Wir alle kennen Jay „Then we doubled it“ Wilson als Gamedirector des Diablo 3 Classic. Er wurde viel gescholten für einige wegweisende Entscheidungen welche die Richtung von Diablo 3 vorgaben und das teilweise auch noch heute tun. Wer D3 Classic bzw. Vanilla ab 2012 gespielt hatte, erinnert sich gerne oder ungerne – je nach Sichtweise – an die teils unschaffbaren Schwierigkeitsgrade, etwa wenn Akte oder von T1 auf T2 gewechselt wurden und man ständig sterben musste.
Damals wurde auch das Wort „durchsterben“ so richtig populär und das eher billige Vasen- und Truhenfarming in höheren Schwierigkeitsgraden weil es für mehr nicht reichte. Nun, Diablo 3 ist heute nicht mehr „unschaffbar“ sondern selbst für Gelegenheitsspieler ist heute T10+ gut möglich. Wer die größten Herausforderungen sucht, muss Greater Rifts an der Grenze des persönlich Machbaren spielen.
Seit ein paar Jahren ist Jay Wilson Autor und kümmert sich nicht mehr viel um Gamedesign. In den letzten Tagen kamen vermehrt Tweets und Retweets von Jay Wilson, betreffend Diablo 2 und Diablo 3 auf. Hier eine kurze sinngemässe Zusammenfassung, auf Twitter könnt ihr alles anhand der Timeline nachvollziehen (Englischkenntnisse erforderlich):
T: Wieviel von dem was D3 so gut macht, war bereits im grundlegenden Design festgezurrt?
JW: Kommt drauf an was man unter „festgezurrt“ versteht. Seasons und Rifts waren in einem eher allgemeinen Sinn bereits entworfen. Diablo 3 hat aber stark davon profitiert wie Spieler es nach Release spielten.
T: Die Entscheidungen waren damals sicherlich sinnvoll. (…) Ich habe den Eindruck dass Diablo 3 seitdem in ein eigenständiges Profil hineingewachsen ist.
JW: Da stimme ich zu. Es wäre schön gewesen Diablo 3 mit all den heutigen Änderungen bereits zur Veröffentlichung gehabt zu haben, aber letztlich war es der Lernprozess der zum heutigen Diablo führte. (…) Ein Teil von mir wünscht sich, ich hätte mit Diablo 3 weitergemacht, aber ich war damals ziemlich ausgebrannt ( seit 2006 dabei) und es hat ja auch was für sich wenn sich frische Augen das Spiel anschauen und weiterentwickeln.
T: Wenn man sich das eher Helle, Lichte an Diablo 3 betrachtet, verglichen mit früheren Spielen, war das wohl eine Entscheidung der höheren Management-Etagen?
JW: Nein, da gabs keinen Druck oder Vorgaben seitens des Managements. Ich hatte dort die größte künstlerische Freiheit in meiner gesamten Karriere in der Spieleindustrie.
T: Das Entfernen von Pentagrammen, brennenden Kreuzen und so weiter aus dem Spiel hat sicher was mit PC (Political Correctness) zu tun gehabt.
JW: Nein, wir wollten eine einzigartige Spielewelt entwerfen und kein Abklatsch der Geschichte unserer Erde.
T: Um das abzuschließen: Kein Bedauern über bestimmte spielbestimmende Entscheidungen wie z.B. das AH-Konzept?
JW: Ich kann nicht sagen dass ich nichts bedaure. Manchmal schaue ich mir meine frühere Arbeit an und denke, das hättest Du anders/besser machen können. (…) Was das Aussehen von Diablo 3 betrifft, damit bin ich sehr zufrieden. Für mich ist Diablo 3 ein wunderschönes Spiel, welches die Vorgänger nicht kopiert, ihnen aber visuell Tribut gezollt hat.
T: Ich bin etwas überrascht darüber, dass du nicht an die Fortführung der künstlerischen Grundlage der ersten Diablos geglaubt hast.
JW: Ich denke nicht dass man das über Jahrzehnte beibehalten kann. Was in den 90’er Jahren funktioniert hat, muss in den 2000’ern nicht funktionieren. Die meisten Spiele entwickeln sich von der Anmutung und Grafik her weiter (…) Wahrscheinlich stehe ich jetzt unter Beschuss und ich möchte mir auch nicht anmassen Designfehler in früheren Spielen zu kritisieren, aber Diablo 2 wurde damals beim Herauskommen übrigens ziemlich für sein veraltetes Aussehen kritisiert. (…) Wir haben uns an Fans und Kritik orientiert. Der eher gemalt wirkende Stil von Diablo 3 wurde gewählt, weil er einfach sehr zeitlos ist. Hier gehen die Meinungen wohl auseinander. Entwicklung oder unpassend – offensichtlich bevorzuge ich den Begriff „Entwicklung“.
T: D3 ist eines der wenigen Fortsetzungen in einer erfolgreichen Serie, welches sich stark vom Stil der Vorgänger unterscheidet. Das hat mich überrascht.
JW: Das tatsächliche Problem dürfte darin zu finden sein, dass manche Leute Diablo 3 sehr weit von den vorherigen Spielen entfernt sehen. (..) Aber jetzt möchte ich nicht mehr über Diablo 3 reden (…)
Zwischendurch ergänzte Jay Wilson noch, dass man damals definitiv kein Diablo 2.5 machen wollte. Sie hätten es anfangs in diese Richtung entwickelt, aber es fühlte sich einfach schlecht an. Das könnte erklären warum man z.B. das grundlegend andere Itemization-Konzept über das Skill-Konzept gestellt hat um die Charakterentwicklung voranzutreiben. Schließlich teilte er mit, dass er keinen engeren Kontakt mehr zum Dev-Team bei Diablo 3 habe. So wurde auch er von D1 in D3 überrascht.
Vielleicht geht die Entwicklung ja wieder in die andere Richtung mit einem D4. Auch Spieleentwickler haben keine Glaskugel und können nicht voraussehen wie sich was genau entwickelt. Was meint Ihr? Ist ein Skillkonzept auf lange Sicht tragfähiger als ein itembasiertes Entwicklungskonzept? Oder eine Mischung aus beidem?