel unberührtes Potenzial in dieser Welt. Von daher sind wir nicht so eingeschränkt, weil wir in den vergangenen Spielen nicht so sehr in die Tiefe gegangen sind und Dinge festgelegt haben. Das gibt uns viel Spielraum.
Es verändert sich immer etwas – und daran muss man sich gewöhnen, weil niemand seine Ideen gerne verwirft. Aber die Blizzard-Philosophie ist, dass die beste Idee sich durchsetzt, egal wer sie hatte. Und das funktioniert sehr gut.
Wie stark müssen sie darauf achten, dass die Welt schlüssig bleibt, sowohl für die Storyinteressierten als auch für die, die nicht auf die Geschichte achten?
Ich denke, dass das das tolle – ich höre mich gerade an wie ein Werbevideo für Blizzard – an dieser Firma ist. Sie hätten ein weiteres Diablo entwickeln können und nur an der Oberfläche kratzen können. Aber Chris Metzen (der kreative Kopf hinter den Spielewelten von Diablo, Starcraft und Warcraft) ist ein großer Verfechter von guten Hintergrundgeschichten. Und den Hardcore-Spielern ist das wichtig. Vielen anderen nicht – aber das darf sich nicht auf den Spielspaß ausüben. Wir haben das im Hinterkopf, wenn wir das Spiel entwickeln.
Viel von dem, was ich in meinen bisherigen Spielen gemacht habe – auch wenn die viel mehr RPG-Elemente wie Dialoge enthalten haben – ist, eine Stimmung für den Spieler zu erzeugen. Der Spieler soll einen guten Eindruck von der Spielwelt haben, sobald er sie betritt, sei es, wie die Leute reden, oder wie die Umgebung aussieht. Diablo 1 hatte diese wirklich unheimliche Horrorstimmung. Diablo 2 hat ein bisschen davon verloren, und wir haben uns die Unterschiede genau angesehen. Das ist ein bisschen das, was wir den Spieler spüren lassen wollen. Und später ist es eine Art von optionaler Geschichte. Wir wollen dem Spieler keine Rätsel in den Weg stellen, bei denen er etwas entziffern muss oder ellenlange Dialoge oder Bücher lesen muss, um sie zu lösen. Aber wenn man innerhalb des Spiels nach Hintergrundinformationen sucht, soll es sie geben. Wir wollen Leute für die Welt interessieren, in der sie spielen. Wir können kleine, spannende Geheimnisse einbauen. Vor allem, weil die Leute das Spiel immer wieder spielen werden. Wenn man sich die Diabloserie ansieht, spielen manche Leute sie jahrelang. Beim ersten Mal interessiert man sich vielleicht nicht für die Geschichte, aber beim fünften Durchspielen entdeckt man dann etwas, das das Interesse weckt.
Und was wäre etwas, das das Interesse der Spieler weckt? Welche Art von „kleinen Geheimnissen“ genau werden sie einbauen?
Woran wir denken, sind Dinge, die man beobachten kann. Beispielsweise, wenn ich an einem gescripteten Event vorbeikomme, oder zwei Personen sich unterhalten oder kämpfen sehen. Das alles gibt mir Informationen über das Spiel, aber ich brauche sie nicht zum Durchspielen. Die Hardcoregamer sind vor allem Zahlenfanatiker. Sie sehen sich das Spiel an und versuchen, das meiste herauszuholen – also wollen wir auch Hinweise in die Story einbauen, wo man beispielsweise die besten Gegenstände finden kann. Natürlich ist das nicht der einzige Weg, das herauszufinden, und sobald das Spiel herauskommt, findet man eh sofort alle Informationen im Internet. Einige Leute wollen es als Actionspiel spielen und das ist gut so. Wir wollen das nicht beeinflussen, sondern denen, die Geschichte wollen, auch welche bieten.
Sie haben Stimmen für die Spielercharaktere eingebaut? Warum?
Wir haben darüber lange nachgedacht und uns viel im Kreis gedreht. Zuerst wollten wir es einbauen, dann wieder nicht, dann doch. Der Grund, weswegen es nun im Spiel sein wird, ist, dass es dem Spielercharakter erlaubt, das Geschehen mehr mitzubestimmen.
Wie viel wird der Spieler denn mitbestimmen können? Wird es Dialogoptionen geben?
Es wird wohl keine geben, aber wir arbeiten an Wegen, wie der Spieler Einfluss auf das nehmen kann, was passiert. Wir wollen nicht, dass der Charakter nur passiv bleibt und sich herumschubsen lässt. Es soll sich so anfühlen, als würde er selbst die Geschichte vorantreiben. Anstatt eines Charakters, der wie in einem Film abläuft, wollten wir jemanden, mit dem man sich mehr identifizieren kann. Wir wollten eine Spannung erzeugen, wirklich dieser Charakter zu sein. Und ob die Spieler das akzeptieren, müssen wir sehen. Es ist ein Risiko…
Braucht man genug Klassen, damit für jeden Spielertyp eine dabei ist?
Ich denke schon. Es ist unser Job, diese Leute ansprechend zu gestalten. Wenn ein Charakter keine Stimme hat, dann hat er keine Substanz und keine Geschichte. Wir legen die Charaktere leer an, damit man etwas in sie hineinprojizieren kann, aber der Nachteil daran ist, dass der Charakter damit auch kein Vorwissen hat. Nichtspielercharaktere müssen ihm alles erklären. Wenn sich zwei Personen unterhalten, die dieses Vorwissen haben, kann der Spieler schneller verstehen, worum es geht. So kann man eine Geschichte viel zusammenhängender erzählen und muss nicht fünf Minuten lang einem NPC zuhören, wie er die Geschichte irgendeines Tempels erzählt. Es hilft uns also, und man kann seinen Charakter auch selbst erkunden: „Woher kommt er, was ist seine Vergangenheit?“. Und das kann jeder Spieler für sich tiefer erforschen – oder eben nicht, und nur spielen.